Aktenzeichen 32 U 2393/19
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
Leitsatz
Verfahrensgang
15 O 1433/18 2019-04-15 Endurteil LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 15.04.2019, Az. 15 O 1433/18, abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, die Ladenfläche mit einer Größe von ca. 34 m² im Erdgeschoss links in der …straße xx in … mit einem Ladenraum und einem WC zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 75.000,00 abwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 50.908,20 € festgesetzt.
Gründe
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin erweist sich auch in der Sache als begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückgabe der vermieteten Räumlichkeiten aus § 546 Abs. 1 BGB. Die Kündigung der Klägerin vom 13.11.2017, Anlage K 2, hat das Mietverhältnis, in das die Klägerin gemäß § 566 BGB zum 02.08.2017 eingetreten ist, zum 30.06.2018 beendet. Trotz der Befristung des Mietverhältnisses bis zum 28.02.2021 in dem
1. Nachtrag vom 28.01./27.02.2016 konnte die Klägerin das Mietverhältnis ordentlich kündigen, da der Mietvertrag nach § 550 Satz 1 BGB als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt.
I.
Der Mietvertrag vom 09.03./11.03.2011 wahrt nicht die Form des § 550 BGB, da das Mietobjekt in § 1 des Mietvertrages nicht hinreichend bestimmbar beschrieben ist. Der Grundrissplan, der gemäß § 1 des Mietvertrages beigefügt werden sollte, diente nicht nur lediglich der Veranschaulichung oder Beweiszwecken. Ihm sollte ein eigener rechtsgeschäftlicher Erklärungswert zukommen, da er zur Bestimmung des Mietobjektes erforderlich war.
a) Die von §§ 578 Abs. 1 und 2, 550 BGB geforderte Schriftform ist nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere über den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses, aus einer von den Parteien unterzeichneten Urkunde oder aus gleichlautenden, von jeweils einer Partei unterzeichneten Urkunden ergibt. Von der Schriftform ausgenommen sind lediglich solche Abreden, die für den Inhalt des Vertrags, auf den die Parteien sich geeinigt haben, von nur nebensächlicher Bedeutung sind (BGH, Urteil vom I1. April 2018 – XII ZR 43/17 -, Rn. 17, NZM 2018, 515). Die von § 550 BGB geforderte Beurkundung dient dabei in erster Linie dem Informationsbedürfnis und damit dem Schutz des in den Vertrag gemäß § 566 Abs. 1 BGB eintretenden Erwerbers. Diesem soll durch die Schriftform ermöglicht werden, sich von Umfang und Inhalt der auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten zuverlässig zu unterrichten. Zusätzlich bezweckt die Schriftform des § 550 BGB, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden sicherzustellen und als Übereilungsschutz die Vertragsparteien vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu warnen (BGH, Urteil vom 21. November 2018 – XII ZR 78/17 -, NJW 2019, 990, Rn. 26).
Voraussetzung für die hinreichende Bestimmbarkeit des Mietobjekts ist, dass sich dessen Lage aufgrund der Vorgaben im Mietvertrag an Ort und Stelle feststellen lässt (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2002 – XII ZR 248/99 -, NZM 2002, 8223, Rn. 3; BGH, Urteil vom 30. Juni 1999 – XII ZR 55/97 -, NJW 1999, 2591, Rn. 40 Landwehr in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kap II Rn. 2493). Der Mietgegenstand muss anhand der örtlichen Gegebenheiten konkretisierbar sein (BGH, Urteil vom 06. April 2005 – XII ZR 132/03 -, NJW 2005, 2225, Rn. 40). Für die Festlegung des Mietobjekts genügt die konkrete Angabe der Örtlichkeiten sowie die jeweilige Circa-Angabe der Quadratmeter (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2002 – XII ZR 248/99 -, NZM 2002, 8223, Rn. 3).
Der Mietgegenstand muss zur Wahrung der Schriftform so hinreichend bestimmbar bezeichnet sein, dass es einem Erwerber, dessen Schutz die Schriftform in erster Linie bezweckt, im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses möglich ist, den Mietgegenstand zu identifizieren und seinen Umfang festzustellen. Etwa verbleibende Zweifel an der Lage des Mietgegenstands innerhalb eines Gebäudes lassen sich im Wege der Auslegung beseitigen, weil auch formbedürftige Vertragsklauseln grundsätzlich der Auslegung zugänglich sind, wenn sie sich als unklar oder lückenhaft erweisen. Selbst wesentliche Tatbestandsmerkmale des Rechtsgeschäfts brauchen daher nicht bestimmt angegeben zu werden, sofern nur die Einigung über sie beurkundet ist und ihr Inhalt bestimmbar bleibt. Insoweit darf auch auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden (BGH, Urteil vom 30. April 2014 – XII ZR 146/12, NJW 2014, 2102 Rn. 23).
b) Gemessen an diesen Voraussetzungen ist das Mietobjekt in dem Mietvertrag vom 09.03./11.03.2011 nicht hinreichend bestimmbar bezeichnet. Weder aus der Angabe der Adresse (…str. xx, …), noch aus der Bezeichnung als „Mieteinheit 1“ oder aus der Angabe der „Gewerbefläche“ mit insgesamt 33,65 m² lässt sich die Lage des Mietobjekts an Ort und Stelle feststellen.
aa) Durch die Angabe der Adresse in § 1 des Mietvertrages wird die Lage des Mietobjektes nicht bestimmbar bezeichnet.
Mit der Adresse des Mietobjekts ist nur die postalische Adresse, aber nicht die Lage der Mieteinheit innerhalb des Gebäudes angegeben. Unter derselben postalischen Adresse befinden sich insgesamt fünf Läden. Dabei liegen allerdings nur zwei direkt zur …str. xx. Der Mietvertrag lässt sich nicht dahin auslegen, dass die Angabe der Adresse der genauen Lage im Anwesen dient, bspw. in Abgrenzung zu den Mieteinheiten im hinteren Bereich des Gebäudes. Nach dem Wortlaut des Mietvertrages wird mit der postalischen Adresse das Gebäude insgesamt bezeichnet (…im Hause: …str. xx, …“).
bb) Auch die Bezeichnung des Mietobjektes als „Mieteinheit 1“ führt nicht zu einer hinreichenden Bestimmbarkeit.
(1) Die Beklagte ist der Auffassung, die Einheit sei durch die Nummerierung hinreichend bestimmt. Die Mieteinheiten seien im Jahr 2011 neu durchnummeriert worden. Die Klägerin müsse sich insoweit die Kenntnis der Voreigentümerin zurechnen lassen. Die Nummerierung habe bei allen Mieteinheiten mit dem als Anlage ALHR 11 vorgelegten Grundriss übereingestimmt.
(2) Die Ladennummerierung führt nicht dazu, dass sich das Mietobjekt vor Ort bestimmen lässt. Die Nummerierung nimmt Bezug auf einen Plan, der im Mietvertrag nicht bezeichnet ist. Zur Bestimmbarkeit des Mietobjekts kann im Mietvertrag auf Pläne und Zeichnungen Bezug genommen werden, wenn diese als Anlage im Mietvertrag so genau bezeichnet werden, dass eine zweifelsfreie Zuordnung möglich ist (Landwehr in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kap II Rn. 2493). Der nach dem Vortrag der Beklagten in Bezug genommene Plan ist nach ihrem Vortrag später sogar wieder geändert worden. Damit ist es einem Erwerber nicht möglich, aus der Nummerierung auf eine bestimmte Einheit zu schließen.
cc) Der in § 1 des Mietvertrages enthaltene Satz: „die Gewerbefläche gilt mit insgesamt 33,65 m² als vereinbart.“ enthält keine hinreichende Bezeichnung des Mietobjektes.
(1) Die Beklagte ist der Auffassung, durch die Angabe der Größe lasse sich vor Ort feststellen, um welche Ladeneinheit es sich handele. Sogar nur mit einem Zollstock ließen sich in kurzer Zeit die Flächen der Ladeneinheiten nachmessen. Die anderen beiden Einheiten vergleichbarer Größe seien um 4 m² bzw. 5 m² kleiner. Dieser Unterschied lasse sich ohne Aufwand feststellen. Aus der Angabe der Fläche als Gewerbefläche ergebe sich eine Vereinbarung über die Berechnungsmethode der Fläche. Mit Gewerbefläche sei die Nettogrundfläche gemeint. Die Nettogrundfläche gemäß dem Vermessungsgutachten und die Mietverträge würden bei den Läden übereinstimmen.
(2) Das Mietobjekt ist durch die Vereinbarung einer Mietfläche von 33,65 m² nicht hinreichend bestimmt. In der Immobilienbranche werden mehrere Berechnungsmethoden für die Flächenberechnung angewendet, die bei demselben Objekt zu Abweichungen von bis zu 25% führen können (Neuhaus, Handbuch der Geschäftsraummiete, 7. Aufl., Kap. 7 Rn. 124). Die Auslegung der Bezeichnung als „Gewerbefläche“ lässt – anders bspw. als die Bezeichnung als „Nutzfläche“ – keinen eindeutigen Schluss auf eine bestimmte Berechnungsart zu. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, aus welchen Umständen sich ergeben soll, dass mit „Gewerbefläche“ gerade eine Flächenermittlung auf Basis der Netto-Grundfläche (NGF) nach DIN 277 vereinbart worden sein soll. Das von der Klägerin in Auftrag gegebene Privatgutachten, vorgelegt als K 37, kommt zwar für die gegenständlichen Räumlichkeiten zu einer Brutto-Grundfläche von 39,76 m² und zu einer Netto-Grundfläche von 33,70 m². Dieses Gutachten wurde aber erst im Jahre 2018 erstattet.
Es ist nicht ersichtlich, auf welche Pläne die Vertragsparteien bei Abschluss des Mietvertrages bei der Nennung der Größe der Einheit Bezug genommen haben und nach welcher Methode bei diesen Plänen die Größe der Einheiten ermittelt wurde. Für einen Erwerber kann das Ergebnis dieser Vermessung auch als zufällig erscheinen.
Anders als die Berufung hält der Senat für die Bestimmbarkeit des Objektes erforderlich, dass sich die Mieteinheit ohne weitere Hilfsmittel und/oder Vermessungen allein anhand des Mietvertrages vor Ort bestimmen lässt. Es gibt in dem Gebäude mehrere weitere vermietete Ladeneinheiten. Davon haben drei weitere Einheiten eine ähnliche Größe wie die an die Beklagte vermietete Einheit. Nach dem auch von der Beklagten in Bezug genommenen von der Klägerin als K 36 vorgelegten Privatgutachten weisen die Einheit der Beklagten berechnet nach der Netto-Grundfläche eine Größe von 33,70 m² und die weiteren Einheiten Größen von 52,76 m², 28,60 m², 28,98 m², 29,22 m² und 66,02 m² auf. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die Unterschiede von wenigen Quadratmetern allein schon mit einem Zollstock bei Vermessung der verschiedenen Einheiten feststellen lassen. Erforderlich wäre ein Nachmessen aller vier ungefähr gleich großen Einheiten.
2. Der Formmangel ist nicht durch Abschluss des ersten Nachtrages vom 28.01./27.02.2016 geheilt worden.
a) Grundsätzlich kann die Beurkundung eines zunächst formlos geschlossenen Vertrags jederzeit nach Vertragsschluss nachgeholt werden. Der Vertrag gilt dann als von Anfang an in der gesetzlich vorgeschriebenen Form abgeschlossen (Staudinger/V.Emmerich, 2018, § 550 BGB Rn. 15). So kann die mangelhafte Bezeichnung des Vertragsgegenstandes im Vertrag jederzeit durch Nachholung der Bezeichnung in einem Nachtrag, der allein oder durch ausreichende Bezugnahme auf andere Vertragsurkunden alle wesentlichen Vertragsbedingungen enthält, geheilt werden (Staudinger/V.Emmerich, a.a.O., Rn. 24c; vgl. BGH, Urteil vom 02. Mai 2007 – XII ZR 178/04, NJW 2007, 3273 Rn. 32).
b) Nach Auffassung des Senates kann ein Formmangel eines Mietvertrages, der darauf beruht, dass der Mietgegenstand nicht hinreichend bestimmbar beschrieben ist, nicht allein dadurch geheilt werden, dass zu dem Zeitpunkt des Abschlusses eines ansonsten formwahrend geschlossenen Nachtrags zum ursprünglichen Mietvertrages, die genaue Lage der Mieträume in dem Gebäude allein anhand der tatsächlichen Nutzungsverhältnisse im Gebäude festgestellt werden kann.
aa) Nach der Rechtsprechung des BGH darf zur Wahrung der hinreichenden Bestimmbarkeit von Vertragsparteien und Vertragsobjekt auch auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden, wenn diese zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits vorgelegen haben (BGH, Urteil vom 30. April 2014 – XII ZR 146/12, NJW 2014, 2102 Versäumnisurteil vom XII ZR 313/98 -, Rn. 71, NJW 2000, 354). So genügte die Bezeichnung in einem Pachtvertrag, die auf die bereits vorhandene Nutzung des Mietobjekts zum Vertragszweck und auf die konkrete Nutzung der anderen Mieteinheiten zum Zwecke der Abgrenzung Bezug nahm. Denn auf diese Weise sei bei einer Besichtigung vor Ort erkennbar gewesen, welche Räume als zum Mietobjekt gehörig mitvermietet werden sollten. 17. Dezember 2008 – XII ZR 57/07-,Rn. 13, NZM 2009, 198; Urteil vom 29. September 1999 – XII ZR 313/98 –, Rn. 71, NJW 2000, 354). So genügte die Bezeichnung in einem Pachtvertrag, die auf die bereits vorhandene Nutzung des Mietobjekts zum Vertragszweck und auf die konkrete Nutzung der anderen Mieteinheiten zum Zwecke der Abgrenzung Bezug nahm. Denn auf diese Weise sei bei einer Besichtigung vor Ort erkennbar gewesen, welche Räume als zum Mietobjekt gehörig mitvermietet werden sollten.
Nach Auffassung der Beklagten sei ein etwaiger Formmangel durch Abschluss des als Anlage ALHR 3 vorgelegten 1. Nachtrags vom 28.01./27.02.2016 geheilt worden. Sie stützt ihre Auffassung auf ein Urteil des BGH, in dem ein auf der mangelnden Bestimmbarkeit des Mietobjektes beruhender Formmangel durch einen Nachtrag als geheilt angesehen wurde (BGH, Urteil vom 07. Juli 1999 – XII ZR 15/97 -, Rn. 43, NJW 1999, 3257 vgl. Guhling/Günter/Schweitzer, 2. Aufl. 2019, BGB § 550 Rn. 30). Danach werde ein Formmangel geheilt, wenn das Mietobjekt in dem Nachtrag, der seinerseits alle Essentialia eines Mietvertrages enthält, hinreichend bestimmbar bezeichnet ist. Es sei ausreichend, wenn sich auch danach noch verbleibende Zweifel an der exakten Lage des Mietgegenstandes innerhalb des Gebäudes im Wege der Auslegung beseitigen ließen. Wenn der Mieter die Räumlichkeiten schon längere Zeit nutze, ohne dass Streit hinsichtlich Lage und Anordnung der Räume aufgekommen sei und die Nachtragsvereinbarung ausdrücklich auf das bestehende Mietverhältnis verweise, sei die Nachtragsvereinbarung ohne weiteres dahin auszulegen, dass die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Nachtragsvereinbarung tatsächlich ausgeübte Nutzung als vertragsgemäß angesehen und fortgesetzt werden sollte. Welche Räume der Mieter im Zeitpunkt des Abschlusses des Nachtragsvertrages genutzt habe, habe sich zumindest damals unschwer an Ort und Stelle feststellen lassen. Für die Wahrung der Schriftform reiche aber die Bestimmbarkeit des Mietobjekts im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aus; soweit diese nachträglich durch Zeitablauf erschwert werde, könne dies die einmal gewahrte Form nicht mehr in Frage stellen (BGH, Urteil vom 07. Juli 1999 – XII ZR 15/97 -, Rn. 45, NJW 1999, 3257).
Später hat der BGH es dahinstehen lassen, ob eine Heilung schon dadurch eintreten kann, dass die genaue Lage der Mieträume jedenfalls im Zeitpunkt der Errichtung eines formwahrend vereinbarten Nachtrags anhand der tatsächlichen Nutzungsverhältnisse im Gebäude festgestellt werden kann (BGH, Urteil vom 02. Mai 2007 – XII ZR 178/04, NJW 2007, 3273 Rn. 32).
Die Beklagte trägt vor, auch im 1. Nachtrag vom 28.01./27.02.2016 sei ausdrücklich auf das bestehende Mietverhältnis Bezug genommen worden. Streit über die Lage der von ihr angemieteten Ladeneinheit sei niemals entstanden. Damit sei auch im Verhältnis der Beklagten zur Rechtsvorgängerin der Klägerin der Nachtrag dahin auszulegen, dass die zum damaligen Zeitpunkt ausgeübte Nutzung, die vor Ort ohne weiteres festgestellt hätte werden können, als vertragsgemäß angesehen werde.
bb) Zum Schutze des Erwerbers ist es erforderlich, dass sich aus dem Mietvertrag selbst oder aus einem Nachtrag allein oder in Verbindung mit dem Mietvertrag der Mietgegenstand vor Ort feststellen lassen kann. Der Senat sieht es nicht als ausreichend an, dass sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder des Abschlusses eines Nachtrags der Mietgegenstand vor Ort allein anhand der tatsächlichen Nutzung durch die Mietpartei bestimmen lässt. Wie schon ausgeführt dient die von § 550 BGB geforderte Beurkundung in erster Linie dem Informationsbedürfnis und damit dem Schutz des in den Vertrag gemäß § 566 Abs. 1 BGB eintretenden Erwerbers. Er soll sich durch die Mietvertragsurkunden von Umfang und Inhalt der auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten zuverlässig unterrichten können (BGH, Urteil vom 21. November 2018 – XII ZR 78/17 -, NJW 2019, 990, Rn. 26).
In dem Gebäude, in dem die Mieteinheit liegt, gibt es fünf Ladengeschäfte, von denen drei Einheiten annähernd die gleiche Größe haben mit einer Abweichung von ca. 4 m². Die Klägerin kann auch durch Auslegung der Vertragsurkunden nicht in Erfahrung bringen, welche Mieteinheit an die Beklagte vermietet ist. Sie weiß, welche Mieteinheit von der Beklagten zum Zeitpunkt von Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten von der Beklagten genutzt wird. Aber es ergibt sich aus den Urkunden auch mithilfe der Auslegung nicht, ob diese Einheit von der Beklagten auch zum Zeitpunkt des Abschlusses des Nachtrags genutzt wurde. Weiter ist für die Klägerin nicht erkennbar, ob es zu irgendeinem Zeitpunkt Streit zwischen den vormaligen Mietvertragsparteien darüber gab, welche Einheit an die Beklagte vermietet ist. Damit bleibt die Klägerin als Erwerberin über eine wesentliche Vertragspflicht im Unklaren. Genau davor soll § 550 BGB schützen.
Im übrigen ließ sich auch zum Zeitpunkt des Abschlusses des Nachtrags nicht ohne weiteres feststellen, welche Einheit von der Beklagten genutzt wird. Denn die Beklagte hat in der Mieteinheit nicht selbst ein Geschäft betrieben. Vielmehr hat sie die Einheit – ohne die nach dem Mietvertrag erforderliche Anzeige gegenüber der Vermieterin – untervermietet. Auf die damalige Untermieterin oder auch nur den Umstand der Untervermietung wird in dem 1. Nachtrag nicht Bezug genommen.
III.
1. Die Entscheidung des Landgerichts war deshalb aufzuheben und der Räumungsklage stattzugeben.
2. Die Kostenentscheidung für den Rechtsstreit beruht auf § 91 ZPO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711, § 713 ZPO.
4. Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.
a) Der BGH hat die in dem Urteil vom 07. Juli 1999 (XII ZR 15/97) vertretene Auffassung, ein auf der mangelnden Bestimmbarkeit des Mietobjektes beruhender Schriftformmangel könne durch einen Nachtrag geheilt werden, wenn zum Zeitpunkt de Abschlusses des Nachtrags das Mietobjekt durch die tatsächliche Nutzung durch den Mieter festgestellt werden könne, später nur dahingestellt sein lassen, aber nicht ausdrücklich aufgegeben. Der Senat weicht daher von der Rechtsprechung des BGH in diesem Punkt ab.
b) Die Frage ist entscheidungserheblich, denn die anderen von der Klägerin ausgesprochenen Kündigungen sind unwirksam.
aa) Die außerordentliche Kündigung vom 19.01.2018 wegen unerlaubter Untervermietung ist unwirksam. Nach § 9 Ziffer 4 des Mietvertrages kann der Vermieter nur binnen eines Monats nach Kenntniserlangung von der unberechtigten Untervermietung den Mietvertrag kündigen. Diese Frist war zum Zeitpunkt des Eintritts der Klägerin in den Mietvertrag abgelaufen. Das Kündigungsrecht entsteht nicht neu durch Veräußerung des Mietobjekts. Die mietvertragliche Regelung greift nur erneut, wenn der Mieter an jemand anderes neu untervermietet.
bb) Es kann dahinstehen, ob die Klägerin mit dem Ausspruch der weiteren Kündigung in der Berufungsbegründung vom 25.07.2019 einen weiteren Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt hat. Die Klägerin hat das Mietverhältnis erneut wegen eines Schriftformmangels ordentlich gekündigt. Sie beruft sich dabei auf Umstände, die schon vor dem Ausspruch der ersten auf einen Schriftformmangel gestützten Kündigung liegen. Daher würden die neuen Tatsachen auch die ältere Kündigung stützen.
Entscheidend ist, dass der Senat diese Tatsachen seiner Entscheidung nicht nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zugrunde legen darf. Die Beklagte hat die von der Klägerin behauptete Vereinbarung der Beklagten mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin über die (Mit-)Nutzung einer Toilette ausdrücklich bestritten. Nur nicht beweisbedürftiges Vorbringen ist in der Berufung gemäß § 529 Abs. 1 ZPO der Entscheidung ohne weiteres zugrunde zu legen (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 – VIII ZR 288/14). Streitiges Vorbringen ist nur unter der Voraussetzung des § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Die Klägerin hat nicht (ausreichend) vorgetragen, dass es nicht auf ihrer Nachlässigkeit beruht hat, dass sie diese Tatsachen nicht schon in der ersten Instanz vorgetragen hat.