Aktenzeichen 411 C 45/16
Leitsatz
Zieht der Mieter letztendlich freiwillig aus der Wohnung aus, wird der Kausalverlauf zwischen unberechtigter Kündigung und Schadenseintritt unterbrochen, wenn die Kündigung darauf gestützt wird, der Mieter habe den Hund des Vermieters vorsätzlich verletzt und der Mieter damit aus eigener Anschauung eindeutig erkennen und beurteilen kann, ob der Vorwurf zutrifft und die Kündigung wirksam ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000 € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 4.547,72 € festgesetzt.
Gründe
I. Zulässigkeit der Klage
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht München örtlich und sachlich ausschließlich zuständig, da streitgegenständlich Ansprüche aus einem Wohnungsmietverhältnis in München sind, §§ 29 a ZPO, 23 Nr. 2 a GVG.
Der Kläger macht Schadensersatzforderungen geltend, die im Zusammenhang mit der Beendigung eines Wohnraummietvertrags angefallen sein sollen. Unter den Anwendungsbereich von § 29 a Abs. 1 ZPO fallen alle Streitigkeiten aus Mietverhältnissen über Räume oder aus der Anbahnung oder Abwicklung solcher Verhältnisse. Ob diese behaupteten Ansprüche tatsächlich bestehen, ist für die Frage der Zuständigkeit des Gerichts nicht entscheidend.
Damit ist das Amtsgericht streitwertunabhängig zuständig.
II. Begründetheit der Klage
Die Klage war aus folgenden Gründen als unbegründet zurückzuweisen:
1. Schadensersatzanspruch bzgl. der Umzugskosten
Nach § 280 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, von diesem Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
Nach der Rechtsprechung des BGH kann eine unberechtigte außergerichtliche Geltendmachung von Rechten oder eine unberechtigte Ausübung von Gestaltungsrechten wie z.B. der Ausspruch einer Kündigung, eine zum Schadensersatz verpflichtende schuldhafte Vertragsverletzung darstellen. Voraussetzung hierzu ist aber, dass der Ausübende erkannt oder schuldhaft nicht erkannt hat, dass das Recht nicht besteht.
Bleibt dagegen bei einer sorgfältigen Prüfung ungewiss, ob tatsächlich ein Anspruch besteht, darf das Recht geltend gemacht werden, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt.
Fahrlässig handelt er dabei nicht schon dann, wenn er nicht erkennt, dass seine Forderung in der Sache unberechtigt ist. Die Berechtigung einer Forderung bzw. der Ausübung eines Gestaltungsrechts kann sicher nur in einem Rechtsstreit oder – bei einem strafrechtlichen Vorfall – durch Ermittlung der hierfür zuständigen Behörden geklärt werden. Dessen Ergebnis vorauszusehen, kann von dem, der das Gestaltungsrecht ausübt, im Vorfeld und außerhalb eines Gerichtsverfahrens nicht verlangt werden. Das würde ihn in diesem Stadium der Auseinandersetzung überfordern und ihm die Durchsetzung seiner Rechte unzumutbar erschweren. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entspricht der Gläubiger nach der Rechtsprechung des BGH vielmehr schon dann, wenn er prüft, ob der eigene Rechtsstandpunkt plausibel ist. Mit dieser Plausibilitätskontrolle hat es sein Bewenden. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der Gläubiger die sich aus der naheliegenden Annahme einer solchen Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen, ohne Schadensersatzpflichten befürchten zu müssen.
Vorliegend war der Beklagten bekannt, dass der Kläger ihre Hunde als störend und belästigend empfand. Dies ergibt sich zum einen aus dem Beschwerdeschreiben vom 20.09.2012 (Bl. 234/235 der Akten), das auch der Kläger unterzeichnet hatte.
Der Kläger hatte im Übrigen auch in der ersten mündlichen Verhandlung angegeben, dass das Verhalten der Hunde der Beklagten sehr ärgerlich gewesen sei.
Unstreitig ist weiter, dass ein Hund der Beklagten unmittelbar nachdem sich der Kläger in seiner Nähe befunden hatte, Schmerzen äußerte und eine anschließende tierärztliche Untersuchung in der Klinik ergab, dass er mit einer Substanz besprüht worden war, die beim Hund, der Beklagten und der behandelnden Tierärztin Bindehaut- bzw. Atemwegs- und Hautreizungen auslösten.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Kläger wurden auch nicht deswegen eingestellt, weil sich die Unschuld des Klägers herausgestellt hat und ein anderer Täter ermittelt werden konnte, sondern weil letztlich nicht mit ausreichender Sicherheit ein Tatnachweis gegen den Kläger geführt werden konnte.
Sofern der Kläger tatsächlich diese Tat begangen hätte, wäre die Kündigung und eine Strafanzeige durch die Klägerin berechtigt gewesen.
Unter Berücksichtigung der damaligen Umstände war der Verdacht der Beklagten zumindest plausibel, so dass ihr die Ausspruch der Kündigung nicht als schuldhaft i.S.v. § 280 BGB vorgeworfen werden kann. Bzgl. der Anzeige bei den Ermittlungsbehörden bestreitet die Beklagte im Übrigen, diese selbst vorgenommen zu haben. Die Weitergabe sei vielmehr durch die Tierklinik erfolgt.
Im Urteil vom 16.12.2009 hat der Bundesgerichtshof (Az.: VIII ZR 313/08, in NJW 2010, 1068) dem Mieter einen Schadensersatzanspruch zugesprochen, der auf Grund einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung des Vermieters ausgezogen ist.
Vorliegend wirft der Kläger der Beklagten vor, eine fristlose Kündigung wegen einer Vertragsverletzung und Straftat ausgesprochen zu haben, die der Kläger tatsächlich nicht begangen habe.
Der oben genannte Fall ist mit dem streitgegenständlichen Fall nicht vergleichbar.
Im dortigen Fall zog der Mieter aus, weil er auf Grund der Behauptungen des Vermieters von einem berechtigten Kündigungsgrund ausgegangen ist, während der Vermieter mit Sicherheit wusste, dass der Kündigungsgrund nicht besteht.
In vorliegendem Fall ist dagegen der Auszug des Klägers erfolgte, obwohl aus seiner Sicht von vornherein feststand, dass der behauptete Kündigungsgrund nicht zutrifft.
Das OLG Düsseldorf entschied in seinem Urteil vom 11.04.2013, Az.: I-10 U 68/12, in NJW-RR 2002, 730, zwar, dass sich der Vermieter im dort erörterten Fall zur Abwehr eines Schadensersatzanspruches nicht auf eine offensichtliche Unwirksamkeit seiner Kündigung berufen könne, weil das Risiko einer unzutreffenden Beurteilung der Rechtslage allein von ihm zu tragen sei. Vorliegend war die Kündigung aber allenfalls für den Kläger offensichtlich unberechtigt, da er selbst wusste, ob er die Tat begangen hat, für die Beklagte war dies dagegen nicht offensichtlich. Jedenfalls hat der Beklagte weder ausreichend dargelegt oder belegt, dass die Beklagte in Kenntnis, dass er nicht der Täter war, die Kündigung aussprach. Der Beklagten kann vorliegend allenfalls vorgeworfen werden, dass sie sich nicht sicher sein konnte, ob der Kläger der Täter war.
Auch das OLG Stuttgart vertrat in dieser Entscheidung im Übrigen die Auffassung, dass der Mieter in besonderen Ausnahmefällen verpflichtet sein kann, sich gegen eine Kündigung zur Wehr zu setzen und auf diese Weise der Entstehung eines Schadens entgegenzuwirken. Dies komme z.B. dann in Betracht, wenn die Unwirksamkeit der Kündigung auf der Hand liegt.
Wenn die Behauptung des Klägers zutrifft, dass der Kündigungsgrund völlig unzutreffend ist, dann hätte es für ihn auf der Hand gelegen, dass die Kündigung unwirksam ist und er die Wohnung nicht räumen und herausgeben muss. In diesem Fall wäre ihm auch zur Schadensvermeidung zumutbar gewesen, gegen die Kündigung vorzugehen bzw. sie schlicht nicht zu befolgen, oder jedenfalls das Mietverhältnis seinerseits gegenüber der Beklagten zu kündigen, auf Grund der von ihr begangenen Pflichtverletzung der unberechtigten Kündigung.
Stattdessen ist der Kläger letztendlich freiwillig aus der Wohnung ausgezogen. Der Kausalverlauf zwischen Kündigung und Schadenseintritt wurde daher unterbrochen. Auch aus diesem Grund ist ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht gegeben.
Der Bundesgerichtshof hat zwar entschieden, dass der Schadensersatzanspruch des Mieters wegen einer unberechtigten Kündigung nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass er sich mit dem Vermieter auf eine einvernehmliche Beendigung des Mietverhältnisses einigt. Diese Entscheidung betraf aber wiederum den Fall, dass der Mieter die Vereinbarung in der Vorstellung getroffen hat, der geltend gemachte Eigenbedarf bestehe tatsächlich, so dass er auch zur Räumung verpflichtet sei. In vorliegendem Fall wurde die Kündigung aber darauf gestützt, der Kläger habe den Hund der Beklagten vorsätzlich verletzt. Hier konnte der Mieter aus eigener Anschauung eindeutig erkennen, ob der Vorwurf zutrifft und die Kündigung daher wirksam sein konnte. Der Kläger ist aber ausgezogen, obwohl er davon überzeugt war, dass die Kündigung nicht berechtigt war und er damit zum Auszug nicht verpflichtet war.
Zwar könnte die schuldhaft verursachte Zerrüttung eines Mietverhältnisses durch eine unberechtigte Kündigung oder unberechtigte Strafanzeige des Vermieters auch den Mieter zur Kündigung berechtigen und der Kündigungsfolgeschaden wäre dann vom Vermieter zu tragen, aber auch hier fehlt es an einem ausreichenden Verschuldensvorwurf, nachdem der Vorwurf der Beklagten wie oben ausgeführt – zumindest plausibel war.
Im Übrigen sind die Mieter nicht auf Grund einer selbst ausgesprochenen Kündigung ausgezogen, sondern letztlich aus freiem Entschluss. Damit ist der Kausalverlauf zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt unterbrochen worden, so dass auch aus diesem Grund eine Schadensersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich der Umzugskosten nicht besteht.
2. Schadensersatzanspruch hinsichtlich der unterbliebenen Küchenablöse
Da die Beklagte nicht für den Schaden haftet, der durch den Auszug entstanden ist, hat sie auch nicht dafür aufzukommen, dass die Mieter ihre Kücheneinrichtung nicht an einen Nachmieter veräußern konnten.
Ein Vermieter ist generell nicht verpflichtet, einen vom Mieter benannten Nachmieter zu akzeptieren.
Ein eingeschränktes Ablehnungsrecht könnte allenfalls bestehen, wenn die Parteien einen Mietaufhebungsvertrag unter der Bedingung geschlossen haben, dass die Mieter einen Nachmieter stellen. Dies wird aber von den Parteien selbst nicht behauptet.
Ansonsten besteht lediglich die nachvertragliche Verpflichtung, den Mieter nicht bewusst zu schädigen. Für einen derartigen Vorwurf reicht der Vortrag der Parteien aber nicht aus.
Im Schreiben vom 11.06.2015 (K 8, Bl. 24 der Akten) gibt der Klägervertreter an, dass der Kaufpreis für die Küche 9.750 € und für den Kühlschrank 900 € betragen habe.
Im Schreiben vom 06.05.2016 (K 4, Bl. 17), in dem die Kläger einen Vorschlag zu einer einvernehmlichen Mietvertragsaufhebung unterbreiten, war dagegen die Rede davon, dass die Einbauküche für 11.000 € und der Kühlschrank für 950 € angeschafft worden sei. Ob bei diesem höheren Küchenpreis noch ein Spiegel im Wert von angeblich 2.200 € berücksichtigt worden ist, ist unklar. Für diesen liegt im Gegensatz zur Einbauküche und dem Kühlschrank laut Kläger auch keine Rechnung vor.
Ein Vermieter ist bei diesen unklaren Angaben auch nicht verpflichtet, bei seiner eigenen Nachmietersuche für eine Küchenablöse zu Gunsten der Vormieter zu werben bzw. den mit der Suche beauftragten Makler anzuhalten, Nachmieter zu suchen, die zu einer Küchenablöse bereit sind.
Im Übrigen konnte der Kläger nach eigenem Vortrag schließlich seine Einbauküche aus der streitgegenständlichen Wohnung tatsächlich – wenn auch mit gewissen Änderungen – in seiner neuen Mietwohnung verwenden.
3. Rückforderung des für die zweite Junihälfte 2015 bezahlten Mietzinses
Auch hinsichtlich der geltend gemachten hälftigen Junimiete war die Klageforderung abzuweisen. Zum einen handelt es sich hierbei nicht um einen Schaden, der dem Kläger durch die Kündigung der Beklagten entstanden ist. Hätte er der Kündigung unverzüglich Folge geleistet, hätte gar keine Veranlassung bestanden, diesen Mietzins zu bezahlen. Aber auch bei einem Auszug am 15.06.2015 hätte der Kläger diesen Mietzins nicht mehr als Folge der Kündigung geschuldet und deswegen bezahlen müssen.
Sofern der Kläger den Anspruch auf ungerechtfertigte Bereicherung stützt, da die Wohnung unstreitig ab 15.06.2016 nicht mehr von den Mietern bewohnt war, scheitert ein Rückforderungsanspruch an § 814 BGB. Danach kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war und sich trotzdem eine Rückforderung nicht vorbehalten hat.
4. Vorgerichtliche Anwaltskosten
Aus den oben genannten Gründen hat die Beklagte auch nicht für die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers aufzukommen.
Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging nach §§ 708, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3 ff. ZPO.