Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zuständigkeit deutscher Gerichte aus den Umständen des Falles

Aktenzeichen  17 U 6/19

Datum:
17.7.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 56300
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EuGVVO Art. 4 Abs. 1, Art. 25 Abs. 1a, Art. 28 Abs. 2
ZPO § 13
BGB § 242, § 313 Abs. 2, § 667

 

Leitsatz

Der Gerichtsstand kann sich aus den Umständen des Falles ergeben. Anhaltspunkte können sine, der Wohnsitz in München, an dem der Vertrag geschlossen wurde, die Währung, die Funktion des Vertrages.  (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

14 O 5472/15 2018-07-02 Endurteil LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 02.07.2018, Aktenzeichen 14 O 5472/15, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München II und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 150.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Der Senat nimmt gemäß § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts.
Zum Sachvortrag im Berufungsrechtszug verweist der Senat ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und bezüglich der Berufungsanträge auf die Schriftsätze des Klägers vom 01.03.2019 (dort S. 2/9, Bl. 384/391 d.A.) sowie der Beklagten vom 23.03.2019 (Bl. 407 und 408 d.A.).
II. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 02.07.2018, Aktenzeichen 14 O 5472/15, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
III. Auf die Gründe des Beschlusses des Senats vom 12.03.2019 (Bl. 401/405 d.A.), den Klägervertretern zugestellt am 20.03.2019, wird Bezug genommen. Die Stellungnahme des Klägers vom 29.05.2019 (Bl. 419/429 d.A.) enthält keine Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.
1. a. Soweit der Kläger vorträgt, letztlich bestünde zwischen den Parteien Einigkeit über den Gerichtsstand (Art. 25 Abs. 1a EuGVVO) und über die gemeinsame Rechtswahl (Art. 3 Abs. 2 Rom I) in Bezug auf das Treuhandverhältnis (Schriftsatz des Klägers vom 29.05.2019 S. 9 vierter Absatz, Bl. 427 d.A.), so trifft das ganz offensichtlich nicht zu. Das Gegenteil ist der Fall (vgl. bereits Schriftsatz der Beklagten vom 30.04.2019, S. 4 Mitte, Bl. 417 d.A.): Der Kläger hat Klage vor dem Landgericht München II erhoben und von Beginn an vorgetragen, die örtliche Zuständigkeit ergebe sich aus § 13 ZPO und das deutsche Recht sei anzuwenden (vgl. Schriftsatz vom 11.03.2016, dort insb. unter Ziffern I und II, Bl. 29/30 d.A.). Durchgehend wurde vorgetragen, die Herausgabepflicht ergebe sich aus § 667 BGB als Rechtsfolge der Treuhandabrede (vgl. z.B. ganz pointiert Schriftsatz vom 09.08.2017 S. 2, Bl. 233 d.A.). Dementsprechend wurden die Ausführungen des Landgerichts München II zur internationalen Zuständigkeit und zur Anwendbarkeit deutschen Rechts (vgl. landgerichtliches Urteil vom 02.07.2018 S. 14 untere Hälfte, Bl. 361 d.A.) mit der Berufungsbegründung vom 01.03.2019 (dort insb. unter Ziffern I und III, Bl. 392/399 d.A.) nicht angegriffen. Eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung oder eine mündliche Gerichtsstandsvereinbarung mit schriftlicher Bestätigung gemäß Art. 25 Abs. 1 S. 3 Buchst. a EuGVVO ist weder behauptet noch ersichtlich. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich daher – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat (vgl. landgerichtliches Urteil vom 02.07.2018 S. 14, Bl. 361 d.A.) – aus Art. 4 Abs. 1 EuGVVO. Ebenso wenig haben die Parteien vereinbart, in Bezug auf das Treuhandverhältnis österreichisches Recht anzuwenden.
b. In der offensichtlich unzutreffenden Aussage des Klägers „Letztlich besteht zwischen den Parteien Einigkeit über die gemeinsame Rechtswahl“ liegt aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers auch kein Angebot auf Abschluss einer nachträglichen Rechtswahl nach Art. 27 Abs. 2 S. 1 EGBGB a.F. (inhaltsgleich mit Art. 3 Abs. 2 S. 1 Rom I). Das liegt bereits daran, dass aus der Sicht eines objektiven Empfängers in diesem Satz eine Beschreibung eines bestehenden Zustands und nicht das Angebot zum Abschluss einer diesen Zustand verändernden Vereinbarung zu sehen ist. Bestätigt wird dies dadurch, dass der Kläger seine diesbezüglichen Ausführungen damit einleitet, dass er sich vorsorglich gegen die Rechtsauffassung des Senats wendet, wonach mit dem Landgericht von der Anwendbarkeit deutschen Rechts ausgegangen wird.
Würde – wie nicht – ein Angebot des Klägers auf Abschluss einer nachträglichen Rechtswahl anzunehmen sein, hätte es die Beklagte jedenfalls ausdrücklich nicht angenommen (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 08.07.2019 unter C, Bl. 437/438 d.A., sowie in der Folge unter D bis G, Bl. 438/451 d.A., wo den Ausführungen ausschließlich deutsches Recht zugrunde gelegt wird).
Auch eine konkludente nachträgliche Rechtswahl liegt unter diesen Umständen nicht vor. Erst recht ist keine nachträgliche Gerichtsstandsvereinbarung gegeben.
c. Inhaltlich geht der Kläger zu Unrecht davon aus, dass der Senat sich auf Art. 28 Abs. 2 EGBGB a.F. gestützt hat. Vielmehr ergibt sich die Anwendbarkeit deutschen Rechts nach Auffassung des Senats (vgl. Beschluss des Senats vom 12.03.2019 unter Ziffer 1, Bl. 402 d.A.) bereits aus dem vorrangigen Art. 27 Abs. 1 EGBGB in der hier maßgeblichen, vom 01.09.1986 bis zum 30.09.1994 gültigen Fassung vom 25.07.1986 (im Folgenden: a.F., inhaltlich identisch mit der vom 01.10.1994 bis zum 16.12.2009 gültigen Fassung vom 21.09.1994, anwendbar gemäß Art. 28 Rom-I VO). Der hier streitgegenständliche Vertrag vom 06.11.1992 (Anlage K 2) betrifft zwar eine Wohnung in Österreich. Die Beklagte besaß zudem bereits zum damaligen Zeitpunkt neben der deutschen auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Trotzdem ergibt sich die Wahl deutschen Rechts aus den Bestimmungen des Vertrags und aus den Umständen des Falles (vgl. hierzu Palandt/Heldrich, BGB, 51. Aufl. 1992, Art. 27 EGBGB Rn. 5 ff; Palandt/Thorn, BGB, 68. Aufl. 2009, Art. 27 EGBGB Rn. 5 ff) mit hinreichender Sicherheit: Die Parteien, die ihren Wohnsitz in München hatten, haben den Vertrag in München geschlossen. Die Geldbeträge, die in dem Vertrag benannt sind, sind in deutscher Mark (DM) angegeben. Der Vertrag dient in erster Linie der Absicherung des Klägers, der „den Kaufpreis, die Nebenkosten, die Einrichtung, sowie die laufenden Kosten“ der Wohnung in Fügen bezahlt. Auch aus der Sicht der Beklagten – gedacht als objektive Empfängerin – ist kein Aspekt ersichtlich und werden auch in der Stellungnahme vom 29.05.2019 (dort unter Ziffer II, Bl. 425/427 d.A.) nicht aufgezeigt, nach dem der Kläger den Vertrag dem österreichischen Recht hätte unterstellen wollen. Art. 27 EGBGB a.F. ist dem Art. 28 EGBGB a.F. vorrangig (Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGBGB a.F.).
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus Art. 11 Abs. 4 EGBGB a.F.. Diese Vorschrift findet auf die streitgegenständliche Vereinbarung vom 06.11.1992 (und dort insbesondere auf die hier maßgebliche Passage auf S. 2 zweiter Absatz, vgl. Beschluss des Senats vom 12.03.2019 unter Ziffer 2 a aa, Bl. 402/403 d.A.) bereits keine Anwendung. Jedenfalls unterliegt die Vereinbarung vom 06.11.1992 – wie aufgezeigt – deutschem Recht, so dass sich unabhängig von der Frage, ob zusätzlich zwingende österreichische Formvorschriften verletzt worden sein sollten, die Anspruchsgrundlage für die streitgegenständlichen Ansprüche nicht aus dem Vertrag vom 06.11.1992 ergibt, da die diesbezügliche vertragliche Regelung (Vertrag S. 2 zweiter Absatz) gemäß § 313 BGB a.F. in Verbindung mit § 125 BGB a.F. nichtig ist.
2. Der Senat hält daran fest, dass im hier zu entscheidenden Einzelfall ein bloßer Durchgangserwerb der Beklagten mit Weitergabeverpflichtung an den Kläger nicht vorliegt. Vielmehr wurde ein lebenslanges Nutzungsrecht des Klägers begründet und vereinbart, dass die Beklagte den Kläger testamentarisch als alleinigen Erben dieser Wohnung einsetzt. Entgegen der Auffassung des Klägers sprechen auch die vereinbarten Sanktionen (Fälligkeit des Schuldscheins zur Rückzahlung) für den Fall, dass die Beklagte die Wohnung veräußert, selbst nutzt oder die Nutzung Dritter überlässt, gegen einen bloßen Durchgangserwerb mit Weitergabeverpflichtung. Vereinbart ist lediglich die Verpflichtung der Beklagten, die Wohnung nach Maßgabe der Wünsche des Klägers zu veräußern und bei der Eigentumsübertragung mitzuwirken. Im Kontext der von den Parteien getroffenen Gesamtregelung im hier zu entscheidenden Einzelfall erscheint diese Mitwirkungsverpflichtung bei der Veräußerung nicht als etwas, was ohnehin nach § 667 BGB herauszugeben wäre. Auch eine Geschäftsführung ohne Auftrag, wie der Kläger nunmehr meint (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 29.05.2019 unter I 12, Bl. 425 d.A.), liegt unter diesen Umständen nicht vor.
3. a. Im vorliegend zu entscheidenden Einzelfall führt die Berücksichtigung des Formmangels auch nicht zu einem untragbaren Ergebnis (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Aufl., § 125 Rn. 23/26): Die Parteien hatten zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Vertrags und des Erwerbs der Wohnung durch die Beklagte eine Beziehung und nutzten die Wohnung als Ferienwohnung. Die Wohnung konnte – was beiden Parteien bewusst war – zum damaligen Zeitpunkt nur von der Beklagten erworben werden, da diese auch österreichische Staatsangehörige war.
b. Auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 05.11.1982 kann sich der Kläger nicht berufen, da die dort gegebene Sachverhaltskonstellation hier nicht vorliegt: In der dort gegebenen Sachverhaltskonstellation hat der Beklagte im Auftrage und Interesse des Kaufmanns R (Auftraggeber) zu dem Zwecke gehandelt, das zur Versteigerung anstehende Grundstück zu erwerben, damit es der Familie des eingetragenen Eigentümers erhalten bleibe. Auf eine aus der Formnichtigkeit der Erwerbsverpflichtung des Auftraggebers R hergeleitete eventuelle Nichtigkeit der ganzen Vereinbarung könnte der Beklagte sich jedenfalls gegenüber dem Herausgabeverlangen des Klägers, eines eingetragenen Vereins, dem unter anderem der Kaufmann R angehört, nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht berufen, da der Formzwang für die Erwerbsverpflichtung des Auftraggebers nicht dem Schutz des Beauftragten, des Beklagten, diene (BGH Urteil vom 05.11.1982 – V ZR 228/80, NJW 1983, 566 unter II 4 insb. Rn. 27). Eine solche Konstellation liegt im hier zu entscheidenden Einzelfall nicht vor. Vielmehr dient der Formzwang hinsichtlich der Mitwirkungsverpflichtung bei der Veräußerung in erster Linie dem Schutz der Beklagten, der diese Mitwirkungsverpflichtung obliegt. Dies gilt umso mehr, als der Kläger behauptet, die streitgegenständlichen Mitwirkungsverpflichtung (Vertrag S. 2 zweiter Absatz, Anlage K 2) beinhalte auch die vom Kläger geforderte Veräußerung der Wohnung an sich selbst (Klageschrift vom 26.11.2015 unter II 5, Bl. 10/11 d.A.). Die vom Kläger zitierte Begründungspassage eines Urteils des Oberlandesgerichts Brandenburg (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 29.05.2019 unter I 8, Bl. 422/423 d.A.) betrifft eine anders gelagerte Sachverhaltskonstellation, nämlich die Frage, ob der zwischen der dortigen Beklagten und der Gemeinde E. abgeschlossene Grundstückskaufvertrag und der Vertrag über die Abgeltung der Bauleistungen im Rechtssinne eine Einheit bildeten (vgl. OLG Brandenburg Urteil vom 05.12.1995 – 6 U 23/95, NJW-RR 1996, 978 unter I 2 a (b)). Die unter Ziffern I 9 und I 10 des Schriftsatzes des Klägers (Bl. 423/424 d.A.) zitierte weitere Urteilsbegründung des Oberlandesgerichts Dresden (OLG Dresden Urteil vom 27.01.2017 – 5 U 645/16, NotBZ 2017, 391 unter II 1 b hier juris Rn. 42 (nicht 35)) betrifft die mit der Rückübertragungsverpflichtung des Auftragnehmers korrespondierende Erwerbsverpflichtung des Auftraggebers. Vorliegend geht es jedoch alleine um die Mitwirkungsverpflichtung der Beklagten bei der Veräußerung.
4. Der Rückübertragungsanspruch des Klägers folgt auch nicht aus § 313 Abs. 2 BGB. Die Parteien haben gerade nicht vereinbart, dass die Beklagte die streitgegenständliche Wohnung an den Kläger weiterübertragen müsste. Sie haben dies auch nicht zur Geschäftsgrundlage gemacht. Auf die Ausführungen oben unter Ziffer 1 und 2 sowie unter Ziffer 2 a dd des Beschlusses des Senats vom 12.03.2019 (Bl. 403/404 d.A.) wird Bezug genommen. Ob die Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB vorliegend in einem Rückübertragungsanspruch zu sehen wäre, wie der Kläger offensichtlich voraussetzt, braucht daher nicht zu entschieden werden.
5. Insgesamt hält der Senat deshalb nach nochmaliger Überprüfung an seiner im Beschluss vom 12.03.2019 dargelegten Auffassung fest.
IV. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zu und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Der Senat sieht sich in Übereinstimmung mit der hier und im Beschluss vom 12.03.2019 genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 708 Nr. 10 analog und 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

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