Aktenzeichen 11 C 146/15
Leitsatz
1. Liegen konkrete Verdachtsmomente für einen Legionellenbefall vor, der die gesetzlichen Grenzwerte überschreitet, so hat der Vermieter als vertragliche Nebenpflicht den Mieter über das Ergebnis der Probeentnahmen zu informieren. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die nicht erfolgte Mitteilung über das Ergebnis der Legionellenprobe begründet für den Mieter keinen außerordentlichen Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 1 BGB. Jedoch begründet sie Schadensersatzansprüche des Mieters gegen den Vermieter, für die durch ordentliche Kündigung des Mieters verursachte Kosten. (redaktioneller Leitsatz)
3. Kosten eines Rechtsanwaltes zur Abwehr einer unberechtigten Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB sind gem. §§ 249, 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 3.923,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.02.2015 zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Auf die Widerklage werden die Kläger als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagten und Widerkläger 449,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.03.2015 zu bezahlen.
4. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner 34%, die Beklagten als Gesamtschuldner 66%.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Kläger können die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten Sicherheit von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Der Streitwert wird bis 10.03.2015 auf 5.979,99 €; danach auf 7.235,36 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Den Klägern steht ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB in Höhe von 3.923,85 € zu.
Es liegt eine Nebenpflichtverletzung seitens der Beklagten vor, aufgrund derer die Kläger zur Kündigung des Mietverhältnisses veranlasst wurden, allerdings stand den Klägern kein Recht zur außerordentlichen, sondern nur zur ordentlichen Kündigung zu.
Die Beklagten als Vermieter haben ihre Verpflichtungen aus dem Mietvertrag mit den Klägern insoweit verletzt, als sie die Kläger trotz mehrmaliger Aufforderung nicht über die Einzelheiten des Legionellenbefalls im Trinkwasserleitungssystem des Anwesens informiert haben. Im Falle eines Legionellenbefalls der Trinkwasseranlage obliegt dem Vermieter die Verpflichtung, die Mieter über Art und Umfang einer gegebenenfalls vorhandenen Gesundheitsgefährdung zu informieren, damit Mieter ggf. Selbstschutzmaßnahmen ergreifen können, um einen möglichen Gesundheitsschaden abzuwehren. Diese Hinweis- und Aufklärungspflicht des Vermieters ergibt sich letztlich aus einer Abwägung der widerstreitenden Interessen: auf Seiten der Mieter gilt es eine je nach dem Maß der individuellen Disposition bestehende Gefährdung der Gesundheit und körperlichen Integrität abzuwenden, während dem Vermieter ein relativ geringer Aufwand entsteht, indem er die Ergebnisse ohnehin durchgeführter Beprobungen an seine Mieter mitteilt. Zur Aufklärungsverpflichtung des Vermieters gehört es nach Überzeugung des Gerichts, dass den Mietparteien die im Trinkwasserleitsystem gemessenen Legionellenkonzentrationen mitgeteilt werden, damit für die Mieter die Möglichkeit besteht, eine eigene Gefahreinschätzung – ggf. unter Hinzuziehung medizinischen oder sonstigen sachverständigen Rates – anzustellen. Diese Verpflichtung wurde von den Beklagten verletzt. Unstreitig wurde unter dem 07.07.2014 den Klägern nur die Legionellenkonzentration mitgeteilt, welche am 31.03.2014 in der zur Wohnung der Kläger führenden Stichleitung gemessen wurde. Diese stellt eine zum einem verspätete und zum anderen unzureichende Informationsgabe dar, da – wie auch der sachverständige Zeuge in der Sitzung vom 14.01.2016 angegeben hat – für die Gefährdungsabschätzung jeweils das Gesamtsystem zu betrachten ist, in welchem eine insgesamt deutlich höhere Belastung gegeben gewesen ist. Auch wurde der einzelne Messwert den Klägern erst nach Ablauf zweier Fristen und damit verspätet mitgeteilt.
Durch diese Nebenpflichtverletzung der Beklagten wurde das Vertragsverhältnis zwischen Mietern und Vermietern derart nachhaltig gestört, dass den Mietern ein Recht zur Kündigung zusteht. Allerdings bedurfte es keiner außerordentlichen fristlosen Kündigung. Ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine so schwerwiegende Vertragsverletzung des anderen Teils vorliegt, dass dem Kündigungsberechtigten die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Auflage, § 543 BGB RN 164 m. w. N.). In diese Interessenabwägung war vorliegend einzustellen, dass den Beklagten zwar ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann, da sie sich insoweit auf die Richtigkeit des Vorgehens der Hausverwaltungsfirma verlassen haben, ohne sich selbst der Problematik und der daraus resultierenden Vermieterpflichten, wie sie aus dem Schreiben des Landratsamtes vom 21.03.2014 ersichtlich waren, gekümmert haben. Allerdings wiegt dieser Verschuldensvorwurf nicht besonders schwer. Eine gewisse Information der Mietparteien ist durch das seitens der Immobilienverwaltung ausgehängte Informationsblatt vom 20.03.2014 erfolgt. Dieses Blatt enthält einen Verweis auf eine weitergehende Informationsquelle im Internet. Dem Schreiben des staatlichen Gesundheitsamtes vom 21.03.2014, welches an die Immobilienfirma gerichtet war, lassen sich Handlungsempfehlungen auch nur mittelbar entnehmen, soweit es nicht um das Duschverbot hinsichtlich der am höchsten belasteten Wohnung geht. Dieses Schreiben enthält zwar Anweisungen hinsichtlich des Gesundheitsschutzes, nicht aber die ausdrückliche Empfehlung, entsprechende Informationen auch zu den in der Gesamtanlage gemessenen Werten an die Mietparteien zur Verfügung zu stellen. Damit war es den Beklagten und der von ihnen beauftragten Firma zwar möglich, eine entsprechende Informationsverpflichtung zu erkennen, die diesbezügliche Fahrlässigkeit bewegt sich aber im unteren Bereich.
Außerdem darf im Rahmen der Interessenabwägung nicht unbeachtet bleiben, dass die Kläger trotz unterbleibender Information seitens der Beklagten bis Anfang August 2014 zugewartet haben, bis dann die Kündigung ausgesprochen wurde. Wären die Kläger tatsächlich von einer hohen individuellen Gefährdungslage ihrerseits ausgegangen – z. B. gesundheitlicher Prädisposition – so wäre zu erwarten gewesen, dass sie das Mietverhältnis umgehend nach Ausbleiben der Information seitens der Beklagten fristlos kündigen. Indem die Kläger trotz Kenntnis von einem vorhandenen Legionellenbefall im Anwesen noch Monate weiter dort wohnen geblieben sind, haben sie gewissermaßen selbst ihr Bedürfnis nach einer sofortigen Beendigung des Mietverhältnisses widerlegt. Es war ihnen daher zuzumuten, eine ordentliche Kündigung auszusprechen und den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist abzuwarten, zumal eine konkrete Gesundheitsgefährdung zum Zeitpunkt der Kündigung unstreitig nicht mehr gegeben war.
2. Vor dem Hintergrund dieser Überlegung können die Kläger zwar den Ersatz der Maklerkosten, der Kosten für Umzugskartons, der Nachsendekosten für die Post, der Umzugskosten wie in Anlage K7 und K8 sowie K9 aufgeführt, nicht aber die Rechtsanwaltskosten für eine fristlose Kündigung ersetzt verlangen. Einer solchen fristlosen Kündigung bedurfte es gerade nicht, vielmehr hätte der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung genügt, für welche es keines rechtsanwaltlichen Rates bedurft hätte.
Die Schadenspositionen der Kläger wurden beklagtenseits zwar bestritten, allerdings hätte es im Hinblick auf die vorgelegten Rechnungen (Anlagen K 4-K 9) eines substantiierten Bestreitens bedurft, aus welchen Gründen die in den Rechnungsbelegen aufgeführten Kosten tatsächlich nicht entstanden sein sollen. Als ausreichend wird das Bestreiten der Beklagten hinsichtlich der bei der Firma … angefallenen Kosten erachtet, da sich hier aus den Rechnungen (K 10, 11) nicht ergibt, wofür die Kosten angefallen sein sollen. Auch fehlt es hierzu an einem substantiierten Sachvortrag der Klägerseite.
Hinsichtlich der von den Klägern aufgestellten 123 Arbeitsstunden à 12,- € ist zu differenzieren. Nach den allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätzen ist der Zeitaufwand des Geschädigten grundsätzlich keine ersatzpflichtige Schadensposition (vgl. BGH, NJW 1976, 1256; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Auflage, § 249 RN 59 m. w. N.). Erbringt der Geschädigte zur Schadensbeseitigung eigene Arbeitsleistungen, ist deren Wert nur dann ersatzfähig soweit sie nach der Verkehrsanschauung einen Marktwert haben (vgl. BGH, NJW 1996, 921; Palandt/Grüneberg a. a. O. RN 67 m. w. N.). Diese Voraussetzungen treffen für die von den Klägern aufgestellten Stunden nur insoweit zu, als Stunden für das Verpacken von Umzugsgut abgerechnet werden. Für das Besichtigen von Wohnungen gibt es nach der Verkehrsanschauung ebensowenig einen Marktwert wie für das Korrespondieren mit verschiedenen Maklern und Umzugsunternehmen. Auf eigentliche Umzugsarbeiten entfallen 46 Stunden aus der Aufstellung der Kläger. Allerdings erachtet das Gericht insoweit unter Berücksichtigung der zu erbringenden relativ einfach gelagerten Tätigkeiten einen Stundensatz von 10,00 € für angemessen, aber auch ausreichend, so dass sich insoweit ein ersatzfähiger Schaden von 460,00 € ergibt.
3. Hinsichtlich des Guthabens aus der Nebenkostenabrechnung 2013 fehlt es jedenfalls an der Fälligkeit der Forderung. Die Kläger haben den Sachvortrag der Beklagten, es seien Einwendungen gegen die ursprüngliche Abrechnung erhoben worden, nicht bestritten. Damit steht eine neue Abrechnung ihrem eigenen Vorbringen nach noch aus.
4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.
II.
1. Die Widerklage erweist sich in Höhe eines Betrages von 449,32 € begründet und im Übrigen als unbegründet. Nachdem die Kläger kein Recht zur außerordentlichen Kündigung hatten, durften die Beklagten eine solche durch Inanspruchnahme rechtsanwaltlicher Beratung und rechtsanwaltlichen Tätigwerdens abwenden. Insoweit steht den Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 249 BGB zu.
2. Darüber hinaus können die Beklagten die offenen Mieten für September und Oktober 2014 beanspruchen, nachdem das Mietverhältnis durch die Kündigung vom 04.08.2014 erst zum 31.10.2014 beendet wurde.
3. Kein Schadensersatzanspruch steht den Beklagten hinsichtlich der an der Wohnung geltend gemachten Schäden und der zu deren Behebung in Rechnung gestellten Arbeiten der Firma … vom 03.12.2014 in Höhe von 806,05 € zu. Diesbezüglich können die Kläger sich mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen. Nach § 548 Abs. 1 BGB verjähren Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in 6 Monaten, wobei die Verjährung nach § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Vermieter die Mietsache zurück erhält.
Zurückerhalten haben die Vermieter die Mietwohnung hier am 04.09.2014. An diesem Tag fand eine Begehung der Wohnung im Beisein einer Vertreterin der Beklagten statt. Im Rahmen dieses Termins haben die Kläger nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten die Wohnungsschlüssel auf das Fensterbrett geworfen und damit ihrem Besitz an der Mietsache endgültig aufgegeben. In diesem Zeitpunkt liegt mithin eine Rückgabe der Mietsache an die Vermieter vor. Diese waren ab dem 04.09.2014 in der Lage, den Zustand der Mietsache zu untersuchen und ggf. Schäden gegenüber den Klägern geltend zu machen. Dies ist erst mit Erhebung der Widerklage vom 06.03.2015, welche den Klägern am 13.03.2015 zugestellt wurde, erfolgt. Die Verjährung war aber am 04.03.2015 bereits beendet.
4. Damit steht den Beklagten ein Betrag von 1.837,82 € zu, wovon die einbezahlte Kaution in Höhe von 1.321,21 € und das jedenfalls in dieser Höhe unstreitige Nebenkostenguthaben in Höhe von 67,29 € in Abzug zu bringen ist.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.