Patent- und Markenrecht

Designbeschwerdeverfahren – Nichtigkeitsverfahren – zur Festsetzung des Gegenstandswerts bei Designs, die entweder unbenutzt sind oder bei denen sich zu Art und Umfang einer Benutzung keine Feststellungen treffen lassen

Aktenzeichen  30 W (pat) 801/16

Datum:
7.12.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 34 Buchst a Abs 5 S 2 GeschmMG 2004
§ 23 Abs 3 S 2 RVG
§ 33 Abs 1 RVG
§ 23 Abs 2 S 1 RVG
Spruchkörper:
30. Senat

Tenor

In der Rechtssache T-811/17
In der Designnichtigkeitssache
betreffend das Design …
(hier: Nichtigkeitsverfahren N 23/15 Festsetzung des Gegenstandswerts)
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 7. Dezember 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100.000,– € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsgegner war Inhaber des eingetragenen Designs …, das einen … betrifft.
Gegen dieses eingetragene Design hat die Antragstellerin mit am 5. Juni 2015 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingegangenem Schriftsatz Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit nach § 34a DesignG gestellt.
Mit Beschluss vom 19. Oktober 2015 hat die Designabteilung 3.5 des DPMA festgestellt, dass das eingetragene Design … nichtig ist, weil der Designinhaber und Antragsgegner dem ihm mit am 14. Juli 2015 zur Post aufgegebenen Übergabeeinschreiben zugestellten Nichtigkeitsantrag nicht innerhalb eines Monats widersprochen habe (§ 34 a Abs. 2 Satz 1 DesignG).
Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat der Senat mit Beschluss vom 8. September 2016 zurückgewiesen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Antragsgegner auferlegt.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2016 die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren beantragt.
Der Antragsgegner hat sich zu dem Antrag nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der Gegenstandswert ist nach freiem Ermessen zu bestimmen (§ 34a Abs. 5 Satz 2 DesignG i. V. m. §§ 23 Abs. 3 Satz 2, 33 Abs. 1 RVG).
Maßstab ist dabei im Hinblick auf den Popularcharakter des Nichtigkeitsantrages wie in Patentnichtigkeitsverfahren und Markenlöschungsverfahren grundsätzlich das Interesse der Allgemeinheit an der Nichtigkeitsfeststellung bzw. der Löschung, welches in der Regel dem gemeinen Wert des angegriffenen Designs entspricht (vgl. für die Nichtigkeitswiderklage BGH GRUR 1957, 79, 80; Eichmann/ v. Falckenstein/Kühne, DesignG 5. Aufl. 2014, § 54 Rdnr. 7). Für Designnichtigkeitsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt bzw. – im Beschwerdeverfahren – dem Bundespatentgericht nach dem Designgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2014 haben sich bislang noch keine Regelwerte herausgebildet.
In markenrechtlichen Löschungsverfahren wegen absoluter Schutzhindernisse nach §§ 50, 54 MarkenG – deren Gegenstandswert ebenfalls gemäß § 33 Abs. 1, § 23 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 RVG nach freiem Ermessen zu bestimmen ist – wird bei unbenutzten Marken bzw. Marken, zu deren Benutzung sich keine hinreichend zuverlässigen Feststellungen treffen lassen, ein Regelgegenstandswert von 50.000,- € als angemessen erachtet (vgl. BPatG 30 W (pat) 1/14 – Titanshield; 27 W (pat) 15/11 – KHR Trainer; 28 W (pat) 48/11 – kiel; 29 W (pat) 39/09 – Andernacher Geysir; 29 W (pat) 15/10 – Wasserkraft).
Im vorliegenden Fall lassen sich ebenfalls keine hinreichend sicheren Feststellungen zu Art und Umfang einer Benutzung des gelöschten Designs treffen.
Zu beachten ist jedoch, dass das von einem eingetragenen Design ausgehende Behinderungspotential gegenüber einer eingetragenen Marke grundsätzlich höher zu bewerten ist. Denn während Marken Waren und Dienstleistungen ihrer Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen nach kennzeichnen, betrifft das eingetragene Design die Gestaltung eines Produkts bzw. einer Ware hinsichtlich seines optischen Erscheinungsbildes und seiner Benutzbarkeit und damit das Produkt/die Ware als solches und nicht nur dessen (betriebliche) Herkunftskennzeichnung. Der Gegenstandswert eines designrechtlichen Nichtigkeitsverfahrens nach § 34a DesignG ist dann aber deutlich höher zu bewerten als derjenige eines markenrechtlichen Löschungsverfahren nach §§ 50, 54 MarkenG.
Der Senat hält insoweit im designrechtlichen Nichtigkeitsverfahren nach § 34 a DesignG bei Designs, die entweder unbenutzt sind oder bei denen sich zu Art und Umfang einer Benutzung keine Feststellungen treffen lassen, unter Abwägung aller Gesichtspunkte eine Verdoppelung des im markenrechtlichen Löschungsverfahren bei unbenutzten Marken allgemein angenommenen Gegenstandswerts von 50.000,- € und damit einen (Regel-)Gegenstandswert von
100.000,- €
für angemessen, aber auch ausreichend.
Dies gilt auch bei einer – hier verfahrensgegenständlichen – Beschwerde gegen eine mangels rechtzeitigen Widerspruchs durch Beschluss der Designabteilung festgestellten Nichtigkeit nach § 34 a Abs. 2 Satz 2 DesignG. Wenngleich der Prüfungsumfang der Beschwerde insoweit auf die formelle Überprüfung eines rechtzeitig erhobenen Widerspruchs nach § 34 a DesignG beschränkt ist und eine Prüfung der vom Antragsteller geltend gemachten Nichtigkeitsgründe in einem solchen Beschwerdeverfahren nicht stattfindet – was selbst im Falle einer Aufhebung der angeordneten Löschung mangels Widerspruchs gelten würde, da in diesem Falle eine Zurückverweisung an die Designabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts zur Durchführung des patentamtlichen Designnichtigkeitsverfahrens zu erfolgen hätte -, so ist Verfahrensgegenstand dennoch der Bestand des mit dem Nichtigkeitsantrag angegriffenen Designs, so dass auch in diesem Fall eine sich am gemeinen Wert des Designs orientierende Gegenstandswertfestsetzung geboten ist.
Dr. Hacker
Merzbach
Dr. Meiser

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