Aktenzeichen 10 O 11663/16
Leitsatz
1 Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses tritt ausnahmsweise dann nicht ein, wenn die Verweisung sich so weit von der gesetzlichen Grundlage entfernt, dass sie in Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters und das Willkürverbot des Grundgesetzes nicht hingenommen werden kann. (redaktioneller Leitsatz)
2 Grundsätzlich ist bei der Streitwertfestsetzung für die geltend gemacht Vornahme einer Handlung (hier die Entfernung einer auf dem Grundstück des Beklagten stehenden Fichte) das Interesse des Klägers unter Berücksichtigung des Kostenaufwandes festzusetzen. Auf das Erhaltungsinteresse des Beklagten kommt es nicht an. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
171 C 7182/16 2016-07-08 Bes AGMUENCHEN AG München
Tenor
I.
Das Landgericht München I erklärt sich für sachlich unzuständig.
II.
Die Übernahme des Verfahrens wird abgelehnt.
III.
Die Akten werden dem Oberlandesgericht München – Zivilsenat – zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangen von dem Beklagten die Entfernung einer auf dessen Grundstück stehenden Fichte sowie die Kürzung eines Mirabellenbaumes auf 3 Meter.
In der Klageschrift vom 05.04.2016 haben die Kläger als vorläufigen Streitwert wegen Vornahme einer Handlung 5.000,00 € angegeben.
Mit Hinweisbeschluss vom 28.06.2016 des Amtsgerichts München hat dieses die Parteien darauf hingewiesen, dass es sachlich nicht zuständig sei, da der mit 5.000,00 € angesetzte Streitwert nicht sachgerecht und angemessen zu sein scheint. Es hat darauf hingewiesen, dass die beiden geltend gemachten Ansprüche getrennt zu bewerten seien. Für die Entfernung des Fichtenbaumes beachte das Gericht dabei den Regelstreitwert von 5.000,00 € für angemessen, dies angesichts der Größe und des Alters des Baumes und dem ökonomischen Wert des Baumes in dieser Region. Dieser Einzelstreitwert in Höhe von 5.000,00 € sei als wirtschaftliches Erhaltungsinteresse des Beklagten an dem Baum angemessen.
Die weiteren Ansprüche des Rückschnitts des Mirabellenbaumes seien mit 1.000,00 € zu bemessen.
Es würde sich deshalb ein Gesamtstreitwert von 6.000,00 € ergeben und damit mit sachliche Zuständigkeit des Landgerichts (Beschluss vom 28.06.2016, Bl. 14/15 d. A.).
Mit Schriftsatz vom 04.07.2016 haben die Kläger entsprechend dem Hinweis des Gerichts die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht München I beantragt (Bl. 21 d. A.).
Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 08.07.2016 (Bl. 22/23 d. A.) wurde der Streitwert vorläufig auf 6.000,00 € festgesetzt.
Zur Begründung wurde unter anderem die Größe und das Alter des Baumes sowie der ökonomische Wert des Baumes in dieser Region und das wirtschaftliche Erhaltungsinteresse des Beklagten an dem Baum herangezogen.
Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 08.07.2016 (Bl. 25/26 d. A.) wurde der Rechtsstreit an das Landgericht München I verwiesen.
II.
Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts München entfaltet keine Bindungswirkung gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO.
Die Bindungswirkung tritt ausnahmsweise dann nicht ein, wenn die Verweisung sich so weit von der gesetzlichen Grundlage entfernt, dass sie in Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters und das Willkürverbot des Grundgesetzes nicht hingenommen werden kann (Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 281, Rdnr. 17). Ein solcher Fall liegt hier vor.
Das Amtsgericht München hat den Zuständigkeitsstreitwert evident falsch erfasst.
Die Kläger haben diesen mit 5.000,00 € angegeben und zur Begründung auf den Regelstreitwert Bezug genommen.
Fehlerhaft geht das Amtsgericht bei der vorläufigen Festsetzung des Streitwertes auf 6.000,00 €, welcher in den Verweisungsbeschluss eingeflossen ist, davon aus, dass unter anderem auch das Erhaltungsinteresse und der ökonomische Wert des Baumes in die Streitwertfestsetzung einfließen.
Mangels weiterer Erkenntnisse hierzu hat das Amtsgericht München dann den Regelstreitwert angesetzt (siehe auch Zöller, a. a. O., § 3, Rdnr. 16, dort unter Schätzung).
Dieser Ansatz war fehlerhaft, da vorliegend von den Klägern Anhaltspunkte für die Streitwertfestsetzung geliefert wurden. Insgesamt wurde ein Betrag in Höhe von 5.000,00 € als Streitwert angegeben.
Grundsätzlich ist bei der Streitwertfestsetzung für die geltend gemacht Vornahme einer Handlung das Interesse des Klägers unter Berücksichtigung des Kostenaufwandes festzusetzen (Zöller, a. a. O., § 3, Rdnr. 16, dort unter Vornahme einer Handlung). Auf das Erhaltungsinteresse des Beklagten kommt es nicht an (Zöller, a. a. O., § 3, Rdnr. 2).
Bereits der von den Klägern angegebene Streitwert in Höhe von 5.000,00 € scheint überhöht.
Nach den Angaben der Parteien dürfte der Nadelbaum eine Höhe von ca. 20 m erreichen. Setzt man die im Internet recherchierbaren Preise für eine Baumfällung als Spezialfällung in der höchsten Kategorie an, so ergeben sich bei einem Nadelbaum inklusive aller Arbeiten und Abfuhr des Baumes eine Preisspanne von ca. 35,00 bis 45,00 € pro lfm (siehe z. B. http://f…de. und www.b…de).
Der Gesamtstreitwert übersteigt so jedenfalls in keinem Fall die von der Klagepartei angegebenen 5.000,00 €.
Es verbleibt bei der Zuständigkeit des Amtsgerichts München.