Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Ungültiger Entlastungsbeschluss einer Wohnungseigentümerversammlung

Aktenzeichen  485 C 15894/18 WEG

Datum:
16.1.2019
Fundstelle:
ZMR – 2019, 457
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 21 Abs. 3, § 28
BGB § 397 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Ein Eigentümerbeschluss, mit dem einem WEG-Verwalter Entlastung erteilt wird, widerspricht dann einer ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn greifbare Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung des Verwalters bestehen und nicht aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die hiernach möglichen Ansprüche zu verzichten. Ausreichend ist hierbei eine objektive Pflichtverletzung des Verwalters; ob möglicherweise das Verschulden fehlt, ist unerheblich (Anschluss an BGH BeckRS 2003, 7452 und OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2004, 11175 Rn. 22; s. auch BayObLG BeckRS 2005, 05034). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein objektiver Pflichtenverstoß des WEG-Verwalters ist gegeben, wenn dieser beginnt, einen nichtigen Beschluss der Eigentümergemeinschaft umzusetzen. Führt der Verwalter einen nichtigen Beschluss durch, kann er bei Verschulden auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden (s. aber LG Dortmund BeckRS 2017, 134406 Rn. 16 f.). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 16.07.2018 zu TOP 5 (Entlastung der Hausverwaltung Frommhold für das Wirtschaftsjahr 2017) wird für ungültig erklärt,
2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Der streitgegenständliche Entlastungsbeschluss entspricht nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
„Entlastung“ ist die dem Vereins- und Gesellschaftsrecht entstammende, im WEG nicht normierte, durch Beschluss der Wohnungseigentümer erfolgende Billigung der zurückliegenden Amtsführung des Verwalters im jeweils genannten Zeitraum als dem Gesetz, den Vereinbarungen und seinen vertraglichen Pflichten entsprechend und als zweckmäßig; die Wohnungseigentümer sprechen ihm hierdurch zugleich für die zukünftige Tätigkeit ihr Vertrauen aus. Mit der Entlastung sind i.d.R. die Folgen eines negativen Schuldanerkenntnisses (§ 397 Abs. 2 BGB) verbunden (Bärmann/Becker § 28 WEG Rz. 195). Über die Entlastung des Verwalters kann nach § 21 Abs. 3 WEG mit Stimmenmehrheit beschlossen werden. Der Beschluss muss ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Zwar verzichtet die Wohnungseigentümergemeinschaft durch die Entlastung auf evtl. bestehende Ersatzansprüche gegen den Verwalter. Dies widerspricht per se noch nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, weil durch den in der Entlastung liegenden Vertrauensbeweis die Grundlage für eine Fortsetzung vertrauensvoller Zusammenarbeit geschaffen oder beim ausgeschiedenen Verwalter die zurückliegende Amtsführung als zweckmäßig gebilligt wird. Der Entlastungsbeschluss widerspricht erst dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn Ersatzansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen, etwa bei greifbaren Anhaltspunkten für eine Pflichtverletzung des Verwalters (Bärmann/Becker, a.a.O. Rz. 199). Ist das der Fall, so ist eine Entlastung nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die hiernach möglichen Ansprüche zu verzichten (BGH, NZM 2003, 764). Ausreichend ist eine objektive Pflichtverletzung des Verwalters, ob möglicherweise das Verschulden fehlt, ist unerheblich (Niedenühr in Niedenführ/Vandenhouten, § 28 WEG Rz. 249 m.w.N.). Ob den Wohnungseigentümern tatsächlich ein Schaden entstanden ist, ist in diesem Zusammenhang nicht zu prüfen, es bedarf hierzu auch nicht der Darlegung konkreter Anhaltspunkte. Solche lassen sich oftmals im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung durch die Wohnungseigentümer noch gar nicht verifizieren. Gleichfalls unerheblich ist, ob bereits ein entsprechendes Verschulden des Verwalters feststellbar ist, woran auch hier ggf. Bedenken bestehen mögen. Entscheidend ist lediglich ein objektiver Pflichtenverstoß, die für einen eventuellen Schadensersatzanspruch erforderliche subjektive Komponente wäre ggf. in einem Schadensersatzprozess zu klären (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschl. vom 01.10.2004, 20 W 460/02, zitiert nach Beck RS 2004, 11175)
Ein Beschluss über die Entlastung entspricht somit nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn eine Pflichtverletzung des Verwalters nicht ersichtlich ist, wenn der Verwalter also objektiv keine Pflichtverletzung begangen, sondern seine Pflichten vollständig erfüllt hat (OLG Frankfurt a.M., a.a.O.).
Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Unstreitig hat der Verwalter noch im Jahr 2017 begonnen, den nichtigen Beschluss zu TOP 7b aus der Eigentümerversammlung vom 21.09.2017 umzusetzen. Dies stellt einen objektiven Pflichtenverstoß dar. Zwar ist die Durchführung von Beschlüssen Aufgabe des Verwalters und kann deshalb grundsätzlich niemals zu seiner Haftung führen, auch wenn die Beschlüsse rechtswidrig sind. Dies gilt nicht nur dann, wenn die Beschlüsse bestandskräftig sind, sondern auch dann, wenn die Beschlüsse anfechtbar oder angefochten sind und später für ungültig erklärt werden (Greiner in BeckOK WEG, § 26 WEG Rz. 404). Etwas anderes gilt aber, wenn es sich – wie vorliegend – um einen nichtigen Beschluss handelt. Ein nichtiger Beschluss ist von vornherein absolut unwirksam. Die Nichtigkeit eines Beschlusses kann von jedermann jederzeit geltend gemacht werden, ohne dass es einer Ungültigerklärung im Verfahren nach § 23 Abs. 4 S. 2 i.V.m. § 43 Nr. 4 WEG bedarf (Bärmann/Merle WEG § 23 Rn. 164 f). Die Verpflichtung und Berechtigung des Verwalters bezieht sich nicht auf nichtige Beschlüsse, zu deren Durchführung ist der Verwalter weder berechtigt noch verpflichtet, er kann und darf sie nicht ausführen (BeckOGK/Greiner § 27 WEG Rz. 15). Führt der Verwalter einen nichtigen Beschluss durch, kann er bei Verschulden auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden (Rüscher in BeckFormB WEG, 1. Vertrag zwischen dem Verwalter und der Eigentümergemeinschaft, Rz. 18).
Soll über die Entlastung trotz womöglich bestehender Ansprüche gegen den Verwalter beschlossen werden, ist ein einstimmiger Beschluss gem. § 21 Abs. 1 WEG erforderlich, ein solcher liegt nicht vor. Ebenso wenig sind nach dem Parteivortrag Anhaltspunkte für besondere Gründe ersichtlich, aufgrund derer ausnahmsweise Anlass bestehen würde, auf hiernach mögliche Ansprüche zu verzichten.
Die Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wurde gem. § 49 a GKG festgesetzt.

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