Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Verkehrsunfall, Unfall, Nutzungsausfall, Schadensersatz

Aktenzeichen  2 T 7/19

Datum:
13.5.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 52115
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG § 28, § 14 Abs. 1
BGB § 286 Abs. 4

 

Leitsatz

Verfahrensgang

5 C 913/18 2018-11-20 Bes AGSCHWABACH AG Schwabach

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des AG Schwabach vom 20.11.2018 – Az. 5 C 913/18 – abgeändert wie folgt:
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte 79%, der Kläger 21%.
2. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte 79%, der Kläger 21%.
4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.928,00 € festgesetzt.

Gründe

A.
Der Kläger hat mit dem Beklagten am 26.09.2018 zugestellter Klage vom 21.09.2018 beantragt, den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 02.08.2018 in Höhe von 3.430,98 € zu verurteilen. Der Beklagte erklärte mit Schreiben vom 27.09.2018, sowie erneut mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 02.10.2018 seine Verteidigungsbereitschaft. Gleichzeitig regulierte der Beklagte den Schaden mit Schreiben vom selben Tag in Höhe von 2.717,35 €. Der Klägervertreter erklärte daraufhin mit Telefax vom 04.10.2018 die Klage insoweit für erledigt und nahm sie im Übrigen zurück. Mit Schriftsatz vom 22.10.2018 stimmte der Beklagte der Erledigung unter Verwahrung gegen die Kostenlast zu.
Mit Beschluss vom 20.11.2018 erlegte das Amtsgericht dem Kläger die Tragung sämtlicher Kosten des Rechtsstreits auf. Die Überlegungsfrist von vier Wochen, die dem Beklagten zuzubilligen sei, habe erst begonnen, als dieser die maßgeblichen Umstände des Falles gekannt habe. Die vorgerichtliche Vertretungsanzeige des Klägervertreters vom 08.08.2018 habe hierfür nicht ausgereicht, da es sich nur um eine vorläufige Bezifferung gehandelt habe. Dies zeige u.a. auch die teilweise Klagerücknahme. Der Beklagte habe auf die Stellungnahme seines Versicherungsnehmers (vom 25.09.2018) bzw. weitere polizeiliche Unterlagen warten dürfen. Diese habe er erst nach Klageerhebung erhalten und dann sofort den zur Schadenswiederherstellung erforderlichen Betrag bezahlt. Dem Beklagten sei damit kein Vorwurf zu machen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit sofortiger Beschwerde vom 28.11.2018, eingegangen beim Amtsgericht per Fax am selben Tag. Der Kläger beantragt, den angegriffenen Beschluss des AG Schwabach aufzuheben und „die Beklagte zu verurteilen, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen“. Mit Schriftsatz vom 20.12.2018 hat der Beklagte kostenpflichtige Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt. Auf die jeweiligen Schriftsätze wird Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 27.12.2018 – der keinerlei Begründung enthält – hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht vorgelegt.
B.
I.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere nach §§ 91a Abs. 2 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1 ZPO).
1. Gegen Kostenentscheidungen nach § 91a Abs. 1 ZPO ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach Abs. 2 der Vorschrift eröffnet. Dies gilt auch dann, wenn und soweit eine solche Entscheidung als Teil einer Kostenmischentscheidung z.B. in einem Urteil getroffen worden ist (BGH, Beschluss vom 29. Juli 2003 – VIII ZB 55/03, NJW-RR 2003, 1504; BGH, Beschluss vom 19. März 2013 – VIII ZB 45/12, NJW 2013, 2362). Mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist dann nur der Teil der Kostenentscheidung, der auf § 91a ZPO beruht; im Übrigen gilt das Verbot der isolierten Kostenanfechtung des § 99 Abs. 1 ZPO (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 05. Dezember 2016 – 4 W 19/16, NJW-RR 2017, 697).
2. Gemäß § 91a Abs. 2 Satz 2 ZPO findet gegen die nach Abs. 1 getroffene Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde nur statt, wenn der Streitwert der Hauptsache die Berufungssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO von 600,00 € übersteigt. Das ist im Streitfall zu bejahen. Dabei ist grundsätzlich auf das voraussichtliche Unterliegen einer Partei abzustellen, von dem das Gericht bei seinem Kostenausspruch ausgegangen ist (BGH, Beschluss vom 29. Juli 2003 – VIII ZB 55/03, NJW-RR 2003, 1504; vgl. dazu auch unten C.).
3. Auch wenn das Abhilfeverfahren des Amtsgerichts an gravierenden Mängeln leidet, ist das Beschwerdegericht nicht an einer Sachentscheidung gehindert.
Die Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts nach § 572 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 ZPO muss erkennen lassen, dass dieses das Beschwerdevorbringen zur Kenntnis genommen, geprüft und berücksichtigt hat (OLG Koblenz, MDR 2015, 117). Das Gericht ist verpflichtet, den Inhalt der Beschwerdeschrift darauf zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung ohne Vorlage an das Beschwerdegericht zu ändern ist. Fehlt eine (erkennbare) derartige Prüfung, leidet das Abhilfeverfahren an einem wesentlichen Mangel (OLG Koblenz a.a.O.). Das Abhilfeverfahren dient namentlich einer Entlastung des Beschwerdegerichts (BGH NJW-RR 2017, 707).
In seinem Beschluss vom 27.12.2019 hat das Amtsgericht seine Nichtabhilfeentscheidung nicht begründet. Eine Befassung mit der ausführlichen Begründung der sofortigen Beschwerde des Klägers findet nicht statt.
Gleichwohl ist eine ordnungsgemäße Abhilfeentscheidung keine Verfahrensvoraussetzung für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens vor dem Beschwerdegericht (BGH NJW-RR 2017, 707).
4. Da der angefochtene Beschluss vom Einzelrichter erlassen wurde, entscheidet nach § 568 S. 1 ZPO das Beschwerdegericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter.
II.
Das Amtsgericht ist mit unzutreffender Begründung davon ausgegangen, dass dem Kläger vollständig die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen seien.
1. Bei einer teilweise übereinstimmenden Erledigung des Rechtsstreits ist über die Kosten des erledigten Teils gemäß § 91a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei entspricht es in der Regel billigem Ermessen, die Kosten derjenigen Partei aufzuerlegen, die bei einem streitigen Fortgang des Verfahrens voraussichtlich unterlegen gewesen wäre und die Kosten nach den §§ 91 ff ZPO zu tragen gehabt hätte (OLG München, Beschluss vom 05. Juli 2016 – 10 W 890/16, SVR 2016, 470; OLG Düsseldorf, Urteil vom 07. März 2017 – I-1 U 97/16, VersR 2017, 1100).
Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung ist auch der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu berücksichtigen, d.h. ob der Beklagte dem Kläger Veranlassung für die Klage gegeben hat (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07. März 2017 – I-1 U 97/16, VersR 2017, 1100; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 05. Dezember 2016 – 4 W 19/16, NJW-RR 2017, 697; OLG Dresden, Beschluss vom 25. November 2014 – 5 W 1310/14, juris). So ist anerkannt, dass für den Fall, dass sich der Beklagte nach Klageerhebung und vor dem ersten Termin durch vorbehaltlose und kommentarlose Ausgleichung der Klageforderung freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begibt, er nach Erledigungserklärung die volle Kostenbelastung zu tragen hat, auch wenn keine Erklärung, die Kosten des Rechtsstreits übernehmen zu wollen abgegeben wird (BGH, Beschluss vom 30.02.2011 – VI ZR 305/10; BGH, Beschluss vom 27.07.2010 – VI ZR 154/08, BeckRS 2010, 20021; OLG Frankfurt MDR 1996, 426). Im Streitfall hat der Beklagte sich allerdings gegen die Übernahme der Kostenlast ausgesprochen.
Klageveranlassung wiederum wird durch ein Verhalten gegeben, welches vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt (BGH ZIP 2007, 95). Der Kläger hat also anzunehmen, ohne Anrufung des Gerichts sein Klageziel nicht erreichen zu können (BGH NJW-RR 2006, 773, 775; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 74). Für die Frage, ob der Beklagte Anlass zur Klage gegeben hat, kommt es demnach auf sein Verhalten vor dem Prozess an (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25. September 2017 – 4 W 18/17, VersR 2018, 696). Anlass zur Klage wird regelmäßig dann gegeben, wenn zur Erfüllung innerhalb einer angemessenen Frist aufgefordert worden ist und keine Leistung erfolgt, obwohl dies der materiell-rechtlichen Pflicht entsprochen hätte (OLG Naumburg NJOZ 2011, 1937; OLG Düsseldorf BeckRS 2013, 06716); dies setzt bei Geldschulden Verzug voraus (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25. September 2017 – 4 W 18/17, VersR 2018, 696; OLG München BeckRS 2003, 04240). Die objektiven Voraussetzungen des Verzuges implizieren also die Klageveranlassung (BeckOK-ZPO/Jaspersen, 32. Ed. 1.3.2019, ZPO § 93 Rn. 28). Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass die Grundlage des Verzugs bildende Fälligkeit der Schadensersatzforderung nicht erst durch eine (erste) Zahlungsaufforderung bewirkt wird (so aber falsch OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.02.2018 – 22 W 2/18, juris Rn. 12), sondern die Fälligkeit bereits im Zeitpunkt der Rechtsgutverletzung, d.h. des Unfalls eintritt (im Einzelnen dazu BGH, Beschluss vom 18. November 2008 – VI ZB 22/08, BGHZ 178, 338).
2. Gemessen am Vorstehenden ist in jedem Fall davon auszugehen, dass der Beklagte Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.
a) Dabei seit zunächst darauf hingewiesen, dass bereits Zweifel daran bestehen könnten, dass die Regulierung vom 27.9.2018 überhaupt als „sofortige“ angesehen werden kann. Eine sofortige Zahlung im Sinne eines sofortigen Anerkenntnisses orientiert an § 93 ZPO unterliegt im Fall eines – wie hier durchgeführten – schriftlichen Vorverfahrens nämlich Einschränkungen: So kann eine entsprechende Erklärung bzw. Verhalten nur dann als „sofortig“ angesehen werden, wenn der Beklagte in seiner Verteidigungsanzeige keinen Antrag auf Klageabweisung angekündigt hat und dem Klageanspruch auch nicht auf sonstige Weise entgegengetreten ist (BGH, Beschluss vom 21. März 2019 – IX ZB 54/18, juris). Ob vor diesem Hintergrund die Formulierung in der Anzeige der Verteidigungsabsicht vom 2.10.2018 („Eine Klageerwiderung wird gesondert erfolgen.“) Bedenken begegnet, kann allerdings dahinstehen. Die Regulierung des Beklagten kann unabhängig davon nicht mehr als „sofortig“ angesehen werden, da sich der Beklagte zum Zeitpunkt der Verteidigungsanzeige bereits in Verzug befand.
b) Es ist allerdings anerkannt, dass einem Haftpflichtversicherer auch in einfach gelagerten Fällen eine angemessene Überprüfungszeit zur Klärung des Haftungsgrundes sowie der Schadenshöhe zuzugestehen ist. Diese Prüfungszeit wird zum Teil aus der entsprechenden Anwendung des § 14 Abs. 1 VVG hergeleitet (OLG München, Beschluss vom 29. Juli 2010 – 10 W 1789/10, NJW-RR 2011, 386; KG VersR 2009, 1262; Langheid/Rixecker/Rixecker, 6. Aufl. 2019, VVG § 14 Rn. 4), zum Teil aus § 286 Abs. 4 BGB, wonach es während der Prüfungsfrist an einem schuldhaften Verzugseintritt fehlt (so z.B. OLG Stuttgart VersR 2010, 1074; OLG Frankfurt, Beschluss vom 06. Februar 2018 – 22 W 2/18, VersR 2018, 928). Die Länge der Prüffrist ist von der Lage des Einzelfalls abhängig (h.M. z.B. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25. September 2017 – 4 W 18/17, VersR 2018, 696; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Juni 2015 – I-11 W 47/15, Schaden-Praxis 2016, 232). Im Einzelnen werden in der Rechtsprechung Regulierungsfristen im Bereich von 2 Wochen bis 2 Monaten als angemessen betrachtet (vgl. z.B. die Nachweise bei OLG Frankfurt, Beschluss vom 06. Februar 2018 – 22 W 2/18, VersR 2018, 928; OLG München, Beschluss vom 29. Juli 2010 – 10 W 1789/10, NJW-RR 2011, 386). Die Kammer ist der Ansicht, dass bei einem durchschnittlichen Schadensfall ohne besondere Schwierigkeiten und Besonderheiten einem Haftpflichtversicherer eine Regulierung jedenfalls spätestens binnen 4 Wochen (bei 20 Arbeitstagen) möglich sein muss.
c) Maßgeblich für den Fristbeginn ist dabei der Zugang eines ersten spezifizierten Anspruchsschreibens (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25. September 2017 – 4 W 18/17, VersR 2018, 696; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Juni 2015 – I-11 W 47/15, Schaden-Praxis 2016, 232; OLG Köln, Beschluss vom 31. Januar 2012 – I-24 W 69/11, NZV 2013, 42; OLG Rostock MDR 2001, 935). Eine unbezifferte Aufforderung kann den Beginn der Prüfungsfrist nicht auslösen.
Unzutreffend ist es deshalb, wenn das Amtsgericht daran anknüpft, dass die Regulierungsfrist erst beginne, „wenn die Haftpflichtversicherung der (sic) maßgeblichen Umstände des Falles kennt.“.
Im Streitfall hat der Klägervertreter mit Schreiben vom 08.08.2018 die im hiesigen Verfahren auch streitgegenständlichen und anhängig gemachten Kosten „Kfz-Schaden, Gutachterkosten, Unkostenpauschale“ im Einzelnen beziffert und die Summe von 3.430,98 €, wie sie auch der Hauptsacheforderung des hiesigen Verfahrens entspricht, eingefordert. Er hat hierzu „höflich um Zahlungsausgleich“ bis 23.08.2018 gebeten. Darin liegt unzweifelhaft eine eindeutige Zahlungsaufforderung. Die gesetzte Frist von ca. 2 Wochen war nach dem Vorstehenden allerdings in jedem Fall (zunächst) zu knapp bemessen.
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Klägervertreter der Beklagten auf deren Antwortschreiben vom 29.08.2018, mit der diese unter Hinweis darauf, dass ihr der Schadensfall bislang nicht gemeldet worden sei um Mitteilung der den Unfall aufnehmenden Polizeidienstelle sowie um Benennung von Unfallzeugen gebeten hatte, seinerseits mit Schreiben vom 10.09.2018 geantwortet hatte, ohne dass bis zur endgültigen Regulierung vom 27.09.2018 ein Schadensausgleich erfolgt war.
Nach den Grundsätzen der Kammer wäre allerdings eine Regulierung binnen 4 Wochen/20 Arbeitstagen zu erwarten gewesen. Mithin war die Prüfungsfrist schließlich zum 06.09.2018 abgelaufen. Nachdem auch eine weitere telefonische Aufforderung durch den Klägervertreter vom 19.09.2018 erneut keinen Erfolg gebracht hatte, befand sich der Beklagte jedenfalls am Tag der Regulierung, dem 27.09.2018, klar in Verzug.
d) Der Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang nicht damit entschuldigen, dass er seinerseits von seinem Versicherungsnehmer keine Auskünfte zum Unfallgeschehen erhalten habe. Zutreffend wird zwar z.B. erkannt, dass allein die Tatsache, dass der Haftpflichtversicherer keine (rechtzeitige) Einsicht in die polizeiliche Ermittlungsakte zum zu regulierenden Verkehrsunfall erhält, eine Verlängerung der Prüfungsfrist nicht rechtfertigen kann (z.B. OLG Stuttgart r+s 2014, 147; OLG München, Beschluss vom 29. Juli 2010 – 10 W 1789/10, NJW-RR 2011, 386 m.w.N.; a.A. wohl OLG Stuttgart VersR 2010, 1074; KG VersR 2009, 1262). Es ist gerichtsbekannt, dass sich aus organisatorischen und ermittlungstechnischen Gründen eine Akteneinsicht mitunter massiv verzögern kann. Knüpfte man die Verpflichtung zur Schadensregulierung des Haftpflichtversicherers an die tatsächlich erfolgte Einsicht in die Ermittlungsakte, so würde dies gerade bei schwerwiegenden Unfällen (ggf. unter Alkoholeinfluss) mit erheblichen Personenschäden dazu führen, dass der Geschädigte evtl. monatelang an der gerichtlichen Durchsetzung seiner berechtigten Ansprüche gehindert wäre bzw. ein entsprechendes Kostenrisiko eingehen müsste – ein untragbares Ergebnis.
Nichts anderes kann gelten, wenn der Haftpflichtversicherer von seinem eigenen Versicherungsnehmer nicht rechtzeitig zum Unfallhergang unterrichtet wird. Während dem Geschädigten jeglicher Einfluss auf diesen Informationsaustausch versagt ist, hat es der Haftpflichtversicherer in der Hand, seinem Auskunftsverlangen, das seinem Versicherungsnehmer gegenüber als Obliegenheit mit entsprechenden Möglichkeiten zur Leistungskürzung ausgestaltet ist (AKB E.1.1.1, E..1.1.3 i.V.m. § 28 VVG bzw. AKB E.2.1), entsprechenden Nachdruck zu verleihen. Diese Ausgestaltung der Informationswege zeigt, dass das Risiko einer verspäteten, unzureichenden oder gar völlig ausfallenden Information des Versicherers durch seinen eigenen Versicherungsnehmer nicht dem Geschädigten, sondern eben dem Versicherer zugewiesen ist. Nach alledem kann sich der Beklagte nicht darauf zurückziehen, nicht früher durch seinen Versicherungsnehmer unterrichtet worden zu sein.
e) Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass der vom Amtsgericht bemühte Umstand, dass der Klägervertreter in seinem Schreiben zur Zahlungsaufforderung vom 08.08.2018 den Schaden nach eigenen Worten „vorläufig“ beziffert, eine abweichende Bewertung nicht rechtfertigt. Diese Formulierung war erkennbar nicht dahingehend zu verstehen, dass die genannten Schadensbeträge etwa lediglich eine erste grobe Schätzung, gleichsam ins Blaue hinein darstellten. Tatsächlich hatte der Kläger ein Sachverständigengutachten und eine entsprechende Kostenrechnung vorgelegt, aus denen sich die jeweiligen (Centgenauen) Beträge ergaben. Die floskelhafte Bezifferung als „vorläufig“ konnte allenfalls dahingehend verstanden werden, dass etwa Schadensweiterungen im Raum standen, etwa durch tatsächliche Durchführung einer Reparatur, in deren Zuge dann weitere Schadenspositionen wie Mehrwertsteuer oder Nutzungsausfall anfallen hätten können oder aber dass sich die tatsächliche Reparatur etwa aufgrund im Rahmen der Begutachtung nicht festgestellter Schäden als kostspieliger darstellen würde. Erkennbar alleiniger Zweck der Bezeichnung als „vorläufig“ war deshalb, nicht mit eventuellen Nachforderungen ausgeschlossen zu sein. Die teilweise Klagerücknahme hingegen mag auf einer etwaigen Verweisung des Klägers auf eine günstigere Werkstatt beruhen (vgl. BGH, Urteil vom 7.2.2017 – VI ZR 182/16, NJW 2017, 2182), rechtfertigt aber ebenso wenig einen Rückschluss darauf, dass die Bezifferung in der vorgerichtlichen Zahlungsaufforderung „nicht ernst gemeint“ gewesen sein könnte.
Nach alledem befand sich der Beklagte im Zeitpunkt der Schadensregulierung bereits deutlich in Zahlungsverzug. Der Kläger musste deshalb davon ausgehen, ohne Erhebung der Klage vom 21.09.2018 – also mehr als 6 Wochen nach Absendung der ersten bezifferten Zahlungsaufforderung – nicht zu einem Schadensausgleich zu gelangen. Bei dieser Sachlage entspricht es alleine billigem Ermessen, im Umfang der Regulierung und übereinstimmenden Erledigung der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
3. Demzufolge war der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts Schwabach, soweit er auf § 91a ZPO fußt, entsprechend abzuändern. Keinen Erfolg hat die sofortige Beschwerde jedoch, soweit sie auch hinsichtlich des Teils der Klageforderung, der Gegenstand der (Teil-) Klagerücknahme war, nämlich in Höhe von 713,63 Euro, die Kostentragung der Beklagten fordert. Insoweit verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, wonach der Kläger die Kosten der Klagerücknahme zu tragen hat. Entsprechend war die Kostenquote festzusetzen.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens war entsprechend der beim konkreten Prozessausgang zu erwartenden Kostenlast festzusetzen. Ausgehend von drei Gerichtsgebühren (eine Reduzierung nach Nr. 1211 Ziff. 4 KV-GKG findet nicht statt) zuzüglich jeweils 2,5 Anwaltsgebühren (inklusive Auslagen und Steuer) für beide Parteivertreter aus einem Wert von 3.430,98 € ergibt sich ein Kostenbetrag von 1.928,00 €, den die sofortige Beschwerde zu beseitigen versucht(e).
Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht, da die Entscheidung auf der Grundlage gefestigter Rechtsprechung zu einem Einzelfall ergeht. Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstrittene Frage, welchen Einfluss die Einsicht in die polizeiliche Ermittlungsakte auf den Lauf der Prüffrist hat, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich.

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