Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Unwirksame allgemeine Geschäftsbedingung im Wohnungsmietvertrag zur Tierhaltung

Aktenzeichen  30 C 5357/16

Datum:
18.11.2016
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 305 Abs. 1, § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 535 Abs. 1 S. 1, § 541

 

Leitsatz

1. Auch ein vom Vermieter handgeschriebener Vertragszusatz unter “Sonstige Vereinbarungen” stellt eine allgemeine Geschäftsbedingung dar, wenn der Regelungsinhalt nicht zur Disposition stand. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vertragsklausel “Tierhaltung ist nicht gestattet” ist mit der gesetzlichen Regelung des § 535 Abs. 1 BGB, wonach Tierhaltung nach den Umständen des Einzelfalles zulässig ist, unvereinbar und daher gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
Voranzustellen ist, dass eine Klageänderung in Anbetracht der wechselnden Beschreibungen des zu entfernenden Tieres nach Auffassung des Gerichts nicht vorliegt. Gegenstand der Klage war stets die Entfernung des von der Beklagten gehaltenen Hundes. Nur dessen genauere Beschreibung wurde von der Klagepartei nach und nach – u.a. aufgrund der eigenen Angaben der Beklagten – präzisiert. Im übrigen war – nachdem das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumte – nicht mehr der schriftsätzlich gestellte Antrag maßgeblich, sondern der in der mündlichen Verhandlung (dann erstmals) gestellte Antrag. Eine Änderung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags lag zu keinem Zeitpunkt vor.
II.
Die Klage ist unbegründet.
Die Kläger haben keinen allgemeinen Anspruch auf Unterlassung jeglicher Hundehaltung auf der Grundlage der Regelungen in § 22 oder § 10 des Mietvertrags. Es ergibt sich auch im übrigen hier kein Anspruch auf Unterlassung der Hundehaltung und damit zugleich auch auf Entfernung des Hundes gemäß §§ 541, 535 BGB,da eine Überschreitung des zulässigen Mietgebrauchs nicht dargelegt wurde.
II.
Ein Anspruch auf Entfernung des in der Mietwohnung unstreitig von der Beklagten gehaltenen Hundes – eines Mopses in apricot mit Maske – ergibt sich nicht aus § 22 des Mietvertrags. Bei dieser Regelung handelt es sich bereits nach dem unstreitigen Klägervorbringen um keine Individualvereinbarung, sondern eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Denn nicht allein der Umstand, dass der Text im Bereich der „sonstigen Vereinbarungen“ handschriftlich eingefügt wurde, lässt die Regelung zu einer Individualvereinbarung werden. Vielmehr ist bereits nach dem Vorbringen der Klagepartei klar, dass hier keinerlei Verhandlungsspielraum auf Seiten der Vermieter bestand oder in Aussicht gestellt werden sollte. Das absolute Tierhaltungsverbots stand schlichtweg nicht zur Disposition. Vielmehr ist schon aufgrund der Fassung der Klausel, die auf keinerlei Ausnahmesituationen eingeht oder eine Abwägung erkennen lässt, erkennbar, dass sie pauschal für jedes Mietverhältnis in der Eigentumswohnanlage gelten sollte. Unabhängig davon, dass die Kläger möglicherweise nur diese eine Wohnung vermieten, ist doch ersichtlich, dass für jedes diese Wohnung betreffende Mietverhältnis immer dieselbe Klausel (pauschales Tierhaltungsverbot) zur Harmonisierung mit der Beschlusslage in der Wohnungseigentümergemeinschaft Verwendung finden sollte. Es ergibt sich somit aus der Fassung der Klausel bereits die Absicht der mehrfachen Verwendung. In einem solchen Fall liegt eine Allgemeine Geschäftsbedingung vor (Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Auflage 2016, § 305 Rn 23).
Dass vom Kläger zu 1) gegenüber der Beklagten – unstreitig – vor Abschluss des Mietvertrags das pauschale Tierhaltungsverbot thematisiert worden ist und die Beklagte angab, wegen ihrer (damaligen) Berufstätigkeit sowieso keinen Hund anzuschaffen, lässt die Klausel nicht als individualvertraglich ausgehandelt erscheinen. Auch ein ausdrückliches Einverständnis des anderen Teils mit der Regelung nach Hinweis auf die belastende Klausel reicht nicht aus, um von einem individualvertraglichen Aushandeln der Regelung ausgehen zu können (Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Auflage 2016, § 305 Rn 20). Anders könnte dies allenfalls zu beurteilen sein, wenn der andere Teil nach gründlicher Erörterung von der Sachberechtigkeit der Regelung überzeugt worden wäre (Palandt, aaO). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die Beklagte gab schlichtweg nur an, dass bei ihrer derzeitigen Interessenlage die Anschaffung eines Hundes sowieso nicht in Frage käme, hat damit aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass das absolute Tierhaltungsverbot aus ihrer Sicht sachgerecht sei.
II.
Die Klausel in § 22 des Mietvertrags ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr.1 BGB unwirksam, da sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist. Wesentlicher Grundgedanke der aus § 535 BGB resultierenden Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters ist die (Un-)Zulässigkeit der Tierhaltung unter umfassender Abwägung der beiderseitigen Interessen im Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanter Aspekte, wie insbesondere Art, Größe, Verhalten und Anzahl der Tiere, Art, Größe, Zustand und Lage der Wohnung sowie des Hauses, in dem sich die Wohnung befindet, Anzahl, persönliche Verhältnisse, namentlich Alter und berechtigte Interessen der Mitbewohner und Nachbarn, Anzahl und Art anderer Tiere im Haus, bisherige Handhabung durch den Vermieter sowie besondere Bedürfnisse des Mieters (BGH, Urteil vom 14.11.2007, VIII ZR 340/06). Die vorliegende Klausel ist – da sie jegliche Tierhaltung ohne Ausnahme verbietet – zweifellos unwirksam. Während wohnungseigentumsrechtlich ein pauschales Hundehaltungsverbot durchaus wirksam sein kann, ist die Übernahme einer solchen pauschalen Verbotsklausel im Mietvertrag hingegen in aller Regel unwirksam (Häublein, „Erforderlichkeit und Möglichkeit einer Harmonisierung von Wohnungseigentums- und Mietrecht“, NZM 2014, 97 (114); siehe auch BGH, Urteil vom 20.03.2013, VIII ZR 168/12).
Die Klagepartei macht auch nicht mit Erfolg geltend, dass die Beklagte etwa aus Treu und Glauben gehindert wäre, sich auf die Unwirksamkeit der mietvertraglichen Klauseln zu berufen. Es ist zwar unstreitig, dass die Beklagte bei Vertragsabschluss angab, wegen ihrer Berufstätigkeit käme die Anschaffung eines Hundes sowieso nicht in Frage. Mit der Unterschrift unter einen Mietvertrag, der eine unwirksame Klausel enthält, erklärt der Vertragspartner des Klauselverwenders aber nicht zugleich, dass er sich auf die Unwirksamkeit der Klausel nicht berufen werde, nur weil er nicht auf die Streichung der Klausel gedrängt habe (BGH, Urteil vom 20.03.2013, VIII ZR 168/12). Es ist außerdem kein Verstoß gegen Treu und Glauben, wenn nun die Beklagte, die nicht mehr berufstätig ist, ihre Interessenlage anders als bei Mietvertragsabschluss einschätzte.
II.
In § 10 Nr.3 des Mietvertrags ist eine weitere Klausel zur Tierbzw. Hundehaltung enthalten. Diese steht in Widerspruch zur Regelung in § 22 des Mietvertrags. Durch Vertragsauslegung ist das Ergebnis zu erzielen, dass die Vermieterseite die pauschale Untersagung von Tierhaltung gemäß § 22 des Mietvertrags wollte und somit die formularmäßig vorgegebenen Modalitäten in § 10 Nr.3 des Mietvertrags nicht gelten sollen. Anderenfalls hätte die Regelung in § 22 des Mietvertrags keinen Sinn gemacht. Auf die Wirksamkeit dieser Allgemeinen Geschäftsbedingung gemäß § 307 BGB bei isolierter Betrachtung kommt es daher nicht weiter an.
Nur vorsorglich ist anzumerken, dass wohl von der Unwirksamkeit der Klausel gemäß § 307 BGB auszugehen sein dürfte. Das Gericht hält hier den Begriff der „Unzuträglichkeiten“ für zu unbestimmt. Zwar kann der Klausel im ersten Teil, nämlich der Knüpfung der Tierhaltung an die Erlaubnis des Vermieters, noch die allgemeine Aussage entnommen werden, dass der Vermieter die Zusage erteilt, über die Tierhaltung unter Beachtung der betroffenen Interessen im Einzelfall zu entscheiden (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 12. Auflage 2015, § 535 Rn 563). Andererseits ist im zweiten Teil der Klausel der Widerruf der Erlaubnis nur an das Auftreten von „Unzuträglichkeiten“ gebunden. Hierbei handelt es sich um einen zu unbestimmten Begriff, da die Ausübung des Widerrufsermessen des Vermieters an keine überprüfbaren Beurteilungsvoraussetzungen gebunden wäre. Insoweit ist die Klausel daher unwirksam. Da mit diesem Teil der Klausel aber zugleich auch eine Ausstrahlungswirkung auf die Erlaubniserteilung einhergeht, erstreckt sich die Unwirksamkeit auch auf die in Zusammenhang stehende Ausgestaltung des Zustimmungsvorbehaltes (vgl. auch BGH, Hinweisbeschluss vom 25.09.2012, VIII ZR 329/11, NJW-RR 2013, 584(585)).
II.
Die Kläger können auch nicht wegen Überschreitens des zulässigen Mietgebrauchs gemäß § 535 BGB i.V.m. § 541 BGB die Entfernung des Hundes verlangen.
Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung ist die wohnungseigentumsrechtliche Bindung des Vermieters zwar durchaus ein relevanter Abwägungsparameter (so Häublein, „Erforderlichkeit und Möglichkeit einer Harmonisierung von Wohnungseigentums- und Mietrecht“, NZM 2014, 97 (114)). Auf der anderen Seite wurde von der Klagepartei – trotz entsprechenden Hinweises des Gerichts auf die Relevanz dieses Umstands und trotz der Rüge der Beklagten, dass das bisherige Vorbringen unsubstantiiert sei – nicht substantiiert dazu vorgetragen, welche Belästigungen oder Beeinträchtigungen von dem Hund der Beklagten für die Gemeinschaft oder andere Mieter oder die Vermieter ausgehen sollen. Es wurde lediglich pauschal und vollkommen unsubstantiiert behauptet, dass der Hund der Beklagten „wiederholt“ ins Treppenhaus „gemacht“ habe und „unangeleint“ dort „geführt“ worden sei. Es wurde weder vorgetragen, wann genau es zu derartigen Vorfällen gekommen sei, noch wo genau die Ausscheidungen des Tieres vorgefunden worden sein sollen. Genauso wenig ist ersichtlich, ob es sich um Kot oder Urin gehandelt hat und woraus sich die Belästigung durch „unangeleintes Führen“ ergeben soll. Bereits die Bezeichnung enthält einen gewissen Widerspruch, lässt jedenfalls aber nicht zwingend ein unkontrolliertes bzw. störendes Verhalten des Hundes vermuten. Hinzu kommt, dass in Anbetracht des Umstands, dass die Beklagte eine Erdgeschoss-Wohnung nutzt, nicht ersichtlich ist, welche Belästigung die Benutzung des kleinen Abschnitts des Treppenhauses durch den – angeleint oder unangeleint – geführten Hund konkret nach sich ziehen soll. Die gebotene Interessenabwägung führt somit zu dem Ergebnis, dass die Haltung eines verhältnismäßig kleinen Hundes (eines Mopses) auch bei Anmietung einer 1-Zimmer-Wohnung vom vertragsgemäßen Gebrauch umfasst ist, nachdem es an substantiiertem Vorbringen zu nachteiligen Auswirkungen der Hundehaltung schlichtweg fehlt.
Nach alledem war die Klage abzuweisen. Auch der Hilfsantrag war aus denselben Gründen ohne Erfolg.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.
IV.
Die Höhe des Streitwerts ist hier mit jedenfalls 1.000,00 € anzusetzen. Bei der Streitwertbemessung waren hier im Vergleich zu „allgemeinen“ Streitigkeiten über die Hundehaltung in einer Mietwohnung, welche durchaus mit einem Streitwert bis zu 600,00 € bewertet werden können, drei Aspekte streitwerterhöhend zu berücksichtigen. Dies ist zum einen das höher zu bewertende Interesse der Kläger, die Hundeentfernung durchzusetzen, da sie selbst als Wohnungseigentümer an die Beschlussfassung der Wohnungseigentümerversammlung mangels Anfechtung derselben gebunden sind und daher ihrerseits mit Forderungen der übrigen Eigentümer wegen der Hundehaltung in ihrer Wohnung zu rechnen haben. Auf der anderen Seite ist das Interesse der Beklagten an der Hundehaltung ebenfalls mit einem über den Durchschnittsfall hinausgehenden Höhe zu bewerten, da die Hundehaltung für die Beklagte auch besondere gesundheitsfördernde Wirkung haben soll. Hinzu kommt, dass der Hund hier mittlerweile seit knapp einem Jahr gehalten wurde, so dass eine bereits eingetretene Bindung der Halterin an das Tier ebenfalls streitwerterhöhend wirkt.

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