Aktenzeichen 7 AR 67/16
Leitsatz
1. Das Interesse an der Feststellung einer ausländischen Entscheidung wird nicht dort bekannt, wo der Antrag gestellt wird, sondern dort wo die ausländische Entscheidung geltend gemacht wird oder geltend gemacht werden soll. (amtlicher Leitsatz)
2. Die Zuständigkeit für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen mit nicht vermögensrechtlichen Inhalten, zu denen auch die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung über die Adoption Volljähriger zählt, ist speziell in § 108 FamFG geregelt, so dass diese Vorschrift § 187 FamFG vorgeht (Parallelentscheidung zu OLG Nürnberg BeckRS 2016, 03659). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
7 AR 78/16 2015-11-12 Bes AGNUERNBERG AG Nürnberg
Gründe
Oberlandesgericht Nürnberg
7 AR 67/16
Beschluss
vom 01.02.2016
7 AR 78/16
Gerichtsabteilung (Familie)
OLG Nürnberg Beschluss vom 01.02.106 Az.: 7 AR 67/16; 7 AR 78/16
In der Familiensache
ergeht durch das Oberlandesgericht Nürnberg – 7. Zivilsenat und Senat für Familiensachen – durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Bayerlein, den Richter am Oberlandesgericht Brauner und die Richterin am Amtsgericht Mahall am 01.02.2016 folgender Beschluss
1. Der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg – Abteilung für Familiensachen – vom 12. November 2015 wird aufgehoben.
2. Das Verfahren wird an das Amtsgerichts Nürnberg – Abteilung für Familiensachen – zurückgegeben.
Gründe:
I.
Mit Entscheidung vom 2. Mai 2014 hat das Gericht in Rom die Annahme des M. V. M. S., geboren am …, als Kind durch die Antragstellerin, H. M., geboren am …, ausgesprochen. Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 1. Oktober 2015 – eingegangen beim Amtsgericht Nürnberg am 12. Oktober 2015 – hat H. M. beim Amtsgericht Nürnberg beantragt, die italienische Adoptionsentscheidung anzuerkennen.
Die Antragstellerin besitzt die deutsche sowie die italienische Staatsangehörigkeit. Der Angenommene ist Italiener. Die Antragstellerin und der Angenommene leben in Italien.
Die Mutter der Antragstellerin, E. W., ist am … in Nürnberg verstorben. Mit notariellem Testament vom … hat sie ihre beiden Töchter je zur Hälfte als Erben eingesetzt. Zum Nachlass der Mutter der Antragstellerin gehört die in der H. in N. gelegene Immobilie.
Die Antragstellerin hat neben M. V. M. S. noch den am … geborenen R. M. … als Kind angenommen. Darüber hinaus hat sie keine weiteren Kinder.
Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin führt in der Antragsschrift aus, das Amtsgericht Nürnberg sei gemäß § 108 Abs. 3 Nr. 2 FamFG örtlich zuständig. Das in dieser Vorschrift vorausgesetzte Interesse an der Feststellung sei gegeben, da sichergestellt werden solle, dass der Angenommenen den Miteigentumsanteil der Antragstellerin an der Immobilie in N. unverzüglich nach ihrem Versterben erben könne. Der Antrag auf Anerkennung sei begründet, da im Anerkennungsverfahren die Gesetzmäßigkeit der italienischen Entscheidung nicht zu prüfen sei (§ 109 Abs. 5 FamFG).
Mit Schreiben vom 20. Oktober 2015 hat das Amtsgericht Nürnberg die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen des § 108 Abs. 3 Nr. 2 FamFG nicht gegeben seien, so dass das Amtsgericht Nürnberg nicht zuständig sei. Es sei vielmehr gemäß § 187 Abs. 5 FamFG die Zuständigkeit des Amtsgerichts Schöneberg gegeben.
Nachdem die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mitgeteilt hatte, dass sie mit einer Verweisung an das Amtsgericht Schöneberg einverstanden sei, erklärte sich das Amtsgericht Nürnberg mit Beschluss vom 12. November 2014 für unzuständig und verwies das Verfahren von Amts wegen an das Amtsgericht Schöneberg.
Das Amtsgericht Schöneberg akzeptierte die Verweisung nicht, sondern erklärte sich mit Beschluss vom 11. Januar 2016 ebenfalls für örtlich unzuständig und legte das Verfahren gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG zur gerichtlichen Bestimmung der Zuständigkeit dem Oberlandesgericht Nürnberg vor. Zur Begründung führt das Amtsgericht Schöneberg aus, § 187 Abs. 5 FamFG sei nicht einschlägig. Die Zuständigkeit richte sich vielmehr nach § 108 Abs. 3 Nr. 2 FamFG. Das nach dieser Vorschrift erforderliche Interesse sei in Nürnberg bekannt geworden, da dort der Antrag gestellt worden sei, so dass das Amtsgericht Nürnberg gemäß § 108 Abs. 3 Nr. 2 FamFG zuständig sei. Eine Bindung an die Verweisungsentscheidung des Amtsgerichts Nürnberg bestehe nicht, da das Amtsgericht sich auf die nicht einschlägige Vorschrift des § 187 FamFG berufen habe.
[9] II. 1. Das Oberlandesgericht Nürnberg ist zur Entscheidung über den negativen Kompetenzstreit nach § 5 Abs.1. Nr. 4 FamFG berufen, da das Amtsgericht Nürnberg sowie das Amtsgericht Schöneberg sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben und eines der beiden Amtsgerichte, nämlich das Amtsgericht Nürnberg für das Verfahren zuständig ist.
Das nächsthöhere gemeinsame Gericht wäre der Bundesgerichtshof, so dass das Oberlandesgericht Nürnberg über die Zuständigkeitsfrage zu entscheiden hat, da in dessen Bezirk das Amtsgericht Nürnberg liegt, das zuerst mit der Sache befasst war (§ 5 Abs. 2 FamFG).
2. Ausschließlich zuständig für das Adoptionsanerkennungsverfahren ist das Amtsgericht Nürnberg.
Zwar hat sich das Amtsgericht Nürnberg mit Beschluss vom 12. November 2015 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Schöneberg verwiesen. Diesem Beschluss kommt im vorliegenden Fall jedoch keine Bindungswirkung zu, da vor der Abgabe entgegen § 3 Abs. 1 S. 2 FamFG rechtliches Gehör nicht im erforderlichen Umfang gewährt worden ist. Nach dieser Vorschrift sind vor der Verweisung die Beteiligten anzuhören. Zwar hat das Amtsgericht Nürnberg vor Erlass des Beschlusses vom 12. November 2015 die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin auf seine Rechtsmeinung, dass das Amtsgericht Schöneberg zur Entscheidung berufen sei, hingewiesen. Beteiligter im Adoptionsanerkennungsverfahren ist jedoch nicht nur der Annehmende, sondern auch der namentlich bekannte Angenommene (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG, OLG Nürnberg Beschluss vom 27. Oktober 2015, Az. 7 UF 18/15; Bundestagsdrucksache 16/6308 Seite 175). Diesem wurde, obwohl nicht nur dessen Namen, sondern aus der vorgelegten Kopie seines Ausweises auch dessen Anschrift aktenkundig ist, nicht die Möglichkeit eingeräumt, Stellung zu nehmen. Damit konnte der Abgabebeschluss nach ständiger Rechtsprechung keine Bindungswirkung für das Amtsgericht Schöneberg nach § 3 Abs. 3 Satz 2 FamFG entfalten (vgl. BGH NJW 2006, 847, 848; BGH NJW-RR 2002, 1498; Pabst in Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Aufl., § 3 Rn. 20, 16; Borth/Grandel in Musielak/Borth, FamFG, 5. Aufl., § 3 Rn. 12). Der Abgabebeschluss des Amtsgerichts Nürnberg ist infolgedessen aufzuheben.
Für das vorliegende Adoptionsanerkennungsverfahren ist das Amtsgericht Nürnberg ausschließlich örtlich zuständig. Dies ergibt sich aus § 108 Abs. 3 Nr. 2 FamFG. § 187 FamFG kommt nicht zur Anwendung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Adoptionsanerkennungsverfahren ein Adoptionsverfahren gemäß §§ 186 ff FamFG ist oder nicht (vgl. zum Meinungsstand Maurer in Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Aufl. § 186 Rn. 2); denn die Zuständigkeit für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen mit nicht vermögensrechtliche Inhalten, zu denen auch die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung über die Adoption Volljähriger zählt (Borth/Grandel in Musielak/Borth, FamFG, 5. Aufl., § 108 Rn. 4), ist speziell in § 108 FamFG geregelt (vgl. Bundestagsdrucksache 16/6308 Seite 222), so dass jedenfalls diese Vorschrift § 187 FamFG vorgeht.
Da weder die Antragstellerin noch der Angenommene den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach § 108 Abs. 3 Nr. 2 FamFG. Danach ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk zum Zeitpunkt der Antragstellung das Interesse an der Feststellung bekannt wird. Dabei wird das Interesse an der Feststellung dort bekannt, wo die Person, deren Rechte von der ausländischen Entscheidung betroffen sind, sich gegenüber Behörden, Gerichten oder dritten Personen auf die Entscheidung beruft, um hieraus ihren Status oder ihre Rechte abzuleiten (von Milczewski in Bahrenfuss, FamFG, 2. Aufl., § 108 Rn. 22). Abzustellen ist somit nicht darauf, wo der Antrag gestellt wird. Würde man davon ausgehen, hätte es der Antragsteller in der Hand, das zuständige Gericht selbst zu bestimmen.
Fraglich erscheint, ob die Antragstellerin ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Anerkennung oder Nichtanerkennung der italienischen Adoptionsentscheidung hat, da erst mit Eintritt des Erbfalls feststeht, ob der Angenommene Erbe der Antragstellerin wird und das Miteigentum der Antragstellerin an der Immobilie in N. noch Gegenstand des Erbes ist. Dies braucht jedoch im Rahmen der Bestimmung der Zuständigkeit nicht entschieden werden; denn, ob ein rechtliches Interesse besteht, ist gemäß § 108 Abs. 2 FamFG eine Frage der Antragsberechtigung und deshalb dort zu prüfen. Im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung ist vielmehr darauf abzustellen, wo das Interesse bekannt wird und dies ist dort, wo es nach dem Sachvortrag des Antragstellers gegenüber Behörden, Gerichten oder Dritten geltend gemacht wird oder geltend gemacht werden soll. Nach dem Sachvortrag der Antragstellerin ist beabsichtigt, sich gegenüber dem Nachlassgericht in Nürnberg und dem Grundbuchamt in Nürnberg auf die italienische Adoptionsentscheidung zu berufen, so dass von einem Bekanntwerden des Interesses im Bezirk des Amtsgerichts Nürnberg auszugehen ist.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 5 Abs. 3 FamFG).