Aktenzeichen M 9 K 17.3876
Leitsatz
1 Für die Einordnung als Zweckentfremdung ist es unerheblich, ob es sich bei der Wohnung um die einzige Hauptwohnung oder eine Zweitwohnung handelt, da das Zweckentfremdungsrecht keine diesbezügliche Differenzierung vornimmt und rechtlicher Maßstab die Nutzung von entsprechend genehmigtem Wohnraum zu Wohnzwecken ist. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Grundsätzlich kann es im Einzelfall ein überwiegendes schutzwürdiges privates Interesse an einer erweiterten Möglichkeit der Zweckentfremdung durch gewerbliche Nutzung für Fremdenverkehrszwecke geben, wenn zB mehrere Arbeitsorte bestehen mit der Folge, dass der Betreffende am jeweiligen Arbeitsort eine Wohnung benötigt und dies anders nicht finanzieren kann. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vollstreckbar. Die Kostenschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kostengläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid vom 11. Juli 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Insbesondere ist die Zweckentfremdung nicht wegen überwiegenden schutzwürdigen privaten Interessen der Klägerin genehmigungsfähig, sodass die Nutzungsuntersagung zu Recht erfolgte, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Nutzungsuntersagung ist Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG) in der Fassung vom 19. Juni 2017 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 und Abs. 2 der Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) vom 11. Dezember 2017. Danach kann die Gemeinde anordnen, dass eine nicht genehmigungsfähige Zweckentfremdung beendet wird.
Wohnraum im Sinne von § 3 ZeS liegt unstrittig vor. Die betroffene Wohnung ist ausweislich der Baugenehmigung als Wohnraum genehmigt worden.
Ebenso liegt hier eine Zweckentfremdung vor, da die Klägerin ausweislich der umfangreichen Ermittlungen mehr als insgesamt acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung tageweise vermietet hat, Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS. Die Beklagte hat dies durch Ortseinsichten und Auswertung des Belegungskalenders der Vermittlungsplattform nachgewiesen. Auch inhaltlich liegt nach dem Nutzungskonzept der Klägerin eine gewerbliche Nutzung für Zwecke der Fremdenbeherbergung in Zeiten ihrer Abwesenheit vor. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob es sich um die einzige Hauptwohnung der Klägerin oder um eine Zweitwohnung handelt, da das Zweckentfremdungsrecht keine diesbezügliche Differenzierung vornimmt und rechtlicher Maßstab die Nutzung von entsprechend genehmigtem Wohnraum zu Wohnzwecken ist.
Die Zweckentfremdung ist nicht nachträglich genehmigungsfähig, § 13 Abs. 2 ZeS, sodass die Nutzungsuntersagung zu Recht angeordnet wurde. Nach § 5 Abs. 2, 6 ZeS, Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 ZwEWG ist eine Genehmigung zu erteilen, wenn vorrangige öffentliche Interessen oder schutzwürdige private Interessen das Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums überwiegen. Vorrangige öffentliche Belange für eine Zweckentfremdung sind hier nicht gegeben. Überwiegende schutzwürdige private Belange, die nach § 6 Abs. 2 ZeS insbesondere bei einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz gegeben sind, liegen hier ebenfalls nicht vor. Theoretisch und grundsätzlich kann es im Einzelfall ein solches überwiegendes schutzwürdiges privates Interesse an einer erweiterten Möglichkeit der Zweckentfremdung durch gewerbliche Nutzung für Fremdenverkehrszwecke geben, wenn z.B. mehrere Arbeitsorte bestehen mit der Folge, dass der Betreffende am jeweiligen Arbeitsort eine Wohnung benötigt und dies anders nicht finanzieren kann. Im vorliegenden Fall besteht jedoch keine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz. Zwar ist die Klägerin beruflich darauf angewiesen, auch an ihrem jeweiligen Einsatzort eine Unterkunft zu haben mit der Folge, dass sie dadurch möglicherweise Kosten für eine zusätzliche Unterkunft hat. Im vorliegenden Fall bedarf es allerdings keiner Klärung, ob und inwieweit ihr Arbeitgeber ihre Unterbringung am Einsatzort z.B. im Hotel bezahlt, da die verfahrensgegenständliche Wohnung in München aus dem Einkommen erhalten werden kann. Die Wohnung ist abbezahlt. Das Wohngeld hat ausweislich des Wirtschaftsplans 2017 lediglich 211,00 Euro betragen (Blatt 53 Rückseite Behördenakte). Auch ohne die von der Klägerin geltend gemachten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung rechtfertigt ihr Teilzeitgehalt bei der Lufthansa von über 35.000,00 Euro Brutto damit nicht die Annahme, dass durch den Erhalt die Wohnung die wirtschaftliche Existenz einer Alleinstehenden gefährdet ist.
Da die Zweckentfremdung nicht genehmigungsfähig ist, durfte die Beklagte die gewerbliche Nutzung zu Fremdenverkehrszwecken untersagen. Es bleibt der Klägerin unbenommen, auch in Zukunft für insgesamt nicht mehr als acht Wochen im Kalenderjahr die Wohnung an Touristen unterzuvermieten, wie es Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG und § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS vorsehen.
Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 f. ZPO.