Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Rechtmäßigkeit der Anordnung zur Eigenbereitstellung von Restmüllbehältern

Aktenzeichen  M 10 K 15.695

Datum:
4.2.2016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4
BayAbfG BayAbfG Art. 3 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1
BayGO BayGO Art. 23, Art. 24
BGV § 16) der berufsgenossenschaftlichen Vorschrift BGV
StVO § 9 Abs. 5 StVO
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO
BayVwVfG Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG

 

Leitsatz

Tenor

I.
Der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2015 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 8. Oktober 2015 an den Kläger zu 5) wird aufgehoben.
Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
II.
Von den Kosten des Verfahrens haben die Beklagte 1/5 und die Kläger zu 1) bis 4) je 1/5 zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die Klage des Klägers zu 5) ist zulässig und begründet. Im Übrigen sind die Klagen zwar zulässig, bleiben in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 8. Dezember 2015 an den Kläger zu 5) ist rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten. Die entsprechenden Bescheide an die Kläger zu 2) bis 4) sind dagegen rechtmäßig und führen zu keiner Rechtsverletzung im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 12. März 2015 in der Fassung vom 8. Oktober 2015 ist ihre Satzung über die Hausmüllentsorgung (HausmüllentsorgungsS) vom 12. Dezember 2001 in der Fassung der letzten Änderungssatzung vom 18. November 2012. Mit dem Erlass dieser Satzung hat die Beklagte von der Ermächtigung in Art. 7 Abs. 1 Satz 1 bis 4 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Bayerisches Abfallwirtschaftsgesetz (BayAbfG) und Art. 23, 24 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Satz 2 Gemeindeordnung (GO) Gebrauch gemacht. Formelle oder materiell-rechtliche Bedenken im Hinblick auf die Wirksamkeit der Hausmüllentsorgungssatzung wurden weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.
Die auf Grundlage dieser Satzung betriebene Hausmüllentsorgung der Beklagten ist eine öffentliche Einrichtung mit Anschluss- und Benutzungszwang, die das Verwertungs- und Beseitigungsverfahren einschließlich der Vorbereitung vor der Verwertung oder Beseitigung sowie die hierzu erforderlichen Maßnahmen des Bereitstellens, Überlassens, Einsammelns, Beförderns, Behandelns und Lagerns der Abfälle zur Beseitigung und der eingesammelten Abfälle zur Verwertung umfasst (§ 1 Abs. 1 HausmüllentsorgungsS). Nach § 11 Abs. 1 HausmüllentsorgungsS kann die Beklagte zur Erfüllung der nach dieser Satzung bestehenden Verpflichtungen Anordnungen für den Einzelfall erlassen; nach Maßgabe der Regelungen in § 6 Abs. 1, 4 HausmüllentsorgungsS kann sie insbesondere von den Anschlusspflichtigen verlangen, die Müll- und Wertstoffbehälter am jeweiligen Abfuhrtag außerhalb der Grundstückseinfriedung zur Abholung bereitzustellen.
1. Nach diesen Maßgaben erweist sich die Inanspruchnahme des Klägers zu 5) in dem Bescheid der Beklagten vom 12. März 2015 in der Fassung vom 8. Oktober 2015 als rechtswidrig, da er nicht richtiger (Inhalts-)Adressat der Verfügung ist.
Anordnungen zur Eigenbereitstellung der Müllbehälter können nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 HausmüllentsorgungsS gegenüber dem Anschlusspflichtigen erlassen werden. Anschlusspflicht besteht gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 i. V. m. § 2 Abs. 5 HausmüllentsorgungsS für die Grundstückseigentümer und sonst dinglich Berechtigten sowie wirtschaftliche Eigentümer im Sinne des § 39 AO. Der Kläger zu 5) ist jedoch nicht Eigentümer oder sonst dinglich Berechtigter, sondern Mieter des Anwesens …str. 59 b. Grundsätzlich ist derjenige, der als Mieter eines Wirtschaftsgutes zu dessen Nutzung berechtigt ist, nicht der wirtschaftliche Eigentümer (vgl. Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 39 Rn. 5 m. w. N.). Hiervon geht auch die Beklagte in ihrer HausmüllentsorgungsS aus, wie sich im Umkehrschluss aus § 3 Abs. 2 HausmüllentsorgungsS ergibt. Dort wird gerade zwischen den Anschlusspflichtigen einerseits und den Überlassungs- bzw. Benutzungspflichtigen andererseits unterschieden, wobei insbesondere explizit Mieter bzw. Pächter benannt werden.
Eigentümer des Anwesens …str. 59 b ist Herr Wilhelm …; an diesen hätte sich die Anordnung der Beklagten zur Eigenbereitstellung der Restmülltonne inhaltlich richten müssen. Ob der Kläger zu 5) im Hinblick auf die ihm vom Eigentümer erteilte Vollmacht (Bl. 26 der Behördenakten – BA) als Zustelladressat der streitgegenständlichen Verfügung in Betracht gekommen wäre, kann hier dahinstehen. Der Bescheid an den Kläger zu 5) war jedenfalls fehlerhaft und daher aufzuheben.
2. Demgegenüber hat die Beklagte in den Bescheiden vom 12. März 2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 8. Oktober 2015 an die Kläger zu 1) bis 4) die Anordnungsbefugnis aus § 11 Abs. 1 i. V. m. § 6 Abs. 1, 4 HausmüllentsorgungsS in nicht zu beanstandender Weise vollzogen.
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 HausmüllentsorgungsS haben die Anschlusspflichtigen die Müllbehälter am Abfuhrtag (innerhalb oder außerhalb der Grundstückseinfriedungen) so aufzustellen, dass sie vom Abfuhrpersonal behinderungsfrei auf kürzesten, gut begehbaren Wegen erreicht werden können. Dabei entscheidet die Beklagte, ob zum Zwecke der Müllabfuhr mit Abfuhrfahrzeugen in das jeweilige Grundstück gefahren wird (§ 6 Abs. 1 Satz 2 HausmüllentsorgungsS).
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 7 HausmüllentsorgungsS gilt für so genannte „Neubauten“, die nach dem 12. Dezember 1995 fertiggestellt worden sind, dass der Standplatz nicht weiter als 15 m von der nächsten mit Müllsammelfahrzeugen befahrbaren Zufahrtsmöglichkeit entfernt sein darf; ist dies nicht der Fall, haben die Anschlusspflichtigen die Müllbehälter jeweils außerhalb der Grundstückseinfriedung zur Abholung bereitzustellen. Nach § 6 Abs. 1 Satz 8 HausmüllentsorgungsS gilt dies auch, wenn der Müllbehälterstandplatz wegen baulicher Veränderungen der Zufahrt oder einer veränderten Situation am Grundstück, die die Beklagte nicht zu vertreten hat (z. B. Zuwachsen von Zufahrten durch Äste und Sträucher) aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr mit dem Müllfahrzeug anfahren kann; auch in diesem Fall ist eine Eigenbereitstellung am Abfuhrtag außerhalb der Grundstückseinfriedung angezeigt (§ 6 Abs. 1 Satz 9 i. V. m. Satz 5 und 6 HausmüllentsorgungsS).
a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Bereitstellungspflicht sind im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Kläger zu 1) bis 4) bzw. ihre Anwesen …str. 59 a, 59 c, 59 d und 59 e erfüllt.
Zwar handelt es sich bei diesen Reihenhäusern nicht um „Neubauten“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 7 HausmüllentsorgungsS, da die Anlage deutlich vor 1995 errichtet wurde. Auch hat es – soweit ersichtlich – keine baulichen Veränderungen an den Reihenhausgrundstücken selbst bzw. an der privaten Zufahrt (Grundstück Fl.Nr. …) seit 1995 gegeben.
Jedoch teilt das Gericht die Auffassung der Beklagten, dass im zu entscheidenden Fall eine veränderte Situation an den Grundstücken vorliegt, aufgrund derer ihre Anfahrt mit dem Müllfahrzeug jedenfalls aus tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich ist.
aa) Vorliegend stellt die mangelnde Tragfähigkeit des Zufahrtsweges zwischen den Reihenhauszeilen …straße und …straße für das derzeit kleinste von der Beklagten unterhaltene Müllfahrzeug ein tatsächliches Hindernis für die Anfahrbarkeit der klägerischen Grundstücke dar.
Nach dem Ergebnis der statischen Berechnung bzw. Überprüfung der Tragfähigkeit der Tiefgaragendecke …str. 1 durch die …-Consult GmbH – Bautechnik, Wasserbau und Energie – vom 23. April 2014 ist eine Befahrbarkeit mit einem Fahrzeug der Lastklasse 30 t nicht gegeben; eine Befahrung ist danach allenfalls mit Fahrzeugen der Lastklasse 16 t möglich. Der so genannte „Mini“ der Beklagten hat ein zulässiges Gesamtgewicht von 18,57 t, so dass für ihn eine Tragfähigkeit der Zufahrt nicht gewährleistet ist.
bb) Diese erst infolge der statischen Berechnung vom 23. April 2014 bekannt gewordene Tatsache über die mangelnde Tragfähigkeit der Tiefgaragendecke stellt nach Ansicht des Gerichts eine veränderte Situation an der Zufahrt im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 8 HausmüllentsorgungsS dar.
Dieser Beurteilung liegen folgende Erwägungen zugrunde:
Generell ist in ständiger Rechtsprechung davon auszugehen, dass nicht jeder einem Abfallbesitzer auferlegte Transport seines Müllbehälters über die Grenzen seines Grundstücks hinaus bereits ein dem Entsorgungsträger obliegendes „Befördern“ darstellt und dass je nach Lage des betroffenen Grundstücks ein „Lastenausgleich“ zwischen dem Abfallbesitzer einerseits und dem Entsorgungsträger andererseits stattzufinden hat (vgl. BayVGH, U. v. 11.3.2005 – 20 B 04.2741 – juris Rn. 20 m. w. N.). Maßgebend ist dabei stets die konkrete örtliche Situation für die Frage, unter welchen Voraussetzungen – insbesondere bei weiterer Entfernung zwischen Grundstück und Verbringungsort – noch von einem dem Abfallbesitzer aufgegebenen Überlassen ausgegangen werden kann oder bereits ein dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger obliegendes Einsammeln und Befördern des Abfalls anzunehmen ist; bedeutsam ist insbesondere die Erschließungssituation des betreffenden Grundstücks in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.
Gemäß ihrer Konzeption in § 6 HausmüllentsorgungsS führt die Beklagte die Entsorgung im „Vollservice“ durch, das heißt sie holt grundsätzlich die Abfallbehälter zur Leerung aus den Grundstücken der Anschlusspflichtigen und stellt sie anschließend wieder dorthin zurück.
Mit Wirkung vom 12. Dezember 1995 hat die Beklagte diesen Vollservice insoweit eingeschränkt, als die Tonnen nur noch aus dem jeweiligen Grundstück herausgeholt werden, wenn der Standplatz dort nicht mehr als 15 m von der nächsten mit Müllsammelfahrzeugen befahrbaren Zufahrtsmöglichkeit entfernt ist; in diesem Fall haben die Anschlusspflichtigen die Behälter am Abfuhrtag jeweils zur Abholung selbst bereitzustellen. Bei einer Entfernung von mehr als 15 m können die Anschlusspflichtigen nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Satz 10 HausmüllentsorgungsS gegen eine Sondergebühr den so genannten „Vollservice 15plus“ nutzen.
Damit hat die Beklagte den „Lastenausgleich“ zulasten der „Neuanschließer“ verschoben. „Altanschließer“ werden insoweit bessergestellt, als bei ihnen aus Gründen eines Vertrauens-/Bestandsschutzes eine Abholung der Müllbehälter im Grundstück auch bei größeren Entfernungen als 15 m ohne Sondergebühr erfolgt.
Diese Differenzierung ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, auch zumal die „Neuanschließer“ angesichts der großstädtischen Struktur der Beklagten im Regelfall nicht unverhältnismäßig durch überlange Bereitstellungsstrecken belastet werden.
Allerdings hat die Privilegierung der „Altanschließer“ ihre Berechtigung nur dann, wenn ein Status quo aufrechterhalten wird, also die Rahmenbedingungen insgesamt unverändert bleiben. Vor diesem Hintergrund ist der Begriff der „Veränderung der Situation am Grundstück“ i. S. v. § 6 Abs. 1 Satz 8 HausmüllentsorgungsS nach Ansicht des Gerichts weit auszulegen.
Unter Situation ist nach allgemeinem Sprachgebrauch die Gesamtheit der augenblicklichen Umstände oder Verhältnisse bzw. der augenblickliche Zustand zu verstehen.
Im konkreten Fall sind hierunter nach Auffassung der Kammer auch neue Erkenntnisse bzw. nachträglich bekannt gewordene Tatsachen hinsichtlich der betreffenden Grundstücke einzubeziehen, die ein tatsächliches Anfahrtshindernis begründen. Denn sonst bestünde die Gefahr, dass der so genannte „Bestandsschutz“ ggf. auch aus einer (unerkannt) sachwidrigen Praxis der Beklagten abgleitet werden könnte.
cc) Die Beklagte hat diese veränderte Situation am (Zufahrts-)Grundstück – seine mangelnde Tragfähigkeit – entgegen der Auffassung der Kläger nicht zu vertreten. Aus dem Sinnzusammenhang ist das Vertretenmüssen hier als Abgrenzung der jeweiligen Risikosphären der Anschluss- und Überlassungspflichtigen einerseits und der Beklagten als Entsorgungspflichtigen andererseits zu sehen. Die Beklagte hat nur solche Veränderungen zu vertreten, die in ihre Risikosphäre fallen, auf die sie also Einfluss nehmen kann. Die fehlende Tragfähigkeit der Tiefgaragendecke für Fahrzeuge der Lastklasse 30 t fällt nicht in den Einflussbereich der Beklagten.
Ein Vertretenmüssen im Sinne einer Verantwortlichkeit der Beklagten lässt sich auch nicht aus ihrer „anschlussnehmerfeindlichen Entsorgungspolitik“ herleiten, weil sie – wie die Kläger vortragen – durch die Anschaffung immer größerer Müllfahrzeuge und durch den Verzicht auf Kleintransporter die mangelnde Befahrbarkeit von Stichstraßen selbst verschulde.
Die Beklagte unterhält als kleinstes Müllfahrzeug ihrer Flotte den so genannten „Mini“ mit einer Außenbreite von 2,30 m bzw. 2,90 m einschließlich Außenspiegeln (zum Vergleich: die höchstzulässige Breite eines Personenkraftwagens beträgt ohne Außenspiegel 2,50 m und allgemein 2,55 m, vgl. § 32 StVZO). Damit ist der „Mini“ grundsätzlich auch zur Entsorgung von Restmüll in innerstädtischen Bereichen mit beengten Verkehrs- und Straßenverhältnissen geeignet.
Für die Beklagte besteht auch keine Verpflichtung, (noch) kleinere und wendigere Müllfahrzeuge anzuschaffen und zum Einsatz zu bringen. Grundsätzlich steht es im Ermessen des Trägers der Abfallentsorgung, wie er die Müllabfuhr organisiert. Insbesondere darf er auch aus Wirtschaftlichkeitsgründen – auch im Rahmen eines Holsystems – auf die bestehenden Mitwirkungspflichten der überlassungspflichtigen Abfallbesitzer zurückgreifen, solange er ihnen nicht eine Tätigkeit aufgebürdet, die von ihrer Überlassungspflicht nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-AbfG nicht mehr gedeckt wäre (s.o. u. vgl. BayVGH, U. v. 14.10.2003 – 20 B 03.637 – BayVBl 2004, 466 – Abgrenzung zum Einsammeln und Befördern).
Unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit und insbesondere der Interessen der Solidargemeinschaft der Abfallgebührenpflichtigen ist nicht ersichtlich, dass im Hinblick auf die „Entsorgungspolitik“ der Beklagten ein Überschreiten oder ein Fehlgebrauch ihres Entscheidungsspielraums festzustellen wäre.
dd) Auch ist den Klägern im Ergebnis die angeordnete Eigenbereitstellung ihrer Restmüllbehälter am jeweiligen Abholtag auf dem Gehweg zwischen den Anwesen …str. 3 und 7 b zumutbar; die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden ihr Ermessen im Einzelfall insoweit in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.
Wie bereits angeführt steht die in § 6 Abs. 1 Satz 5 bis 9 HausmüllentsorgungsS festgeschriebene Mitwirkungspflicht der Kläger – wie jedes behördliche Handeln – unter der Beschränkung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Sinne einer Erfolgs-Auswirkungs-Analyse (vgl. BayVGH, U. v. 14.10.2003 – 20 B 03.637 – BayVBl 2004, 466), wobei in diesem Rahmen insbesondere die Frage der Zumutbarkeit Beachtung zu finden hat. In diesem Rahmen ist insbesondere im Einzelfall zu prüfen, welche Wegstrecke dem jeweiligen Kläger dabei auferlegt werden kann. Feste Grenzwerte gibt es hierzu nicht. So bezweifelt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der genannten Entscheidung vom 14. Oktober 2003 (a. a. O.) insbesondere, ob generell eine Wegstrecke von 100 m – ähnlich der Zurechnung unselbstständiger Nebenanlagen an abzurechnenden Hauptstrecken einer Straße im Erschließungsbeitragsrecht – oder auch von mehr als 100 m als absolute Grenze der Zumutbarkeit für das Verbringen von Restmüllbehältnissen an einen gemeinsamen Sammelplatz festgelegt werden kann. Entscheidend sind die Verhältnisse im konkreten Einzelfall (BayVGH, B. v 22.11.1999 – 20 ZS 99.2493 u. a. – juris Rn. 10 f. m. w. N.). In einem vergleichbaren Fall hat die Kammer den Transport einer 120 l – Restmülltonne über einen etwa 130 m langen, ebenen und geteerten Weg noch als zumutbar erachtet (VG München, U. v. 3.3.2005 – M 10 K 03.3960 – juris Rn. 23).
Im vorliegenden Fall werden die Kläger verpflichtet, ihre entsprechenden Normgefäße auf befestigtem Grund zwischen 35 m und 50 m zum Bereitstellungsort und nach erfolgter Leerung zurück zu fahren. Gründe, dass ihnen der Transport der Tonnen über diese Wegstrecke einmal wöchentlich unzumutbar wäre, sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht weiter vorgetragen.
Die Kläger berufen sich vielmehr hauptsächlich auf Vertrauensschutz. Insofern räumt die Beklagte in der Begründung ihrer Anordnungen vom 12. März 2015 und 8. Oktober 2015 auch ein, dass die jetzige Forderung der Eigenbereitstellung nach etwa 40 Jahren Fragen zum Bestands- und Vertrauensschutz aufwerfe. Sie weist aber – zu Recht – auch darauf hin, dass kein Vertrauensschutz dahingehend gewährleistet sei, dass sich eine bestehende Entsorgungssituation bei Veränderungen der Sach- oder Rechtslage oder neuen Erkenntnissen hierüber nicht ändert (vgl. VG München, U. v. 3.3.2005 – a. a. O., juris Rn. 23). Hierauf fußt letztlich auch die dem Bescheid zugrunde liegende Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 8 HausmüllentsorgungsS.
Vor diesem Hintergrund verstößt die Anordnung der Eigenbereitstellung in den angegriffenen Bescheiden auch nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Soweit die Kläger vortragen, dass in diversen anderen Stichwegen zu Reihenhäusern die Mülltonnen auch über längere Strecken als 15 m von Müllwerkern der Beklagten abgeholt und zurückgebracht würden (…-Weg, Leutstettener Straße, … Straße) so hält die Beklagte dem nachvollziehbar entgegen, diese Bezugsfälle seien nicht vergleichbar, da dort gerade keine veränderte Situation bzw. neue Erkenntnisse z. B. über die Befahrbarkeit der Zufahrt vorlägen.
Durch die veränderte Situation/neue Erkenntnislage hinsichtlich der Befahrbarkeit der Zufahrt liegt im vorliegenden Fall ein anderer bzw. neuer Sachverhalt vor, der eine abweichende Behandlung gegenüber den sonstigen so genannten „Altfällen“ rechtfertigt. Im Übrigen werden die Kläger dadurch (nur) den so genannten „Neuanschließern“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 7 HausmüllentsorgungsS gleichgestellt.
Schließlich hat die Beklagte zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit den Klägern einen weiteren (händischen) Abholservice (Vollservice 15plus, § 6 Abs. 1 Satz 10 HausmüllentsorgungsS) angeboten; die Kosten hierfür in Höhe von 2,79 Euro je Abholung erscheint der Kammer in Relation zu den generellen Restmüllentsorgungsgebühren nicht unverhältnismäßig.
b) Zusätzlich zu der mangelnden Tragfähigkeit der Zufahrt als – nunmehr erkanntes – Anfahrtshindernis im tatsächlichen Sinne stützt die Beklagte ihre Anordnungen in den angegriffenen Bescheiden vom 12. März 2015 und 8. Oktober 2015 auch darauf, dass infolge der Verengung der Erschließungsanlage durch Baum- und Strauchbewuchs sowie durch häufige „Verparkung“ ihrem (weiteren) Befahren auch rechtliche Hindernisse in Form arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen entgegenstehen (vgl. dazu BayVGH, B. v. 23.3.2015 – 20 ZB 15.391 – juris Rn. 3 m. w. N.); insbesondere verweist sie insoweit auf § 6 Abs. 4 Satz 7 HausmüllentsorgunsS i. V. m. der Unfallverhütungsvorschrift Müllbeseitigung der gesetzlichen Unfallversicherung vom Januar 1979 (GUV-V C 27).
Nach §§ 7, 16 Nr. 1 GUV-V C 27 i. V. m. der hier anwendbaren Übergangsvorschrift in § 32 GUV-V C 27 ist ein Rückwärtsfahren zur Müllabholung nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn beiderseits des Abfallsammelfahrzeugs ein Sicherheitsabstand zu ortsfesten Einrichtungen oder abgestellten Fahrzeugen von mindestens 0,5 m über die gesamte Rückfahrstrecke gewährleistet ist, die zurückzulegende Strecke nicht länger als 150 m ist, die Sicht durch die Rückspiegel nach hinten nicht behindert ist, sich im Gefahrenbereich des Abfallsammelfahrzeuges keine Personen aufhalten und der Fahrzeugführer bei Bedarf durch einen Einweiser eingewiesen wird.
Es spricht zwar einiges dafür, dass diese Voraussetzungen für ein ausnahmsweises Rückwärtsfahren hier nicht vorliegen; dies kann aber nach den Ausführungen oben unter 2. a) im Ergebnis ebenso dahinstehen wie die Frage, ob diesem rechtlichen Anfahrtshindernis ggf. durch dauerhaft sichergestellten Baum- und Strauchrückschnitt abgeholfen werden könnte.
3. Die Klagen der Kläger zu 1) bis 4) waren mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO abzuweisen.
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
5. Die Berufung war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124 und 124a Abs. 1 VwGO kann die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufungsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).
Über die Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 25.000 EUR festgesetzt
(§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. Ziff. 1.1.3. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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