Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Mieterhöhung auf Grund einer Modernisierungsmaßnahme bei nicht vollständig abgeschlossenen Arbeiten

Aktenzeichen  2 C 799/14

Datum:
27.1.2017
Fundstelle:
GE – 2017, 233
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nördlingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 556 Abs. 1
BGB aF § 554 Abs. 3 S. 3, § 559 Abs. 1
EGBGB EGBGB Art. 229 § 29 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine Modernisierungsmaßnahme nach § 559 Abs. 1 BGB muss, wenn sie nicht in Teilabschnitte aufgegliedert ist, komplett abgeschlossen sein. Ein entsprechendes Mieterhöhungsverlangen gem. §§ 559 Abs. 1, 559b Abs. 1 BGB ist dann unwirksam, wenn die Modernisierungsmaßnahme z. B. auch durch unzureichende Bauausführung – selbst in geringem Umfang (hier: 5-8 %) – noch nicht gänzlich abgeschlossen ist. (amtlicher Leitsatz)
2. Rest- oder Gewährleistungsarbeiten von parallel durchgeführten Instandsetzungsmaßnahmen stehen dem Abschluss der Modernisierungsmaßnahme nicht entgegen. (amtlicher Leitsatz)
3. Um eine einheitliche Modernisierungsmaßnahme handelt es sich, wenn die Modernisierungsmaßnahme nach Art, Umfang und Willen des Vermieters/Bauherrn in einem einheitlich-abgrenzbaren und ggf. zeitlichen Zusammenhang erfolgt. (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens steht nicht entgegen, dass die Rechtsnachfolgerin des ursprünglichen Vermieters als neue Eigentümerin die erhöhte Miete verlangt. Auch der neue Eigentümer und jetzige Vermieter kann die Mieterhöhung nach § 559 Abs. 1 BGB verlangen, selbst wenn die Modernisierungsmaßnahme vom bisherigen Vermieter begonnen und – selbst vor Eintritt des neuen Eigentümers in das Mietverhältnis gem. § 566 BGB – komplett abgeschlossen wurde. Es kommt ausschließlich darauf an, wer Eigentümer der durch die Modernisierungsmaßnahme verbesserten Immobilie ist. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klägerin hat für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf die begehrte, erhöhte Miete. Das Mieterhöhungsverlangen vom 22.02.2013 ist unwirksam, da die Modernisierungsmaßnahme noch nicht komplett abgeschlossen war.
1. Anzuwendendes Recht
Vorliegend ist – auf Grund der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 29 Abs. 1 EGBGB – § 559 BGB i. d. F. bis zum 30.04.2013 anzuwenden, da die Modernisierungsankündigung dem Beklagten bis zum 30.04.2013 zugegangen ist. Vorliegend handelt es sich – schon ausweislich des Gesamtinvestitionsvolumens von knapp 400.000,00 EUR – offensichtlich nicht um eine Bagatellmaßnahme i. S. des § 554 Abs. 3 Satz 3 BGB a. F.
2. Unwirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens vom 22.02.2013
Die Klägerin kann, mangels komplett abgeschlossener Modernisierungsmaßnahme eine Erhöhung der bisherigen Miete nicht verlangen, § 559 Abs. 1 BGB. Das Mieterhöhungsverlangen vom 22.02.2013 ist insoweit unwirksam.
a. Gesamtmodernisierungsmaßnahme
Zunächst geht das Gericht davon aus, dass es sich vorliegend um eine einheitliche Modernisierungsmaßnahme handelt. Eine solche liegt dann vor, wenn die Modernisierungsmaßnahme nach Art, Umfang und Willen des Vermieters/Bauherrn in einem einheitlich-abgrenzbaren und ggf. zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Hiervon zu unterscheiden sind abschnittsweise (thematisch abgrenzbar und/oder zeitlich divergierende) Modernisierungen, wie z. B. die reine Installation einer Heizungsanlage im Herbst und eine angekündigte spätere energetische Modernisierung der Wohnungsaußen-fernster im Frühjahr. Will der Vermieter in mehreren Abschnitten modernisieren, muss sich dies aus der Modernisierungsankündigung (§ 555c Abs. 1 BGB) deutlich ergeben. Insofern ist für die Beurteilung in erster Linie die Modernisierungsankündigung des Vermieters (hier: Schreiben der Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 18.01.2012, Bl. 37/52 d. A.) entscheidend, aus der sich – für den Mieter erkenntlich – nachvollziehbar ergeben muss, mit welchen konkreten Maßnahmen (und damit verbundenen Einschränkungen) er zu rechnen hat und wann diese voraussichtlich abgeschlossen werden. Anhand dieser Darstellung lässt sich in der Regel dann erkennen, ob abschnittsweise Modernisierungen vorgesehen sind.
Ausgehend von diesem Maßstab ergibt sich vorliegend die Annahme einer Gesamtmodernisierungs-maßnahme, da der Vermieter/Bauherr in sämtlichen Bereichen der Immobilie parallel Modernisierungen in Auftrag gab (Heizung/Fenster/Dach) ohne diese thematisch zu trennen. Zudem wurde im Ankündigungsschreiben eine Gesamtdauer für alle vorzunehmenden Bauarbeiten angegeben. Auch wurde im Ankündigungsschreiben terminologisch stets von einer Maßnahme gesprochen, beginnend am 23.04.2012 bis voraussichtlich zum 14.12.2012 mit dem vorrangigen Ziel einer „deutliche[n] Ersparnis von Heizenergie“. Aus diesem beabsichtigten Ziel der Maßnahme wird ebenso deutlich, dass die Modernisierung als Gesamtkonzept verfolgt wird, ohne dass thematisch-abgrenzbare Bereiche einer Modernisierung unterliegen sollen.
Letztlich sieht das Ankündigungsschreiben eine Aufstellung der angestrebten Einzelmaßnahmen vor, ohne jedoch zeitlich oder auch thematisch darauf hinzuweisen, dass abschnittsweise bestimmte (zusammenhängende) Arbeiten begonnen oder abgeschlossen werden (vgl. hierzu auch die „Zeitplanung“, Bl. 45 ff. d. A.). Insoweit spricht für die Einschätzung einer einheitlichen Gesamtmodernisierungsmaßnahme auch, dass die Klägerin schlussendlich erst nach Beendigung der Bauarbeiten gegenüber den Mietern ein Mieterhöhungsverlangen stellte und nicht vorab für Einzelabschnitte während der Bauphase jeweils eigenständige Einzelerhöhungsverlangen, was jedoch – unter Vorbehalt weiterer Mieterhöhungen – erforderlich gewesen wäre, BGH, NJW 2015, 934.
b. Klägerin als Mieterhöhungsberechtigte
Anders als der Beklagte meint, kann die Klägerin als Rechtsnachfolgerin die Mieterhöhung gem. § 559 Abs. 1 BGB geltend machen, selbst dann, wenn der Beklagte von der Rechtsnachfolge erstmals im Mieterhöhungsschreiben vom 22.02.2013 und von der notariellen Bestätigung der Rechtsnachfolge erstmals im Klageverfahren Kenntnis erlangt hat. § 566 Abs. 1 BGB gestaltet unmittelbar zum Zeitpunkt der Veräußerung der Immobilie (hier: 14.02.2013, vgl. notarielle Bescheinigung vom 26.02.2013 = Anlage K 2, Bl. 36 d. A.) ein neues Mietverhältnis zwischen dem Immobilienerwerber und dem ehemaligen Mieter kraft selbständigen Rechts. Auf eine Kenntnis des Mieters kommt es ausdrücklich nicht an (vgl. hierzu auch Palandt-Weidenkaff, BGB, § 566 Rn. 16). Insoweit steht der Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens nicht entgegen, dass die Firma der Klägerin zum Zeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens dem Beklagten unbekannt war, zumal mit dem Mieter und dem dinglichen Erwerber im Augenblick des Eigentumsübergangs ein neuer – inhaltsgleicher – Mietvertrag entstand, vgl. BGH, ZMR 2012, 856 (857), Rn. 25; BGH, NJW 2000, 2346; Spielbauer/Schneider-Krenek, § 566 Rn. 47 f. Einzig entscheidend ist der dingliche Eigentumsübergang, der – letztlich unstreitig – am 14.02.2013 erfolgte.
Der Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin als neue Eigentümerin die erhöhte Miete verlangt. Auch der neue Eigentümer und jetzige Vermieter kann die Mieterhöhung nach § 559 Abs. 1 BGB verlangen, selbst wenn die Modernisierungsmaßnahme vom bisherigen Vermieter begonnen und – selbst vor Eintritt des neuen Eigentümers in das Mietverhältnis gem. § 566 BGB – komplett abgeschlossen wurde. Es kommt ausschließlich darauf an, wer Eigentümer der durch die Modernisierungsmaßnahme verbesserten Immobilie ist (zutreffend KG Berlin, NJW-RR 2001, 81; Spielbauer/Schneider-Sc/?ne/der, Mietrecht, § 559 Rn. 37).
c. Unwirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens vom 22.02.2013
Auf die unter Ziff. I. 2. b. aufgeführten Erwägungen kommt es im Ergebnis jedoch nicht an, da das Mieterhöhungsverlangen mangels kompletten Abschlusses der Modernisierungsmaßnahme unwirksam ist und damit eine Erhöhung der Miete zum 01.05.2013 ausscheidet.
Ungeachtet des Umstandes, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin im Rahmen des Modernisierungsschreibens vom 18.02.2012 ankündigte, erst „nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahme die Miete … [zu] erhöhen“, ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 559 Abs. 1 BGB, dass der Vermieter eine Mieterhöhung erst nach der Durchführung der Modernisierungsmaßnahme geltend machen kann. Dies setzt voraus, dass die jeweilige Modernisierungsmaßnahme insgesamt abgeschlossen ist (vgl. BGH, NJW 2015, 934 zu abgeschlossenen Teil-Modernisierungen; Spielbau-er/Schneider-5c/?ne/der, Mietrecht, § 559a Rn. 21). Eine Mieterhöhung „nach Baufortschritt“ ist zwar generell möglich (s. Ziff. I. 2. a), aber nur dann, wenn das Gesamtvorhaben aus mehreren selbstständigen Maßnahmen besteht, die der Mieter getrennt nutzen kann und sich der Vermieter die folgenden Erhöhungen jeweils ausdrücklich vorbehält. Dieser Sachverhalt liegt hier ersichtlich nicht vor.
Vorliegend liegt ein kompletter Abschluss der Modernisierungsmaßnahme nach Überzeugung des Gerichts nicht vor.
Zunächst ergibt sich bereits aus dem Akteninhalt (vgl. Lichtbilder, Bl. 81 ff. d. A.), dass die baulichen Maßnahmen in der Wohnung des Beklagten noch nicht vollends beendet sind. Dabei ist jedoch zu unterscheiden, ob an der Immobilie noch Rest- oder Mängelbeseitigungsarbeiten von Instandsetzungen zu erledigen sind. Alleine solche stehen einem Abschluss der Modernisierungsarbeiten und damit der Wirksamkeit eines Mieterhöhungsverlangens gem. § 559 Abs. 1 BGB nicht entgegen (insoweit unbeachtlich die „Mängel“ auf den Lichtbildern Bl. 82/86 und 702/704 d. A., wonach im Wesentlichen Fliesen, Bodenleisten und zerrissene Tapeten noch nicht wiederhergestellt wurden). Entscheidend für den Abschluss der Modernisierungsmaßnahme i. S. des § 559 Abs. 1 BGB ist vielmehr die (Wieder-)Nutzbarkeit der Wohnung durch den Mieter sowie die tatsächliche (energetische) Verbesserung auf Grund der Modernisierung, wobei es auf den konkreten Vorteil bzw. eine Erhöhung des Wohnwerts des einzelnen Mieters nicht ankommt. Vielmehr muss die ökologische Zielsetzung der Modernisierungsmaßnahme (nachhaltige Einsparung von Energie) erreicht worden sein. Diesen Maßstab zugrunde legend geht das Gericht davon aus, dass die verfahrensgegenständliche Modernisierungsmaßnahme im Umfang von 5-8 % noch nicht abgeschlossen ist. Das Gericht stützt seine Überzeugung im Wesentlichen auf die nachvollziehbaren Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen, sodass das Gericht – auch anhand der vorgelegten Lichtbilder – eine eigene Einschätzung vornehmen kann. Danach, und entsprechend den Angaben des gerichtlich bestellten Sachverständigen im Erörterungstermin vom 02.12.2016, wird deutlich, dass insbesondere die neuen Fenster (v. a. die Anschlussfugen) weder die erforderliche Dichtigkeit hinsichtlich einer Energieersparnis (Wärmeerhaltung) noch die zu beabsichtigte Lärmreduzierung aufweisen. Der Sachverständige hat hierzu festgestellt, dass die Anschlussfugen nicht luft-, schall- und dampfdicht sind, auch, da auf Grund der Verwendung eines ungeeigneten Bauschaums bzw. eine unzureichende Fugenabdichtung die Schallnebenwege nicht dauerhaft funktionsgerecht abgedichtet sind. Insgesamt sind neun Fenster der Wohnung des Beklagten von diesen Beanstandungen betroffen. Zudem fehlen an der Kellerdecke Wärmedämmungen im Umfang von ca. 0,60 qm. Insgesamt wurden die noch nicht erfolgten Modernisierungsmaßnahmen durch den Sachverständigen auf 5-8 % beziffert.
Die Modernisierungsmaßnahme ist daher – wenn auch nur in einem Umfang von 5-8 % – noch nicht komplett abgeschlossen, sodass eine Mieterhöhung nach § 559 Abs. 1 BGB i. V. m. § 559b Abs. 1 BGB ausscheidet. Von dem Erfordernis einer komplett abgeschlossenen Modernisierungsmaßnahme vor Erklärung des Mieterhöhungsverlangens nach § 559b Abs. 1 BGB kann schon aus Mieterschutzgesichtspunkten – auch nicht auf Grund des geringen Umfangs der noch ausstehenden Maßnahme -abgesehen werden. Es obliegt dem Vermieter, den Abschluss der Modernisierungsmaßnahme darzulegen und zu beweisen und vor einem Mieterhöhungsverlangen zu prüfen. Es ist nicht ersichtlich, warum diese „Gefahr des nicht erfolgten gänzlichen Abschlusses“ – zumindest zum Teil – auf den Mieter übertragen werden soll. Denn auch im konkreten Fall wird deutlich, dass der Vermieter, bis jetzt, also knapp vier Jahre nach Beendigung der Baumaßnahme, davon ausgeht, dass die Modernisierungsmaßnahme abgeschlossen ist. Würde man, auch bei geringen „Nacharbeiten bezogen auf die Modernisierungsmaßnahme“ (anders bei Rest- bzw. Gewährleistungsarbeiten bei Instandsetzungsmaßnahmen) dem Vermieter dennoch die Möglichkeit – vorab – zur Mieterhöhung zubilligen, müsste der Mieter durch die erhöhten Mietzahlungen in Vorleistung gehen, ohne dass der eigentlich beabsichtigte energetische Vorteil und damit die Grundlage für die Mieterhöhung eintritt. Hierfür gibt es keinen Anlass, zumal das Gesetz auch einen Schutz des Mieters durch „Minderung der Mieterhöhung“ nicht vorsieht. (…)

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