Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Unbestimmtheit eines Eigentümerbeschlusses über die Jahresabrechnung bei fehlender Konkretisierung oder fehlender Bezugnahme auf Protokollanhang

Aktenzeichen  485 C 9796/16 WEG

Datum:
21.12.2016
Fundstelle:
LSK – 2016, 118891
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG WEG § 10 Abs. 4, § 21 Abs. 3, § 28 Abs. 3

 

Leitsatz

Voraussetzung eines hinreichend bestimmten Beschlusses über die Jahresabrechnung ist eine Bezugnahme auf die dem Protokoll anliegende Gesamtabrechnung und Einzelabrechnungen oder zumindest eine genaue Bezeichnung des Datums der jeweiligen Gesamt- und Einzelabrechnungen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beschluss unter TOP 2 der Eigentümerversammlung vom 13.04.2016 mit dem Wortlaut:
Beschlussantrag 2.1: Genehmigung der Gesamt- und Einzelabrechnungen 2015 inkl. Heizkosten Beschluss 2.3: Entlastung Beirat/Verwaltung für das Geschäftsjahr 2015 wird für ungültig erklärt.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
Die streitgegenständlichen Beschlüsse widersprechen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
Der streitgegenständliche Beschluss der Eigentümerversammlung vom 13.04.2016 zu TOP 2.1 (Gesamt- und Einzelabrechnung inkl. Heizkosten) ist bereits nicht hinreichend bestimmt.
Der Inhalt eines Eigentümerbeschlusses muss, insbesondere weil ein Sonderrechtsnachfolger nach § 10 Abs. 4 WEG an Beschlüsse gebunden ist, inhaltlich bestimmt und klar sein. Es besteht ein Interesse des Rechtsverkehrs, die durch die Beschlussfassung eingetretenen Rechtswirkungen der Beschlussformulierung entnehmen zu können. Eigentümerbeschlüsse sind daher „aus sich heraus“ auszulegen und Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind. Dabei ist allgemein anerkannt, dass der Wortlaut des Beschlusses zur näheren Erläuterung inhaltlich Bezug auf Urkunden oder Schriftstücke nehmen darf. Der Bestimmtheitsgrundsatz verbietet es nicht, dass ein Beschluss nur durch ein Dokument, auf das er Bezug nimmt, gedeutet werden kann. Nimmt ein Beschluss der Wohnungseigentümer auf ein Dokument Bezug, das weder Teil des Beschlusstextes noch des Protokolls ist, erfordert das Gebot der inhaltlichen Klarheit und Bestimmtheit aber, dass das in Bezug genommene Dokument zweifelsfrei bestimmt ist. Nur dann ist sichergestellt, dass ein Dritter, insbesondere ein Rechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers dem Beschluss entnehmen kann, welchen Inhalt er hat (BGH, Urteil vom 08.04.2016, V ZR 104/15, zitiert nach BeckRS 2016, 11504).
Voraussetzung eines hinreichend bestimmten Beschlusses über die Jahresabrechnungen ist daher eine Bezugnahme auf die dem Protokoll anliegende Gesamtabrechnung und Einzelabrechnungen oder zumindest aber eine genaue Bezeichnung des Datums der jeweiligen Gesamt- und Einzelabrechnungen. Denn nur so ist für einen nicht an der Beschlussfassung Beteiligten erkennbar, welche Abrechnung beschlossen wurde. Auch im Hinblick auf die beschlossenen Jahresabrechnungen muss der Beschluss für einen außenstehenden Dritten, etwa einen zukünftigen Erwerber, nachvollziehbar sein (AG Dortmund, Urteil vom 29.10.2015, 514 C 40/15, zitiert nach BeckRS 2016, 09924). Hier ist zu bedenken, dass vorliegend gem. § 9.4) der TE bestimmt worden ist, dass der rechtsgeschäftliche Sondernachfolger für Rückstände des früheren Wohnungseigentümers einzustehen hat.
Vorliegend nennt der Beschluss zu TOP 2.1 nur allgemein „die Gesamtabrechnung des Jahres 2015 und die Einzelabrechnungen 2015“, ohne etwa durch die Angabe eines Datums, die Bezugnahme auf eine mit dem Einladungsschreiben übersandte Vorlage oder durch das Beiheften einer Vorlage auf ein konkretes Dokument Bezug zu nehmen. Hinzu kommt, dass im Protokoll ausgeführt wird, dass die „Zahlen des Abschlusses 2015 laut vorliegendem Übersichtsplan“ erläutert wurden. Dies trägt weiter dazu bei, dass nicht bereits durch Einblick in die Niederschrift und Beschlusssammlung jedem Wohnungseigentümer, der auch nicht bei der Beschlussfassung zugegen war, ermöglicht wird zu erkennen, was gilt (AG Dortmund, a.a.O. m.w.N.)
Ein Beschluss wie der zu TOP 2.3 über die Entlastung des Verwalters (Top 2.3.1) und des Beirats (TOP 2.3.2) darf nur ergehen, wenn er ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht (§ 21 Abs. 3 WEG). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Ordnungsmäßigkeit eines Entlastungsbeschlusses ist grundsätzlich dann nicht gegeben, wenn die Jahresabrechnung – wie hier – nicht ordnungsgemäß ist (MüKoBGB/Engelhardt WEG § 28 Rn. 72 m.w.N.).
Die Entscheidung über die Kosten hat ihre Grundlage in § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit in § 709 ZPO.

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