Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Pachtobjekt, Einstellung der Zwangsvollstreckung, Herausgabeanspruch, Nutzungsentschädigung, Zwangsvollstreckungsunterwerfung

Aktenzeichen  32 O 819/18

Datum:
28.6.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 60221
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Kempten
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 29 a, § 148

 

Leitsatz

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Räumung und Herausgabe des Pachtobjektes in 87561 Oberstdorf seit Ablauf des 31.03.2017 in Verzug befindet und der Klägerin einen aus diesem Verzug resultierenden Schaden zu ersetzen hat.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Verfahrens werden der Klägerin 65 %, dem Beklagten 35 % auferlegt.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
5. Der Streitwert wird auf € 77.347,20 festgesetzt. 

Gründe

Die zulässige Klage ist im sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Kempten (Allgäu) ist gem. § 29 a ZPO örtlich und gemäß §§ 23, 71 GVG sachlich zuständig. Das besondere rechtliche Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO besteht hinsichtlich Ziff. 2 des Klageantrages. Der Eintritt eines Schadens ist hinreichend wahrscheinlich.
II.
Die Voraussetzungen einer Aussetzung gem. § 148 ZPO liegen nicht vor.
1. Eine Aussetzung gem. § 148 ZPO im Hinblick darauf, ob der Eigentümerin ein Anspruch gegen die Klägerin zusteht, besteht nicht. Zum einen wird der Antrag nicht im Hinblick auf einen anderen anhängigen Rechtsstreit gestellt. Zum anderen umfasst das von der Klägerin vorgetragene Mahnverfahren der Eigentümerin gegen die Klägerin nicht sämtliche im Rahmen des Feststellungsantrags mögliche Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten. Eine Abhängigkeit im Sinne einer Vorgreiflichkeit besteht demnach nicht.
2. Eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf die Entscheidung im Verfahren Az. 13 O 1293/17 des Landgerichts Kempten (Allgäu) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Eine Abhängigkeit im Sinne einer Vorgreiflichkeit des dort zur Entscheidung stehenden Rechtsverhältnisses für den hiesigen Prozess besteht nicht. Der Umstand, dass ggf. der vorliegende Rechtsstreit durch den anderen Prozess gegenstandslos wird, genügt nicht. Ein mögliches Recht zum Besitz gegenüber der Eigentümerin kann der Klägerin im Rahmen eines Rückgabeanspruchs im Sinne des § 546 Abs. 1 nicht entgegengehalten werden. Zwar geht der dingliche Anspruch des Eigentümers vor, wenn sowohl der Eigentümer als auch der Verpächter beide gleichzeitig Herausgabe bzw. Rückgabe vom Mieter jeweils an sich selbst verlangen, jedoch liegt diese Konstellation nicht vor. Das Verfahren 13 O 1293/17 des Landgerichts Kempten (Allgäu) richtet sich gegen die GmbH, das vorliegende Verfahren gegen den Beklagten.
III.
1. Der Klägerin steht ein Anspruch gegen den Beklagten auf Herausgabe und Räumung des streitgegenständlichen Pachtobjektes zu. Dieser besteht gem. §§ 581 Abs. 2, 546 BGB aufgrund des vorliegenden Pachtvertrages.
a) Nach Überzeugung des Gerichts, ist der Vertrag in Kraft getreten. Zwar stellt der Pachtvertrag, Anl. K 1 hinsichtlich des Beginns auf die Schlüsselübergabe durch den Verpächter – voraussichtlich in der 20. oder 21. Kalenderwoche 2016 ab, jedoch enthält K 2 eine abweichende Regelung. Dort erklärt der Beklagte selbst am 10.05.2016, dass das Pachtverhältnis am 11.05.2016 beginnt. Eine Abhängigkeit von einer Schlüsselübergabe wird darin nicht formuliert. Die Erklärung Anl. K 2 wurde zeitlich nach dem Pachtvertrag abgegeben und lässt nur den Schluss einer abweichenden Vereinbarung zu, zumal der Pachtzins regelmäßig, wenn auch von der GmbH gezahlt wurde.
b) Dem Beklagten wurde auch der Gebrauch an dem streitgegenständlichen Pachtobjekt gewährt. Es ergibt sich zwar aus der erfolgten Gewerbeanmeldung des Beklagten und dem vorliegenden Schlüsselübergabeprotokoll zur Überzeugung des Gerichts gem. § 286 ZPO nicht, dass der Beklagte Besitz am streitgegenständlichen Pachtobjekt hatte, dies kann jedoch auch dahinstehen, da auch nach dem Vortrag des Beklagten diesem Gebrauch an der Pachtsache gewährt wurde. Nach Vortrag des Beklagten sollten alle geschäftlichen Angelegenheiten durch die GmbH erfolgen, welche auch Besitz am Pachtobjekt hatte. Beim Gespräch mit Herrn S als Vertreter der Klägerin am 24.03.2016 habe sich der Beklagte als Geschäftsführer der GmbH vorgestellt und eine entsprechende Visitenkarte übergeben. Die GmbH sei nur deshalb nicht Vertragspartner geworden, da sich die Klägerin eine natürliche Person als Vertragspartner wünschte. Dennoch sollte der Vertrag nur als Interimslösung bis zu einem Pachtvertrag zwischen der Eigentümerin und der GmbH dienen.
Verschaffen des Pachtgebrauchs heißt, die Pachtsache so zu überlassen, dass der Pächter in der Lage ist, den vertragsgemäßen Gebrauch zu machen bzw. zu nutzen. Eine fehlende Besitzverschaffung oder eine mangelnde sachenrechtliche Beziehung schließen dies nicht aus (vgl. BGH, 28.07.2004, XII ZR 153/03). Nach klägerischem Vortrag war eine Benutzung durch die GmbH vertraglich vereinbart. Das auf Seiten der Klägerin bestehende Nutzungsrecht wurde vertragsgemäß übertragen. Eine Besitzgewährung an den Beklagten selbst war aufgrund der nach klägerischem Vortrag abweichenden Vereinbarung nicht erforderlich.
c) Den Nachweis einer abweichenden vertraglichen Regelung dahingehend, dass mündlich vereinbart wurde, dass eine Herausgabe und Räumung des Pachtobjekts nicht geschuldet ist, ist nicht erfolgt. Der Wortlaut des schriftlichen Vertrages und insbesondere der notariellen Erklärung ist insoweit eindeutig, dass eine Pflicht zur Herausgabe und Räumung besteht.
Eine abweichende mündliche Erklärung wäre von der Beklagtenpartei zu beweisen. Diese wurde nicht unter Beweis gestellt.
d) Der Beklagte kann sich nicht auf Wegfall der Geschäftsgrundlage bzw. Nichteintritt einer Bedingung im Hinblick auf den Abschluss eines Vertrages zwischen der GmbH und der Eigentümerin berufen. Eine dahingehende mündliche Vereinbarung hat der Beklagte nicht unter Beweis gestellt, es ergeht im Übrigen nicht aus den schriftlichen Vertragsunterlagen hervor. Selbst eine Qualifizierung des streitgegenständlichen Pachtvertrages als Interimslösung würde nicht dazu führen, dass der streitgegenständliche Pachtvertrag zwingend abhängig von einem nachfolgenden Pachtvertrag wäre.
e) Die Herausgabe und Räumung des Pachtobjekts ist dem Beklagten nicht unmöglich. Der Beklagte beruft sich darauf, dass die GmbH Besitzerin des streitgegenständlichen Pachtobjekts ist und der Beklagte insoweit keinen Herausgabeanspruch gegen diesen hat. Der Beklagte kann sich insoweit nicht auf Unmöglichkeit berufen, da ihm eine Besitzverschaffungspflicht obliegt. Auch das Fehlen eines Herausgabeanspruchs begründet insoweit keine Unmöglichkeit, da zum einen die Möglichkeit besteht durch entsprechende Vereinbarung die Freimachung der Pachtsache zu erreichen oder auch sich den Anspruch der Klägerin gegen die GmbH gem. § 546 Abs. 2 BGB von dieser abtreten zu lassen. Eine Pflicht der Klägerin selbst von § 546 Abs. 2 BGB Gebrauch zu machen, besteht nicht (vgl. dazu Schmidt-Futterer, § 546 RdNr. 25 BGB).
2. Die Klägerin hat auch einen Anspruch den aus diesem Verzug resultierenden Schaden ersetzt zu bekommen. Unstreitig war für das Pachtende der 31.03.2018 vereinbart.
Den Verzug hat der Kläger auch zu vertreten.
a) Die dem Beklagten obliegenden Besitzverschaffungspflicht, vgl. oben, ist dieser nicht nachgekommen.
b) Auf einen unverschuldeten Tatsachen- oder Rechtsirrtum kann sich der Beklagte nicht berufen. Es obliegt dem Beklagten im Einzelnen darzulegen und nachzuweisen, dass er die Verzögerung nicht zu vertreten hat. Zum einen trägt die Beklagtenpartei schon nicht ausreichend vor, inwieweit er sich juristisch beraten ließ, darüber hinaus müsste sich der Beklagte auch ein etwaiges Verschulden des Beraters gem. § 278 BGB zurechnen lassen.
IV.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung von € 50.640,- zu.
1. Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung besteht nicht, da das Pachtverhältnis zwischen der Klägerin und der Eigentümerin zum 31.03.2017 endete und der Klägerin somit keine Nutzungsberechtigung mehr zustand (vgl. Palandt-Weidenkaff § 540 BGB RdNr. 3, BGHZ 63, 132).
2. Unabhängig des Vorliegens einer Klageänderung, die im Übrigen auch sachdienlich wäre, besteht kein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von € 50.640,-. Ein zu ersetzender Schaden wurde insoweit von Seiten der Klägerin nicht vorgetragen. Die Klägerin trägt selbst vor, dass sie gegen den erlassenen Mahnbescheid der Eigentümerin gegen sie Widerspruch eingelegt hat. Zu ersetzender Schaden kann zwar auch in der Belastung mit einer Verbindlichkeit bestehen, solange der Beschwerte jedoch den Anspruch bekämpft, kann er nicht Freihaltung durch Zahlung fordern (vgl. Palandt/Grüneberg § 249 RdNr. 4, BGH NJW 07, 1809).
V.
Ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht nicht. Die dargelegte vorgerichtliche Tätigkeit bezog sich gemäß der vorliegenden Schreiben lediglich auf eine Vollstreckung aus der Zwangsvollstreckungsunterwerfung, Anl. K 2. Diesbezüglich war das Vorgehen gem. Anl. K 10 jedoch nicht erfolgreich, sodass insoweit auch kein Ersatzanspruch besteht.
VI.
Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten beruht auf § 92 ZPO, im Hinblick auf die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
VII.
Der Streitwert hinsichtlich Ziff. 1 beträgt € 50.640,-, hinsichtlich Ziff. 2 € 26.707,20. Im Hinblick auf weitere Pachtausfälle wurde der einjährige Pachtzins in Höhe von € 30.384,- in Ansatz gebracht, weitere mögliche Schäden in Höhe von € 3.000,- geschätzt, sodass sich unter Berücksichtigung eines Abschlags von 80% aufgrund der Feststellungsklage dieser Streitwert ergibt.

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