Aktenzeichen L 7 AS 326/17 ZVW
SGB II § 22
Leitsatz
Zum Anspruch eines Vermieters auf Miete gegenüber dem Jobcenter, wenn der Leistungsbezieher nach dem SGB II seine Miete nicht zahlt.
Verfahrensgang
S 19 AS 179/14 2015-03-18 Urt SGMUENCHEN SG München
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. März 2015 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Klage-, Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.
I.
Das Berufungsgericht weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Lediglich ergänzend und zusammenfassend wird zu der vortrefflichen Darstellung der Sach- und Rechtslage im Urteil des Sozialgerichts Folgendes ausgeführt:
1. Der Kläger hat keine eigenen Ansprüche auf Zahlung der Miete.
a) Er hat keine vertragliche Beziehung zum Beklagten, insbesondere gibt es keinen Schuldbeitritt des Beklagten zum Mietvertrag. Das vom Kläger angeführte Urteil des BGH vom 07.05.2015, Az. III ZR 304/14, betrifft einen Schuldbeitritt eines Sozialhilfeträgers im Rahmen eines sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses zwischen dem Sozialhilfeträger, dem Hilfeempfänger und einem Leistungserbringer. Diese Entscheidung knüpft an die Rechtsprechung des BSG in Sozialhilfesachen an, insbesondere an BSG, Urteil vom 28.10.2008, B 8 SO 22/07 R. Das BSG hat den Schuldbeitritt des Leistungsträgers zum privaten Heimvertrag zwischen dem Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer wegen der sozialhilferechtlichen Besonderheiten bejaht, namentlich dem Sachleistungsprinzip und der Gewährleistungspflicht in der Sozialhilfe (vgl. §§ 35, 75 Abs. 2 und 3 SGB XII). Diese Rechtsprechung lässt sich nicht auf das SGB II übertragen, weil es dort diese Besonderheiten nicht gibt. Insbesondere besteht vorliegend keine Verpflichtung des SGB II-Leistungsträgers, dem Leistungsberechtigten eine Unterkunft zu verschaffen (vgl Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr. 42; Berlit in LPK-SGB II, 6. Aufl 2017, § 22 RdNr. 19). Bei den Leistungen nach § 22 SGB II handelt es sich um eine Geldleistung (Berlit, aaO, RdNr. 18). Nur eine solche wurde schließlich vorliegend vom Beklagten bewilligt.
b) Auch eine Direktzahlung der Wohnungsmiete nach § 22 Abs. 7 SGB II verschafft dem Vermieter keinen eigenen Leistungsanspruch.
Eine Direktzahlung erfolgt nach entsprechendem Antrag des allein antragsberechtigten Leistungsempfängers (Satz 1) oder wegen der Gefahr zweckwidriger Verwendung der Mittel durch den Leistungsempfänger (Satz 2). Obwohl § 22 Abs. 7 S. 4 SGB II nur von einer Pflicht zur Mitteilung der Direktzahlung an den Leistungsempfänger spricht, ist hierzu eine gesondert anfechtbare Verfügung der Behörde, also ein Verwaltungsakt, erforderlich (BSG, Urteil vom 23.05.2013, B 4 AS 67/12 R, Rn. 10; Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 228). Dieser Verwaltungsakt ist mit Schreiben vom 25.09.2012 für die Zeit von 01.11.2012 bis 31.01.2013 gegenüber den Beigeladenen erfolgt. Die Zahlungen für diese Zeit sind auch an den Kläger erfolgt. Entgegen der Auffassung des Klägers gilt dies auch für die Leistung für Unterkunft und Heizung für den Monat November 2012, die dem Konto des Klägers am 30.10.2012 gutgeschrieben wurde. Mit dieser Zahlung kommt der Beklagte seiner Verpflichtung gegenüber den Beigeladenen nach dem SGB II nach, wonach die Leistungen monatlich im Voraus erbracht werden sollen (§ 41 Abs. 1 S. 4 SGB II). Insoweit tilgt der Beklagte insbesondere keine Schulden der Beigeladenen aus dem zwischen dem Kläger und den Beigeladenen geschlossenen Mietvertrag, so dass dieses Schuldverhältnis schließlich keine Grundlage für die vom Kläger iE gewünschte Tilgungsbestimmung nach § 366 Abs. 2 BGB sein kann.
Der Vermieter enthält mit einer Direktzahlung nur eine Empfangsberechtigung. Mit der Direktzahlung an den Vermieter erbringt die Behörde eine Leistung an den Leistungsberechtigten (LSG Bayern, Urteil vom 21.01.2013, L 7 AS 381/12). Der Vermieter kann aus einer Direktzahlung keinen eigenen Anspruch auf Zahlung der Miete geltend machen. Dem entspricht, dass § 22 Abs. 7 S. 4 SGB II keine Mitteilung an den Vermieter verlangt. Im Gegenzug muss der Vermieter auch nicht befürchten, bei Rechtswidrigkeit der Bewilligung von der Behörde auf Rückzahlung der Miete in Anspruch genommen zu werden (vgl. LSG Bayern a.a.O.).
c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 8 SGB II. Es fehlt schon an einem Bescheid hierzu. Es fehlt auch an einem dafür erforderlichen Antrag der Leistungsberechtigten (BSG, Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 58/09 R, Rn. 14). Der Kläger hat als Vermieter kein eigenes Antragsrecht. Es handelt sich um eine Leistung für Leistungsberechtigte – deren persönlicher Lebensbereich „Wohnen“ soll geschützt werden und sie werden in der Regel mit einem Darlehen und einer Aufrechnung belastet, § 22 Abs. 8 S. 4, § 42a SGB II.
2. Der Kläger hat auch keinen Zahlungsanspruch aus abgetretenem Recht. Die vom Kläger erhobene echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG ist teils unzulässig, teils unbegründet
a) Eine Abtretung von den Teilen der Sozialleistung oberhalb der Pfändungsfreigrenze für Arbeitseinkommen nach § 53 Abs. 3 SGB I – hier ist die allgemeine Leistungsklage zulässig aber unbegründet – kommt nicht in Betracht, weil Arbeitslosengeld II grundsätzlich nicht pfändbar ist (Rechtsgrundlage strittig vgl. Seiler in Eicher, a.a.O., § 43 Rn. 19: über § 54b Abs. 4 SGB I i.V.m.§§ 850c, 850f Abs. 1 Buchst a ZPO oder analog § 17 Abs. 1 S. 2 SGB XII), zumindest im vorliegenden Fall die bewilligte Leistung mit monatlich maximal 1267,- € unter den Grenzen des § 850c Abs. 1 ZPO lag.
b) Im Übrigen enthält § 19 des Mietvertrags schon keine zivilrechtliche Abtretung. Satz 1 und 2 der Regelung enthalten eine Zustimmung der Mieter zu einer Direktzahlung an den Vermieter. Das ist gerade keine Abtretung des Leistungsanspruchs, sondern zielt lediglich auf eine Empfangsberechtigung im Sinne von § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II. Diese ist allerdings nicht wirksam, weil die Direktzahlung gemäß § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II vom Leistungsberechtigten bei der Behörde beantragt werden muss. Insoweit kann Satz 3 der Regelung, wonach der Vermieter berechtigt ist, den Mietvertrag der Behörde vorzulegen, allenfalls zu einer Direktzahlung nach § 22 Abs. 7 S. 2 SGB II führen. Die mit Satz 4 der Regelung vereinbarte Verpflichtung, der Behörde die Abtretung von Wohngeld und/oder Mietzuschüssen von sich aus offen zu legen, geht ins Leere, weil § 19 des Mietvertrags eine Abtretung von Arbeitslosengeld II nicht enthält. Dies lässt sich auch nicht dergestalt nach §§ 133, 157 BGB auslegen, dass § 19 wegen dieses Satzes eine Abtretung enthalten müsse, weil den Mietern ein derartiger Vertragswille nicht unterstellt werden kann und die vorangegangenen Sätze dafür sprechen, dass mit Satz 4 von § 19 allenfalls ein Antrag der Mieter an die Behörde auf Direktzahlung gemeint war.
c) Die Klage aus abgetretenem Recht gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I ist schon unzulässig. Ein Anspruch hieraus kann – unabhängig von der fehlenden Abtretung – nicht bestehen, weil es an der gesonderten Feststellung des wohlverstandenen Interesses nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I fehlt. Hierzu ist ein gestaltender Verwaltungsakt erforderlich, der nicht rückwirkend erstritten werden kann, wenn die Leistung in vollem Umfang bereits an den Leistungsberechtigten selbst erbracht wurde. Für eine allgemeine Leistungsklage auf Auszahlung der Sozialleistung an den vermeintlich neuen Gläubiger (Zessionar) besteht schon kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn eine Abtretung – wie hier – von dieser Feststellung abhängig ist (BSG, Urteil vom 29.01.2014, B 5 R 36/12 R, Rn. 19). Die Verfügung vom 25.09.2012 zur Direktzahlung enthält keine Feststellung zu einer Abtretung.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO. § 197a SGG ist anwendbar, weil der Kläger als Vermieter der Leistungsempfänger selbst kein Leistungsempfänger oder ein Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I gemäß § 183 SGG ist. Gerade die Beschränkung der Kostenprivilegierung auf die Sonderrechtsnachfolger eines verstorbenen Leistungsberechtigten nach § 56 SGB I zeigt, dass eine behauptete schlichte Abtretung von Leistungsansprüchen nicht zu einer Kostenprivilegierung führt. Der Kläger ist unterlegen, § 154 Abs. 1 VwGO. Ein Beteiligtenwechsel innerhalb einer Instanz nach § 183 S. 2 SGG liegt nicht vor. Die an § 193 SGG orientierte Kostenentscheidung des Sozialgerichts war zu berichtigen. Soweit der Kläger nun auch für das Klageverfahren Kosten zu tragen hat, ist dies zulässig, weil für Kostenentscheidungen das Verbot der reformatio in peius nicht gilt (vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig ua, SGG, 12. Aufl 2017, § 193 Rn 2a).
III.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.