Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Potestativbedingung im Grundstückskaufvertrag als unwirksame AGB-Klausel

Aktenzeichen  7 O 238/16

Datum:
27.1.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 19604
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 308 Nr. 1, § 892, § 1004 Abs. 2
GBO § 13

 

Leitsatz

Die gegenüber einem Verbraucher in einem notariellen Grundstückskaufvertrag gestellte AGB-Klausel, die die schuldrechtliche Wirksamkeit des Vertrages von einer Potestativbedingung des Erwerbers wegen des (zeitlich nicht näher eingegrenzten) Ausstehens einer Baugenehmigung abhängig macht, ist analog § 308 Nr. 1 BGB unwirksam. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird es unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten verboten, bis zum Vorliegen einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung im Verfahren vor dem Landgericht Traunstein AZ: 7 O 3098/15 ihre Eintragung als Eigentümerin des Grundstücks vorgetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Altötting für N., Blatt …, Gemarkung N., Flurstück …, R1 …, Gebäude und Freifläche, Landwirtschaftsfläche, Waldfläche 134.240 qm und Gemarkung O., Flurstück …, Flur H1, Ackerland, Grünland 4.090 qm zu beantragen bzw. einen eventuell bereits gestellten Eintragsantrag aufrechtzuerhalten.
2. Es wird die Eintragung eines Widerspruch im ersten Rang, vor der bereits eingetragenen Auflassungsvormerkung, gegen die für die Antragsgegnerin bei dem vorbezeichneten Grundstück im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung angeordnet.
3. Das Grundbuchamt wird um die Eintragung des Widerspruchs gem. Ziffer 2. ersucht
4. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
5. Der Streitwert wird auf 99.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Glaubhaftgemachter Sachverhalt:
Die Antragstellerin hat folgenden Sachverhalt glaubhaft gemacht:
Die Antragstellerin, die beruflich ausschließlich als Angestellte bei der Volksfürsorge/… AG tätig ist, ist Eigentümerin des Grundstücks, vorgetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Altötting für N. Blatt …, Gemarkung N., Flurstück …, R1 …, Gebäude und Freifläche, Landwirtschaftsfläche, Waldfläche 134.240 qm und Gemarkung O., Flurstück …, Flur H1, Ackerland, Grünland, 4.090 qm.
Am 09.01.2015 unterzeichneten Antragstellerin und Antragsgegnerin vor dem Notar R2 M2 in A. einen Vertrag, wonach die Antragstellerin o.g. Grundstück an die Antragstellerin aufschiebend bedingt veräußerte. Unter Ziffer X des notariellen Kaufvertrages Anlage K1 ist bestimmt wie folgt:
„Aufschiebende Bedingung, Rücktrittsrecht
Der schuldrechtlichen Teil des Kaufvertrages ist aufschiebend bedingt. Der Bedingungseintritt erfolgt mit dem Eingang einer entsprechenden, jederzeit möglichen Erklärung des Erwerbers in notariell beglaubigter Form beim beurkundenden Notar, seinem Sozius oder Vertreter des Inhalts, dass die Bedingung eintritt. Mit Bedingungseintritt werden die in dieser Urkunde enthaltenen, aufschiebend bedingten schuldrechtlichen Vereinbarungen wirksam. Die in dieser Urkunde erklärte Auflassung ist unbedingt erklärt. Der Bedingungseintritt kann durch den Erwerber, spätestens bis zum 31.12.2017 erklärt werden. Nach diesem Zeitpunkt kann der Bedingungseintritt nicht mehr herbeigeführt werden und die Bedingung gilt als endgültig nicht eingetreten. Der Erwerber kann jederzeit auf den Bedingungseintritt in notariell beglaubigter Form beim beurkundenden Notar, seinem Sozius oder Vertreter verzichten. In diesem Fall gilt die Bedingung ebenfalls als endgültig nicht eingetreten. Der Erwerber ist berechtigt, von diesem Vertrag durch einseitige Erklärung gegenüber dem Veräußerer ohne Vorliegen eines Rücktrittgrundes jederzeit zurück zu treten. Der Rücktritt ist durch eingeschriebenen Brief gegenüber dem Veräußerer zu erklären und dem Notar in Kopie mitzuteilen. Der Rücktritt kann längstens bis zum 31.12.2017 erfolgen. Das Rücktrittsrecht erlischt vorher, wenn der Rücktrittsberechtigte ausdrücklich darauf verzichtet. Eine Kopie der von dem Erwerber unterzeichneten Verzichtserklärung soll dem amtierenden Notar zugesandt werden (…).“
Es wird diesbezüglich Bezug genommen auf die Anlage K1. Der Kaufvertrag war zuvor auf Veranlassung der Antragsgegnerin durch den von ihr ausgesuchten Notar, R2 M2, entworfen worden, wobei von Seiten der Antragstellerin kein Einfluss auf die Formulierung des Vertrages genommen wurde und keine individuellen Verhandlungen zwischen den Parteien stattfanden. Sämtliche Vertragsklauseln wurden von Antragsgegnerseite gestellt, beispielsweise die Grundstücksfläche des zu verkaufenden Grundstücks, der Quadratmeterpreis oder die konkrete Vertragslaufzeit. In der Folgezeit kam es zur Eintragung einer Auflassungsvormerkung für die Antragsgegnerseite. Die Antragsgegnerin bietet nunmehr das o.g. Grundstück gegenüber Dritten als Tauschgrundstück an.
Diesen Sachverhalt hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, durch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen von Frau H2 S1 (Bl. 15), Frau G. W., sowie Herrn J. A. und Herrn T1 H3 sowie durch Vorlage des notariellen Kaufvertrags vom 09.01.2015 (K 1).
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
1. Zum Antrag Ziffer 1.
a. Verfügungsanspruch
Ein entsprechender Anspruch der Antragstellerin ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 analog BGB, § 890 I ZPO.
Hiernach steht dem Eigentümer ein Unterlassungsanspruch zur Abwehr künftiger Beeinträchtigungen seines Rechts zu, solange er nicht gem. § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung verpflichtet ist. Der Antrag auf Umschreibung des Eigentums gem. § 13 GBO führt zu einem entsprechenden Tätigwerden des Grundbuchamtes mit der Gefahr einer Umschreibung des Eigentums und der hierdurch entstehenden Vermutung des § 892 BGB. Eine drohende Beeinträchtigung des Eigentums wäre mithin gegeben. Dabei genügt auch die erstmals bevorstehende Beeinträchtigung (Palandt, § 1004 RN 52).
Im vorliegenden Fall ist die Antragstellerin auf Grundlage des glaubhaft gemachten Sachverhalts auch nicht zur Duldung eines entsprechenden Vorgehens der Antragsgegnerin verpflichtet. Eine Duldungspflicht ergibt sich insbesondere nicht aus dem notariellen Kaufvertrag vom 09.01.2015, da dieser nicht wirksam geschlossen wurde, §§ 147, 308 I Nr. 1 (analog) BGB.
Im vorliegenden Fall verstößt die unter Ziffer X. Nr. 1 formulierte Vertragsklausel gegen § 308 I Nr. 1 (analog). Die §§ 305 ff BGB sind im vorliegenden Fall in sachlicher und persönlicher Hinsicht anwendbar. Bei der Antragstellerin handelt es sich auf Grundlage des glaubhaft gemachten Sachverhalts um eine Verbraucherin im Sinne des § 13 BGB, da sie keine Nebenerwerbslandwirtschaft betreibt, sondern beruflich ausschließlich als Angestellte der … tätig ist.
Bei der genannten Vertragsklausel handelt es sich auch um AGB im Sinne des § 305 Abs. 1 Nr. 1 BGB. So wurde der Vertrag im Gesamten durch den beurkundenden Notar vorformuliert. Die Frage, ob dies für eine Vielzahl von Verträgen geschah, kann gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB insofern dahinstehen, als die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat, dass es sich bei ihr um eine Verbraucherin handelt und sie aufgrund der Vorformulierung auf den Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. So hat sie in diesem Zusammenhang dargelegt, dass von ihren Seiten weder Einfluss auf die konkrete Formulierung des Vertrages genommen werden konnte, noch hier individuelle Verhandlungen geführt wurden. Gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB gelten die allgemeinen Geschäftsbedingungen im konkreten Fall auch als einseitig vom Antragsgegner gestellt.
Soweit unter X. Nr. 1 im notariellen Kaufvertrag vom 09.01.2015 die aufschiebende Bedingung des schuldrechtlichen Teils des Kaufvertrages vereinbart ist, wonach der Bedingungseintritt mit dem Eingang einer entsprechend jederzeit möglichen Erklärung des Erwerbers erfolgen kann und dieser Bedingungseintritt bis zum 31.12.2017 einseitig durch den Erwerber herbeigeführt werden kann, der gleichzeitig jederzeit auf den Bedingungseintritt verzichten kann, handelt es sich hier um eine Regelung, welche gegen § 308 Nr. 1 (analog) BGB verstößt. In diesem Zusammenhang wird vertreten, dass § 308 Nr. 1 BGB auch aufschiebende Bedingungen in Verträgen erfasst, zumindest aber analog Anwendung findet (u. a. Staudinger/Coester-Waltjen, BGB 2013, § 308 Nr. 1 Rn. 9; Palandt/Grünberg, § 308 Nr. 1 RN 3, Kieninger in MüKo zum BGB § 308 Nr. 1 Rn. 4; Herrler, DNotZ 2011, 276 (279). Auch in diesem Fall tritt ein, wovor das Gesetz den Vertragspartner des Verwenders schützen will, nämlich, dass ein Vertrag noch nicht wirksam zustande kommt, während der Vertragspartner gebunden bleibt (vgl. OLG Karlsruhe, NJW RR 95, 504).
§ 308 Nr. 1 BGB soll gewährleisten, dass der Kunde durch die formularmäßige Ausgestaltung der Frist zur Annahme des Vertragsangebots nicht unangemessen benachteiligt wird. Die Bestimmung der „unangemessenen Länge“ ist nach Inhalt und wirtschaftlicher Bedeutung des Vertrages unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und der Verkehrsanschauung zu entscheiden. Unangemessen lange ist eine Frist, die ohne schutzwürdiges Interesse des Verwenders über den Tatbestand des § 147 Abs. 2 BGB einschließlich einer sachlich gebotenen Überlegungszeit, unter Umständen mit dem Einholen notwendiger Informationen, Bearbeitungs- und Prüfungszeit, wesentlich hinausgeht (vgl. Jauernig/Stadler, Kommentar zum BGB 16. Auflage 2015 § 308 Rn. 2). Grundsätzlich muss dabei anhand der vertragstypischen Gegebenheiten eine Interessenabwägung erfolgen.
Aus Ziffer X des Vertrags ergibt sich der Grund bzw. die Bedingung für den erklärten Vorbehalt nicht. Aus Ziffer I Nr. 2 lässt sich entnehmen, dass die unter X Nr. 1 vereinbarte aufschiebende Bedingung aufgrund der noch ausstehenden Baugenehmigung, welche noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, erfolgt.
Die Erteilung einer Baugenehmigung als vereinbarte Bedingung unterstellt ergibt im Rahmen einer Abwägung entsprechender Interessen der Parteien im Rahmen der Möglichkeiten des Eilrechtsschutzes, dass eine derartig lange, einseitige Bindung der Antragstellerin, die hier auch keinen gesonderten finanziellen Ausgleich vorsieht, unangemessen ist. Die Antragstellerin kann vorliegend weder den Vertragsschluss einseitig herbeiführen, noch den (zeitlich befristeten) Schwebezustand beenden. Hier wird der Antragstellerin nach dem im Eilverfahren glaubhaft gemachten Sachverhalt unangemessen und einseitig das Risiko für außerhalb des Vertrags liegende Umstände aufgebürdet.
Klauseln, die eine unbestimmte oder unangemessen lange Annahmefrist statuieren, sind total nichtig. An die Stelle der unwirksamen AGB-Klausel tritt nach § 306 Abs. 2 BGB die gesetzliche Bestimmung des § 147 Abs. 2 BGB (vgl. Becker in Beckscher Online Kommentar BGB, Bamberger Roth, 37. Edition, 01.11.2015, § 308 Nr. 1 Rn. 14). Den sofortigen Vertragsschluss haben die Parteien eindeutig und ausdrücklich durch die Vereinbarung einer, wenn auch wirkungslosen, Bedingung und die Verweigerung der sofortigen Annahme durch die Antragsgegner abgelehnt. Die Antragstellerin ist mithin nicht mehr an ihr Angebot gebunden, § 146 BGB, ein wirksamer Vertrag kam nicht mehr zustande. Da mithin ein unwirksamer Vertrag vorliegt, ist die Antragstellerin nicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung einer entsprechenden Antragstellung durch die Antragsgegnerin verpflichtet.
b. Verfügungsgrund
Die Antragstellerin hat auch die Eilbedürftigkeit des Verfügungsanspruchs insofern dargestellt, als die Umstände, wonach die Antragsgegnerin das Grundstück schon jetzt zum Tausch anbietet, die Besorgnis begründen, dass eine Antragstellung der Antragsgegnerin auf Eigentumsumschreibung gegenüber dem Grundbuchamt bevorsteht, v.a. jederzeit gestellt werden kann. Hierdurch wird das Umschreibungsverfahren in Gang gesetzt mit der Gefahr einer Umschreibung und Wirkung des Grundbuchs gem. § 892 BGB
2. Zum Antrag Ziffer II.
a. Verfügungsanspruch
Der Anspruch ergibt sich aus § 899 Abs. 1, Abs. 2, 894, 883 BGB. Die aufgrund des notariellen Kaufvertrags vom 09.01.2015 erfolgte Eintragung der mangels schuldrechtlichen Anspruchs (s.o., nicht zustande gekommener Kaufvertrag) nicht bestehenden Auflassungsvormerkung hat auf Grundlage des glaubhaft gemachten Sachverhalts dazu geführt, dass das Grundbuch gem. § 894 BGB unrichtig wurde.
b. Verfügungsgrund
Zur Erlassung der einstweiligen Verfügung ist nicht erforderlich, dass eine Gefährdung des Rechts des Widersprechenden glaubhaft gemacht wird, § 899 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
3. Zum Streitwert
Der Streitwert ist nach § 3 ZPO, § 42 Abs. 1 GKG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Vorliegend wurde dabei 1/3 des von Antragstellerseite zugrunde gelegte Grundstückskaufpreis zugrunde gelegt (vgl. Thomas/Putzo, § 3 Rn. 52).

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