Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “3Digi/Digi (Unionsbildmarke)/DIGI REMOTE MANAGER (IR-Wort-Bild-Marke)” – Kostenentscheidung – Antrag auf Kostenauferlegung – durchschnittlich schwieriges Verfahren – kein Verstoß gegen prozessuale Sorgfaltspflichten – kein erkennbar aussichtsloser, offensichtlich unbegründeter Widerspruch – es bleibt bei dem Grundsatz, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt

Aktenzeichen  30 W (pat) 513/18

Datum:
17.10.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:171019B30Wpat513.18.0
Normen:
§ 71 Abs 1 MarkenG
§ 71 Abs 1 S 2 MarkenG
§ 71 Abs 4 MarkenG
Spruchkörper:
30. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2015 010 707
(hier: Kostenentscheidung und Gegenstandswertfestsetzung)
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 17. Oktober 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker als Vorsitzenden sowie der Richter Merzbach und Dr. von Hartz
beschlossen:
1. Der Antrag des Beschwerdegegners, der Beschwerdeführerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.
2. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Wortmarke
2
3Digi
3
wurde am 29. Januar 2015 angemeldet und am 4. März 2015 unter der Nummer 30 2015 010 707 für Waren der Klassen 9, 12 und 28 in das bei dem Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen. Die Veröffentlichung erfolgte am 2. April 2015.
4
Gegen die Eintragung hat die Beschwerdeführerin Widerspruch erhoben aus zwei Zeichen:
5
1. aus der seit dem 4. August 2010 unter der Nummer 003 482 511 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 37 und 42 registrierten Unionsmarke:
6
2. aus der mit Priorität vom 1. Dezember 2014 am 16. April 2015 international registrierten Marke IR 1 251 668
7
deren Schutz für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 38 und 42 auf das Gebiet der Europäischen Union erstreckt wurde.
8
Mit Beschluss vom 8. Dezember 2017 hat die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts beide Widersprüche nach §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42, 43 Abs. 2 Satz 2, 125 b Nr. 1 MarkenG bzw. §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42, 43 Abs. 2 Satz 2, 112 MarkenG zurückgewiesen, da keine Verwechslungsgefahr vorliege.
9
Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt. Nach Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung auf den Hilfsantrag der Beschwerdeführerin hat diese den Widerspruch mit Schriftsatz vom 15. März 2019 zurückgenommen.
10
Der Beschwerdegegner beantragt
11
1. der Beschwerdeführerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen,
12
2. den Gegenstandswert des Verfahrens festzusetzen.
13
Der Beschwerdegegner vertritt die Ansicht, dass die Beschwerdeführerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen habe, nachdem sie den Widerspruch zurückgenommen habe.
14
Die Beschwerdeführerin ist dem Antrag, ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, entgegengetreten. Sie ist der Auffassung, dass kein Anlass für eine Kostenentscheidung bestehe. Die Durchführung des Beschwerdeverfahrens sei weder mutwillig noch von vornherein aussichtslos gewesen.
15
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
16
Der zulässige Kostenantrag des Beschwerdegegners bleibt ohne Erfolg. Auf seinen Antrag hin war der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens auf 50.000,- € festzusetzen.
17
1. Nach Rücknahme der Widersprüche in der Hauptsache ist nur noch über den Antrag des Beschwerdegegners, die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Beschwerdeführerin aufzuerlegen, zu entscheiden. Der Kostenantrag ist zwar auch nach der Beendigung des Beschwerdeverfahrens ohne Sachentscheidung gemäß § 71 Abs. 4 MarkenG zulässig (vgl. BPatG, 29 W (pat) 523/14). Er ist aber unbegründet. Es bleibt beim Grundsatz, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).
18
a) Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Kostenentscheidung hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens ist § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, wonach das Bundespatentgericht die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen kann, wenn dies der Billigkeit entspricht. Das Gesetz geht dabei von dem Grundsatz aus, dass im markenrechtlichen Verfahren, auch im Beschwerdeverfahren, jeder Beteiligte die ihm entstandenen Kosten selbst trägt. Zu einer Abweichung von diesem Grundsatz der eigenen Kostentragung bedarf es stets besonderer Umstände (BPatG, 30 W (pat) 7/16; Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl., § 71 Rn. 12). Der Verfahrensausgang allein genügt hierfür nicht, so dass die Rücknahme der Widersprüche durch die Beschwerdeführerin, nachdem der Senat auf ihren Hilfsantrag hin Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt hatte, keinen Grund darstellt, ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (vgl. BPatG, 29 W (pat) 523/14).
19
b) Erforderlich ist vielmehr, dass darüber hinausgehende Umstände vorliegen, die eine Kostenauferlegung nach billigem Ermessen angebracht erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist (Ströbele/ Hacker/Thiering, a. a. O., § 71 Rn. 12). Derartige besondere Umstände hat der Beschwerdegegner nicht vorgetragen, und es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor.
20
Der überhaupt nur in Betracht kommende Fall, dass die Widersprechende und Beschwerdeführerin in einer erkennbar aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation versucht, ihr eigenes rechtliches Interesse durchzusetzen (vgl. BPatG, 30 W (pat) 7/16), liegt nicht vor. Bei dem vorliegenden Beschwerdeverfahren handelte es sich um ein umfangreiches und auch zumindest durchschnittlich schwieriges Widerspruchs- und Beschwerdeverfahren, für dessen Beurteilung sich zahlreiche, jedenfalls erörterungswürdige Fragestellungen ergaben. Wenngleich der Beschwerde durch die Terminsbestimmung auf Antrag der Widersprechenden vorläufig kein Erfolg in Aussicht gestellt werden konnte, hat die Beschwerdeführerin nicht schuldhaft gegen ihre prozessualen Sorgfaltspflichten verstoßen, einen erkennbar aussichtslosen, offensichtlich unbegründeten Widerspruch erhoben zu haben. Vielmehr entsprach es dem Recht auf gerichtliche Kontrolle, den Beschluss der Markenstelle einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen.
21
2. Der Gegenstandswert war für das Beschwerdeverfahren auf 50.000,- € festzusetzen.
22
a) Der Inhaber der angegriffenen Marke und Beschwerdegegner war in diesem Verfahren durch seinen Verfahrensbevollmächtigten vertreten. Das Beschwerdeverfahren hat durch die Rücknahme der Widersprüche seinen Abschluss gefunden, so dass der Anspruch auf Vergütung der Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdegegners fällig geworden ist (§ 33 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 RVG). Der Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes ist somit nach § 33 Abs. 2 Satz 1 und 2 RVG zulässig.
23
b) In markenrechtlichen Verfahren vor dem Bundespatentgericht existieren für die Anwaltsgebühren keine speziellen Wertvorschriften. Der Gegenstandswert ist daher gemäß §§ 33 Abs. 1, 23 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen (vgl. BGH MarkenR 2018, 454; MarkenR 2017, 74).
24
Maßgeblich für die Festsetzung des Gegenstandwerts in einem Widerspruchsbeschwerdeverfahren ist das wirtschaftliche Interesse des Inhabers der mit dem Widerspruch angegriffenen Marke, diese aufrecht zu erhalten (BGH MarkenR 2018, 454). Auf das Interesse des Inhabers der Widerspruchsmarke an der Löschung der angegriffenen Marke oder an der gewerblichen Bedeutung der Widerspruchsmarke kommt es nicht an (BGH GRUR 2006, 704 – Markenwert). Es entspricht im Regelfall billigem Ermessen den Gegenstandswert in solchen Verfahren auf 50.000,- € festzusetzen (vgl. BGH WRP 2018, 349; BPatG, 29 W (pat) 523/14; 26 W (pat) 529/16). Im Einzelfall kann der Gegenstandswert angesichts des Interesses des Markeninhabers an der Aufrechterhaltung seiner Marke darunter oder darüber liegen (vgl. BGH MarkenR 2018, 454).
25
Da vorliegend keine Anhaltspunkte für besondere Umstände ersichtlich oder vorgetragen worden sind, ist es angemessen, aber auch ausreichend, den Gegenstandswert auf 50.000,- € festzusetzen.

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