Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Überlange Verfahrensdauer bei fehlenden prozessleitenden Massnahmen über acht Monate

Aktenzeichen  22 EK 2/16

Datum:
21.4.2017
Fundstelle:
BRAK-Mitt – 2017, 260
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GVG § 1, § 198 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Abs. 4 S. 3, § 201 Abs. 2

 

Leitsatz

Ein Verfahren hat überlang gedauert, wenn seit Eingang der Akten über acht Monate keine prozessleitenden Maßnahmen stattgefunden haben. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) 200,- Euro zu zahlen.
II.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2) 100,- Euro zu zahlen.
III.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V.
Die Revision wird nicht zugelassen.
VI.
Der Streitwert für das Verfahren wird auf 300,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Darstellung des Tatbestandes bedarf es nicht, §§ 201 Abs. 2 GVG, § 313 a ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.
1. Ein Rechtsmittel gegen das Endurteil ist nicht möglich. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 201 Abs. 2 S. 3 2. Halbsatz GVG i. V. m. § 544 ZPO ist ausgeschlossen, da der Streitwert 20.000,- Euro nicht übersteigt (vgl. Zöller, ZPO, 31. Aufl., 2016, Rdnr. 3 zu § 313 a ZPO). Die Wertgrenze von 20.000,- Euro gilt auch für Entschädigungsklagen (vgl. BGH, Beschluss vom 18.12.2014 – III ZR 472/13 -, BeckRS 2015, 00463, Rn.7) hat der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht widerlegt (vgl. Stein-beiß-Winkelmann/Ott a.a.O., § 198 GVG, Rn. 154). Es kommt auch keine Wiedergutmachung auf andere Weise als durch Entschädigung in Betracht. Da es sich um einen Fall handelt, in welchem das Beschleunigungsgebot des § 155 FamFG einschlägig ist und es sich um das Umgangsrecht mit den Kindern des Klägers zu 1) handelt, reicht es nicht aus, die Verzögerung nach § 198 Abs. 4 S. 3 2 HS GVG lediglich festzustellen. Vielmehr ist dem Kläger zu 1) dafür die beantragte Entschädigung in Höhe von 100 EUR in Geld zuzubilligen.
2. Die Kläger haben einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gem. § 198 Abs. 1 und 2 GVG wegen unangemessener Dauer des Verfahrens vor dem Amtsgericht Dachau, Az. …
a) Die Kläger haben am 20.05.2016 wirksam Verzögerungsrüge beim Amtsgericht Dachau erhoben. Diese war auch nicht verfrüht. Am 18.05.2015, also ein Jahr vor der Verzögerungsrüge, stellten die Kläger einen Antrag auf Pflichtverteidigervergütung beim Amtsgericht Dachau. Mit Beschluss vom 23.09.2015 hatte das Oberlandesgericht München über den am 18.05.2015 von den Klägern gestellten Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr entschieden. Im weiteren Zeitraum bis zur Verzögerungsrüge sind keine verfahrensfördernden Maßnahmen seitens des Amtsgerichts Dachau getroffen worden. Mithin ist über acht Monate lang keine verfahrensfördernde Handlung durch das Amtsgericht Dachau erfolgt, sodass die Kläger Anlass hatten, davon auszugehen, das Verfahren würde nicht in angemessener Zeit bearbeitet werden.
b) Auch das Verfahren zur Pflichtverteidigervergütung hat im Sinne von § 198 Abs. 1 S. 1 GVG unangemessen lang gedauert.
Auf die unter Ziffer A 1b) ausgeführten Grundsätze zur Unangemessenheit von Verfahrensverzögerungen i.S.v. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG und Verzögerungen, die in einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, wird Bezug genommen. Das Gesamtverfahren hat über ein Jahr und einen Monat gedauert. Am 27.06.2016 wurden die Vergütungen der Kläger durch das Amtsgericht Dachau festgesetzt. Maßgeblich für die Annahme, das Verfahren habe überlang gedauert, ist der Umstand, dass seit Eingang der Akten beim Amtsgericht Dachau am 30.09.2015 bis 27.06.2016, also über acht Monate keine prozessleitenden Maßnahmen stattgefunden haben. Zwar EK2/ie – oene / wurde der Akt im genannten Zeitraum mehrfach an unterschiedliche Stellen (Bezirksrevisor, Richter am Amtsgericht, StA München II) versandt, allerdings diente dies, jedenfalls nach Aktenlage, nicht dem Zweck, eine Entscheidung über die Anträge der Kläger auf Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung zu fördern. Grundsätzlich ist im Rahmen der Prüfung, ob ein Verfahren unangemessen lang im Sinne von § 198 Abs. 1 GVG gedauert hat, die Frage, ob Verfügungen auch geeignet waren, das Verfahren zu fördern, nur beschränkt überprüfbar. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 20 Abs. 3 GG, § 1 GVG) wie auch der sachlichen Unabhängigkeit des Rechtspflegers (§ 9 RPflG). Allerdings dürfen die gerichtlichen Verfügungen nicht unvertretbar sein. Gegenstand der Prüfung ist immer die Dauer des Gesamtverfahrens, sodass auch einzelne „unvertretbare“ Verfügungen nicht automatisch zu einem Entschädigungsanspruch nach § 198 GVG führen. Dies gilt gleichermaßen für Verfügungen, die den Prozess nicht fördern wie beispielsweise das Versenden von Akten an andere Gerichte oder Dienststellen, die am konkreten Verfahren nicht beteiligt sind. Auch dies gehört zum typischen Ablauf von Gerichtsverfahren. Allerdings gilt auch insoweit der „Vertretbarkeitsmaßstab“. Die Akte gingen am 30.09.2015 beim Amtsgericht Günzburg ein. Sodann wurden sie im Oktober 2015 an den Bezirksrevisor versandt. Im November 2015 wurden die Akte dem Amtsrichter vorgelegt und schließlich im April 2016 an die StA München II versandt. Schließlich ist festzustellen, dass die Entscheidung über die genannten Anträge nach Rückkehr der Akte am 23.05.2016 ans Amtsgericht Dachau binnen 5 Wochen getroffen werden konnte. Maßgeblich für die Frage, ob das Verfahren unangemessen lang gedauert hat, ist auch das Verhältnis zwischen der Gesamtdauer des Verfahrens und dem Zeitraum, in welchem keine verfahrensfördernden Maßnahmen getroffen wurden. Im konkreten Fall hat das Gesamtverfahren etwa 13 Monate gedauert. Die Zeit, in welcher die Akten an „Dritte“ versandt worden waren, nahm etwa acht Monate in Anspruch – also mehr als die Hälfte des gesamten Zeitraums.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, § 713 ZPO. § 713 ZPO ist hier auch anwendbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 201 Abs. 2 Satz 3 GVG i. V. m. § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Denn die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch besteht das Bedürfnis einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

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