Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Notveräußerung von Grundstücken grundsätzlich zulässig

Aktenzeichen  64 T 323/17

Datum:
24.10.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 155104
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StPO § 111l Abs. 1, § 111p Abs. 4 S. 3

 

Leitsatz

Eine Anwendung des § 111 l Abs. 1 StPO auf Grundstücke erscheint zwar grundsätzlich möglich. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass aus dem Wortlaut des § 111p Abs. 4 S. 3 StPO nF zu schließen ist, dass der Reformgesetzgeber durch die Neuformulierung die Einbeziehung von Grundstücken in den Kreis der einer Notveräußerung zugänglichen Gegenstände klarstellen wollte. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 K 62/17 2017-07-28 AGREGENSBURG AG Regensburg

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 28.07.2017, 1 K 62/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

1. In dem gegen … geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Augsburg, Aktenzeichen 501 Js 124983/10, erließ der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Augsburg am 30.09.2010 zur Sicherung der den Verletzten erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB, § 111 b Abs. 1, Abs. 5, § 111 e Abs. 1 StPO (in der damals geltenden Fassung) einen Beschlagnahmebeschluss (61 Gs 3579/10) betreffend das beim Amtsgericht Cham, Zweigstelle Waldmünchen im Grundbuch von Untergrafenried, Band Blatt als Flurstück … eingetragene Grundstück … in …. Im Grundbuch eingetragener Eigentümer ist der Antragsgegner. Die Beschlagnahme wurde am 26.10.2010 in das Grundbuch eingetragen und damit gemäß § 111 c Abs. 3 StPO vollzogen. Am 22.02.2017 erließ das Amtsgericht Augsburg in dem gegen den Antragsgegner geführten Strafverfahren 25 Cs 501 Js 130635/11 einen seit 10.03.2017 rechtskräftigen Strafbefehl wegen Beihilfe zum Bankrott der anderweitig Verfolgten. Daiser gegen den Antragsgegner. In dem Strafbefehl wurde in Anwendung des § 111 i Abs. 2 StPO (in der damals geltenden Fassung) festgestellt, dass hinsichtlich des mit Beschluss vom 30.09.2010 beschlagnahmten Grundstücks des Antragsgegners nur deshalb nicht auf Verfall erkannt wurde, weil dem Verfall Ansprüche eines Verletzten entgegenstehen. Ebenfalls am 22.02.2017 erließ das Amtsgericht Augsburg im gegen den Antragsgegner geführten Strafverfahren einen Beschluss nach § 111 i Abs. 3 Satz 1 StPO (in der damals geltenden Fassung), in dem die Beschlagnahme des Grundstücks für drei Jahre aufrechterhalten wurde.
Mit Verfügung vom 29.05.2017 ordnete die Staatsanwaltschaft Augsburg gegenüber dem Antragsgegner nach § 111 I Abs. 2 Satz 1 StPO (in der damals geltenden Fassung) die Notveräußerung des vorgenannten Grundstücks an. Ein Rechtsbehelf des Antragsgegners gegen die Verfügung ging nicht ein. Mit Schreiben vom 26.06.2017 beantragte die Vollstreckungsabteilung der Staatsanwaltschaft Augsburg unter dem Aktenzeichen 501 Js 130635/11 VA beim Vollstreckungsgericht des Amtsgerichts Regensburg, das vorgenannte Grundstück „im Wege der Notveräußerung nach § 111 I Abs. 1 StPO i.V.m. § 864 ZPO zwangszuversteigern“. Zur Begründung ihres Antrags führte die Staatsanwaltschaft Augsburg aus, auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück befinde sich ein im Eigentum des Schuldners stehender unfertiger Rohbau. Das Gebäude sei seit der Beschlagnahme nicht genutzt worden und den Witterungseinflüssen ausgesetzt. Durch fehlendes Lüftungsverhalten sei das Gebäude bereits stark geschädigt und von Schimmel befallen. Das dem Antrag beigefügte Gutachten des Staatlichen Bauamts Regensburg vom 23.05.2017 empfehle einen schnellstmöglichen Verkauf, um eine weitere Schädigung bzw. völlige Entwertung der Bausubstanz zu vermeiden.
Das Amtsgericht Regensburg entschied über den Antrag ohne Anhörung des Antragsgegners mit Beschluss vom 28.07.2017. Der Beschlusstenor lautet: „Der Antrag der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 26.06.2017 auf Anordnung des Zwangsversteigerungsverfahrens wird zurückgewiesen“. Zur Begründung führte das Amtsgericht im Wesentlichen aus:
Der Antrag der Staatsanwaltschaft Augsburg sei unzulässig. Für die Anordnung der Notveräußerung als Voraussetzung für deren Durchführung sei die Staatsanwaltschaft oder das bereits mit der Hauptsache befasste Strafgericht zuständig. Ein Nachweis, dass eine solche Anordnung der Notveräußerung durch die Staatsanwaltschaft bereits erfolgte, liege dem Antrag nicht bei. Auch für die Durchführung der Notveräußerung sei nach § 111 I Abs. 5 Satz 2 StPO die Staatsanwaltschaft oder das mit der Hauptsache befasste Strafgericht zuständig. Ungeachtet dessen unterlägen nach § 111 c Abs. 2 StPO beschlagnahmte Immobilien nicht der in § 111 I Abs. 5 Satz 1 StPO geregelten Notveräußerung, da Immobilien weder in Gewahrsam genommen noch nach § 814 ZPO verwertet würden. Zwar werde in Teilen der Literatur auch die Meinung vertreten, dass eine analoge Anwendung auf nach § 111 c Abs. 1 StPO beschlagnahmte Grundstücke in Betracht komme. Jedoch könne die Notveräußerung des Grundstücks dann in der Praxis allenfalls durch einen freihändigen Verkauf nach § 825 ZPO in Verbindung mit § 111 I Abs. 5 Satz 3 StPO erfolgen, nicht jedoch durch eine Zwangsversteigerung nach den Vorschriften des ZVG, da insoweit gesetzliche Regelungen fehlten. Eine Notveräußerung eines Grundstücks nach § 111 I StPO per Zwangsversteigerung sei gesetzlich nicht geregelt und sei auch nicht in analoger Anwendung des ZVG durchführbar. Das ZVG setze grundsätzlich das Bestehen einer Forderung voraus, aus der die Zwangsversteigerung betrieben werde. Im vorliegenden Fall bestehe jedoch kein Zahlungsanspruch. Es fehle eine Forderung, aus der die Zwangsversteigerung betrieben werden könne.
Der Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 28.07.2017 wurde der Staatsanwaltschaft Augsburg am 10.08.2017 zugestellt. Mit Schreiben vom 11.08.2017, beim Amtsgericht Regensburg per Fax eingegangen am selben Tag, legte sie sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 28.07.2017 ein. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Voraussetzungen für die Durchführung der Notveräußerung durch die am 29.05.2017 erfolgte Anordnung der Notveräußerung geschaffen seien. Entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts sei § 111 I Abs. 1 StPO alte Fassung auch auf unbewegliche Gegenstände anwendbar. Bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Notveräußerung könne auch ein beschlagnahmtes Grundstück veräußert werden. Das Argument, es müsse eine Forderung bestehen, sei angesichts der Regelungen zur Teilungsversteigerung nicht stichhaltig. Eine andere Möglichkeit der Grundstücksversteigerung als die Zwangsversteigerung sei nach § 869 ZPO nicht vorgesehen, da eine Versteigerung durch den Gerichtsvollzieher bzw. ein freihändiger Verkauf nach §§ 803, 816, 825 ZPO nur bei beweglichen Sachen zulässig sei.
Das Amtsgericht Regensburg hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 14.08.2017 nicht abgeholfen und sie dem Landgericht Regensburg zur Entscheidung vorgelegt. Das Landgericht Regensburg hat bei der Staatsanwaltschaft Augsburg mit Verfügung vom 25.08.2017 eine Kopie der Notveräußerungsanordnung mit Rechtskraftvermerk angefordert. Die Staatsanwaltschaft Augsburg übersandte daraufhin mit Schreiben vom 30.08.2017 eine Abschrift ihrer in Anwendung des § 111 I Abs. 4 StPO (alte Fassung) getroffenen Anordnung der Notveräußerung vom 29.05.2017. Diese enthält keinen Rechtskraftvermerk. Zur Erläuterung führte die Staatsanwaltschaft Augsburg aus, die Anordnung der Notveräußerung enthalte keinen Rechtskraftvermerk, weil der Betroffene gegen die Anordnung eine gerichtliche Entscheidung nach § 111 l Abs. 5 Satz 1 StPO alte Fassung bzw. nunmehr § 111 o Abs. 2 StPO neue Fassung durch einfache, nicht fristgebundene Beschwerde gemäß § 304 StPO beantragen könne. Die Anordnung der Notveräußerung vom 29.05.2017 sei dem Betroffenen mit Rückantwortschein zugestellt worden. Der Betroffene habe dagegen bislang keine gerichtliche Entscheidung beantragt.
Der Antragsgegner wurde zum Beschwerdevorbringen nicht angehört.
2. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 28.07.2017 ist gemäß §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das Amtsgericht hat den zum Zwecke der Notveräußerung gestellten Antrag auf Zwangsversteigerung des im Eigentum des Antragsgegners stehenden Grundstücks zutreffend als unzulässig angesehen. Es hat dabei in der angefochtenen Entscheidung ausweislich ihrer Gründe nicht lediglich die Anordnung, sondern auch die mit dem Antrag erstrebte weitere Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens zu Recht abgelehnt.
a) Gemäß § 14 EGStPO gilt das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) nicht für Verfahren, in denen bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes im Urteil oder Strafbefehl festgestellt wurde, dass deshalb nicht auf Verfall erkannt wird, weil Ansprüche eines Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB (alte Fassung) entgegenstehen. Demnach sind vorliegend nicht die mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) am 01.07.2017 in Kraft getretenen Neuregelungen des StGB und der StPO anzuwenden, sondern die bis zum 30.06.2017 geltenden Regelungen. Allerdings ergäbe sich aus der Anwendung der ab dem 01.07.2017 geltenden Neuregelungen kein anderes Ergebnis für die Beschwerdeentscheidung. Bei den nachfolgend genannten Vorschriften des StGB und der StPO handelt es sich, soweit nicht anders angegeben, um die bis zum 30.06.2017 geltenden Gesetzesfassungen.
b) Nach § 111 I Abs. 1 Satz 1 StPO dürfen Vermögenswerte, die nach § 111 c StPO beschlagnahmt oder aufgrund eines Arrests (§ 111 d StPO) gepfändet wurden, vor der Rechtskraft des Urteils veräußert werden, wenn ihr Verderb oder eine wesentliche Minderung ihres Wertes droht oder ihre Aufbewahrung, Pflege oder Erhaltung mit unverhältnismäßigen Kosten oder Schwierigkeiten verbunden ist. Nach § 111 I Abs. 1 Satz 3 StPO tritt der Erlös an die Stelle der beschlagnahmten oder gepfändeten Vermögenswerte. Nach der (hier am 29.05.2017 durch die zuständige Staatsanwaltschaft Augsburg gemäß § 111 I Abs. 2 Satz 1 StPO getroffenen) Anordnung der Notveräußerung erfolgt ihre Durchführung gemäß § 111 I Abs. 5 Satz 1 StPO nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Verwertung einer gepfändeten Sache. Dabei tritt an die Stelle des Vollstreckungsgerichts (§ 764 ZPO) nach Erhebung der öffentlichen Klage das mit der Hauptsache befasste Gericht, im Ermittlungsverfahren und nach Rechtskraft des Urteils (beziehungsweise Strafbefehl, § 410 Abs. 3 StPO) die Staatsanwaltschaft (§ 111 I Abs. 5 Satz 2 StPO). Nach § 111 I Abs. 5 Satz 3 StPO kann die nach § 825 ZPO (freihändiger Verkauf) zulässige Verwertung von Amts wegen oder auf Antrag angeordnet werden.
Ob auch Grundstücke als unbewegliche Sachen den Vermögenswerten im Sinne des § 111 I Abs. 1 Satz 1 StPO unterfallen, ist in der Literatur umstritten (bejahend Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, Rz. 1 zu § 111 I; Huber in: Beck’scher Online-Kommentar StPO, Graf, 27. Edition, Stand: 01.01.2017, Rz. 1 zu § 111 I) und in der Rechtsprechung, soweit ersichtlich, bisher nicht entschieden worden. Dafür spricht, dass ein Grundstück einen Vermögenswert darstellt und – wie hier geschehen – nach § 111 b, 111 c Abs. 3 StPO beschlagnahmt werden kann. Gegen die Einbeziehung von Grundstücken in den Kreis der einer Notveräußerung zugänglichen Gegenstände spricht entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch nicht, dass gemäß § 111 I Abs. 5 Satz 1 StPO die Durchführung der Notveräußerung nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Verwertung einer wegen einer Geldforderung „gepfändeten Sache“ erfolgt. Diese Gesetzesformulierung deutet nur scheinbar darauf hin, dass im Hinblick auf § 803 Abs. 1 Satz 1 ZPO („Die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen erfolgt durch Pfändung“) nur bewegliche Sachen erfasst sein könnten. Tragfähig erscheint ein solcher Schluss jedoch nicht. Denn die „Pfändung“ ist ihrem Wesen nach der „Beschlagnahme“ im Sinne der Immobiliarvollstreckungsregeln (§§ 20 ff. ZVG) gleichzustellen (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 ZVG und §§ 136, 135 BGB; Gruber in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, Rz. 30 zu § 803). Bejahte man die Frage, ob auch Grundstücke der Regelung des § 111 I Abs. 1 Satz 1 StPO unterfallen können, stellte sich allerdings die weitere Frage, wie ihre Notveräußerung zu erfolgen hätte. Entsprechende, ausdrücklich Grundstücke nennende Verwertungsvorschriften enthält die StPO nämlich nicht. Die Zivilprozessordnung legt für die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen in §§ 864 bis 871 ZPO lediglich Grundsätze fest; die maßgeblichen Einzelregelungen zur Vollstreckung in Grundstücke ergeben sich im Wesentlichen aus dem Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG). Aus dem Hinweis in § 869 ZPO auf das ZVG („Die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung werden durch ein besonderes Gesetz geregelt.“) in Verbindung mit § 866 Abs. 1 ZPO („Die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück erfolgt durch Eintragung einer Sicherungshypothek für die Forderung, durch Zwangsversteigerung und durch Zwangsverwaltung.“) ergibt sich, dass das ZVG als Teil der ZPO zu verstehen ist (vgl. Dörndorfer in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, Rz. 1 zu § 869). Aus der Stellung des § 869 ZPO in Buch 8 der Zivilprozessordnung, Abschnitt 2 („Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen“) ergibt sich ebenso wie aus den Regelungen des ZVG (insbesondere §§ 10, 16, 20 Abs. 1 ZVG), dass Zwangsversteigerungen oder Zwangsverwaltungen grundsätzlich nur zur Vollstreckung auf Geld gerichteter Ansprüche in Betracht kommen. Eine Ausnahme hiervon bildet jedoch die in §§ 180 ff. ZVG geregelte Teilungsversteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft, die keinen zugrunde liegenden Geldanspruch voraussetzt.
Aus den vorgenannten Gründen erscheint dem Beschwerdegericht eine Anwendung des § 111 I StPO auf Grundstücke als grundsätzlich möglich. Dass allerdings aus dem Wortlaut des § 111 p Abs. 4 Satz 3 StPO neue Fassung („Für die Notveräußerung gelten im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Verwertung von Gegenständen sinngemäß.“) zu schließen ist, dass der Reformgesetzgeber durch die Neuformulierung die Einbeziehung von Grundstücken in den Kreis der einer Notveräußerung zugänglichen Gegenstände klarstellen wollte, muss aufgrund der unten wiedergegebenen Ausführungen zum Reform-Gesetzentwurf zu § 111 p Abs. 4 StPO neue Fassung bezweifelt werden (siehe nachfolgend Seite 8, viertletzte bis vorletzte Zeile des kursiv gedruckten Textes).
c) All dies kann jedoch vorliegend dahinstehen. Denn jedenfalls verneint § 111 I Abs. 5 Satz 2 StPO ausdrücklich eine Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts bei der Durchführung einer Notveräußerung. Denn gemäß § 111 I Abs. 5 Satz 2 StPO tritt „an die Stelle des Vollstreckungsgerichts (§ 764 der Zivilprozessordnung)“ nach Erhebung der öffentlichen Klage das mit der Hauptsache befasste Gericht, im Ermittlungsverfahren und nach Rechtskraft des Urteils (beziehungsweise Strafbefehl, § 410 Abs. 3 StPO) die Staatsanwaltschaft. Somit ist das Vollstreckungsgericht, das im Zwangsversteigerungsverfahren des ZVG nach § 15 ZVG die Zwangsversteigerung anzuordnen und anschließend nach Maßgabe der weiteren Vorschriften des ZVG durchzuführen hätte, weder für die Anordnung der Zwangsversteigerung noch für die weitere Durchführung eines der Notveräußerung dienenden Verwertungsverfahrens zuständig (wegen des Fehlens des vollstreckungsrechtlichen Unterbaus grundsätzlich kritisch zur Anwendung des § 111 I StPO auf Grundstücke: Löwe-Rosenberg/Johann, 26. Auflage 2014, Rz. 29 zu § 111 I). Vielmehr ist, wenn man die entsprechende Anwendbarkeit des § 111 I StPO auf Grundstücke bejaht, davon auszugehen, dass es nach der hier erfolgten Beschlagnahme des Grundstücks durch den Ermittlungsrichter und der Anordnung der Notveräußerung durch die Staatsanwaltschaft überhaupt keiner Anordnung der Zwangsversteigerung mehr bedarf (vgl. § 20 Abs. 1 ZVG, sie wirkt ebenfalls als Beschlagnahme) und die weiteren Verwertungshandlungen in die ausschließliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Augsburg fallen.
Die sich daraus ergebenden Probleme (Zuständigkeit einer außerhalb des Anwendungsbereichs der Notveräußerung nicht mit der Durchführung von Zwangsversteigerungen oder sonstigen Verwertung von Grundstücken befassten Behörde statt Zuständigkeit des regelmäßig mit der Durchführung von Zwangsversteigerungen nach dem ZVG befassten Vollstreckungsgerichts) sind aus Sicht des Beschwerdegerichts nicht durch. Analogien, sondern allein durch den Gesetzgeber lösbar (so wohl auch Löwe-Rosenberg/Johann, a.a.O., Rz. 29). Dass dieser mit der Neuregelung des § 111 p Abs. 4 StPO (dessen Sätze 1 und 3 lauten: „Die Durchführung der Notveräußerung obliegt der Staatsanwaltschaft. … Für die Notveräußerung gelten im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Verwertung von Gegenständen sinngemäß“) nunmehr Abhilfe geschaffen hat, ist nicht ersichtlich. In der Bundestagsdrucksache 18/9525 vom 05.09.2016 heißt es in der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung zu § 111 p Abs. 1 und Abs. 4 StPO neue Fassung:
Zu Absatz 1
Nach Satz 1 kann die Notveräußerung künftig bereits erfolgen, wenn ein „erheblicher“ Wertverlust droht. Die Grenze ist jedenfalls bei einem drohenden Wertverlust von zehn Prozent erreicht. Vor allem bei elektronischen Geräten und Kraftfahrzeugen ist damit eine frühzeitige Verwertung geboten. Bei beweglichen Sachen wird allerdings vorrangig die Herausgabe nach § 111 n Absatz 2 StPO-E zu prüfen sein. Satz 2 stellt klar, dass die Rechte an dem veräußerten Gegenstand sich am Erlös fortsetzen. Die Regelung übernimmt das geltende Recht insoweit ohne inhaltliche Änderung (vgl. § 111 I Absatz 1 Satz 3 StPO).
Zu Absatz 4
Die Vorschrift regelt die Durchführung der Notveräußerung. Sie ersetzt den bislang geltenden § 111 I Absatz 5 StPO. Zuständig ist die Staatsanwaltschaft, die ihre Ermittlungspersonen mit der, Durchführung beauftragen kann (Satz 2). Es liegt damit in der Hand der Strafverfolgungsorgane, in welcher Weise und durch wen sie die Notveräußerung durchführen lassen. Sie sind weder auf die Möglichkeiten nach der Zivilprozessordnung noch auf den Gerichtsvollzieher beschränkt. Vielmehr können sie die Notveräußerung auch auf andere Weise oder durch andere (private) Personen (z.B. gewerbliche Verwerter) anordnen. Eine ausdrückliche Regelung wie im geltenden Recht (§ 111 I Absatz 5 Satz 4 StPO) ist aufgrund der Neufassung der Durchführungszuständigkeit in Satz 1 entbehrlich. Im Übrigen sind nach wie vor (vgl. § 111 I Absatz 5 Satz 1 StPO) die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Verwertung einer gepfändeten Sache (§§ 814 ff. ZPO) sinngemäß anwendbar (Satz 3). Die Staatsanwaltschaft kann mithin nach wie vor den Gerichtsvollzieher mit der Veräußerung beauftragen. Auch der freihändige Verkauf (§ 825 ZPO) ist weiterhin zulässig.
§ 111 I Abs. 5 Satz 2 StPO verneint ausdrücklich eine Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts bei der Durchführung der Notveräußerung. Angesichts der klaren Gesetzesformulierung „An die Stelle des Vollstreckungsgerichts (§ 764 der Zivilprozessordnung) tritt …“ lässt sich eine Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts auch nicht auf einem Umweg über § 111 I Abs. 5 Satz 1 StPO („Die Notveräußerung wird nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Verwertung einer gepfändeten Sache durchgeführt“) begründen, zumal sich auch aus den vorstehend wiedergegebenen Ausführungen der Bundesregierung zum Reform-Gesetzentwurf keine Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts für eine der Verwertung von Grundstücken dienende Zwangsversteigerung entnehmen lässt.
Demzufolge hat das Amtsgericht Regensburg den Antrag auf Zwangsversteigerung des im Eigentum des Antragsgegners stehenden Grundstücks wegen fehlender Zuständigkeit zu Recht als unzulässig angesehen und zurückgewiesen.
3. Die Beschwerde war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wurde zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat, auch erfordert sie zur Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

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