Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Umsetzung eines Obdachlosen in eine andere Wohnung

Aktenzeichen  RO 4 K 16.1823

Datum:
14.11.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143718
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 42 Abs. 2
BayGO Art. 57 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Bei der auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützten Zuweisung einer Wohnung im Rahmen der Obdachlosenunterbringung handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt. Die Zuweisung ermöglicht die Nutzung der Wohnung, begründet aber keine Nutzungsverpflichtung, so dass der untergebrachte Obdachlose durch die Zuweisung jedenfalls dann nicht in seinen Rechten verletzt sein kann (§ 42 Abs. 2 VwGO), wenn die Unterkunft den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung entspricht. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Durch die Zuweisung einer Wohnung im Rahmen der Obdachlosenunterbringung wird kein privatrechtliches Mietverhältnis, sondern ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis begründet (ebenso BayVGH BeckRS 2005, 16649). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein in einer Wohnung untergebrachter Obdachloser hat grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf dauerhaften Verbleib in der zugewiesenen Unterkunft. Die Entscheidung über eine Verlegung trifft die Gemeinde nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Ermessen ist grundsätzlich nur dann überschritten, wenn sich die Entscheidung als willkürlich oder schikanös darstellt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zum Teil unzulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 2.9.2016 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 25.10.2016 sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten [§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)].
1. Die Klage ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Zuweisung der Unterkunft in 2 … (Nr. 1 Satz 2 des Bescheides vom 2.9.2016) sowie der damit verbundenen Anordnungen richtet. Insoweit ist der Kläger nicht klagebefugt, § 42 Abs. 2 VwGO. Eine Klagebefugnis ist nur dann gegeben, wenn nach dem Sachvortrag des Klägers dessen Verletzung in eigenen, subjektiv-öffentlichen Rechten möglich erscheint. Bei einer auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) gestützten Zuweisung einer Wohnung im Rahmen der Obdachlosenunterbringung handelt es sich um keine Eingriffsmaßnahme, sondern um einen rein begünstigenden Verwaltungsakt. Die Zuweisung einer Unterkunft ermöglicht es dem Betroffenen, diese zu nutzen, hierzu besteht aber keine (auch nicht mit Mitteln des Verwaltungszwanges durchsetzbare) Verpflichtung (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, Kommentar zum LStVG, Art. 7 Rn. 189 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass die Wohnung in 2 … die Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung nicht einhalten würde, sind nicht ersichtlich. Eine Obdachlosenunterkunft muss allein vorübergehend Schutz vor den Unbilden des Wetters bieten und Raum für die notwendigen Lebensbedürfnisse lassen (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 7 Rn. 184). Diesen Anforderungen genügt eine Einzimmerwohnung mit Küche, WC und einer Wohnfläche von 32,45 m² zweifellos. Soweit der Kläger vorträgt, er solle in eine Wohnung eingewiesen werden, in der „die Ratten herumlaufen“ ist diese Behauptung völlig unsubstantiiert und durch nichts belegt geblieben.
2. Hinsichtlich der Anordnung in Nr. 1 Satz 1 des Bescheides vom 2.9.2016 ist die Klage zulässig. Insbesondere wurde die Klagefrist eingehalten. Grundsätzlich beträgt zwar die Frist zur Erhebung einer Anfechtungsklage einen Monat (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Aufgrund fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung:hat vorliegend jedoch die Klagefrist nicht zu laufen begonnen. In der Rechtsbehelfsbelehrung:des Bescheides vom 2.9.2016 war als statthafter Rechtsbehelf statt der Klage der Widerspruch angegeben. Im Bereich des Sicherheitsrechts gibt es aber nach § 68 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO in Verbindung mit Art. 15 Abs. 2, Abs. 1 Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) kein Widerspruchsverfahren mehr. Vielmehr ist unmittelbar Klage zu erheben. Die bei fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung:allein zu beachtende Ausschlussfrist für die Rechtsbehelfseinlegung innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO) hat der Kläger durch Klageerhebung am 28.11.2016 eingehalten.
3. Die Nr. 1 Satz 1 des Bescheides der Beklagten vom 2.9.2016 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 25.10.2016 sind rechtmäßig.
Die Nr. 1 Satz 1 des Bescheides der Beklagten vom 2.9.2016 begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.
Die dort geregelte Räumungsanordnung (die konkludent auch eine Aufhebung der vorherigen Zuweisung der Wohnung in 1 … enthält) ist rechtmäßig.
Die Zuweisung der Wohnung in 1 … erfolgte mit Bescheid vom 9.3.2015 und beruhte auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG. Hierdurch ist kein privatrechtliches Mietverhältnis, sondern ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis begründet worden (vgl. z.B. BayVGH, Beschluss vom 7.6.2005, Az.: 4 C 05.1345). Die Beklagte hatte im Bescheid vom 9.3.2015 auch klarstellend die Wohnung als „Übergangswohnung“ bezeichnet und in der Begründung darauf hingewiesen, dass durch diesen Bescheid kein Mietverhältnis begründet werde. Der Bescheid vom 9.3.2015 ist bestandskräftig. Der (wohl aufgrund der auch diesem Bescheid beigefügten fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung:) eingelegte unnötige Widerspruch hat nicht zu einer Hemmung der Bestandskraft geführt (vgl. hierzu: Eyermann, VwGO, § 74 Rn. 9; VG Würzburg, Urteil vom 01. August 2001 – W 7 K 01.449 –, juris Rn. 14), da der innerhalb der Klagefrist eingelegte Widerspruch nicht statthaft war und deshalb die Klagefrist nicht wahren konnte. Auch eine Umdeutung kommt nicht in Betracht, insbesondere da der Widerspruch von einer Rechtsanwältin eingelegt wurde und auch nicht beim Gericht eingegangen ist. Die Ausschlussfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist daher jedenfalls im April 2016 abgelaufen.
Die öffentlich-rechtliche Räumungsanordnung betreffend die Wohnung in 1 … könnte sich allenfalls dann als rechtswidrig erweisen, wenn der Kläger im vorliegenden Verfahren tatsächlich den Abschluss eines zivilrechtlichen Mietvertrages vor der öffentlich-rechtlichen Zuweisung dieser Wohnung nachgewiesen hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Auch wenn nicht gänzlich auszuschließen sein mag, dass im Rahmen der Wohnungsvermittlung im Dezember 2014 tatsächlich die Rede von einer Miet- und nicht von einer Übergangswohnung war [auch der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung oftmals nicht zwischen einer Obdachlosenunterbringung und einem Mietverhältnis unterschieden (vgl. insbesondere Bl. 3 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung) ], liegt dennoch nur der bestandskräftige Bescheid vom 9.3.2015 vor und wurde der (daher von der Klägerseite zu fordernde) Nachweis des Abschlusses eines zivilrechtlichen Mietvertrages bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht erbracht. Dies ergibt sich aus nachfolgenden Erwägungen:
Dass die Lebensgefährtin des Klägers zeitweise auch in dieser Wohnung gelebt haben soll, sagt nichts über das Rechtsverhältnis aus, aufgrund dessen der Kläger die Wohnung bewohnt. Das vom Kläger angeführte „Abnahme- und Übergabeprotokoll“ (vgl. Bl. 5 der Gerichtsakte) ist nicht geeignet, den Abschluss eines Mietvertrages nachzuweisen, auch wenn in diesem tatsächlich das Wort „Mieter“ verwendet wird (so in einem Fall einer Wohnungsüberlassung einer Gemeinde an Asylbewerber, in deren Rahmen das Wort „Mietzins“ verwendet wurde, auch: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. August 1992 – 1 S 1909/92 –, juris Rn. 2). Dieses Formular, in dem der Zustand der Wohnung am 23.12.2014 dokumentiert wurde, stellt schon nach Form und Inhalt keinen schriftlichen Mietvertrag dar. Auch ist es vom Kläger nicht unterschrieben worden. Der Angabe der Beklagten, dass das Formular ausschließlich für die eigenen Akten verwendet wurde, wurde nicht entgegengetreten. Des Weiteren ergibt sich auch aus der Stellungnahme des Herrn G … (Mitarbeiter des Sozialdienstes des Rehazentrums in … ) vom 13.11.2017 (vgl. Bl. 86 f. der Gerichtsakte) nichts, was auf den tatsächlichen Abschluss eines Mietvertrages hindeutet. In dieser Stellungnahme führt Herr G … lediglich aus, dass es ein Gespräch zwischen ihm, dem Kläger und Herrn H … von der Beklagten gegeben habe. Herr H … habe in Aussicht gestellt, ein kleines Appartement an den Kläger vermieten zu können. An die genaue Höhe der zu erwartenden Miete erinnere er sich nicht mehr. Nachdem damit aber auch Herr G … weder den tatsächlichen Abschluss eines Mietvertrages bezeugen kann, noch selbst einen solchen für den Kläger abgeschlossen hat, war eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nicht (insbesondere auch nicht von Amts wegen nach § 86 Abs. 1 VwGO) veranlasst. Schließlich ändert auch der Umstand, dass der Kläger die Wohnung nun bereits seit Anfang des Jahres 2015 nutzt, nichts. Denn allein durch Zeitablauf kann sich die Rechtsnatur einer öffentlich-rechtlich begründeten Unterkunftsnutzung nicht in ein zivilrechtliches Rechtsverhältnis umwandeln (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 7 Rn. 188).
Im Rahmen der daher vorliegenden Obdachlosenunterbringung hat der Betroffene grundsätzlich keinen Rechtsanspruch darauf, in einer ihm einmal zugewiesenen Unterkunft auf Dauer bleiben zu können. Er muss es hinnehmen, in eine andere Unterkunft verlegt zu werden. Im Rahmen dieser Verlegungsentscheidung handelt die Gemeinde nach pflichtgemäßem Ermessen. Sie ist grundsätzlich nur dann rechtswidrig, wenn sie sich als willkürlich oder schikanös darstellt (vgl. BayVGH, Beschluss vom 21.4.1988, Az.: 4 ZS 98.1164). Vorliegend hat die Beklagte das ihr bei dieser Entscheidung zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Aufgrund des bestandskräftigen Zuweisungsbescheides vom 9.3.2015 war der Kläger verpflichtet, für die Benutzung der Wohnung eine monatliche Gebühr von 221,00 € zu zahlen. Nachdem zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses ein Rückstand von über 2.000,00 € aufgelaufen war, stellt sich die Umsetzung des Klägers in eine billigere Wohnung als sachgerecht dar. Die für die neue Wohnung festgesetzt Nutzungsgebühr von monatlich 150,00 € entspricht zudem dem, was der Kläger mit Schreiben vom 1.9.2016 gegenüber der Beklagten angegeben hat, bezahlen zu wollen. Das Bestehen dieser Zahlungsrückstände wurde von der Klägerseite auch nicht substantiiert in Abrede gestellt. Die weitere, die Umsetzungsentscheidung selbständig tragende Argumentation, nämlich dass die Umsetzung erforderlich sei, um für zukünftige Bedarfsfälle Unterkünfte in ausreichender Anzahl und auch Größe vorhalten zu können, begegnet ebenfalls keinen Bedenken, da die Gemeinden gemäß Art. 57 Abs. 1 Gemeindeordnung (GO) zur Vorhaltung entsprechender Notquartiere zur Obdachlosenunterbringung verpflichtet sind. Den allein lebenden Kläger deswegen von einer 42 m² großen Wohnung in eine 32 m² große Wohnung umzusetzen, ist nicht ermessensfehlerhaft. Der Kläger kann sich zudem nicht auf eine Schutzwürdigkeit berufen. Der Vortrag, er habe eine Rückzahlung der Krankenkasse in seine derzeitige Wohnung investiert, was er nicht getan hätte, wenn er gewusst hätte, dass er nur vorübergehend in dieser bleiben könne, greift nicht durch. Im Zuweisungsbescheid vom 9.3.2015 ist mehrfach ausgeführt, dass ihm die Wohnung in 1 … nur als Übergangswohnung zur Verfügung gestellt werde.
Die Zurückweisung des Widerspruchs des Klägers als unstatthaft im Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 25.10.2016 ist nicht zu beanstanden, da es, wie unter Punkt 2 ausgeführt, im Bereich des Sicherheitsrechts kein Widerspruchsverfahren mehr gibt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 ZPO.

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