Aktenzeichen 3 C 916/16
Leitsatz
1. Die Untervermietung einer Wohnung an Touristen ohne Zustimmung des Vermieters stellt eine zur fristlosen Kündigung berechtigende Pflichtverletzung des Mieters dar. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Diese Pflichtverletzung wiegt so schwer, dass eine vorherige Abmahnung dem Vermieter gemäß § 543 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB nicht zumutbar ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, die im 1. Obergeschoß rechts des Anwesens … in … gelegene 2-Zimmer-Wohnung zu räumen und mit 3 Haustür-, 5 Zimmer- und 2 Briefkastenschlüsseln an die Klägerin in vertragsgemäßem Zustand herauszugeben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 413,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.10.2016 zu bezahlen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 3.600,00 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 12, 13 ZPO. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 23 Nr. 2 GVG.
II.
Die Klage ist begründet. Der Beklagte ist verpflichtet, die Wohnung an die Klägerin geräumt herauszugeben.
Die Parteien haben einen Mietvertrag nach § 535 BGB geschlossen. Nach § 546 Abs. 1 BGB ist der Mieter verpflichtet, zum Ende der Mietzeit die Mietsache an den Vermieter herauszugeben.
1. Das Mietverhältnis wurde durch die fristlose Kündigung der Klägerin vom 23.05.2016 beendet.
a) Entgegen der Meinung des Beklagten war es ausreichend, die Kündigung alleine ihm gegenüber zu erklären. Wie aus dem selbst gefertigten Schreiben des Beklagten vom 08.01.2007 hervorgeht, beantragte der Beklagte selbst bei der Klägerin die Entlassung seiner Ehefrau aus dem Mietvertrag. Wie die Parteien übereinstimmend vortragen, hat in der Zukunft alleine der Beklagte die Miete entrichtet. Eine Aufhebungsvereinbarung, durch die der eine Mieter aus einem Mietvertrag entlassen wird, kann formlos, unter anderem durch konkludentes Verhalten geschlossen werden. Durch den Auszug der Ehefrau des Beklagten und dessen Entlassungsantrag an die Klägerin, bzw. die über 10 Jahre erfolgte Weiterbezahlung der Miete durch den Beklagten sieht das Gericht als erwiesen an, dass das Mietverhältnis mit der Ehefrau des Beklagten aufgehoben wurde. Daher konnte auf die angebotene Zeugin … verzichtet werden. Da sie aber keine Partei im Mietverhältnis mehr war, war es nicht notwendig, die Kündigung auch ihr gegenüber zu erklären.
b) Eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund ist nach § 543 Abs. 1, Abs. 3 BGB gegeben, wenn der Mieter seine Pflichten aus dem Mietvertrag in einem Maße verletzt, was die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unter Abwägung der Interessen beider Parteien unzumutbar macht.
Eine Pflichtverletzung, die generell zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist nach Ansicht des Gerichts gegeben. Die unerlaubte Inserierung und Untervermietung der Wohnung stellt eine erhebliche Verletzung der vertraglichen Pflichten dar, die der Klägerin nicht zumutbar ist (LG Berlin vom 27.07.2016, Az.: 67 S 154/16; LG Berlin vom 03.02.2015, Az.: 67 T 29/15; AG Charlottenburg vom 07.12.2015, Az.: 237 C 280/15). Durch die unerlaubte entgeltliche Untervermietung maßt sich der Mieter grundlegende Rechte des Vermieters an, indem er selbst eine Gebrauchsüberlassung vornimmt. Die Rechtsverletzung ist umso größer, als der Beklagte laut Profilbeschreibung auch in Abwesenheit bereit war, die Wohnung gänzlich Fremden zu überlassen und damit der Klägerin die Kontrolle über die eigene Mietsache komplett zu entziehen. Auch erschwerend zu berücksichtigen ist, dass die Untervermietung der Wohnung mehrfach, nachweislich dreimal erfolgte. Ein Verhalten, mit dem er sich als Eigentümer der Mietsache geriert, stellt eine erhebliche Pflichtverletzung dar und ist an sich geeignet, eine fristlose Kündigung zu begründen. Zudem nimmt die Rechtsprechung bereits das Inserieren der Wohnung bei Untervermietungsportalen als schwerwiegende, eine fristlose Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung an (LG Berlin vom 27.07.2016, Az.: 67 S 154/16; LG Berlin vom 03.02.2015, Az.: 67 T 29/15; AG Charlottenburg vom 07.12.2015, Az.: 237 C 280/15). Die schwerwiegende Anmaßung der Eigentümerrechte erfolgt nämlich bereits durch die dauerhafte, in diesem Fall etwa ein Jahr umfassende Darbietung der Wohnung auf dem Markt.
Auch erfolgte die Gebrauchsüberlassung nach Ansicht des Gerichts gewerbsmäßig und mit Erwerbsabsicht. Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn der Mieter die Mietsache für eine gewisse Dauer in einem gewissen Umfang zum Bestreiten des Lebensunterhalts überlässt. Da der Beklagte selbst geäußert hat, durch die Untervermietung einen Teil der eigenen Miete decken zu wollen, liegt eine Überlassung zum Bestreiten des eigenen Lebensunterhaltes vor. Da die Wohnung etwa ein Jahr lang im Internet angeboten wurde, liegt auch eine nicht mehr unerhebliche Dauer vor.
c) Eine Abmahnung war im vorliegenden Fall nach Ansicht des Gerichts nicht erforderlich. Zwar muss ein Mieter vor dem Ausspruch einer verhaltensbedingten fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 3 S. 1 BGB grundsätzlich abgemahnt werden. Eine Abmahnung erfolgte im vorliegenden Fall nicht. Die Erfordernis einer Abmahnung besteht jedoch in den Fällen der unerlaubten Untervermietung nicht, wenn der Mieter die Mietsache an fremde Touristen mehrfach überlässt (LG Berlin vom 18.11.2014, Az.: 67 S 360/14; ähnlich LG Berlin vom 03.02.2015, Az.: 67 T 29/15) und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht erwartet werden kann. Das ist auch dann der Fall, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Mieter nicht zur Gebrauchsüberlassung an Dritte befugt war (Schmidt-Futterer/Blank, 12. Aufl. 2015, BGB, § 543 Rn. 75–77).
Auf eine Abmahnung kann nur verzichtet werden, wenn sie offensichtlich erfolglos bleiben würde oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass eine Abmahnung unzumutbar erscheint (§ 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BGB). Nach Ansicht des Gerichts fehlt es zwar an der Offensichtlichkeit nach § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BGB. Eine kategorische Weigerung des Beklagten zur Unterlassung der Untervermietung liegt nicht vor. Es mag zwar richtig sein, dass der Beklagte das Inserat erst wenige Wochen nach Erhalt der Kündigung entfernt hat, jedoch ist diese Zeitverzögerung nicht ausreichend, um eine unterlassene Abmahnung als offensichtlich entbehrlich erscheinen zu lassen.
Jedoch wiegt die Pflichtverletzung nach Ansicht des Gerichts derart schwer, dass eine Abmahnung der Klägerin nicht zugemutet werden konnte. Der Beklagte hat die Wohnung fast ein Jahr lang unbemerkt und unerlaubt wiederholt an Dritte überlassen. Er hat diese Tätigkeit als „Kompensation“ seiner Kosten verstanden, sodass im Vordergrund eine finanzielle, gewerbsmäßige Motivation stand. Die entgeltliche Gebrauchsüberlassung ist das ureigene Recht der Klägerin. Auch ist es unerheblich, wie häufig eine Überlassung tatsächlich erfolgte. Alleine die Tatsache der Inserierung begründet die schwerwiegende Pflichtverletzung (LG Berlin vom 18.11.2014, Az.: 67 S 360/14; ähnlich LG Berlin vom 03.02.2015, Az.: 67 T 29/15). Auch muss berücksichtigt werden, dass der Beklagte selbst nach Erhalt der Kündigung das Inserat nicht sofort entfernte. Es ist zwar dem Beklagten zuzugestehen, sich über sein Verhalten rechtlich beraten zu lassen. Jedoch ist nicht ersichtlich, warum der Beklagte zunächst nicht hätte das Angebot entfernen und nach eventuell positiver rechtlicher Beratung das Inserat wieder freischalten können. Vielmehr ist aufgrund der Gesamtumstände davon auszugehen, dass der Beklagte zunächst ungeachtet der Kündigung die Wohnung weiterhin anbieten wollte und sich dann durch seinen Prozessvertreter umstimmen ließ. Jedoch soll nach Ansicht des Gerichts jedem pflichtbewussten Mieter spätestens zum Zeitpunkt des Erhalts einer fristlosen Kündigung gerade aus diesem Grund erkennbar sein, dass eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung an Dritte möglicherweise nicht erlaubt ist und die Tätigkeit zumindest bis zur Klärung der Sache sofort eingestellt werden soll.
2. Die fristlose Kündigung kann jedoch nicht auf die verspätete Mietzahlung gestützt werden. Der Beklagte erklärte schriftsätzlich, dass die verzögerten Zahlungen bereits seit zwei Jahren nicht mehr erfolgten. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte geltend gemacht, dass die Zahlungen mindestens seit einem Jahr pünktlich erfolgen. Die Klägerin hat diese Angabe nicht bestritten. Die unpünktliche Zahlung der Miete kann zwar einen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen. Eine unzumutbare Interessenlage seitens der Klägerin, die eine ordentliche Kündigung ausschließt, ist jedoch nach Ansicht des Gerichts auf keinen Fall gegeben, wenn keine Mietrückstände bestehen und die Mietzahlungen seit geraumer Zeit termingerecht erfolgen.
3. Auch die geltend gemachte Abstellung eines Schuhschranks im Treppenhaus kann die fristlose Kündigung nicht stützen. Ungeachtet der Behauptung, ob der Schuhschrank die Fluchtwege behindert hat, hätte dieses Verhalten durch die Klägerin vor Ausspruch der fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 3 S. 1 BGB abgemahnt werden müssen. Zwar behauptete die Klägerin, eine Abmahnung ausgesprochen zu haben. Das wurde jedoch vom Beklagten bereits in der Klageerwiderung bestritten. Für den Ausspruch einer Abmahnung ist die Vermieterin beweispflichtig. Diesen Beweis hat sie im späteren Verfahren nicht erbracht.
4. Das vom Beklagten betriebene Reisebegleitungsunternehmen geht nach glaubhafter Darstellung des Beklagten mit keinem Parteiverkehr in der Wohnung einher. Vielmehr findet die Aktivität aufgrund der Natur der Sache außerhalb der Wohnung statt. Die Tatsache, dass der Beklagte ein Unternehmen betreibt und im Impressum seine Anschrift angibt, bedeutet noch keinesfalls, dass er die Wohnung der Klägerin über den vertragsgemäßen Gebrauch hinaus in Anspruch nimmt. Derartige Behauptungen hat auch die Klägerin nicht aufgestellt. Die Art des Unternehmens an sich legt jedoch einen vertragswidrigen Gebrauch nicht nahe, da ein Reisebegleiter seinen Beruf gerade nicht in der eigenen Wohnung, sondern auf Reisen mit der Kundschaft ausübt.
III.
Da der Hauptantrag Erfolg hatte, musste über den Hilfsantrag nicht mehr entschieden werden.
Die Nebenforderungen ergeben sich aus § 288 Abs. 1 BGB. Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind nach den Regeln eines Verzugsschadens erstattungsfähig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.