Patent- und Markenrecht

Gebrauchsmusterbeschwerdeverfahren – “Zangengriffsystem” – die Gebrauchsmusterstelle hat darauf hinzuwirken, dass der Anmelder mindestens einen Schutzanspruch formuliert, der sich nicht lediglich in der Umschreibung der zu lösenden technischen Aufgabe erschöpft – die Prüfung, ob die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann, ist einem Löschungsverfahren vorbehalten

Aktenzeichen  35 W (pat) 18/18

Datum:
13.3.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:130319B35Wpat18.18.0
Normen:
§ 4 Abs 4 GebrMG
§ 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG
§ 34 Abs 4 PatG
§ 5 Abs 4 GebrMV
Spruchkörper:
35. Senat

Leitsatz

Zangengriffsystem
Die Gebrauchsmusterstelle hat gemäß § 4 Abs. 4 GebrMG i. V. m. § 5 Abs. 4 GebrMV darauf hinzuwirken, dass der Anmelder mindestens einen Schutzanspruch formuliert, der sich nicht lediglich in der Umschreibung der mit der Erfindung zu lösenden technischen Aufgabe erschöpft. Dagegen ist die Prüfung, ob die Erfindung in der Anmeldung so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann, einem Löschungsverfahren vorbehalten (im Anschluss an BGH GRUR 1999, 920 ff.- Flächenschleifmaschine).

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend die Gebrauchsmusteranmeldung 20 2018 000 533.9
(hier: Zurückweisung der Anmeldung)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 13. März 2019 durch den Vorsitzenden Richter Metternich sowie die Richter Eisenrauch und Dipl.-Ing. Univ. Gruber
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. September 2018 aufgehoben und die Sache wird an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.
1
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Anmelderin) hatte am 2. Februar 2018 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) Unterlagen für eine Gebrauchsmusteranmeldung mit der Bezeichnung “Zangengriffsystem zum Wechseln der Aufsätze ohne Druckknopfbetätigung” eingereicht. Diese Unterlagen, die nicht unterschrieben worden waren und keine Schutzansprüche enthielten, haben das Aktenzeichen 20 2018 000 533 erhalten. Mit Eingabe vom 18. April 2018, die von H…, einem der beiden Inhaber der Anmelderin, unterzeichnet worden war, hat die Anmelderin überarbeitete Unterlagen vorgelegt, in denen ein weiteres Zeichnungsblatt sowie der folgende Schutzanspruch ergänzt worden waren:
2
“Auswechselbares System, dadurch gekennzeichnet, dass der Aufsatz gewechselt werden kann ohne jegliche mechanische Betätigung von Druckknöpfen oder sonstigen mechanischen Teilen.”
3
Die Gebrauchsmusterstelle des DPMA hat die Anmeldung mit Bescheid vom 7. Mai 2018 – u. a. wie folgt – beanstandet:
4
“Sehr geehrte Damen und Herren,
5
die eingereichten Schutzansprüche sind noch nicht zur Eintragung geeignet.
6

7
Schutzfähig ist allein die technisch-konstruktive oder schaltungstechnische Ausgestaltung einer Erfindung. Diese ist in den Ansprüchen genau anzugeben. Die Ansprüche müssen die körperliche Formgestaltung erkennen lassen; dies bedeutet, dass die mechanisch-konstruktive Gestaltung der Neuerung eindeutig angegeben werden muss.”
8
Nachdem die Frist, die der Anmelderin zur Änderung ihres Schutzanspruchs und unter Androhung der Zurückweisung gesetzt worden war, fruchtlos abgelaufen war, hat die Gebrauchsmusterstelle des DPMA die Anmeldung mit Beschluss vom 11. September 2018, der einen Bezug auf den vorstehend genannten Bescheid enthielt, zurückgewiesen.
9
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 12. Oktober 2018 beim DPMA eingegangene Beschwerde, der der Leiter der Gebrauchsmusterstelle nicht abgeholfen hat.
10
Mit einer an das DPMA gerichteten Eingabe vom 12. November 2018 hat die Anmelderin drei neue Schutzansprüche vorgelegt, die folgende Fassung haben:
11
“1. Zangengriffsystem zum Wechseln der Aufsätze ohne Druckknopfbetätigung.
12
2. Zangengriffsystem nach Anspruch 1,
13
dadurch gekennzeichnet, dass nach Lösen eine Verschraubung am Griff der Griff bis zu einen Anschlag öffenbar ist.
14
3. Zangengriffsystem nach Anspruch 2,
15
dadurch gekennzeichnet, dass in der Öffnungsendstellung des Griffs eine Einhängung im Patronenrohr nach unten geschoben wird.”
16
Die Anmelderin hat sinngemäß beantragt,
17
den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des DPMA vom 11. September 2018 aufzuheben und das Gebrauchsmuster mit den Schutzansprüchen 1 bis 3 aus ihrem an das DPMA gerichteten Schriftsatz vom 12. November 2018 einzutragen.
18
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
19
Die Beschwerde ist zulässig und teilweise auch begründet.
20
Der Senat geht davon aus, dass erst mit der Eingabe der Anmelderin vom 18. April 2018 ein Anmeldetag begründet wurde. Erst zu diesem Zeitpunkt lag ein wirksamer Antrag auf Eintragung eines Gebrauchsmusters vor, was nach § 4a Abs. 1 GebrMG i. V. m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 GebrMG eine notwendige Voraussetzung für die Begründung des Anmeldetages darstellt. Bei den Unterlagen, die bereits am 2. Februar 2018 beim DPMA eingegangen waren, fehlte nicht nur die Unterschrift unter dem Eintragungsantrag; auch anhand der sonstigen Umstände der Einreichung war nicht erkennbar, dass es sich hierbei bereits um eine mit Wissen und Wollen eingereichte Gebrauchsmusteranmeldung handeln sollte.
21
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Gebrauchsmusterstelle zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung davon ausgegangen ist, dass der Schutzanspruch, der mit Eingabe vom 18. April 2018 überreicht worden war, einer Eintragung des Gebrauchsmusters entgegenstand. Eine Eintragung kann gemäß § 8 Abs. 1 GebrMG i. V. m. § 4 Abs. 4 GebrMG dann nicht verfügt werden, wenn der einzige vorhandene Schutzanspruch sich lediglich in einer Umschreibung der mit der Erfindung zu lösenden technischen Aufgabe erschöpft. Dies war beim zuerst vorgelegten Schutzanspruch der Fall, mit dem ein System beansprucht wurde, das ausschließlich dadurch gekennzeichnet war, dass ein Aufsatz ohne jegliche Betätigung von mechanischen Teilen gewechselt werden kann. Eine solche Fassung stellt einen Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GebrMG i. V. m. § 5 Abs. 4 GebrMV dar. Die Bestimmung des § 5 Abs. 4 GebrMV fordert eine Angabe der wesentlichen Merkmale der Erfindung. Die Regelung ist so zu verstehen, dass in den Schutzansprüchen Merkmale enthalten sein müssen, die der Lösung der gestellten Aufgabe zuzuordnen sind. Dieser Vorgabe ist die Anmelderin erst mit ihrem Schriftsatz vom 12. November 2018 und den hiermit eingereichten drei neuen Schutzansprüchen gerecht geworden, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit den Anforderungen des § 5 GebrMV entsprechen und darüber hinaus auch keine unzulässige Erweiterung im Sinne von § 4 Abs. 5 GebrMG enthalten.
22
Der Senat hat allerdings nicht geprüft, ob die nunmehr geltenden Unterlagen in jeglicher Hinsicht mit den Regelungen der GebrMV in Einklang stehen. Zwar ist die Zuständigkeit für das Gebrauchsmustereintragungsverfahren mit der Beschwerde auf das Bundespatentgericht übergegangen, der Senat sieht es aber – auch mit Rücksicht auf den mit Schriftsatz vom 12. November 2018 nach § 8 Abs. 1 Satz 3 GebrMG gestellten Aussetzungsantrag – als sachdienlich an, dass die Gebrauchsmusterstelle des DPMA das vorliegende Eintragungsverfahren zu Ende führt. Hiernach war der Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des DPMA vom 11. September 2018 aufzuheben und die Sache gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG i. V. m. § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG an das DPMA zurückzuverweisen.
23
Der Senat macht in diesem Zusammenhang auf die Regelung des § 79 Abs. 3 Satz 2 PatG aufmerksam, wonach die Gebrauchsmusterstelle die vorliegende Gebrauchsmusteranmeldung nicht mehr auf der Grundlage von § 5 GebrMV oder wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 5 GebrMG zurückweisen darf. Darüber hinaus gibt der Senat zu bedenken, dass im Bescheid der Gebrauchsmusterstelle vom 7. Mai 2018 Formulierungen enthalten sind, die inhaltliche Anforderungen an die Fassung von Schutzansprüchen stellen, die über die Festlegungen von § 5 GebrMV hinausgehen und als Prüfung verstanden werden könnten, ob die vorliegende Anmeldung eine Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Grundsätzlich ist anerkannt, dass das Vorliegen dieses in § 34 Abs. 4 PatG geregelten Tatbestandes auch im Gebrauchsmusterrecht von Bedeutung ist und im Rahmen des Löschungsgrundes nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG berücksichtigt werden kann (vgl. BGH GRUR 1999, 920 ff. – “Flächenschleifmaschine”). Durch die BGH-Entscheidung “Feldmausbekämpfung” (vgl. BlPMZ 2018, 292 ff.), mit der die Kompetenzen der Gebrauchsmusterstelle neu justiert worden sind, ist allerdings die Frage wieder ins Blickfeld gerückt, ob das Nichtvorliegen einer “ausführbare Offenbarung” bereits im Gebrauchsmustereintragungsverfahren beanstandet werden kann – eine Frage, die auch von anderer Seite stets für erörterungswürdig gehalten wurde (vgl. Bühring/Schmid, GebrMG, 8. Aufl., § 4 Rn. 5). Diese Frage ist allerdings zu verneinen.
24
Die Regelung des § 34 Abs. 4 PatG besagt, dass für die Beurteilung der Frage, ob eine Erfindung in der Anmeldung ausführbar offenbart worden ist, die Kenntnisse eines Fachmanns den Maßstab bilden. Damit betrifft eine solche Feststellung eine Rechtsfrage, deren Beurteilung die gleichen Fachkenntnisse voraussetzt wie die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Gebrauchsmusters neu ist und auf einem erfinderischen Schritt beruht. Die Gebrauchsmusterstelle verfügt jedoch im Gegensatz zur Gebrauchsmusterabteilung, wie sich aus § 10 GebrMG ergibt, nicht über technische Mitglieder (Prüfer) im Sinne von § 26 Abs. 2 PatG, die in einem Zweig der Technik sachverständig sind, und kann auch nicht in anderer Weise auf solche zurückgreifen. Bereits hieraus folgt, dass die Prüfung, ob eine ausführbare Offenbarung vorliegt, nicht Gegenstand des Eintragungsverfahrens sein kann. Für das vorliegende Beschwerdeverfahren gilt im Übrigen nichts anderes. Zwar wirkt hier gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 GebrMG ein fachkundiger, technischer Richter mit, hierdurch tritt jedoch im Verhältnis zur Vorinstanz keine Erweiterung des Prüfungsumfangs ein.

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