Aktenzeichen 31 S 8783/12
BGB § 611, § 612
Leitsatz
Ein Detektivvertrag ist regelmäßig als Dienstvertrag zu werten; die Detektei schuldet daher nur die vereinbarten Dienste und keinen allgemeinen Ermittlungserfolg. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
213 C 17194/11 2012-03-28 Vor AGMUENCHEN AG München
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 28.03.2012, Az. 213 C 17194/11, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Soweit sich das Amtsgericht die Entscheidung über die mit Schriftsatz vom 23.02.2012 erklärte Hilfsaufrechnung der Beklagten mit einer Schadensersatzforderung in Höhe von € 565,35 vorbehalten hat, hatte keine Überprüfung des Berufungsgerichts zu erfolgen.
4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.023,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt als Detektei von der Beklagten pauschales Entgelt von 1.700,00 € netto zuzüglich Umsatzsteuer für durchgeführte Ermittlungen.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts München vom 28.03.2012 wird gemäß §§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung den Klageabweisungsantrag in 2. Instanz weiter.
Hinsichtlich des Vortrags der Beklagten im Berufungsverfahren wird vollumfänglich auf die Berufungsbegründung vom 04.07.2012 sowie die weiteren Schriftsätze der Beklagtenvertreterin Bezug genommen.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 28.03.2012, Az.: 213 C 17194/11, aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das Ersturteil für zutreffend.
Von weiteren tatbestandlichen Ausführungen wird gemäß den § 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO i.V.m. Artikel 3 des Gesetzes zur Änderung der § 522 der Zivilprozessordnung vom 21.10.2011 abgesehen und auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist damit mangels Erreichen der Beschwer nicht zulässig.
II.
Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, da die angefochtene Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO beruht, noch die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen im Ergebnis eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 531 Abs. 1 ZPO).
1. Der zwischen Parteien abgeschlossene Detektivvertrag gemäß Kostenangebot vom 21.02.2011 (Anlage K 1) ist entgegen der Einordnung des Amtsgerichts als Dienst- und nicht als Werkvertrag zu werten. Dies entspricht der rechtlichen Einordnung eines Detektivvertrags in Rechtsprechung und Literatur (BGH Entscheidung vom 22.05.1990, Az.: IX ZR 208/89 m.w.N. sowie Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Entscheidung vom 07.08.2007, Az.: 4 U 89/07). Die Tatsache, dass das Ergebnis der detektivischen Tätigkeit in einem Bericht zusammengefasst werden sollte, vermag die Einordnung des Vertrags als Dienstvertrag nicht in Zweifel zu ziehen. Auch wenn die Leistungen werkvertragliche Elemente enthalten, treten sie hinter dem dienstvertraglichen Charakter des Gesamtvertrages zurück (BGH a.a.O., OLG München, Entscheidung vom 16.09.1998, Az.: 7 U 2212/98). Insoweit sind die Ausführungen der Klägerin in der Berufungserwiderung vom 03.02.2016 zutreffend.
Deshalb kann der Vergütungsanspruch der Klägerin wegen des Detektivdienstvertrags nicht wegen einer unzureichenden und pflichtwidrigen Leistung der Klägerin gekürzt werden oder in Wegfall geraten.
Jedoch ist eine Aufrechnung mit konkreten anderen Schadensersatzpositionen möglich.
Über die Hilfsaufrechnung der Beklagten mit einer Schadensersatzforderung in Höhe von 565,35 € hatte das Landgericht hier nicht zu befinden, da der Rechtsstreit insoweit noch beim Amtsgericht München anhängig ist (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Auflage, § 302 Rn. 8 sowie § 301 Rn. 12). Anlass zur Entscheidung auch über die Aufrechnungsforderung bestand vorliegend seitens des Berufungsgerichts nicht, denn zum einen wird dies von Teilen der Literatur nur in engen Ausnahmefällen zugelassen und zum anderen ist zu berücksichtigen, dass den Parteien für einen solchen Fall eine Instanz abgeschnitten würde.
2. Nachdem die Klägerin vereinbarungsgemäß im Sinne des § 611 BGB ihre Dienste erbracht hat, war die Beklagte auch zur Zahlung der vereinbarten Vergütung im Sinne des § 612 BGB verpflichtet.
Ein rechtsfehlerhaftes Handeln des Erstgerichts liegt nicht deshalb vor, weil dieses im Beweisaufnahmetermin vom 23.02.2012 neben den Zeugen … auch der Geschäftsführer der Klägerin persönlich angehört hat. Denn weder ist die Beklagte im Termin vom 23.02.2012 erschienen, noch wurde seitens der Beklagten eine Anhörung der Beklagten persönlich beantragt.
Im Ergebnis kommt deshalb aufgrund des Wesens des Dienstvertrags, der der werkvertraglichen Vorschriften keine Gewährleistungsrechte kennt, keine Minderung der klägerischen Leistung in Betracht. Die Klägerin hat die gemäß Angebot vom 21.02.2011 zu erbringenden Dienste auch erbracht. Dies folgt aus den Berichten der Klägerin über die Aufklärung und Beweisbeschaffung in Sachen … vom 04.03.2011 und 14.03.11 sowie dem Schreiben der Klägerin vom 24.3.11, in dem … als Zeuge für etwaige Gerichtsverfahren benannt wurde sowie aus der seitens des Amtsgerichts durchgeführten Beweisaufnahme. Erstinsanzlich wurde der Zeuge … in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2012 gehört und auch der Geschäftsführer der Klägerin persönlich angehört. Die Kammer ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Hs 2 ZPO an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.
Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (BGH Urteil vom 12.03.2004 – V ZR 257/03). Ein solcher Verfahrensfehler läge vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstgerichtlichen Urteil den Anforderungen nicht genügen würde, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder wenn sie gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstößt (BGH Urteil vom 09.07.1999 – V ZR 12/98).
Hieran gemessen ist die Beweiswürdigung des Amtsgerichts nicht zu beanstanden und verstößt auch nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze. Das Amtsgericht ist nach umfassender Beweisaufnahme in der Sitzung vom 23.02.2012 rechtsfehlerfrei und für die Kammer unangreifbar zu der Überzeugung gelangt, dass der Geschäftsführer der Klägerin tatsächlich vereinbarungsgemäß persönlich vor Ort in … Ermittlungen dazu anstellte, ob die Kinder der Familie … von dort aus morgens den Schulweg antraten.
Mit ihren Einwendungen gegen die auf die Beweisaufnahme gestützte Überzeugungsbildung des Amtsgerichts setzt die Beklagte ganz offensichtlich ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des dazu berufenen Gerichts.
3. Die Kammer vermag aufgrund der Handlungen der Klägerin keinen Anspruch aus culpa in contrahendo zu erkennen. Weder war der Geschäftsführer der Klägerin verpflichtet ausweislich des Angebots vom 21.02.2011 einen 10-jährigen Jungen zum Schulbus zu folgen sowie das Kind zu fotografieren. Auch die Erstellung eines konkreten Bewegungsprofils war nach dem schriftlichen Angebot nicht geschuldet. Letztlich ist es Sache der Parteien die vertraglichen Leistungen, die gewollt sind, entsprechend vertraglich zu fixieren. Hier hat die Beklagte dieses Angebot der Klägerin angenommen. Darüber hinausgehende Tätigkeiten der Klägerin sind vorliegend vertraglich nicht geschuldet.
4. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Erstgericht den Tatbestand korrekt dargestellt. Aufgrund der Bezugnahme auf Schriftsätze und Protokolle im Tatbestand des Ersturteils Seite 2 vorletzter Absatz und der Darstellung des Tatbestandes mit dem wesentlichem Inhalt des Streitstoffes im Übrigen ist der Tatbestand vollständig abgefasst. Eine Verpflichtung des Erstgerichts zur Übernahme von ganzen Textabschnitten besteht nicht. Insoweit wird vollumfänglich auf den zutreffenden Beschluss des Amtsgerichts vom 06.06.2012 (Bl. 83/84 d.A.) Bezug genommen.
5. Eine Anhörung der Beklagten zur Frage, welche konkreten Detektivleistungen die Klägerin erbracht hat, bedurfte es schon deshalb nicht, weil die Beklagte bei der Leistungserbringung nicht anwesend war und hierüber deshalb bereits keine Auskünfte erteilen konnte.
III.
Über die Hilfsaufrechnung der Beklagten in Höhe von € 565,35 ist das Verfahren noch vor dem Amtsgericht München anhängig, das darüber zu befinden hat. Aus den bereits unter Ziffer II. 1. des Urteils genannten Gründen war eine Entscheidung hierüber im Berufungsverfahren nicht veranlasst. Entgegen der Ansicht der Beklagten wurde das insoweit seitens des Erstgerichts ausgesprochene Vorbehaltsurteil nicht verfahrensfehlerhaft erlassen. Denn die Voraussetzungen des § 302 ZPO lagen bei Urteilserlass vor. Die Aufrechnungsforderung, die die Beklagte mit Schriftsatz vom 23.2.12, der in der mündlichen Verhandlung übergeben wurde, erstmals geltend gemacht hat, war zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung am 28.3.12 noch nicht entscheidungsreif. Ermessenfehler des Erstgerichts hinsichtlich der Entscheidung ein Vorbehaltsurteil zu erlassen sind nicht ersichtlich.
IV.
Die Entscheidung der Kosten beruht auf § 97 ZPO; der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren war auf € 2.023,00 festzusetzen.