Aktenzeichen 481 C 53/16 WEG
GVG GVG § 23 Nr. 2c
WEG WEG § 16 Abs. 4 S. 2, § 22 Abs. 2, § 23 Abs. 2, § 25 Abs. 2, § 43 Nr. 4, § 46 Abs. 1
Leitsatz
1 Soll dem Verwalter im Rahmen unfangreicher Instandsetzungsarbeiten die Vollmacht zur Vergabe von Nachtragsaufträgen bis zu 15% der Grundauftragssumme ohne erneute Beschlussfassung erteilt werden, so enthält dies eine gesonderte Regelung, die in der Tagesordnung zur Eigentümerversammlung aufzuführen ist. (redaktioneller Leitsatz)
2 Soll die vorhandene Elektroinstallation erneuert werden, um in den Wohnungen mehr und stärkere Stromverbraucher betreiben zu können, so handelt es sich um eine Modernisierung im Sinne des § 22 Abs. 2 WEG und nicht mehr nur um eine modernisierende Instandsetzung. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 02.12.2015 unter TOP 3 c
„Der Verwalter ist bevollmächtigt, mit den bereits unter TOP 3 b beauftragten Unternehmen Nachträge bis zu einem Betrag von max. 15% der Grundauftragssumme zu vereinbaren, sowie diese Nachtragsarbeiten und die dafür angebotene Vergütung von dem zu beauftragenden Architekten sowohl dem Grunde nach bestätigt und der Höhe nach als angemessen und üblich freizugeben sind.“ wird für ungültig erklärt.
2. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 02.12.2015 unter TOP 4
„Die Eigentümerversammlung beschließt die Modernisierung der Stromversorgungen in den jeweiligen Wohnungen vom EG bis zum 4. Stock (ohne DG und Gewerbe Keller). Die Kosten pro Wohnung betragen ca. 1.300,00 €.“
wird für ungültig erklärt.
3. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird auf 7.618,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klage ist zulässig.
Das Amtsgericht München ist gemäß § 23 Nr. 2 c GVG und § 43 Nr. 4 WEG örtlich und sachlich ausschließlich zuständig.
II.
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Die materiellen Ausschlussfristen des § 46 Abs. 1 WEG sind eingehalten.
2. Der Beschluss unter TOP 3 c ist gemäß § 23 Abs. 2 WEG für ungültig zu erklären, weil er in der Einladung (Anlage K4) nicht bezeichnet war. Die Bezeichnung in der e-Mail vom 17.11.2015 (K1) mit Anlage ist nicht ausreichend. Insbesondere liegt hier auch keine schlagwortartige Bezeichnung dieses konkreten Beschlussgegenstands – Ermächtigung zur Nachtragsaufträgen – vor. Bei der Einberufung einer Wohnungseigentümerversammlung müssen die Tagesordnungspunkte und die vorgesehenen Beschlüsse so genau bezeichnet werden, dass die Wohnungseigentümer verstehen und überblicken können, was in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert und beschlossen werden soll und welche Auswirkungen der vorgesehene Beschluss insoweit auf die Gemeinschaft und sie selbst hat, wobei eine schlagwortartige Bezeichnung ausreicht (BGH, Urteil vom 13.01.2012 – V ZR 129/11, ZWE 2012, 125). Die Einladung enthält aber lediglich die Tagesordnungspunkte 3 a („Malerarbeiten-Trockenbau-Bodenbeläge-Abbruch-Metallbauarbeiten-Beleuchtung-Elektriker-Klingelschilder-Klingelanlage“) und 3 b („Finanzierung“). Unter TOP 3 a wurde sodann die Vergabe konkreter Aufträge an bestimmte Unternehmen zu bestimmten Beträgen beschlossen. Unter TOP 3 b wurde beschlossen: „Die Kosten von TOP 3 a werden nach MEA gemäß der Teilungserklärung verteilt.“ Sodann wurde unter TOP 3 c unter Bezugnahme auf „die bereits unter TOP 3 b beauftragten Unternehmen“ beschlossen, dass der Verwalter bevollmächtigt sein soll, Nachträge bis 15% der Grundauftragssumme zu vereinbaren, „soweit diese Nachtragsarbeiten und die dafür angebotene Vergütung von dem zu beauftragenden Architekten sowohl dem Grunde nach bestätigt und der Höhe nach als angemessen und üblich freigegeben sind“. Abgesehen davon, dass dieser Satz bereits sprachlich schlecht verständlich ist und die Bezugnahme auf „die unter TOP 3 b beauftragten Unternehmen“ offenkundig unzutreffend ist – unter TOP 3 b wurde nur eine Kostenverteilung, aber keine Auftragsvergabe beschlossen -, stellt es einen gesonderten Regelungsinhalt dar, dem Verwalter Vollmacht zur Erteilung von Nachtragsaufträgen der genannten Größenordnung ohne erneute Beschlussfassung zu erteilen. Gemessen an dem sich aus TOP 3 a ergebenden Gesamtauftragsvolumen von 470.000 EURO sollte unter TOP 3 c der Verwalter zu weiteren Aufträgen in einer Größenordnung von maximal ca. 70.000 EUR bevollmächtigt werden. Aus der Einladung ergibt sich demgegenüber lediglich, dass über Auftragsvergaben für bestimmte Arbeiten abgestimmt werde. Dies ist unter TOP 3 a auch geschehen; hier haben die Eigentümer über die Vergabe bestimmter Aufträge abgestimmt. Demgegenüber wird unter TOP 3 c gerade nicht über die Vergabe konkreter Aufträge durch die Eigentümer abgestimmt, sondern darüber, dem Verwalter eine Vollmacht zu erteilen, Nachtragsaufträge zulasten der WEG selbst zu erteilen. Dieser gesonderte Beschlussinhalt, aus dem eine umfassende Vollmachtserteilung abzuleiten ist, hätte in der Einladung zur Eigentümerversammlung wenigstens schlagwortartig bezeichnet werden müssen (BGH a. a. O.). Anders als bei einer Abstimmung über die Vergabe konkreter Aufträge hätten es die Wohnungseigentümer bei Erteilung einer derart umfassenden Vollmacht nicht mehr in der Hand, über die Fragen, ob bestimmte Nachtragsaufträge vergeben werden, selbst zu entscheiden. Der Beschluss entspricht daher nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.
3. Der Beschluss unter TOP 4 ist für ungültig zu erklären, weil das gem. § 22 Abs. 2 WEG und das gem. § 16 Abs. 4 S. 2 erforderliche Quorum nicht erreicht wurde. Die – bereits als solche bezeichneten – „Modernisierung der Elektroversorgung“ stellt sich nach Auffassung des Gerichts auch im rechtlichen Sinne um eine Modernisierungsmaßnahme im Sinne des § 22 Abs. 2 WEG in Verbindung mit § 555 b Nr. 4 BGB dar. Ausweislich des im Protokoll der Beschlussfassung Bezug genommenen Berichtes des Architekten Ma. soll durch die Erneuerung der Elektroleitungen der aktuell notwendige Leistungsumfang der Elektroversorgung des Wohnungen hergestellt werden, damit dort mehr und stärkere Stromverbraucher betrieben werden können. Dies stellt nach Auffassung des Gerichts eine Verbesserung der Energieversorgung dar, die den Gebrauchswert der Wohnung nachhaltig erhöht (vgl. Spielbauer/Then, WEG, 2. Auflage 2012, § 22, Rdnr. 17). Das in § 22 Abs. 2 WEG vorgesehene Quorum von mehr als drei Vierteln aller stimmberechtigten Miteigentumsanteile gem. § 25 Abs. 2 WEG wurde hier ausweislich des Protokolls nicht erreicht. Gleiches gilt im Hinblick darauf, dass die Beschlussfassung Kosten in Höhe von ca. 1.300 EUR „pro Wohnung“ vorsieht. Wird die Durchführung von Instandhaltungs-/Instandsetzungs-, bauliche oder Modernisierungsmaßnahmen abgestimmt, kann zugleich über eine vom Maßstab des § 16 Abs. 2 WEG abweichende Kostenverteilung abgestimmt werden, wenn das Quorum des § 16 Abs. 4 WEG erfüllt ist, also wiederum mehr als drei Viertel aller stimmberechtigten Miteigentumsanteile zugestimmt haben. Vorliegend ist dem Beschlusswortlaut zu entnehmen, dass „die Kosten ca. 1.300 EUR pro Wohnung“ betragen sollen. Dieser Beschluss kann so verstanden werden, dass damit zugleich mit einem Grundlagenbeschluss über die Durchführung der Maßnahmen eine von § 16 Abs. 2 WEG abweichende Kostentragung festgelegt werden sollte. Wenn die Beklagten zu 1 nun vortragen, hiermit sei nur eine Kostenschätzung gemeint gewesen, müssen sie sich entgegenhalten lassen, dass der Beschluss in diesem Fall nicht hinreichend bestimmt wäre, da der Beschluss offenkundig auf verschiedene Weise ausgelegt werden kann. Im Ergebnis wirkt sich dies nicht aus, da der Beschluss in beiden Fällen für ungültig zu erklären ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Ob sich die Beklagten bei ihrem Verwalter schadlos halten können und wollen, mögen sie anhand des Verwaltervertrages selber entscheiden. Die Nichtanwendung von § 49 Abs. 2 WEG sperrt insoweit einen Regress nicht (BGH, Beschluss vom 18. August 2010 – V ZB 164/09, WuM 2010, 643).
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf § 709 ZPO.
V.
Der Streitwert wurde gem. § 49 a Abs. 1 GKG entsprechend den Angaben der Kläger festgesetzt.