Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zweckentfremdung von Wohnraum durch nicht nur untergeordnete gewerbliche Nutzung

Aktenzeichen  M 9 S 18.3233

Datum:
22.8.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19453
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZwEWG Art. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, Art. 5
ZeS § 3 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 14 Abs. 1
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1
VwGO § 67 Abs. 4 S. 4, S. 7, § 80 Abs. 5, § 113 Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 3 S. 2, § 154 Abs. 1
GKG § 52 Abs. 2
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

1. Die subjektive (Zweck-)Bestimmung trifft der/die Verfügungsberechtigte ausdrücklich oder durch nach außen erkennbares schlüssiges Verhalten. Die ausdrückliche Zweckbestimmung durch den Bauherrn liegt dabei zumeist im Antrag auf Baugenehmigung (Anschluss an BayVGH, Urt. v. 1.12.1997 – 24 B 95.3612 -, ZMR 1998, 314). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Durch einfachen Sinneswandel, der nicht durch einen nach außen erkennbaren und auf Dauer angelegten Umwidmungsakt umgesetzt wird, ändert sich die subjektive Zweckbestimmung nicht. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen einen zweckentfremdungsrechtlichen Grundbescheid.
Bescheidobjekt ist eine Einheit im T. 23, Vordergebäude, 6. OG, Nr. 47. Eine Tekturgenehmigung vom 17. Juli 1963 (vgl. den abgetrennten Aktenbestandteil zu Beginn der Behördenakte – i.F.: BA -) weist folgende Raumaufteilung und Nutzung aus: Zwei Kinderzimmer, zwei Schlafzimmer, ein Arbeitszimmer, ein Zimmer und eine Wohnhalle, zwei Bäder und eine Küche im 6. Obergeschoss. Die Einheit war damals demgemäß räumlich im 6. Obergeschoss weiter noch mit einer sich anschließenden 4-Zimmer-Einheit, vermittelt über eine gemeinsame Garderobe, verbunden. Weiter findet sich ein wohnungsinterner Aufgang in darüber liegende Räumlichkeiten, damals ausgestrichen und damit nur nachrichtlich bezeichnet mit Mädchen- und Fremdenzimmer (mittlerweile abgeteilt und ausgebildet als eigene separate Einheit im 7. Stock). Diese Tekturgenehmigung vom 17. Juli 1963 liegt auch dem Bescheid zugrunde, vgl. Ziff. 2 des Tenors i. V. m. dem anliegenden Grundriss.
Der Verwaltungsvorgang enthält überdies einen früheren Tekturplan (Nr. 38804/60), der unter dem 31. August 1960 genehmigt wurde und der noch folgende Raumaufteilung und Nutzung im 6. Stockwerk auswies: Ein Kinder- bzw. Schlafzimmer, ein Eltern- bzw. Schlafzimmer, ein großer, verbundener Raum, gekennzeichnet als Speise- und Wohnzimmer, eine Küche und ein Bad mit WC. Demgegenüber wurde in der Tektur vom 17. Juli 1963 der große Speise- bzw. Wohnbereich aufgeteilt und der streitgegenständlichen Einheit wurde ein weiteres Zimmer der sich anschließenden Einheit auf derselben Ebene zugeschlagen.
Die in der zur Grundlage des Bescheids gemachten und in der Tektur vom 17. Juli 1963 niedergelegten Verhältnisse finden sich in einer weiteren Bauzeichnung als Bestandteil einer Baugenehmigung vom 16. September 1983 (Bl. 79 ff. d. Gerichtsakts) zur nachträglichen Genehmigung des Dachausbaus, in einem Aufteilungsplan mit Stempel vom 26. November 1985 – durch den die Teilung der Einheiten herbeigeführt wurde (nunmehr: drei Einheiten, Nr. 47, 48 und 50) – und in einem unter dem 30. September 1988 gestempelten Tekturplan (beides im abgetrennten Aktenbestandteil zu Beginn der BA). Im zuletzt genannten Tekturplan wurden die genannten Nutzungen in der Einheit Nr. 47 mittels Bleistift ausgestrichen und jeweils durch „Büro“ ersetzt, wobei weder der Urheber noch das Änderungsdatum ersichtlich sind.
Die Antragstellerin hat die Einheit seit 1. Januar 2000 zum Betrieb eines Büros bzw. einer Praxis angemietet (vgl. Mietvertrag vom 15. bzw. 17. Dezember 1999, Bl. 39 ff. d. BA). Die gewerbliche Nutzung wird unstreitig seitdem ausgeübt, wie u. a. eine Ortsermittlung der Antragsgegnerin am 29. April 2015 ergeben hat (vgl. den Ermittlungsbericht und die Fotos auf Bl. 16 ff. d. BA). Vermieterin ist Fr. L. M., die das Objekt 1990 erwarb (Bl. 48 und 230 ff. d. BA). Die Kaufvertragsurkunde weist als Grundbesitz aus: „47,000/1000 Miteigentumsanteil am Grundstück […] verbunden mit dem Sondereigentum an Wohnung lt. Aufteilungsplan Nr. 47“ (Bl. 110 d. BA). Entsprechendes weist auch das Grundbuch aus (Bl. 243 d. BA).
Zuvor stand die Einheit u. a. im Eigentum der Familie St. (zur Chronologie Bl. 79 und 239 d. BA), die das Anwesen erbaut hatte. Laut Angaben des bevollmächtigten Verwalters – Hr. Schr. – der jetzigen Vermieterin, Fr. L. M., sei bei Erwerb des Objekts vonseiten des Verkäufers versichert worden, dass die streitgegenständlichen Räume im 6. OG seit Erbauung des Gebäudes noch nie wohnwirtschaftlich genutzt worden seien (vgl. die Sachverhaltsdarstellung vom 8. Dezember 2015, Bl. 71 d. BA). Hr. Schr. legte weiter u. a. ein Schreiben des ehemaligen Eigentümers, Hr. Oscar St., an Fr. L. M. vom 15. März 1991 vor (Bl. 75 f. d. BA), wonach „die Flächen T. 23, 6. Stock links, heute als Eigentumswohnung Nr. 47 bezeichnet, […] gewerblich genutzt [wurden]. Von 1960 bis 1984 waren dort zwei Büros mit Mitarbeitern und ein Besprechungsraum ins* …liert.“ Weiter übergab er einen Mietvertrag aus dem 1988, wonach wohl – das Stockwerk wird nicht bezeichnet – die streitgegenständliche Einheit als Büro vermietet wurde (Bl. 126 ff. d. BA).
Im Verwaltungsvorgang finden sich weiter Auszüge aus dem Einwohnermelderegister, wonach wenigstens drei Familienmitglieder der Familie St. von 1961 bis 1984 in der Einheit mit Hauptwohnsitz gemeldet waren (Bl. 93, 94 und 97 d. BA). Zudem enthält er die Dokumentation eines im Jahr 1986 angestrengten Zweckentfremdungsverfahrens, wonach Ortsermittlungen den Leerstand u. a. der streitgegenständlichen Einheit Nr. 47 ergeben hätten; explizit wurde die Einheit dabei stets als Wohnung bzw. Wohnraum bezeichnet und geführt (Bl. 81 ff. d. BA).
Die Antragsgegnerin hörte die Antragstellerin unter dem 8. Dezember 2017 (Bl. 214 f. d. BA) zum beabsichtigen Erlass des streitgegenständlichen Bescheids nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG an.
Auch die Vermieterseite wurde zum Erlass eines – hier nicht streitgegenständlichen – Grundbescheids angehört (Bl. 177 f. d. BA). Im Rahmen dessen berief sie sich u. a. auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 12.10.2014 – 24 ZB 04.941 – juris), wonach in einer Baugenehmigung dargestellte, aber nicht konkret umgesetzte Nutzungen unbeachtlich seien. Die Einheit sei zum Stichtag 1. Januar 1972 nicht als Wohnung genutzt worden.
Mit streitgegenständlichem (Grund-) Bescheid vom 24. Mai 2018 (Gz. S-III-W/BS 114-1-19), der Bevollmächtigten gegen Postzustellungsurkunde am 30. Mai 2018 zugestellt (Bl. 270 f. d. BA), gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin auf, die Nutzung der im beiliegenden Grundrissplan dargestellten Einheit zu anderen als Wohnzwecken unverzüglich zu beenden (Ziff. 1 und 2). Der Bescheid enthält weiter eine Zwangsgeldandrohung für den Fall der Nichterfüllung von Ziff. 1 binnen vier Monaten ab Zustellung des Bescheids in Höhe von 10.000,- EUR (Ziff. 3). Zur Begründung führt der Bescheid aus: Die genannten Räumlichkeiten seien laut den vorliegenden Bau- bzw. Aufteilungsplänen als Wohnraum ausgewiesen. Eine bau- oder zweckentfremdungsrechtliche Nutzungsänderung sei zu keinem Zeitpunkt beantragt oder genehmigt worden. Die Einheit sei ab dem 1. Februar 1988 erstmals als Büro vermietet worden und werde seit 1. Januar 2000 von der Antragstellerin genutzt. Nach ihren Ermittlungen gehe die Antragsgegnerin davon aus, dass die Räumlichkeiten in ihrer ursprünglichen Form von Beginn an auch von der Eigentümerfamilie St. zu Wohnzwecken genutzt wurden; dies ergebe sich aus der dortigen Meldung der Familienmitglieder mit Hauptwohnsitz. Das Schreiben vom 15. März 1991 belege nur eine untergeordnete Nutzung zu beruflichen Zwecken in der damals bestehenden 11-Zimmer-Wohnung. Eine solche Mitbenutzung sei zweckentfremdungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sei bekannt und werde auch angewandt. Sie sei aber hier nicht einschlägig, da keine Umwidmung bis zur Bezugsfertigkeit der Räume vorgelegen habe. Die ungenehmigte Zweckentfremdung des genannten Wohnraums stelle einen Verstoß gegen Art. 2 und 3 ZwEWG i. V. m. §§ 4 und 5 ZeS dar. Rechtsgrundlage zum Erlass der Anordnung bilde Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 LStVG i. V. m. Art. 5 ZwEWG und § 14 Abs. 1 ZeS. Im Übrigen wird auf die Bescheidbegründung Bezug genommen, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO.
Die Bevollmächtigte der Antragstellerin hat gegen diesen Bescheid mit Schriftsatz vom 2. Juli 2018, bei Gericht eingegangen am selben Tag, Klage erhoben. Vorliegend beantragt sie,
*die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
Unter Verweis auch auf Vortrag im Parallelverfahren der Vermieterin wird ausgeführt: Die Einheit habe jedenfalls in den für die Anwendbarkeit des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum maßgeblichen Zeiträumen keinen Wohnraum dargestellt. Bereits der Voreigentümer habe die Räumlichkeiten von 1960 bis 1984 ausschließlich gewerblich genutzt, was das Schreiben vom 15. März 1991 bestätige und was nach dem Tekturplan plausibel sei (Anm.: beigegeben war ein selbst blau, gelb und grün markierter Grundriss). Die Mitarbeiterräume hätten sich wohl in den beiden als Kinder- bzw. Elternschlafzimmer bezeichneten Räumen befunden, das Besprechungszimmer werde das Speise-/Wohnzimmer gewesen sein. Die im Bescheid angesprochenen Baugenehmigungen seien nachweislich nie umgesetzt worden. Auch habe sich der Rechtsvorgänger im Rahmen der Aufteilung des Anwesens nach WEG durch einen Nachtrag zur Gemeinschaftsordnung im Jahr 1986 ausdrücklich vorbehalten, die Einheit 47 weiterhin gewerblich zu nutzen. Diese habe zwischen 1984 und 1988 leer gestanden und sei dann wieder gewerblich vermietet worden. Die Meldung der Familienmitglieder St. beweise nichts, seien im 6. Stock doch seit jeher zwei weitere, in sich abgeschlossene Wohnungen vorhanden gewesen. Das ergebe sich auch aus den Ermittlungen der Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Genehmigungsplan aus 1963 sei maßgeblich und auch tatsächlich umgesetzt worden. Dies ergebe, neben dem bisherigen Vortrag, auch der Bauantrag des Rechtsvorgängers der jetzigen Eigentümerin auf nachträgliche Genehmigung des Dachausbaus vom 5. September 1983 (Baugenehmigung vom 16. September 1983). Im Zuge dessen habe die Genehmigungsbehörde festgestellt, dass der Dachausbau bereits seit 1967 bestehe und die dort befindliche Maisonette-Wohnung eine Gesamtwohnfläche von 312 m² umfasse. Bereits diese Antragsfassung – auf nachträgliche Genehmigung – mache keinen Sinn, sollte eine tatsächliche Umsetzung nie stattgefunden haben. Ein unter dem 26. September 1983 genehmigter Aufteilungsplan sehe im Übrigen vor, dass sich die streitgegenständliche Einheit 47 nicht nur über zwei Stockwerke, sondern auch über größere Flächen im 6. Obergeschoss erstreckt habe, was auch die Aussagen im Ermittlungsbericht vom 4. Oktober 1984 erkläre. Im Übrigen wird auf den Vortrag Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie die beigezogenen Behördenakten.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zulasten der Antragstellerin aus, da die Anfechtungsklage in der Hauptsache M 9 K 18. 3231 nach summarischer Prüfung erfolglos bleiben wird, § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechend. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der formell rechtmäßige – die Antragstellerin wurde insbesondere ordnungsgemäß angehört, Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG – Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die gewerbliche Nutzung der Einheit stellt eine Zweckentfremdung von Wohnraum dar, Art. 1 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG) vom 10. Dezember 2007 (GVBl. S. 864, BayRS 2330-11-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juni 2017 (GVBl. S. 182) i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum i. d. F. d. Bek. vom 11. Dezember 2017, MüABl. S. 494 (ZeS). Das Gericht nimmt zur Begründung auf die Gründe des angefochtenen Bescheids Bezug, denen es folgt.
Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
1. Dass die Hauptverfügung, Ziff. 1 des Bescheids – näher konkretisiert durch Ziff. 2 des Bescheids -, unter Verwendung eines veralteten Textbausteins noch auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 LStVG i.V.m. Art. 2, 3 ZwEWG gestützt wurde, ist auch angesichts der neu geschaffenen rein zweckentfremdungsrechtlichen Rechtsgrundlage in Art. 3 Abs. 2 ZwEWG unschädlich (vgl. auch die Gesetzesbegründung, LT-Drs. 17/15781, S. 6f.), da die Ermächtigungsgrundlage ausgewechselt werden kann, wenn sich damit die rechtlichen Voraussetzungen nicht ändern (vgl. VG München, B.v. 19.7.2018 – M 9 S 17.4322 – juris; U.v. 17.1.2018 – M 9 K 17.4360 – juris m. w. N.). Dies ist hier der Fall, da beide Regelungen der Behörde u. a. Ermessen eröffnen. Selbiges gilt auch hinsichtlich der Neufassung der Zweckentfremdungssatzung der Antragsgegnerin. Bei nicht weiter differenzierter Anfechtung eines Dauerverwaltungsakts – wie vorliegend der Nutzungsuntersagung – ist im Fall einer Änderung der Sach- und Rechtslage auf die jeweils gültigen Verhältnisse im entsprechenden Zeitabschnitt bzw. Zeitpunkt abzustellen (vgl. BVerwG, B.v. 5.1.2012 – 8 B 62/11 – juris). Dass es sich um ein reines Versehen im Rahmen der Bescheidbegründung handelt, zeigt der Hinweis unterhalb des Tenors, der auf die Neuregelung des Art. 3 Abs. 3 VwZVG Bezug nimmt, weiter auch der Umstand, dass der Sofortvollzug nicht, wie nach früherer Rechtslage notwendig, separat angeordnet wurde. Dementsprechend richtet sich der Eilantrag richtigerweise gesamt auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung.
2. Die Einheit wurde – was Tatbestandsvoraussetzung von Art. 1 Satz 2 Nr. 1 ZwEWG i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZeS ist – zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses und wird auch gegenwärtig noch überwiegend bzw. vollständig gewerblich genutzt, was durch die Ermittlungen der Antragsgegnerin belegt und im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Die Einheit stellt aber Wohnraum im Sinne von Art. 1 Satz 1 ZwEWG, § 3 Abs. 1, Abs. 2 ZeS dar (a). Der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 3 Nr. 2 ZeS greift nicht ein (b).
a) Bei der streitgegenständlichen Einheit handelt(e) es sich seit Fertigstellung um Wohnraum im Sinne von Art. 1 Satz 1 ZwEWG, § 3 Abs. 1, Abs. 2 ZeS, der nach Aktenlage durch die Vermietung ab 1988 erstmals und perpetuiert durch die Vermietung an die Antragstellerin (seit 2000) zweckfremd genutzt wurde.
Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 1, Abs. 2 ZeS, wonach Wohnraum sämtliche Räume sind, die zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt sind. Objektiv geeignet sind Räume dann, wenn sie die Führung eines selbstständigen Haushalts ermöglichen; die subjektive Bestimmung (erstmalige Widmung oder spätere Umwidmung) trifft der/die Verfügungsberechtigte ausdrücklich oder durch nach außen erkennbares schlüssiges Verhalten.
Der objektiven Eignung steht nicht zuletzt nach der Fotodokumentation auf Bl. 16 ff. d. BA nichts entgegen.
Die subjektive (Zweck-) Bestimmung trifft der/die Verfügungsberechtigte ausdrücklich oder durch nach außen erkennbares schlüssiges Verhalten. Die ausdrückliche Zweckbestimmung durch den Bauherrn liegt dabei zumeist im Antrag auf Baugenehmigung (vgl. BayVGH, U.v. 1.12.1997 – 24 B 95.3612 – juris; VG München, B.v. 19.7.2018 – M 9 S 17.4322 – juris; U.v. 29. März 2017 – M 9 K 15.3795 – juris; VG Berlin, B.v. 2.8.2017 – 6 L 510.17 – juris). Durch einfachen Sinneswandel, der nicht durch einen nach außen erkennbaren und auf Dauer angelegten Umwidmungsakt umgesetzt wird, ändert sich die subjektive Zweckbestimmung nicht; als derartige Umsetzungs- bzw. Umwidmungsakte kommen beispielsweise die Einreichung eines baurechtlichen Änderungsantrags (Tektur) oder aber auch tiefgreifende Umbaumaßnahmen in Betracht, die eine Wohnnutzung nicht mehr zulassen.
*Ein entsprechendes Verhalten haben weder die Antragstellerin noch ihre Vermieterin oder deren Rechtsvorgänger vorliegend an den Tag gelegt.
Tiefgreifende Umbaumaßnahmen, die eine Wohnnutzung nicht mehr zuließen, wurden weder behauptet noch sind sie aus dem Verwaltungsvorgang ersichtlich.
Das (Bau-) Antragsverhalten und die Genehmigungslage sind ebenso eindeutig: Ausgehend von der Tektur aus 1963, die als Nutzung (Dauer-) Wohnen ausweist, wurden die Räumlichkeiten auch auf dem Aufteilungsplan vom 26. November 1985 und auf dem unter dem 30. September 1988 gestempelten Tekturplan als Wohnraum dargestellt. Die Bleistifteintragungen im letztgenannten Tekturplan sind unbeachtlich, relevant wären nur im Wege der Rotrevision erfolgte Änderungen. Unabhängig davon ist dies für den Stichtag (1. Januar 1972), siehe dazu noch unten, ohnehin unerheblich. Auch der zwischenzeitlich – im Jahr 1983 – eingereichte Bauantrag auf nachträgliche Genehmigung des Dachausbaus stellt Einheit 47 unmissverständlich als Maisonette dar und weist eine Wohnfläche von > 312 m² aus (vgl. die Bauzeichnung als Bestandteil der Baugenehmigung vom 16. September 1983, Bl. 79 ff. d. Gerichtsakts). Bau- oder zweckentfremdungsrechtliche Anträge auf Nutzungsänderung in Gewerbe wurden weder vor noch nach 1972 gestellt.
b) Der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 3 Nr. 2 ZeS greift nicht ein.
Demnach liegt Wohnraum nicht vor, wenn der Raum bereits seit vor dem Inkrafttreten des Verbots am 1. Januar 1972 und seitdem ohne Unterbrechung anderen als Wohnzwecken diente.
Nach Aktenlage und allen vorgelegten Unterlagen nutzte die Familie St. die (spätere) Einheit 47 bestenfalls untergeordnet auch als Büro, im Übrigen als Wohnraum. Mehr belegen die Aussagen des Hr. Oscar St. im Schreiben vom 15. März 1991 nicht – deren Wahrheitsgehalt im Übrigen nicht überprüfbar ist und denen die eindeutige Bauantrags- und Genehmigungslage entgegensteht. Es ist die Rede davon, dass die später abgeteilte streitgegenständliche Einheit Nr. 47 von 1960 bis 1984 zwei Büros mit Mitarbeitern und einen Besprechungsraum beherbergt habe. Selbst dann, wenn man nur von einer 7-Zimmer-Einheit ausgehen wollte (dazu noch sogleich), stellte dies eine untergeordnete gewerbliche Nutzung dar; dies bereits deshalb, da sich dem Dokument zur Verteilung der Nutzungsweisen, auch quadratmetermäßig, nichts entnehmen lässt.
Die Behauptungen der Bevollmächtigten zur Verteilung der Nutzungen sind reine Mutmaßungen. Dies zeigt sich bereits daran, dass die blau, gelb und grün markierte, vermutete Verteilung separater Wohneinheiten im als Anlage AST 1 (Bl. 41 d. Gerichtsakts) vorgelegten Plan nicht mit der im Jahr 1985 vorgenommenen förmlichen Aufteilung übereinstimmt, die nach Begehung der Antragsgegnerin im Jahr 2015 tatsächlich zur Ausführung gelangt ist (vgl. Bl. 36 d. BA). Dies rührt daher, dass die Markierungen im Tekturplan 38804/60 aus dem Jahr 1960 und nicht in dem Ziff. 2 des Tenors zugrunde gelegten Tekturplan aus dem Jahr 1963 vorgenommen wurden. Die Ausführung der Räumlichkeiten hatte sich nach 1960 in der Folge aber geändert, Räume wurden abgeteilt, zugeschlagen usw. Insofern führt auch der Verweis auf die Ermittlungen der Antragsgegnerin aus dem Jahr 1984 (vgl. Bl. 82 d. BA) nicht weiter. Die Bezeichnungen dort (Wohnung links, St., Wohnung Mitte, Fr. K., und Wohnung rechts, G.) stimmen vielmehr mit dem Tektur- und dem späteren Aufteilungsplan aus 1963 bzw. 1985 überein (Wohnung links ist demnach Einheit 47, Wohnung Mitte Einheit 50 und Wohnung rechts Einheit 48 – jeweils vom Treppenhaus aus gesehen); im Übrigen haben sie, unabhängig von einer etwaig bereits bestehenden faktischen Aufteilung, nur ergeben, dass die Räumlichkeiten im 6. Obergeschoss insgesamt zu Dauerwohnzwecken genutzt wurden, wie die explizite Aufführung als „Wohnungen“ bzw. „Wohnraum“ ergibt.
Nach den im Rahmen der Antragserwiderung weiter vorgelegten Unterlagen bestand der 1983 zur nachträglichen Genehmigung gestellte Dachausbau in dieser Form – mit einer Gesamtwohnfläche von > 312 m² – seit 1967. Der Tekturplan aus 1963 kam also zur Ausführung. Die (hohe) Gesamtwohnfläche ergibt sich hier aus dem Umstand, dass bis 1983 noch eine Aufteilung derges* …t erfolgen sollte, dass sich die Einheit 47 nicht nur über zwei Stockwerke, sondern auch intern innerhalb des 6. Obergeschosses über eine größere Fläche erstrecken sollte (vgl. Anlage ASG 2 auf Bl. 88 ff. d. Gerichtsakts).
Es ist nach alledem zum Stichtag an sich mindestens von einer 9- bzw. von einer 11-Zimmer- oder einer noch größeren Wohn-Einheit auszugehen – was die Annahme einer bestenfalls untergeordneten gewerblichen Nutzung weiter verfestigt.
Unabhängig davon würde – worauf der Vertreter der Antragsgegnerin zu Recht hinweist -, wollte man von einer ungeklärten Tatsachengrundlage ausgehen, Folgendes gelten: Eine nicht nur untergeordnete gewerbliche Nutzung bereits vor dem Stichtag 1. Januar 1972 wurde jedenfalls gesichert nicht belegt. Die Darlegungs- und Beweislast träfe, wäre die Tatsache tatsächlich unerweislich, die Antragstellerin, da sie das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen eines ihr günstigen Ausnahmetatbestands zu belegen hat.
Nach alledem ändert auch der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Oktober 2004, Az. 24 ZB 04.941, nichts, da gerade keine Umwidmung vor Bezugsfertigkeit erfolgte bzw. belegt wurde. Auch der privatrechtliche Nachtrag zur Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 1986 ist unerheblich.
3. Ein Tatbestand für eine Ausnahmegenehmigung ist nicht ersichtlich.
4. Der Bescheid wurde zu Recht an die Antragstellerin als Handlungsstörerin gerichtet, Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG.
5. Die Zwangsgeldandrohung bleibt ohne Beanstandung.
Die Kostenentscheidung fußt auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Mietrecht: Was tun bei Heizungsausfällen?

Gerade in den kälteren Monaten ist eine funktionierende Heizung für die Wohnqualität von Mietern unerlässlich. Ein plötzlicher Heizungsausfall kann nicht nur unangenehm sein, sondern auch rechtliche Fragen aufwerfen. Hier sind einige wichtige Informationen, was Mieter beachten sollen.
Mehr lesen