Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zwangsvollstreckung einer Verpflichtung zur Gestattung des Zutritts zu einem Gebäude

Aktenzeichen  M 9 K 16.2327

Datum:
8.3.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 106406
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 19 Abs. 1, Abs. 2, Art. 36 Abs. 6 S. 2
BayBO Art. 54 Abs. 2 S. 3

 

Leitsatz

1 Wird ein Eigentümer mit bestandskräftigem Bescheid unter Androhung eines Zwangsgeldes dazu verpflichtet, der Bauaufsichtsbehörde Zutritt zu einem Gebäude zu gestatten, so stellt die  Vermietung der Räume kein Vollstreckungshindernis dar, das ein fällig werden des Zwangsgeldes verhindern würde. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine (Duldungs-) Anordnung gegenüber einem Mieter ist bereits dann nicht (mehr) notwendig, wenn dieser sein Recht zum Besitz erst nach Erlass der Anordnung gegenüber dem Eigentümer erlangt hat. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Das mit Ziff. 1. des Bescheids vom 3. April 2014 angedrohte Zwangsgeld ist, wie aus der streitgegenständlichen Fälligkeitsmitteilung hervorgeht, fällig geworden (1.). Auch der Angriff auf den Bescheid vom 18. April 2016 bleibt erfolglos, da dieser rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (2.).
1. Der Nichteintritt der Fälligkeit des mit Ziff. 1. des Bescheids vom 3. April 2014 angedrohten Zwangsgeldes in Höhe von EUR 1.000 hätte vorausgesetzt, dass der Kläger zu 1. – unter Duldung der Klägerin zu 2. – dem Landratsamt binnen drei Wochen nach Bestandskraft dieses Bescheids Zutritt zu allen Räumen des streitgegenständlichen Objekts gewährt.
Dies ist nicht geschehen, weswegen das Zwangsgeld fällig wurde.
Zum klägerischen Vorbringen, „dass der eine Termin [sic!] nicht wahrgenommen wurde“ – gemeint ist wohl: der Ortstermin am 7. März 2017 -, sei einem Missverständnis geschuldet bzw. man habe gedacht, man müsse diesen noch bestätigen, wird auf Bl. 336ff., 341ff., 347 und 354 d. BA verwiesen. Dieser Vortrag ist als reine Schutzbehauptung zu werten. Beide Termine wurden vonseiten des Landratsamtes äußerst kulant und mit einigem Vorlauf angesetzt; die Behördenvertreter bemühten sich mehrmals, auch telefonisch, darum, einen passenden Termin zu finden und fassten auch mittels Erinnerungsmitteilungen mehrmals nach. Die Bekanntgabe an die Bevollmächtigte ist dabei nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG der von Gesetzes wegen vorrangige Kontakt Weg und unproblematisch möglich. Die Bevollmächtigte reagierte auch auf die Bekanntgabe des ersten Termins (geplant für den 19. Januar 2017) und wies darauf hin, dass sie nochmals mit den Klägern Rücksprache halten müsse (Bl. 341 d. BA). Aus einem Gesprächsvermerk, Bl. 354 d. BA, über ein am 7. März 2017 geführtes Telefonat zwischen einer Vertreterin des Landratsamtes und der Bevollmächtigten geht weiter hervor, dass Letztere sich dahingehend eingelassen habe, dass sie mit den Mandanten nicht vereinbart habe, dass sie selbst zum Termin komme, dass die Mandanten aber hätten kommen sollen, sie habe den Termin und auch das Fax des Landratsamtes an die Kläger weitergegeben.
Die in der Klagebegründung geäußerte und nicht weiter erläuterte Einwendung, das Objekt sei vermietet (gewesen), versteht das Gericht dahingehend, dass sich darauf berufen werden soll, dass das Zwangsgeld nicht fällig geworden sei, weil während des Laufs bzw. bis zum Ablauf der Erfüllungsfrist (a) ein Vollstreckungshindernis bestand bzw. eine Vollstreckungsvoraussetzung fehlte (b); der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich Folgendes ausgeführt: Eine erforderliche Duldungsanordnung ist keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Erlass einer Zwangsgeldandrohung, sondern eine Bedingung für das Entstehen und Fälligwerden der Geldforderung (BayVGH, B.v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – juris; B.v. 24.2.2005 – 1 ZB 04.276 – juris).
a) Die Erfüllungsfrist lief vorliegend bis einschließlich 7. März 2016.
Die Grundverpflichtung hätte zwar an sich binnen drei Wochen nach Bestandskraft des Grundbescheides und damit binnen drei Wochen nach Rechtskraft des Urteils der Kammer im Verfahren M 9 K 14.1887 erfüllt werden müssen. Laut Mitteilung der Landesanwaltschaft Bayern trat Rechtskraft mit dem 15. Dezember 2015 – Datum der Ausfertigung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Dezember 2015 – ein, weswegen die Erfüllungsfrist an sich am 5. Januar 2016 ablief. Das Landratsamt selbst aber schlug, wohl aus Kulanz und mit Rücksicht auf den Jahreswechsel, unter dem 29. Dezember 2015 erst den 19. Januar 2016 als Termin für die Begehung vor. Damit und mit der weiteren Terminierung auf den 7. März 2016 wurde die Erfüllungsfrist jeweils verlängert. Fälligkeit trat damit erst mit Ablauf des 7. März 2016 ein.
b) Die vorgebliche Vermietung der Räume – an wechselnde Firmen bzw. auswärtige Arbeiter – stellt aber kein Vollstreckungshindernis dar, das ein Fälligwerden des Zwangsgeldes verhindern würde.
Dies folgt bereits aus Art. 54 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 BayBO.
Bei weiter Auslegung dieser Vorschrift (BayVGH, B.v. 5.8.1996 – 14 AS 96.1624 – juris; B.v. 20.2.1998 – 2 B 93.2674 – juris zum inhaltsgleichen Art. 60 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BayBO 1998 und Simon/Busse, BayBO, Stand: 123. EL August 2016, Art. 76 Rn. 420) ist eine (Duldungs-) Anordnung gegenüber einem Mieter bereits dann nicht (mehr) notwendig, wenn dieser sein Recht zum Besitz erst nach Erlass der Anordnung gegenüber dem Eigentümer erlangt hat, was vorliegend zweifelsfrei – auch nach dem klägerischen Vortrag – gegeben ist, schließlich behaupten die Kläger selbst, dass die Räumlichkeiten wenigstens von Dezember 2015 bis April 2016 und damit weit nach 2014 und nach Erlass der Grundverfügung vom 3. April 2014 an wechselnde Firmen vermietet wurde. Aber auch nach der engeren Auslegung (z.B. bei Molodovsky u.a., BayBO, Stand: 33. Update 11/16, Art. 54 Rn. 85), wonach diese Vorschrift nur die Fälle abdecken soll, in denen neue Mieter in bereits den alten Mietern gegenüber erlassene (Duldungs-) Anordnungen eintreten, ist vorliegend ein Vollstreckungshindernis ausgeschlossen. Gegenüber dem ehemaligen (Dauer-) Mieter Hr. S.F. wurde am 3. Juli 2014 eine eigene Anordnung erlassen, die diesen dazu verpflichtete, den Vertretern des Landratsamtes Zutritt zu gewähren. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sogar noch konsequenter als dem unmittelbaren Besitzer und Inhaber der tatsächlichen Gewalt gegenüber nur eine reine Duldungsanordnung zu erlassen und rechtlich nicht zu beanstanden (zuletzt bspw. BayVGH, B.v. 20.1.2016 – 9 CS 15.1973 – juris). In diese Anordnung treten die nachfolgenden Mieter ein.
Im Hinblick darauf, dass die Kläger im Nachgang zur mündlichen Verhandlung Akteneinsicht in die Gerichtsakten zu den Vorgängen des Hr. S.F. beantragten, ist darauf hinzuweisen, dass sich die Tatsache einer gegenüber Hr. S.F. ergangenen Anordnung ohne Weiteres der im hiesigen Verfahren vorgelegten Behördenakte entnehmen lässt (Bescheid vom 3. Juli 2014 an Hr. S.F., Bl. 250ff. d. BA). Auch das Schicksal der von Hr. S.F. gegen die Anordnung eingelegten Rechtsbehelfe – Ablehnung des Eilantrags mit Beschluss vom 8. Juli 2014, Bl. 260ff. d. BA, und Nichtbetreiben des Hauptsacheverfahrens (gerichtliche Mitteilung vom 1. Dezember 2014 samt Informationsschreiben des Nachlassgerichts Schwabach, Bl. 320f. d. BA) – ergibt sich hieraus. Es wird darauf hingewiesen, dass das Hauptsacheverfahren statistisch erledigt wurde, weil Hr. S.F. verstorben ist, und dass von Amts wegen – mangels eines die Beerdigungskosten übersteigenden Nachlasses – keine Erben ermittelt wurden. Hr. S.F. war in den damaligen Verfahren nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten, § 246 ZPO i.V.m. § 173 VwGO greift damit nicht ein. Eine Aufnahme des kraft § 239 ZPO unterbrochenen Verfahrens ist ausgeschlossen, weil im Zweifel bereits kein klagebefugter Rechtsnachfolger vorhanden ist und ein solcher im Übrigen die Aufhebung eines Bescheids, der eine Anordnung für einen (längst) vergangenen Zeitpunkt traf, nicht mehr (weiter) betreiben könnte. Die Kläger können damit aus den Vorgängen um den Mieter S.F. keinen Nutzen mehr ziehen; die gegenwärtig etwaig vorhandenen Mieter treten in eine durch die – anfänglich ohnehin sofort vollziehbare – Anordnung gleichsam „belastete“ Besitzposition ein.
Unabhängig davon wäre eine Duldungsanordnung vorliegend auch nicht erforderlich. Es wurde bis dato nur vorgetragen, dass das Anwesen zeitweise an verschiedene Firmen vermietet (gewesen) sei. Diese quartieren dort nach Aktenlage wohl ihre ausländischen bzw. auswärtigen Arbeiter ein (vgl. z.B. Bl. 226 oder Bl. 352f. d. BA). Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass sich diese Mieter gegen den Vollzug der Betretensanordnung stellen würden. Die Kläger haben weder etwas dazu vorgetragen, dass sie überhaupt Rücksprache gehalten hätten noch dazu, dass sie dabei „auf Widerstand“ gestoßen wären. All dies spricht gegen die Erforderlichkeit einer Duldungsanordnung (vgl. BayVGH, U.v. 10.2.1978 – 4 C 25.75 – BayVBl. 1978, 341f.; B.v. 20.2.1998 – 2 B 93.2674 – juris). Duldungsanordnungen „auf Vorrat“ bzw. auf Verdacht sollen gerade nicht ausgesprochen werden (vgl. Simon/Busse, a.a.O., Art. 76 Rn. 414).
Schließlich wäre – würden die nachfolgenden Mieter nicht ohnehin in die bereits gegenüber Hr. S.F. erlassene Anordnung eintreten – eine neue (Duldungs-) Anordnung gegenüber jetzt etwaig vorhandenen Mieter unbeschadet obiger Argumente für das Fälligwerden eines Zwangsgeldes bestenfalls dann zu fordern, wenn die Tatsache der Vermietung gegenüber der Behörde substantiiert worden wäre. Dann hätte gegebenenfalls eine Duldungsanordnung an namentlich bekannte Nutzer erlassen werden können. Aber die Tatsache der Vermietung wurde trotz mehrfacher und nachdrücklicher Aufforderung nicht offengelegt. Der stets (ausschließlich) vorgebrachte (Dauer-) Mieter Hr. S.F. (vgl. bspw. Antrag auf Zulassung der Berufung vom 30. September 2014, Bl. 305 d. BA), dem gegenüber konsequenterweise eine entsprechende Anordnung erlassen wurde, war Ende 2014 verstorben, was dem Landratsamt bekannt war (Bl. 320 d. BA). Neue Mieter wurden vonseiten der Kläger nicht benannt. Das Landratsamt hatte sich seit 2012 durchgehend darum bemüht, etwaige Besitzverhältnisse und zivilrechtliche Berechtigungen aufzuklären und auch die Vorlage von Mietverträgen verlangt, was stets verweigert wurde (vgl. z.B. Bl. 223f. und Bl. 229f. d. BA und auch Bl. 323 d. BA – Ermittlungen i.R.d. Amtshilfe bei den Finanzbehörden -). Das Fehlen einer Duldungsanordnung aber kann von vorn herein nur bei Unterlassen von Ermittlungen oder bei nicht ausreichenden Ermittlungen seitens der Behörde geltend gemacht werden (Simon/Busse, a.a.O., Art. 76 Rn. 414, mit Bezug auf BayVGH, U.v. 10.2.1998 – 1 B 95.2338 – juris), was hier nach Obenstehendem definitiv auszuschließen ist.
In diesem Zusammenhang ist zum Vortrag der Bevollmächtigten (Schriftsatz vom 1. März 2017), das Landratsamt sei von ihr „informiert“ worden, darauf hinzuweisen, dass aus dem angesprochenen Fax – der Bevollmächtigten an das Landratsamt – (Bl. 341 d. BA) gerade nicht hervorgeht, dass der Ortstermin nicht bestätigt werden könne, weil das Objekt vermietet sei. Nachweise darüber, dass die Tatsache der Vermietung dem Beklagten – wie in der Klagebegründung vom 29. Juli 2016 behauptet – „im Vorfeld mitgeteilt“ worden sei, wurden auch auf die gerichtliche Aufforderung vom 9. Februar 2017 hin nicht vorgelegt.
Nach alledem ist die Fälligkeitsmitteilung des Beklagten rechtlich korrekt, da das Zwangsgeld zum 7. März 2016 fällig geworden ist.
2. Die neuerlichen Zwangsgeldandrohungen sind rechtmäßig.
Eine etwaige Rechtswidrigkeit der Grundverfügung ist nicht mehr streitgegenständlich bzw. entscheidend, maßgeblich sind nur Rechtsverletzungen durch die Androhung selbst. Solche sind nicht gegeben.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen während des Laufs der Erfüllungsfrist – und liegen bis heute – durchgehend vor, die Grundanordnung vom 3. April 2014 ist jedenfalls seit 15. Dezember 2016 bestandskräftig und damit vollstreckbar, Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG. Der Verpflichtung wurde weiter nicht innerhalb der Erfüllungsfrist nachgekommen, Art. 19 Abs. 2 VwZVG. Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen, Art. 29ff. VwZVG, insbesondere Art. 31 und Art. 36 VwZVG, waren und sind gegeben, es wurde ein bestimmtes Zwangsmittel angedroht und eine Zuordnung zu Haupt- und Duldungsverpflichtung vorgenommen. Auch Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG wurde beachtet: „Erfolglosigkeit“ der ersten Zwangsgeldandrohung meint nicht, dass die ersten Zwangsgelder zuvor beigetrieben werden müssten (vgl. nur VG München, U.v. 24.2.2016 – M 9 K 15.3083 – juris m.w.N.). Schließlich ist – mit Blick auf die vorgetragene angebliche Vermietung – darauf hinzuweisen, dass eine Duldungsanordnung von vorn herein keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Erlass einer Zwangsgeldandrohung ist (s.o., BayVGH, B.v. 24.2.2005 – 1 ZB 04.276 – juris).
Die Kostenentscheidung fußt auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.

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