Aktenzeichen 432 C 1222/18
Leitsatz
1. Die vom Bundesgerichtshof für den Abschluss eines Räumungsvergleichs nach vermieterseitiger Eigenbedarfskündigung postulierten Grundsätze sind – schon aus Gründen effizienten Mieterschutzes – auch auf (außergerichtliche) Mietaufhebungsvereinbarungen übertragbar. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verpflichtet sich der Vermieter in einem Räumungsvergleich zu einer substantiellen Gegenleistung, wie etwa einer namhaften Abstandszahlung (hier: bis zu 25.000,00 EUR je nach Auszugszeitpunkt), ist in der Zustimmung des Mieters ein bedeutsamer Umstand für das Vorliegen eines Verzichtswillen und damit für einen stillschweigenden Verzicht des Mieters auf Schadensersatz wegen eines vorgetäuschten Eigenbedarfs zu sehen. (Rn. 40 und 41) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass überhaupt ein Selbst- oder Fremdnutzungswille (ernstlich und konkret) behauptet wurde, trifft den Mieter, der den (ehemaligen) Vermieter auf Schadensersatz in Anspruch nimmt. (Rn. 71) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Schadensersatzanspruch kann nicht damit begründet werden, dass das Wohnen in München „einem Vermögenswert nahekommt“ und dass deshalb ein Schaden in Höhe der Mietdifferenz zwischen der Neuvermietungsmiete einer vergleichbaren Wohnung in München zu der bisher gezahlten niedrigeren Meite besteht. (Rn. 88) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer II für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 125.640,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klage zum gem. §§ 29 a Abs. 1 ZPO, 23 Nr. 2 a GVG örtlich und sachlich zuständigen Amtsgericht München, an das der Rechtsstreit gem. § 281 ZPO verwiesen worden ist, erweist sich als zulässig aber unbegründet.
Die Kläger haben gegen den Beklagten weder einen Anspruch auf Zahlung von 125.640,00 €
noch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.885,51 €.
Ein Schadensersatzanspruch scheidet vorliegend aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen aus. Er ergibt sich weder aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Mietvertrag sowie der Mietaufhebungsvereinbarung noch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB oder unter dem Gesichtspunkt der Anfechtung des Mietaufhebungsvertrags wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB.
1. Ausschluss von Schadensersatzansprüchen aufgrund der Mietaufhebungsvereinbarung vom 03./08.03.2016
Es ist vorliegend bereits von einem Ausschluss von Schadensersatzansprüchen wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs aufgrund eines stillschweigenden Verzichts hierauf seitens der Kläger im Rahmen der Mietaufhebungsvereinbarung vom 03./08.03.2016 auszugehen.
Der Vermieter ist u.a. im Falle des Vortäuschens von (Eigen-)Bedarf dem Mieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet (vgl. namentlich BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – VIII ZR 99/14 = NJW 2015, 2324 = NZM 2015, 532 = MDR 2015, 996 = ZMR 2015, 758 BGH, Urteile vom 8. April 2009 – VIII ZR 231/07, NJW 2009, 2059 Rdn. 11 m.w.Nachw. vom 13. Juni 2012 – VIII ZR 356/11; Beschluss vom 7. September 2011 – VIII ZR 343/10, WuM 2011, 634 Rdn. 3).
Ob ein Räumungsvergleich oder ein Mietaufhebungsvertrag den Zurechnungszusammenhang zwischen der Vortäuschung einer (Eigen-)Bedarfssituation und dem später vom Mieter geltend gemachten Schaden unterbricht, ist im Wege der Auslegung der jeweiligen Vereinbarung und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls danach zu beurteilen, ob die Parteien durch gegenseitiges Nachgeben auch den Streit darüber beilegen wollten, ob die (Eigen-)Bedarfslage des Vermieters bestand oder nur vorgetäuscht war. Nur dann, wenn mit der Vereinbarung auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen eines nur vorgetäuschten Bedarfs abgegolten werden sollten, fehlt es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang (vgl. wiederum BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – VIII ZR 99/14 = NJW 2015, 2324 = NZM 2015, 532 = MDR 2015, 996 = ZMR 2015, 758 in Fortführung von BGH, Beschluss vom 7. September 2011 – VIII ZR 343/10 a.a.O.).
An das Vorliegen des Willens des Mieters, auf etwaige Ansprüche gegen den Vermieter wegen eines nur vorgetäuschten (Eigen-)Bedarfs zu verzichten, sind nach der Rechtsprechung des BGH strenge Anforderungen zu stellen; der Verzichtswille muss – auch unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände – unmissverständlich sein (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – VIII ZR 99/14 = NJW 2015, 2324 = NZM 2015, 532 = MDR 2015, 996 = ZMR 2015, 758 im Anschluss an und Fortführung von BGH, Urteile vom 21. November 2006 – VI ZR 76/06, NJW 2007, 368 Rdn. 9; vom 26. Oktober 2009, II ZR 222/08, NJW 2010, 64 Rdn. 18; vom 18. September 2012 – II ZR 178/10, WM 2012, 2231 Rdn. 22; vom 22. April 2015 IV ZR 504/14).
Für einen stillschweigenden Verzicht des Mieters auf die vorgenannten Ansprüche bedarf es regelmäßig bedeutsamer Umstände, die auf einen solchen Verzichtswillen schließen lassen.
Derartige Umstände können bei einem Räumungsvergleich etwa darin liegen, dass sich der Vermieter zu einer substantiellen Gegenleistung – wie etwa einer namhaften Abstandszahlung – verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – VIII ZR 99/14 = NJW 2015, 2324 = NZM 2015, 532 = MDR 2015, 996 = ZMR 2015, 758 in Fortführung von BGH, Urteile vom 11. Oktober 2000 – VIII ZR 276/99; vom 20. September 2006 – VIII ZR 100/05, WM 2007, 177 Rdn. 22; Beschluss vom 19. September 2006 – X ZR 49/05).
Dies ist hier der Fall.
Die vom BGH für den Abschluss eines Räumungsvergleichs nach vermieterseitiger Eigenbedarfskündigung postulierten Grundsätze sind – schon aus Gründen effizienten Mieterschutzes – nach Überzeugung des Gerichts auch auf (außergerichtliche) Mietaufhebungsvereinbarungen übertragbar.
Gegen einen konkludenten Verzicht spricht vorliegend zwar, dass kein größeres Entgegenkommen des Beklagten in Bezug auf den Beendigungszeitpunkt des Mietverhältnisses anzunehmen ist.
Nach Ziff. 1 der Aufhebungsvereinbarung war grundsätzlich eine Beendigung des (langjährigen) Mietverhältnisses zum 31.12.2016 vorgesehen. Da der Vertrag auf den 03./08.03.2016 datiert ist, liegt hier ein annähernder Gleichlauf zur ordentlichen Kündigungsfrist von 9 Monaten nach § 573 c Abs. 1 BGB vor.
Über die gesetzliche Regelung hinausgehende Rechte wurden der Klagepartei in diesem Punkt also nicht eingeräumt. Andererseits wusste die Klagepartei – anders als dies im Regelfall bei einer vermieterseitigen Kündigung der Fall sein wird – schon seit Monaten von der Absicht des Beklagten, das Mietverhältnis aufzuheben. Sie konnte sich daher bereits auf einen etwaigen Umzug einstellen und vorbereiten sowie Maßnahmen zur Wohnungssuche veranlassen.
Die Vereinbarung, dass Schönheitsreparaturen nicht geschuldet sind (Ziff. 3 des Vertrags vom 03./08.03.2016), wird ebenfalls eher nicht als maßgebliches Entgegenkommen einzustufen sein, zumal über die Wirksamkeit einer etwaigen Schönheitsreparaturklausel keine Erkenntnisse bestehen, Klauseln in Altverträgen regelmäßig unwirksam sind und es sich hierbei nach den Erfahrungen des Gerichts um ein nicht unübliches Zugeständnis von Vermietern im Rahmen einer Vereinbarung über die Beendigung von Mietverhältnissen handelt. Andererseits können auch die Rechtssicherheit und -klarheit dahingehend, dass vom Mieter Schönheitsreparaturen sicher nicht verlangt werden, aus Mietersicht zumindest als positiver Aspekt gewertet werden.
Die Möglichkeit, das Mietverhältnis mit kurzer Vorankündigungsfrist vorzeitig zu beenden, räumt dem Mieter zwar ein deutlich erhöhtes Maß an Flexibilität ein und ist daher durchaus auch im Interesse des Mieters, der auf diese Weise i.d.R. finanziell belastende Doppelzahlungen für ein neu abzuschließendes Mietverhältnis und das (vorübergehend noch parallel laufende) bisherige Mietverhältnis wird vermeiden können.
Andererseits liegt die frühzeitige (Rück-)Erlangung des Besitzes am Mietobjekt grundsätzlich gerade auch im Interesse des Vermieters. Auch in dieser vertraglichen Vereinbarung wird daher kein besonders großes vermieterseitiges Entgegenkommen gesehen werden können.
Klauseln dieser Art werden aus Sicht des Gerichts daher gerade auch in Räumungsvergleichen nahezu standardmäßig vereinbart.
Die verkürzte Kautionsabrechnungsfrist von 4 Wochen (statt der üblichen 3–6 Monate, vgl. Palandt-Weidenkaff, 2018, Einf v § 535 BGB Rdn. 126; Schmidt-Futterer/Blank 2017, § 551 Rdn. 97) stellt aus Sicht des Mieters ebenfalls einen positiven Aspekt dar, weil sie die finanziellen Belastungen im Zusammenhang mit einem Umzug oftmals abmildern wird. Denn der angelegte Kautionsbetrag kann hierdurch frühzeitig an den Mieter zurückfließen und von diesem bspw. für die neue Kaution, die Anschaffung von Einrichtungsgegenständen, die Umzugskosten oder für sonstige Ausgaben im Kontext eines Wohnungswechsels verwendet werden. Allerdings ist auch eine solche Vereinbarung keineswegs ungewöhnlich.
Das Gericht wertet dagegen die vorliegende Abstandszahlung als namhaft und somit als erhebliches Indiz für einen Verzichtswillen der Kläger.
Dabei wird nicht verkannt, dass der Mietvertrag, in den der Beklagte nach § 566 BGB eintrat, in erhöhtem Maße mieterfreundlich ausgestaltet war.
Es dürfte daher durchaus ein erhebliches wirtschaftliches Interesse des Beklagten daran bestanden haben, sich von diesem Mietverhältnis alsbald zu lösen. Denn es ist gerichts- und wohl auch allgemein bekannt, dass Wohnungen ohne – zumal nicht vermieterfreundliche – mietvertragliche Bindung im Falle einer Veräußerung einen höheren Verkaufserlös zu erzielen geeignet sind, als Wohnungen mit einer – zumal nicht vermieterfreundlichen – mietvertraglichen Bindung.
Es wird daher – gerade in Anbetracht des überaus angespannten Immobilienmarktes in der Landeshauptstadt München – bei realitätsnaher Betrachtung davon auszugehen sein, dass grundsätzlich eine erhöhte Bereitschaft besteht, Abstandszahlungen zu leisten, um einen Mieter einvernehmlich zum Auszug zu bewegen und damit die Grundlage für eine wirtschaftlich lukrative Weiterveräußerung/anschließende Neuvermietung (ggf. nach Sanierung) zu schaffen. Eine Abstandszahlung – ggf. auch in namhafter Höhe – wird vor diesem Hintergrund in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt in eingeschränkterem Maße als Indiz eines Verzichts auf Schadensersatzansprüche ausgelegt werden können, als dies in weniger umkämpften Immobilienmärkten der Fall sein wird.
Es wird auch nicht verkannt, dass das durch den Aufhebungsvertrag zu beendende Mietverhältnis unzweifelhaft als langjährig zu bezeichnen ist. Je länger Mietverhältnisse angedauert haben, desto höher wird im Allgemeinen die berechtigte mieterseitige Erwartung in Bezug auf die Summe einer etwaigen Abstandszahlung/Umzugskostenbeihilfe sein.
Zu berücksichtigen ist auch, dass die Abstandszahlung zwar bis auf 24.500,00 € gestaffelt ansteigen sollte (Ziff. 5), dies jedoch gleichzeitig mit einer Verkürzung der Frist zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verbunden war. Zudem sollte die Abstandszahlung sogar vollständig entfallen und hätte in der bereits gezahlten Höhe von 15.000,00 € (nebst Zinsen) zurückgezahlt werden müssen, sofern der späteste Räumungs- und Herausgabetermin zum 31.12.2016 nicht eingehalten worden wäre, was mit einem gewissen Risiko der Mieterseite einherging.
Andererseits sollte bereits spätestens 14 Tage nach Abschluss der Mietaufhebungsvereinbarung ein Betrag von 15.000,00 € an die Mieter gezahlt werden, was in Bezug auf die Gegenleistung in Form der Räumung und Herausgabe eine erhebliche Vorleistung des Vermieters darstellte. Gerade in Relation zur Höhe der Miete von insgesamt 1.208,00 € ist bereits der Betrag von 15.000,00 € als durchaus namhaft zu bezeichnen. Denn er ging über die Höhe einer Jahresmiete hinaus. Noch deutlicher wird das Verhältnis von Miete und Abstandszahlung – und damit der Charakter der Namhaftigkeit der Abstandszahlung – wenn man den gezahlten Betrag von 21.000,00 € bzw. den maximal vereinbarten Betrag von 24.500,00 € betrachtet, da dieser mehr als 17 bzw. mehr als 20 Monatsmieten ausmachte.
Auch die Gesamtschau aller vermieterseitigen Zugeständnisse trägt hier die Annahme eines Verzichtswillens.
Anzuführen ist vorliegend die namhafte Abstandszahlung, die vom Vermieter zum weit überwiegenden Teil bereits vorab zu zahlen war, der Verzicht auf Schönheitsreparaturen bzw. die diesbezügliche klarstellende Regelung, das Recht zur kurzfristigen Rückgabe des Mietobjekts bei vorzeitiger Beendigung der Verpflichtung zur Zahlung von Miete und die deutlich verkürzte Kautionsabrechnungsfrist.
Bereits aus rechtlichen Gründen scheidet hier also ein Schadensersatzanspruch der Kläger aus.
2. Beweisfälligkeit der Kläger hinsichtlich der Behauptung vorgetäuschten Eigenbedarfs
Selbst wenn man vorliegend nicht von einem konkludenten Verzicht auf Schadensersatzansprüche ausgehen würde, könnte der Klage nicht stattgegeben werden.
Denn die Kläger sind hinsichtlich ihrer Behauptung vorgetäuschten Eigenbedarfs beweisfällig geblieben.
Insoweit ist zunächst klarzustellen, dass das Gericht die volle diesbezügliche Beweislast bei der Klagepartei sieht. Eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast des Vermieters, hier also des Beklagten, kann dagegen nicht angenommen werden.
Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 29. März 2017 – VIII ZR 44/16 (WuM 2017, 342, ZMR 2017, 550) entschieden, dass den Vermieter, der den zur Grundlage der Kündigung gemachten Bedarf (in der Entscheidung handelte es sich um „Betriebsbedarf“ i.S.v. § 573 Abs. 1 BGB) nach dem Auszug des Mieters nicht realisiert, eine sekundäre Darlegungslast zum nachträglichen Wegfall des behaupteten Bedarfs trifft. Setzt der Vermieter den angeblichen Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht um, liegt nämlich der Verdacht nahe, dass der Bedarf nur vorgeschoben war. Unter diesen Umständen ist es dem Vermieter zuzumuten, substantiiert und plausibel („stimmig“) darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Bedarf nachträglich entfallen sein soll; an diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, NJW 1997, 2377; BGH, Urteil vom 18. Mai 2005 – VIII ZR 368/03, NJW 2005, 2395 unter II 3 b cc; BGH, Beschl. vom 11. Oktober 2016 – VIII ZR 300/15, MDR 2017, 21 Rdn. 25).
Die in diesem Urteil des BGH niedergelegten Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast bei vorgetäuschtem Eigenbedarf sind auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen.
Denn anders als im vorgenannten Fall geht es hier nicht um eine unter Vorspiegelung falscher Tatsachen ausgesprochene Kündigung wegen Betriebs- oder Eigenbedarfs des Vermieters.
Es wird nicht verkannt, dass auch im Rahmen des Abschlusses eines Mietaufhebungsvertrags oder bei einer unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in einen Mietvertrag aufgenommenen Befristung nach § 575 BGB ein hinreichendes Täuschungselement vorliegen kann.
All diese Fallgruppen haben aber gemeinsam, dass der Vermieter unstreitig durch eine konkrete Handlung zum Ausdruck gebracht hat, dass eine Bedarfslage bestehe, die ihn dazu veranlasse, das Mietverhältnis zu beenden bzw. enden zu lassen.
Im hier zu entscheidenden Fall ist zwischen den Parteien aber bereits streitig, ob der Beklagte jemals „Eigenbedarf angemeldet“ hat. Anders gewendet: Die Behauptung, dass der Vermieter einen Selbst- oder Fremdnutzungswillen (hier ein Fremdnutzungswille seitens des Vaters des Beklagten) geltend gemacht habe, ist zwischen den Parteien vorliegend bereits streitig, zumal sich in der schriftlichen Mietaufhebungsvereinbarung keinerlei diesbezügliche Anhaltspunkte finden.
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass überhaupt ein Selbst- oder Fremdnutzungswille (ernstlich und konkret) behauptet wurde, trifft jedoch den Mieter, der den (ehemaligen) Vermieter auf Schadensersatz in Anspruch nimmt.
Dabei reicht nach Überzeugung des Gerichts eine bloße allgemein gehaltene, vage Andeutung einer möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt entstehenden Bedarfslage grundsätzlich nicht aus.
Unschädlich ist also vorliegend, dass der Beklagte im Gespräch jedenfalls angedeutet hat, dass sein Vater möglicherweise irgendwann nach München zurückkehren und ggf. in die Wohnung einziehen wolle.
Soweit der Kläger darüber hinausgehende Behauptungen des Beklagten hinsichtlich eines Eigenbedarfs vorgebracht hat, ist er beweisfällig geblieben.
Dies gilt sowohl hinsichtlich der Gespräche der Klagepartei mit dem Beklagten im Seehaus und in der verfahrensgegenständlichen Wohnung bei Rückgabe des Mietobjekts als auch für die Telefonate zwischen dem Kläger zu 1) und dem Beklagten.
Denn es stehen für keines der Gespräche Zeugen zur Verfügung, die währenddessen anwesend waren und damit den Gesprächsinhalt und -verlauf wiederzugeben in der Lage wären.
Die ausführliche Anhörung der beiden Kläger einerseits sowie des Beklagten andererseits vermochte diese maßgeblichen Gesichtspunkte nicht zu erhellen. Es ist insoweit von einem non liquet auszugehen, das zu Lasten der beweisbelasteten Klagepartei geht.
Dass der Kläger zu 1) Rechtsrat bei zwei Rechtsanwälten eingeholt haben soll und sich zudem an zwei ehemalige Kollegen gewandt habe, kann durchaus als wahr unterstellt werden. Denn keiner dieser Zeugen war – wie ausgeführt – bei den Gesprächen und Vertragsverhandlungen zwischen der Klage- und der Beklagtenpartei anwesend. Die Zeugen könnten mithin nur dazu aussagen, was ihnen der Kläger zu 1) hierüber mitgeteilt hat. Über die konkreten Worte des Beklagten gegenüber der Klagepartei – und auf diese käme es maßgeblich an – könnten die Zeugen aus eigener Wahrnehmung nichts sagen.
Auch die Zeugen Uttenthaler (Maklerin der Kreissparkasse) und die frühere Vermieterin der Klagepartei hätten den Gesprächsinhalt zwischen den Parteien nicht aufklären können.
Denn eine (zeitlich gänzlich unklare) etwaige Bereitschaft der Klagepartei, das Mietverhältnis mit der Rechtsvorgängerin des Beklagten aufzulösen hätte nicht bewiesen, was zwischen der Klage- und der Beklagtenpartei abgesprochen war.
Dies gilt auch für die Vernehmung der Maklerin der Kreissparkasse.
Den diesbezüglichen Zeugeneinvernahmen hätte der Charakter eines Ausforschungsbeweises angehaftet. Sie hätten allenfalls unzureichende Indizien liefern können.
3. Schadenshöhe/Erstattungsfähigkeit der verfahrensgegenständlichen Schadensposition
Im Übrigen scheitert der verfahrensgegenständliche Schadensersatzanspruch der Klagepartei aber auch daran, dass hier keine erstattungsfähigen Schadenspositionen geltend gemacht werden.
Der BGH hat im Urteil vom 29. März 2017 – VIII ZR 44/16 (WuM 2017, 342, ZMR 2017, 550) einige Grundsätze zu den erstattungsfähigen Schadenspositionen zum Ausdruck gebracht.
Hiernach sind insbesondere Umzugskosten, ein etwaiger Mietdifferenzschaden zwischen der bisherigen/früheren Miete und der nunmehrigen Miete (nach Umzug) sowie die Prozesskosten eines vorangegangenen Räumungsprozesses erstattungsfähig.
Derartige Schadenspositionen werden hier aber nicht geltend gemacht, zumal die nunmehrige Miete der Kläger in Augsburg nicht über derjenigen für das Mietobjekt Beltweg 22 liegt.
Soweit die Klagepartei meint, dass der Umstand, in München wohnhaft zu sein, einem Vermögenswert nahe komme, kann dem – jedenfalls in schadensrechtlicher Hinsicht – nicht gefolgt werden.
Es besteht auch keine Grundlage dafür, die Annahme eines Schadens nach §§ 249 ff. BGB darauf zu stützen, dass die bisherige Miete eines gekündigten/beendeten Mietverhältnis der behaupteten Neuvermietungsmiete für ein vergleichbares Objekt gegenübergestellt wird. Denn insoweit realisiert sich auf der Seite eines Mieters per se kein erkennbarer Schaden i.S. eines Vermögensabflusses.
Es bedarf daher keiner näheren Begründung, dass die ortsübliche Miete für ein vergleichbares Objekt – zumal unter Berücksichtigung des Münchener Mietspiegels 2017 – nicht bei 2.135,00 € (bei einer Wohnungsgröße von 97 m² entspräche dies einer Miete von 22,00 €/m², bei 95,22 m² läge die Miete pro m² sich sogar noch höher) liegen wird.
Es bedarf auch keiner Entscheidung dazu, ob es vertretbar ist, der Schadensberechnung den Zeitraum von 10 Jahren zugrunde zu legen. Dieser Gesichtspunkt ist in der mietrechtlichen Rechtsprechung nach wie vor weitgehend ungeklärt.
Nach alledem würde der klagegegenständliche Schadensersatzanspruch auch der Höhe nach nicht in Betracht kommen.
4. Anfechtung der Mietaufhebungsvereinbarung
Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus der klägerseitigen Anfechtung der Mietaufhebungsvereinbarung.
Geht man – wie hier – wegen der konkreten vertraglichen Gestaltung einer Mietaufhebungsvereinbarung von einem konkludenten Verzichtswillen der Mieterseite auf Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs aus, kommt eine Anfechtbarkeit der Mietaufhebungsvereinbarung nach § 123 BGB von vornherein nicht in Betracht.
Denn das Risiko, dass der Vermieter tatsächlich getäuscht hat, ist damit abgegolten, also „eingepreist“.
Soweit – wie hier – von einem wirksamen Verzicht auf Schadensersatzansprüche durch den Abschluss der Mietaufhebungsvereinbarung ausgegangen werden kann, schließt dies naturgemäß auch eine Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung aus.
Eine Anfechtung scheitert hier auch daran, dass die diesbezüglichen tatsächlichen Voraussetzungen des § 123 BGB, nämlich die arglistige Täuschung der Kläger durch den Beklagten, nicht nachgewiesen werden konnten. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur Beweisfälligkeit der Klagepartei Bezug genommen.
Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Klagepartei im Falle einer erfolgreichen Anfechtung der Aufhebungsvereinbarung – wie nicht – grundsätzlich auch die bereits erhaltene Abstandszahlung an den Beklagten zurückzuerstatten hätte.
5. vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten
Mangels Hauptforderung kann auch keine Nebenforderung zugesprochen werden.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 i.V.m. S. 1 ZPO.
IV.
Der Streitwert beruht auf der Höhe der insgesamt geltend gemachten Hauptforderung.