Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zur Kostenbemessung bei der Übersendung von Pflegeunterlagen

Aktenzeichen  1 C 760/17

Datum:
25.10.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 158166
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Kempten
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 630g, § 811 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Kostenauflistungen, wie sie im RVG und auch in § 7 JVEG zu finden sind, können im Rahmen der §§ 630g, 811 Abs. 2 BGB als Maßstab für die grundsätzliche Festlegung der Kostenbemessung herangezogen werden. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.Das Versäumnisurteil vom 01.09.2017 wird aufrechterhalten.
2.Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 
3.Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteiles vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar. 
4.Der Streitwert wird auf 1.260,00 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil ist statthaft und zulässig, § 338,339, 340, 341 ZPO.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Kempten sachlich und örtlich zuständig, vgl. §§ 1, 12 ZPO, 23 Nr. 1 GVG.
II.
Die (ursprüngliche) Klage ist begründet.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte, die Pflegedokumentation nebst Pflegeplanung und Sturzprotokoll in Kopie zur Verfügung zu stellen (§ 630 g BGB). Diesbezüglich hat die Klägerin von der Beklagten schriftlich unter Zusage der Übernahme der angemessenen Kosten für die Fertigung und Versendung der Unterlagen in angemessenem Rahmen sowie unter Beigabe einer durch den bevollmächtigten Ehemann der ehemaligen Patientin unterzeichneten Schweigepflichtentbindung, die Herausgabe der Unterlagen erbeten. Der Herausgabeanspruch an sich ist zwischen den Parteien unstreitig.
Der Beklagten steht kein Zurückbehaltungsrecht bis zur Zahlung der von der Beklagten in Rechnung gestellten – noch ausstehenden – 33,55 Euro zu, sodass keine Zug-um-Zug-Verurteilung auszusprechen war.
Zwar kann gem. § 811 Abs. 2 BGB der Besitzer die Vorlegung verweigern, bis ihm der andere Teil die Kosten vorschießt, allerdings hat die Klägerin die für die Fertigung und Versendung der betreffenden Unterlagen angemessenen Kosten in Höhe von 1,45 Euro Portokosten und 11 Euro Kopie-Kosten (1 Euro je kopierte Seite) bereits an die Beklagte bezahlt.
Über die Erstattung der entstandenen Kosten hinaus besteht keine weitere Verpflichtung der Klägerin einen noch höheren Betrag zu bezahlen und somit keine Berechtigung der Beklagten zur Zurückhaltung der Unterlagen.
Die von der Beklagten in Ansatz gebrachten Kosten in Höhe von insgesamt 45 Euro können nicht im Sinne der §§ 630 g, 811 Abs. 2 BGB herangezogen werden.
Von der grundsätzlichen Orientierung an den Kostenauflistungen, wie sie im RVG (hier Nr. 7000 VV RVG) und auch § 7 JVEG zu finden sind, ist vorliegend nicht abzuweichen. Demnach sind die Kosten für die Fertigung von Kopien zwischen 0,15 und 1,00 Euro festzusetzen. Eine direkte Anwendung der Vorschriften scheidet aus, allerdings können diese als Maßstab für die grundsätzliche Festlegung der Kostenbemessung herangezogen werden.
Die Erläuterung der Beklagten im Termin der mündlichen Hauptverhandlung, worin der erhöhte Aufwand bestehe, aus dem sich die in Ansatz gebrachten Kosten ergeben, wurde seitens der Klagepartei bestritten. Ein Beweis, der durch Vorlage der Patientenakten im Termin möglich gewesen wäre, wurde nicht erbracht oder angeboten.
Eine weitere Entschädigung als die für die Fertigung entstandenen Kosten ist überdies im Gesetz nicht verankert.
Zudem hat die Klägerin bereits einen Betrag von 1 Euro pro kopierte Seite, der als überdurchschnittlich anzusehen ist, bereits bezahlt.
2. Die Klägerin hat ferner einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 Euro nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 268 ZPO.
Da die Beklagte die Unterlagen trotz Aufforderung und Fristsetzung nicht zur Verfügung stellte, befindet sie sich spätestens mit Erhebung der Klage in Verzug.
Da die (ursprüngliche) Klage zulässig und begründet ist, ist das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten (§ 343 ZPO).
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
C.
Das Urteil ist für die Klagepartei nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar (§ 709 Satz 1 ZPO), da der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 € übersteigt und somit keine Alternative des § 708 ZPO vorliegt, insbesondere nicht § 708 Nummer 11 Alternative 1 ZPO.
D.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG.
E.
Die seitens der Beklagtenvertreterin beantragte Schriftsatzfrist auf den Schriftsatz des Klägervertreters vom 25.09.2017 war nicht zu gewähren, da in dem Schriftsatz kein neues tatsächliches Vorbringen enthalten war (§§ 283, 282 ZPO). Rechtsausführungen im Schriftsatz vom 10.10.2017 wurden berücksichtigt (§ 296 ZPO).

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