Aktenzeichen 0120 C 2090/15
Leitsatz
1. Ist die Bezeichnung des zur Wohnung gehörenden Garagenstellplatzes nicht eindeutig, kann sich nach widerspruchsloser Nutzung eines bestimmten Stellplatzes über einen längeren Zeitraum der Vertrag auf diesen Stellplatz konkretisieren. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einem einheitlich bezüglich Wohnung und Garage geschlossenen Mietvertrag ist die Teilkündigung nur hinsichtlich der Garage unzulässig. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger besitzt keinen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten hinsichtlich deren Nutzung des streitgegenständlichen Garagenstellplatzes.
1. Dem Kläger steht kein Unterlassungsanspruch aus § 1004 I S. 2 BGB zu.
a) Der Kläger hat vom Voreigentümer und Verkäufer das Eigentum an einer Wohneinheit sowie dem streitgegenständlichen Garagenstell Platz erworben.
b) Das Eigentum des Klägers an dem Garagenstell Platz wurde immer wieder durch die Beklagten beeinträchtigt, indem diese fortwährend den Garagenstell Platz des Klägers nutzten und darauf ihre Fahrzeuge abstellten.
c) Aufgrund der fortwährenden Nutzung der Garage des Klägers durch die Beklagten sowie deren Weigerung, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, liegt auch eine Wiederholungsgefahr vor.
d) Der Anspruch des Klägers aus § 1004 I S.2 BGB ist jedoch gemäß § 1004 II BGB ausgeschlossen, da den Beklagten ein Recht zum Besitz an der Garage aus einem gültigen, mit dem Voreigentümer geschlossenen Mietvertrag vom 01.10.1996 zusteht.
aa) Der zwischen dem Voreigentümer und den Beklagten geschlossene Mietvertrag bezüglich der Wohnung im Anwesen …, erstes Obergeschoss links, in … umfasste auch die zwischenzeitlich vom Kläger erworbene, streitgegenständliche Garage.
Die in der Vertragsbestandteil gewordenen Anlage zum Mietvertrag enthaltene Formulierung, die den nach § 1 Nr. 5 des Mietvertrages mitvermieteten Kfz-Stellplatz betrifft, ist nach den Vorschriften der §§ 133, 157 BGB auslegungsbedürftig, da insbesondere die Formulierung „mögl. hintere Garagenreihe – 1. Garage rechts“ nicht eindeutig ist.
Ausgehend vom Wortlaut der Regelung sollten die Beklagten nach Fertigstellung der Garagen möglichst – also soweit dies möglich ist – die streitgegenständliche Garage zugewiesen bekommen. Bei der Auslegung nach § 133, 157 BGB sind auch die Begleitumstände in die Auslegung mit einzubeziehen. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses waren die zum Anwesen … gehörenden Garagen – und damit auch der streitgegenständliche Garagenstell Platz – noch nicht errichtet. Aus diesem Grund wurde den Beklagten laut der Formulierung in der Anlage zum Mietvertrag zunächst ein Carport vermietet. Dieses sollte nach Fertigstellung möglichst durch die streitgegenständliche Garage ausgetauscht werden. Nach Fertigstellung der Garage ist genau diese Zuteilung der streitgegenständlichen Garage an die Beklagten erfolgt.
Unter Berücksichtigung des Abschlusses des Mietvertrages vor der Errichtung der Garagen ergibt die Auslegung, dass die Formulierung „möglichst“ deshalb benutzt wurde, um Unsicherheiten oder Komplikationen vorzubeugen, die sich daraus hätten ergeben können, dass die Garagen bei Vertragsschluss noch gar nicht existierten bzw. dass sich die Situation bis zur Fertigstellung der Garagen noch hätte ändern können. Nach Fertigstellung der Garage kam es aber, wie in der Anlage des Mietvertrages vorgesehen, faktisch zu einer Zuweisung der streitgegenständlichen Garage an die Beklagten, da eine solche Zuweisung auch möglich war. Ein vom Kläger behauptetes Austauschrecht des Vermieters beschränkte sich demnach nur auf den einmaligen Austausch des im Vertrag erwähnten Carports gegen die nunmehr fertig gestellte Garage.
Auch das spätere Verhalten der Vertragsparteien kann als Indiz für die Auslegung in Betracht kommen: Nach der Zuweisung der Garage an die Beklagten haben diese die Garage bis jedenfalls 2005 unbeanstandet genutzt, weshalb sich der Mietvertrag auf diese spezifische Garage konkretisiert hat. Auch danach wurde den Beklagten die Nutzung der Garage bis zum Erwerb der Garage durch den Kläger weiter zugestanden. Auch dieser ist erst mit Klageschrift vom 30.12.2015 gerichtlich gegen die vermeintlich rechtswidrige Benutzung der Garage durch die Beklagten vorgegangen. Insgesamt nutzten die Beklagten die Garage bis heute seit 19 Jahren.
Auch die beiderseitige Interessenlage sowie der mit dem Vertrag verfolgte Zweck sind bei der Auslegung der entsprechenden Vertragspassage zu berücksichtigen.
Zwar meint der als Zeuge geladene Voreigentümer, es sei der Wunsch der Beklagten gewesen, die streitgegenständliche Garage zu bekommen, während er sich nicht festlegen wollte, dass die Beklagten diese Garage bekommen sollten, weshalb der Wortlaut „mögl. hintere Garagenreihe“ in den Vertrag aufgenommen worden sei. Allerdings erklärt der Zeuge auch, dass die Beklagten dann tatsächlich die streitgegenständliche Garage zugewiesen bekommen haben. Daraus lässt sich schließen, dass das Wort „mögl.“ nur auf die Zeit zwischen Vertragsschluss und Fertigstellung gelten sollte, während der Vertragsgegenstand dann durch die tatsächliche Zuweisung der streitgegenständlichen Garage konkretisiert wurde.
Es ist außerdem nicht ersichtlich, dass der Voreigentümer schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit den Beklagten bereits vorhatte, das Anwesen … in Wohneigentum aufzuteilen und zu verkaufen und sich deshalb im Mietvertrag mit den Beklagten nicht an einen konkreten Garagen Platz binden wollte. Die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers bleiben unberücksichtigt.
bb) Der Mietvertrag vom 01.10.1997 hat nach wie vor Bestand. Eine isolierte Teilkündigung des einheitlich bezüglich Wohnung und Garage geschlossenen Mietvertrages nur hinsichtlich der Garage wäre unzulässig.
Auch durch den späteren Verkauf der Garage an den Kläger ist das aus dem Mietvertrag vom 01.10.1996 nicht erloschen, was sich aus § 566 I BGB ergibt. Die Ausführungen des Klägers, der Verkäufer habe ihm die Garage bewusst mitverkauft und ihm versichert, es gäbe rechtlich hinsichtlich der Garage keine Probleme, bleiben unberücksichtigt. Dies kann jedenfalls nicht zu Lasten der Mieter und Beklagten gehen.
2. Der Kläger besitzt auch keinen aus § 862 I S. 2 BGB abgeleiteten Unterlassungsanspruch.
Der Besitzstörung liegt keine für einen Anspruch aus § 862 I S. 2 BGB erforderliche verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 I BGB seitens der Beklagten zugrunde, da diese ein Recht zum Besitz bezüglich der streitgegenständlichen Garage aus ihrem gültigen Mietvertrag vom 01.10.1996 herleiten können.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 147, 56 € gegen die Beklagten, da kein rechtswidriges Verhalten seitens der Beklagten vorlag.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 2. Alternative, § 711 Satz 1 ZPO.