Aktenzeichen 432 C 2769/16
BKleingG BKleingG § 1 Abs. 1, § 9
Leitsatz
1. Es liegt ein die ordentliche Kündigung rechtfertigender erheblicher Verstoß des Kleingartenpächters gegen eine der wesentlichen Verpflichtungen aus dem Pachtvertrag iVm dem BKleingG vor, wenn weit weniger als 1/3 der Parzellenfläche nicht kleingärtnerisch iSv § 1 Abs. 1 BKleingG genutzt wird (hier: 25-30 qm von 240 qm). Des Hinzutretens weiterer Vertragsverstöße bedarf es grundsätzlich nicht. (redaktioneller Leitsatz)
2. Sofern ein Pächter aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen daran gehindert ist, die Bewirtschaftung der Parzelle selbst durchzuführen, ist es ihm grundsätzlich zumutbar, sich hierbei, ggf. entgeltlich, der Hilfe Dritter zu bedienen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, die Parzelle 056 der Kleingartenanlage NO 053, an der … zu räumen und an den Kläger herauszugeben.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 340,00 € vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 340,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die zum örtlich und sachlich zuständigen Amtsgericht München erhobene Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Räumung Herausgabe der verfahrensgegenständlichen Parzelle nach §§ 546 Abs. 1, 581 Abs. 2 BGB.
Der Pachtvertrag zwischen den Parteien wurde durch die ordentliche Kündigung vom 14.08.2014 zum 30.11.2015 beendet.
Die Kündigung ist formell und gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG auch materiell wirksam.
Der Beklagte verletzte vorliegend seine vertragliche Verpflichtung zur kleingärtnerischen Nutzung der Parzelle erheblich. Denn unstreitig wurden weit weniger als 1/3 der Parzellenfläche nicht kleingärtnerisch i.S.v. § 1 Abs. 1 BKleingG genutzt. Von den rund 240 m² der gepachteten Parzelle waren 2014 unstreitig maximal 25-30 m² mit Gartenerzeugnisses für den Eigenbedarf (Obst und Gemüse) bepflanzt, mithin kleingärtnerisch genutzt (vgl. BGH NJW-RR 2004, 1241).
Es kann daher dahinstehen, ob die Parzelle zudem erhebliche Bewirtschaftungsmängel i.S. einer starken „Verunkrautung“ aufwies. Der Beklagte hat insoweit zwar bestritten, dass die Parzelle wie eine Müllhalde ausgesehen habe, immerhin aber eingeräumt, u.a. im Jahr 2014 das Pachtobjekt aus Gründen beruflicher Belastung und gesundheitlicher Einschränkungen nicht gut gepflegt zu haben.
Nach Überzeugung des Gerichts ist der erhebliche Verstoß gegen eine der wesentlichen Verpflichtungen aus dem Pachtvertrag i.V.m. dem BKleingG als ausreichender Kündigungsgrund zu erachten. Des Hinzutretens weiterer Vertragsverstöße bedarf es grundsätzlich nicht.
Nicht entscheidungserheblich ist zudem, aus welchen Gründen der Beklagte nicht dazu in der Lage war, auch nur annähernd 1/3 der gepachteten Parzelle kleingärtnerisch zu nutzen. Denn sofern ein Pächter aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen daran gehindert ist, die Bewirtschaftung der Parzelle selbst durchzuführen, ist es ihm grundsätzlich zumutbar, sich hierbei – ggf. entgeltlich – unterstützen zu lassen, also der Hilfe Dritter zu bedienen.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte vor der Kündigung immerhin zweifach abgemahnt worden ist, aber gleichwohl nicht für Abhilfe gesorgt hat.
Die in den Abmahnungen gesetzten Fristen von insgesamt ca. 2 1/2 Monaten (13.05.2014 bis 31.07.2014) und die sodann noch bis zum Ausspruch der Kündigung verstrichene Zeit bis zur ordentlichen Kündigung vom 14.08.2014 – insgesamt also rund 3 Monate – hätten nach Meinung des Gerichts auch durchaus ausgereicht, um den Garten gerade in Bezug auf den Umfang der kleingärtnerischen Nutzung den gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen anzupassen (mind. 1/3 Obst und Gemüse).
Nicht nachvollziehbar ist im Übrigen, warum die Durchführung des Heckenzuschnitts den Beklagten an der ausreichenden kleingärtnerischen Nutzung gehindert haben soll. Denn obwohl der Heckenzuschnitt längst abgeschlossen ist, erfolgt immer noch keine ausreichende kleingärtnerische Nutzung. Ein Heckenzuschnitt kann zudem grundsätzlich innerhalb weniger Tage abgeschlossen werden. Es wäre dann immer noch ausreichend Zeit gewesen, sich um die Bepflanzung des Grundstücks zu kümmern.
Unerheblich ist auch, ob in Bezug auf andere Parzellen ebenfalls Vertragsverstöße auftreten. Nicht ersichtlich ist hier, dass die Klägerin in Bezug auf einen erheblichen Teil der Parzellen der Kleingartenanlage die Nichteinhaltung wesentlicher Vorgaben des BKleingG hinnimmt. Dies ist weder dem insoweit pauschalen Vortrag der Beklagtenpartei oder den vorgelegten Lichtbildern anderer Parzellen zu entnehmen noch sonst ersichtlich.
Im Übrigen würde sich die Klagepartei hierdurch grundsätzlich auch nicht ihres Kündigungsrechts begeben („keine Gleichheit im Unrecht“).
Die Anlage B1 (Bl. 31 ff. d.A.) enthält im Übrigen bezüglich des hier maßgeblichen Kündigungsgrundes lediglich einen Verweis auf den Garten Nr. 91, in dem „ebenfalls keineswegs 33% Anbaufläche“ gegeben sei, also kein hinreichender Anteil an Bepflanzung mit Obst und Gemüse vorgenommen sei. Die Auflistung des Beklagten beinhaltet daher nur einen weiteren (behaupteten) Verstoß gegen die Verpflichtung zur kleingärtnerischen Nutzung.
Eine etwaige Treuwidrigkeit der Kündigung kann daher vorliegend ebenfalls nicht angenommen werden.
Die Kündigung beendete das Pachtverhältnis allerdings nicht bereits zum 30.11.2014 sondern erst zum 30.11.2015. Der Verweis des Beklagten auf § 9 Abs. 2 Nr. 1 BKleingG ist insoweit völlig zutreffend; die Kündigung hätte spätestens am 31.07.2014 ausgesprochen werden und zugehen müssen – nicht erst am 14.08.2014 – um noch zum 30.11.2014 Wirkung zu entfalten.
Eine Fortsetzung des Pachtverhältnisses nach §§ 545, 581 Abs. 2 BGB ist überdies nicht anzunehmen.
Einer Fortsetzung des Pachtverhältnisses aufgrund gesetzlicher Fiktion steht bereits entgegen, dass der Kläger hier hinreichend deutlich und rechtzeitig der Fortsetzung des Pachtverhältnisses widersprochen hat. Ein solcher Widerspruch ist hier jedenfalls im Schreiben vom 30.10.2015 zu sehen.
Unerheblich ist dabei, dass dieses Schreiben noch vor Ablauf der Kündigungsfrist erstellt und an den Beklagten übersandt wurde.
Denn nach zutreffender h.M. muss ein Vermieter/Verpächter nicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist warten, um seinen Widerspruch zum Ausdruck zu bringen. Dies wäre bloße Förmelei. Der Widerspruch kann vielmehr – wie jede fristgebundene Erklärung – bereits vor Fristbeginn, also auch vor Vertragsbeendigung erklärt werden (Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 12. Aufl., § 545 Rdn. 25). Dies gilt nach einer älteren und strengeren Entscheidung des Bundesgerichtshofs jedenfalls dann, wenn die Erklärung „in zeitlichem Zusammenhang mit dem Ablauftermin geschehen“ ist (BGH NJW-RR 1986 1020). Nach den inzwischen gelockerten Vorgaben der Rechtsprechung ist dies nicht einmal mehr erforderlich (vgl. BGH NJW 2010, 2124).
Unschädlich ist auch, dass der Beklagte dem Vorstand der Klagepartei zugesagt haben will, bis zum Februar 2015 sämtliche ausstehenden Arbeiten vollumfänglich zu erledigen (Bl. 28 d.A.). Selbst wenn ein solches Gespräch stattgefunden hätte, könnte dies weder als konkludente Abstandnahme von der Kündigung noch als Einigung über die Fortsetzung des Pachtverhältnisses gewertet werden. Ein derart weitreichender Rechtsbindungswille ist nicht ersichtlich, zumal die hier entscheidende Pflichtverletzung des Beklagten weder im Jahr 2015 noch bis zum heutigen Tage abgestellt worden ist.
Die Klage ist daher begründet.
II.
Die Kostenfolge beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
III.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 ZPO.
Für die Sicherheitsleistung wurde eine Jahrespacht zugrunde gelegt.
§ 708 Nr. 7 ZPO ist auf Pachtverhältnisse nicht anwendbar (Thomas/Putzo-Seiler, ZPO, 35. Aufl., § 708 Rdn. 8).
IV.
Eine Räumungsfrist konnte nicht gewährt werden. Zwar gilt § 721 Abs. 1 ZPO auch für Pachtverhältnisses. Bei Kleingartenparzellen ist jedoch grundsätzlich nicht von Wohnraum auszugehen.
V.
Für den Streitwert ist eine Jahrespacht zugrunde zu legen, mithin also 340,00 €, § 41 Abs. 1 GKG.