Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “BEMA PHARMA (Wort-Bild-Marke)/Betapharm” – Einrede mangelnder Benutzung – keine Glaubhaftmachung – Zurückweisung des Widerspruchs

Aktenzeichen  25 W (pat) 13/18

Datum:
21.5.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:210519B25Wpat13.18.0
Normen:
§ 43 Abs 1 MarkenG vom 25.10.1994
§ 158 Abs 5 MarkenG
Spruchkörper:
25. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2015 101 893
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 21. Mai 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Januar 2018 aufgehoben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke 30 2015 101 893 in Bezug auf die Waren der Klasse 5 „pharmazeutische Erzeugnisse, Nahrungsergänzungsmittel für Menschen und Tiere“ aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 2 045 874 Betapharm angeordnet worden ist. Der Widerspruch aus der Marke 2 045 874 wird auch insoweit zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die am 22. April 2015 angemeldete Wort-/Bildmarke
2
ist am 1. Juli 2015 unter der Nummer 30 2015 101 893 für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen worden:
3
Klasse 3:
4
Waschmittel; Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren; ätherische Öle; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Haarwässer;
5
Klasse 5:
6
Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse ausgenommen für zahnärztliche Zwecke; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; Diätetische Lebensmittel und Erzeugnisse für medizinische oder veterinärmedizinische Zwecke, Babykost; Nahrungsergänzungsmittel für Menschen und Tiere; Pflaster; Verbandmaterial; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide; Herbizide;
7
Klasse 35:
8
Dienstleistungen einer Im- und Exportagentur;
9
Klasse 39:
10
Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Logistik-Dienstleistungen auf dem Transportsektor;
11
Klasse 42:
12
Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; Industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software; Durchführung chemischer Analysen; Erstellung von wissenschaftlich-technischen Analysen und Gutachten; Dienstleistungen eines technischen Mess- und Prüflabors; Dienstleistungen von chemischen Labors; Durchführung technischer Tests und Checks; Durchführung von technischen Messungen; Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen; Forschungen auf dem Gebiet der Medizin, Pharmazie, Technik, Chemie, Bakteriologie, Biochemie, Physik, Kosmetik; wissenschaftliche Forschungen zu medizinischen Zwecken; Vermietung von Computerprogrammen in Datennetzen; Dienstleistungen eines EDV-Programmierers; Installation und Wartung von Software für Internetzugänge; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Aktualisieren, Design und Vermietung von Computer-Software; Gestalten, Nachforschungen, Recherchen in Datenbanken und im Internet für Wissenschaft und Forschung; Dienstleistungen eines Chemikers, Physikers, Biologen, Biotechnologen, Ingenieurs, Informatikers.
13
Gegen die Eintragung dieser am 31. Juli 2015 veröffentlichten Marke hat die Beschwerdegegnerin unter anderem als Inhaberin der seit dem 28. September 1993 für die Waren der Klasse 5
14
Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel
15
unter der Nummer 2 045 874 eingetragenen Marke
16
Betapharm
17
gezielt gerichtet auf die Löschung der Waren der Klasse 5 mit beim Deutschen Patent- und Markenamt am 23. Oktober 2015 eingegangenen Schreiben Widerspruch erhoben.
18
Mit Beschluss vom 4. Januar 2018 hat die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts durch eine Prüferin des höheren Dienstes die Gefahr der Verwechslungen im Sinne des § 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen der angegriffenen Wort-/Bildmarke und der Widerspruchsmarke 2 045 874 teilweise bejaht und die teilweise Löschung der Marke angeordnet, nämlich für die Waren der Klasse 5 „pharmazeutische Erzeugnisse, Nahrungsergänzungsmittel für Menschen und Tiere“. Sie hat den Widerspruch in Bezug auf die übrigen angegriffenen Waren der Klasse 5 der prioritätsjüngeren Marke zurückgewiesen.
19
Die weiteren gegen die jüngere Marke erhobenen Widersprüche aus der Unionsmarke 003 540 051
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und der geschäftlichen Bezeichnung „b… GmbH“ hat die Markenstelle zurückgewiesen.
20
Zur Begründung ihrer Teillöschungsentscheidung in Bezug auf den entsprechenden Teil der Waren der Klasse 5 wegen des Widerspruchs aus der Widerspruchsmarke Betapharm führt die Markenstelle aus, dass die von Seiten der Widersprechenden auf die zulässigerweise bestrittene Benutzung der Widerspruchsmarke eingereichten Unterlagen gerade noch geeignet seien, eine ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke Betapharm in Abgrenzung zu einer bloßen Scheinbenutzung glaubhaft zu machen. Die Widersprechende habe einige Unterlagen vorgelegt, die sich auf diverse pharmazeutische Erzeugnisse, Präparate für die Gesundheitspflege und Pflaster bezögen. Hinsichtlich der weiteren Waren, nämlich „veterinärmedizinische Erzeugnisse; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel“ sei bereits mangels eines Vortrags zu deren Benutzung keine Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke erfolgt. Die Unterlagen würden zudem zum Teil nur eine rein firmenmäßige Verwendung der Widerspruchsmarke enthalten und seien deshalb nicht geeignet, eine markenmäßige Benutzung der Marke glaubhaft zu machen. So sei die Verwendung auf den eingereichten Rechnungen und Gutschriften nur rein firmenmäßig, weil das Widerspruchszeichen lediglich im Briefkopf bzw. im Bereich der Fußzeile als Teil des Firmennamens oder als Bestandteil der Domain-Adresse angegeben werde und die Marke insbesondere auch nicht als Zweitkennzeichnung der Waren im Rahmen der Produktbezeichnung Verwendung finde. Auch seien diejenigen eingereichten Unterlagen, in denen lediglich der Bestandteil „beta“ verwendet werde, nicht geeignet, eine Benutzung der Widerspruchsmarke „Betapharm“ glaubhaft zu machen, denn dazu seien die Abweichungen zu der Marke in der eingetragenen Form zu groß. Soweit die Widersprechende allerdings zum Nachweis der Benutzung der Widerspruchswortmarke Betapharm auf die Verwendung in Form einer Wort-/Bildmarke Bezug nehme, ergebe sich durch die zusätzlichen graphischen Elemente keine abweichende und den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke verändernde Verwendung. Bei der Verwendung einer von der Eintragung abweichenden Schriftart, einem teilweisen Fettdruck und einer Ersetzung des Buchstabens „t“ durch eine personenähnliche, stilisierte Figur handele es sich lediglich um dekorative Elemente, denen der Verkehr keine eigenständige Bedeutung zumesse. Auch sei die Verwendung des Widerspruchszeichens auf den Warenverpackungen zumindest auch markenmäßig, bzw. könnte nicht nur firmenmäßig, sondern auch markenmäßig aufgefasst werden. Denn im relevanten Bereich der Arzneimittelkennzeichnung gebe es verschiedene Kennzeichnungsgewohnheiten. Übereinstimmend werde im oberen Bereich der Verpackungen und damit auf der Ware die Markenbezeichnung angebracht (hier z. B. Wirkstoffangabe und beta). Die eingereichten Unterlagen würden sich, soweit sie datiert seien, auf die Jahre 2011 bis 2013 und 2015, 2016 beziehen und somit die maßgeblichen Benutzungszeiträume abdecken. Auch sei die Benutzung der Marke für verschiedene Arzneimittel glaubhaft gemacht, die unter den Oberbegriff der „pharmazeutischen Erzeugnisse“ fielen. Nach der von der Rechtsprechung entwickelten erweiterten Minimallösung sei die jeweilige Hauptgruppe nach der Roten Liste maßgeblich, so dass hier eine Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren „Parkinsonmittel, Antiepileptika, Psychopharmaka (Antidepressiva, Tranquilizer, Neuroleptika), Neuropathiepräparate, Migränemittel, Magen-Darm-Mittel, Antihypertonika, Analeptika“ anzunehmen sei. Auch sei eine Benutzung für die Waren „Arzneimittelpflaster, nicht verschreibungspflichtige Schmerzmittel, Herpescremes und Vitaminpräparate“ belegt. Zwar habe die Widersprechende unter anderem keine konkreten Angaben zum Umfang der Benutzung gemacht, doch sei in der Gesamtheit aufgrund der mehrjährigen Dauer und Konstanz zu erkennen, dass es sich bei der Benutzung des Zeichens im Inland nicht bloß um eine Scheinbenutzung gehandelt habe.
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Die insoweit zu berücksichtigenden Widerspruchswaren „Parkinsonmittel, Antiepileptika, Psychopharmaka, Neuropathiepräparate, Migränemittel, Magen-Darm-Mittel, Antihypertonika, Analeptika; Arzneimittelpflaster, nicht verschreibungspflichtige Schmerzmittel, Herpescremes und Vitaminpräparate“ seien identisch zu den „pharmazeutischen Erzeugnissen“ der jüngeren Marke. Ebenso bestünde eine Identität zwischen den „Nahrungsergänzungsmitteln für Menschen und Tiere“ der jüngeren Marke und den Widerspruchswaren „Vitaminpräparate“. Angesichts der teilweisen Übereinstimmung der Vergleichszeichen im Wortanfang und der Wortmitte sei eine entferne klangliche Ähnlichkeit (trotz der Unterschiede in der Silbenanzahl, dem Sprachrhythmus und der Buchstabenfolge) gegeben. Insoweit sei unter Berücksichtigung der erhöhten Aufmerksamkeit des Verkehrs bei Waren im Gesundheitsbereich bei entfernter klanglicher Ähnlichkeit der Zeichen und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nur im Bereich der identischen Waren eine Verwechslungsgefahr anzunehmen. Im Übrigen bestehe keine Verwechslungsgefahr, so dass der Widerspruch darüber hinaus zurückzuweisen sei.
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Gegen diesen, der Markeninhaberin am 11. Januar 2018 zugestellten Beschluss richtet sich die am 18. Januar 2018 elektronisch beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Beschwerde der Markeninhaberin. In ihrer Beschwerdebegründung erklärt sie, dass sie die Nichtbenutzungseinrede aufrechterhält und ausdrücklich erneuert.
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Aus ihrer Sicht seien die von Seiten der Widersprechenden eingereichten Unterlagen, die das Wort-/Bildzeichen
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zeigten, nicht geeignet, die rechtserhaltende Benutzung der Wortmarke „Betapharm“ nachzuweisen. Denn die Unterschiede zwischen der Widerspruchsmarke und der benutzten Wort-/Bildmarke bestünden nicht in bloßen, zusätzlichen grafischen Elementen mit nur dekorativem Charakter. Vielmehr würde sich die eingetragene Widerspruchswortmarke von der benutzten Form durch den am Wortanfang unterschiedlichen Anfangsgroßbuchstaben, die zweifarbige und auch zweisilbige Gestaltung – Zweiwortmarke anstelle einer Einwortmarke –, die Verfremdung des dritten Buchstabens durch eine Ausgestaltung mit der Anmutung eines Männchens und des dadurch nicht mehr als Buchstabe wahrgenommenen „T“ in einer Weise unterscheiden, dass nicht mehr von „denselben“ Marken gesprochen werden könne. Bereits die Markenstelle habe selbst von einem „Wechsel der Markenkategorie“, nämlich der von der Wort- zu einer Bildmarke gesprochen. Damit sei es rechtsfehlerhaft, davon auszugehen, dass der Verkehr in der eingetragenen Wortmarke und der abgewandelten Form nach wie vor dasselbe Wort erkenne. Auch belegten die von der Widersprechenden eingereichten Unterlagen nur eine firmenmäßige Benutzung und zudem könne aus den vorgelegten Unterlagen der konkrete Umfang der Benutzung nicht entnommen werden.
24
Ungeachtet des fehlenden Nachweises der Benutzung sei die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als eher unterdurchschnittlich anzusehen. Denn bei dem Wortbestandteil „pharm“ handle es sich um den allgemeinen und beschreibenden Hinweis auf den Pharmaziebereich (BPatG 25 W (pat) 203/98). Bei dem Bestandteil „Beta“ handle es sich um einen griechischen Buchstaben. „Beta“ habe in der technisch-naturwissenschaftlichen, insbesondere in der chemisch-pharmazeutischen Nomenklatur, eine besondere Bedeutung. So seien Begriffe wie Betastrahlung, Betablocker, Beta-Software, Beta-Version, Betazerfall allgemein bekannt und gebräuchlich. Zudem sei „Beta“ im Arzneimittelbereich zur Bezeichnung von Generika gebräuchlich, also von solchen Arzneimitteln, die patentfrei geworden seien und von Zweit- oder den sogenannten „Beta-Unternehmen“ lizenzfrei als sogenannte „Beta-Versionen“ hergestellt werden könnten. Es fehle auch an der Zeichenähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen. Die Vergleichszeichen seien angesichts unterschiedlicher Silbengliederung und einem deutlich veränderten Sprechrhythmus in klanglicher Hinsicht deutlich unterschiedlich.
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Die Inhaberin der jüngeren Marke beantragt sinngemäß,
26
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Januar 2018 aufzuheben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke 30 2015 101 893 in Bezug auf die Waren der Klasse 5 „pharmazeutische Erzeugnisse, Nahrungsergänzungsmittel für Menschen und Tiere“ aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 2 045 874 Betapharm angeordnet worden ist und den Widerspruch aus der Marke 2 045 874 Betapharm auch insoweit zurückzuweisen.
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Hilfsweise beantragt sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
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Gleichzeitig regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an. Die Widersprechende versuche, Rechte aus einer unbenutzten schutzunfähigen Marke durch die Darlegung der Benutzung einer vermeintlich benutzten schutzfähigen Wort-/Bildmarke geltend zu machen und die unbenutzte löschungsreife Marke dadurch am Leben zu halten. Sie habe den Widerspruch nur deshalb auf die nicht benutzte Wortmarke Betapharm gestützt, um sich größere Erfolgschancen im Widerspruchsverfahren zu sichern. Dieses Vorgehen bedürfe der höchstrichterlichen Überprüfung.
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Die Widersprechende beantragt,
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die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückzuweisen.
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Aus ihrer Sicht ist der angefochtene Beschluss der Markenstelle, soweit aufgrund des Widerspruchs gelöscht werde, nicht zu beanstanden. Auch soweit der Widerspruch zurückgewiesen wurde, werde die Entscheidung akzeptiert.
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Sie trägt zudem vor, die Beschwerde der Markeninhaberin sei nicht begründet. Zur rechtserhaltenden Benutzung habe sie zahlreiche Unterlagen eingereicht, die die markenmäßige Benutzung der Widerspruchsmarke eindeutig belegten und auch weiterhin belegen könnten. Soweit der Senat einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaume, könne die Widersprechende ohne weiteres eine Auswahl der eingereichten Unterlagen bzw. Dokumente (wie beispielsweise Verpackungen) dem Gericht vorlegen.
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Über die bereits im Verfahren vor der Markenstelle vorgelegten Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke hinaus hat die Widersprechende im Beschwerdeverfahren keine weiteren Unterlagen eingereicht. In Bezug auf die Benutzung der Widerspruchsmarke erfolgte zudem kein weiterer Vortrag.
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Die Widersprechende hat keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.
35
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
36
Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Markeninhaberin in Bezug auf die teilweise Löschungsanordnung wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 045 874 Betapharm hat auch in der Sache Erfolg, da die Widersprechende auf die im Amtsverfahren in zulässiger Weise erhobene Nichtbenutzungseinrede der Inhaberin der angegriffenen Marke gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG (in der gemäß § 158 Abs. 5 MarkenG bis zum 14. Januar 2019 maßgeblichen Fassung) eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke jedenfalls im auch nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG (Fassung bis zum 14. Januar 2019) maßgeblichen Benutzungszeitraum nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat. Mangels berücksichtigungsfähiger Waren auf Seiten der Widerspruchsmarke im Sinn von § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG für diesen Zeitraum konnte der Widerspruch – unabhängig von der Frage der Verwechslungsgefahr nach der Registerlage – keinen Erfolg haben und war auf die Beschwerde der Markeninhaberin hin zurückzuweisen.
37
Die mit dem Schriftsatz der Markeninhaberin vom 15. Dezember 2015 gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG pauschal bzw. undifferenziert erhobene und mit der Beschwerdebegründung vom 24. April 2018 ausdrücklich weiter aufrechterhaltene Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke ist als zulässige Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG auszulegen (vgl. BGH GRUR 2008, 714 Rn. 23 – idw; BPatG GRUR 2016, 286 – Yosoja/YOSOI). Nach § 158 Abs. 3 und Abs. 5 MarkenG ist für den vorliegenden Widerspruch § 42 Abs. 1 und 2 MarkenG bzw. § 43 Abs. 1 MarkenG in der bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden. Nachdem die Widerspruchsmarke Betapharm zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 31. Juli 2015 bereits seit fünf Jahren eingetragen war, nämlich seit dem 28. September 1993, umfasst die nach § 43 Abs. 1 MarkenG wirksam erhobene Nichtbenutzungseinrede sowohl den Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG als auch denjenigen nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG. Demnach hat die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke, also in der Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 1. Juli 2015 (gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG) und innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch im Beschwerdeverfahren, also in der Zeit vom 21. Mai 2014 bis zum 21. Mai 2019 (gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG) glaubhaft zu machen. Dazu gehören die Verwendung der Marke nach Art, Zeit und Umfang. Aus den vorgelegten Unterlagen muss sich eindeutig ergeben, in welcher Form, in welchem Zeitraum und in welchem Umfang die Benutzung für welche Waren erfolgt ist.
38
Inwieweit die bisher im Verfahren vor dem Patentamt zu der Benutzung der Widerspruchsmarke Betapharm eingereichten Unterlagen (nach Ansicht der Markenstelle gerade noch) ausreichen, um eine rechtserhaltene Benutzung der Widerspruchsmarke für die Zeiträume nach §§ 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG von 1. Juli 2010 bis 1. Juli 2015 und nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG von 4. Januar 2013 bis 4. Januar 2018 als Zeitpunkt der patentamtlichen Entscheidung über den Widerspruch glaubhaft zu machen, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn die Widersprechende hat jedenfalls keinen ausreichenden Vortrag und keine ausreichenden Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung für den nun aktuellen Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG und damit für den Zeitraum von Mai 2014 bis Mai 2019 vorgelegt. Insoweit fehlt es jedenfalls an ausreichenden Angaben zum Benutzungsumfang der Widerspruchsmarke. Die Widersprechende hat zum Umfang der bestrittenen Benutzung weder allgemeine Angaben noch speziell für einzelne konkrete Produkte Angaben gemacht oder ausreichende Unterlagen vorgelegt. Der Benutzungsumfang wird in der Regel durch die Angabe von Umsatz- oder Stückzahlen in einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht (vgl. hierzu Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 43 Rn. 78 sowie § 26 Rn. 102 ff.). Eine solche hat die Widersprechende nicht vorgelegt.
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Zwar hat die Widersprechende Rechnungen bzw. Gutschriften über den Verkauf von Produkten vorgelegt, unter anderem der Produkte HCT-beta, Ramipril beta, Amiobeta, Levetiracetam beta, Hydromorphon beta, Amoxi beta mit jeweils erkennbarer Rechnungsstellung in den Jahren 2010 bis 2015. Dabei bezieht sich eine einzige Rechnung über … Euro (für Hydromorphon beta) mit Datum vom 5. Oktober 2015 bzw. eine Gutschrift über … Euro (für Amoxibeta) mit Datum vom 5. November 2014 auf den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen relevanten Zeitraum von Mai 2014 bis Mai 2019. Darüber hinaus macht die Widersprechende keine Angaben zum Benutzungsumfang der Widerspruchsmarke, so dass bereits deshalb eine ausreichende Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke im Zeitraum von Mai 2014 bis Mai 2019 nicht bejaht werden kann.
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Es kommt hinzu, dass nur eine auf konkrete Waren bezogene Glaubhaftmachung eine Bestimmung der eingetragenen Waren zulässt, für die eine Benutzung der Widerspruchsmarke anzuerkennen ist. Die konkrete Verwendung der Widerspruchsmarke für den bzw. in dem Zeitraum 2014 bis 2019 ist eindeutig allein der mit Schriftsatz der Widersprechenden als Anlage Nummer 8 gekennzeichneten Unterlage (offenbar einer Kopie einer Werbeanzeige, die die Verpackung für Celecoxib beta zeigt) zu entnehmen, die mit der Preisangabe vom 1. Januar 2015 diesem Zeitraum zweifelsfrei zuordenbar ist. Bei dem Produkt handelt es sich um ein verschreibungspflichtiges Mittel in Form einer Hartkapsel zur Behandlung von Gelenkerkrankungen, bei der sich im unteren Teil der als Celecoxib beta 200 mg bezeichneten Verpackung die Wort-/Bildmarke
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befindet. Zwar wäre den Ausführungen der Markenstelle entsprechend auch bei der konkreten veränderten Verwendung der Marke noch von einer Verwendung derselben Marke auszugehen. Das ist nach § 26 Abs. 3 MarkenG nämlich dann der Fall, wenn die Marke zwar in einer von der Eintragung abweichenden Form benutzt wird, die aber den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändert. Davon ist auszugehen, wenn der angesprochene Verkehrskreis das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, d. h. in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht (vgl. BGH Duff Beer GRUR 2013, 725 Rn. 13). Davon könnte hier deswegen ausgegangen werden, weil der Schwerpunkt der Kennzeichnung mit dem Wortbestandteil „betapharm“ jedenfalls übereinstimmt, auch wenn die farbliche Ausgestaltung und die Schreibweise mit dem veränderten Buchstaben „T“ und der Aufteilung in die Worte beta und pharm unterschiedlich sind. Bei den veränderten Elementen handelt es sich letztlich nur um grafische Ausgestaltungen, die nicht den Schwerpunkt der Kennzeichnung darstellen. Sofern zugunsten der Widersprechenden aber insoweit von einer ausreichenden Verwendung der Widerspruchsmarke für ein verschreibungspflichtiges Arthrose Mittel Celecoxib beta im maßgebenden Zeitraum ausgegangen wird, fehlt es für diese konkrete Ware an einem ausreichenden Vortrag zum Umfang der Benutzung, also der Angabe entsprechender Umsatz- oder Verkaufszahlen hierfür.
41
Insgesamt fehlen hinreichend konkrete Angaben zum Umfang der Benutzung der Widerspruchsmarke für den Zeitraum von Mai 2014 bis Mai 2019, also aussagekräftige Zahlen, die im Zusammenhang mit dem Verkauf von mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten konkreten Waren stehen. Zur Vorlage solcher Zahlen hat die Widersprechende ausreichend Gelegenheit gehabt, nachdem seit Zustellung der Beschwerde der Markeninhaberin mehr als ein Jahr vergangen ist.
42
Die Frage der Benutzung der Widerspruchsmarke in den nach § 43 Abs. 1 MarkenG maßgeblichen Zeiträumen unterliegt abweichend von dem das patentamtliche und das patentgerichtliche Verfahren ansonsten beherrschenden Untersuchungsgrundsatz, dem Beibringungsgrundsatz und Verhandlungsgrundsatz (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 43 Rn. 5, 66). Bei der Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung der Widerspruchsmarke handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Obliegenheit der Widersprechenden, so dass die Widersprechende die volle Verantwortung für eine ausreichende Glaubhaftmachung trägt (Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 43 Rn. 60 und 61) und von sich aus laufend zu überprüfen hat, ob sich die Notwendigkeit einer weiteren Glaubhaftmachung ergibt (st. Rspr. des BPatG, vgl. Ströbele/Hacker/ Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 43 Rn. 18).
43
Eines rechtlichen Hinweises des Senats gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 139 ZPO zur Glaubhaftmachung bedurfte es nicht. Dass die von Seiten der Markeninhaberin bereits im patentamtlichen Verfahren erhobene Einrede der Benutzung nach § 43 Abs. 1 MarkenG sowohl die Einrede des § 43 Abs. 1 Satz 1 als auch diejenige des § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG umfasst und letztere einen sich ständig verändernden Benutzungszeitraum betrifft, ist eine unmittelbar dem Gesetzeswortlaut in der bis zum 14. Februar 2019 geltenden Fassung zu entnehmende Tatsache, die ein Verfahrensbeteiligter berücksichtigen muss, wenn ihm die Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung seiner Marke obliegt. Auf den offensichtlichen Umstand, dass ein bisheriges Vorbringen zwischenzeitlich überholt sein kann, angesichts des Zeitablaufs unter Umständen einer Aktualisierung oder insgesamt der Nachbesserung bedarf, hat die Rechtmittelinstanz ebenso wenig hinzuweisen, wie auf andere offenkundige Mängel der Glaubhaftmachung (vgl. auch BPatG, 25 W (pat) 561/17 sowie 24 W (pat) 113/10 mit Verweis auf weitere Entscheidungen – der Entscheidungstext ist jeweils über die Homepage des Bundespatentgerichts öffentlich zugänglich). Ein Fall nach § 139 Abs. 2 Satz 2 ZPO, in dem ein Hinweis des Gerichts geboten sein kann, weil beide Verfahrensbeteiligten erkennbar von unzutreffenden tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten ausgehen, liegt nicht vor, weil die Frage, ob die Widerspruchsmarke rechtserhaltend benutzt wird, seit dem 15. Dezember 2015 mit der Erhebung der Einrede gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG der Markeninhaberin Thema des schriftsätzlichen Vorbringens der Beteiligten und insbesondere desjenigen der Markeninhaberin war (unter anderem auch sehr deutlich und ausführlich in der Beschwerdebegründung vom 24. April 2018).
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Im Übrigen hat angesichts der Neutralitätspflicht des Gerichts die Aufklärungspflicht dort ihre Grenze, wo Hinweise unmittelbar die Stärkung der prozessualen Position einer Beteiligten und damit gleichzeitig eine entsprechende Schwächung der Stellung der anderen Beteiligten nach sich ziehen würden (vgl. Ströbele/ Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 43 Rn. 68 m. w. N.).
45
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin hin war der Widerspruch aus der Marke 2 045 874 mangels ausreichender Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückzuweisen.
46
Über die Beschwerde konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Eine solche war lediglich von der obsiegenden Markeninhaberin hilfsweise beantragt worden, nicht aber von der unterliegenden Widersprechenden, § 69 Nr. 1 MarkenG. Die Ankündigung der Widersprechenden, sie könne, sollte das Gericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumen, ohne weiteres eine Auswahl der eingereichten Unterlagen beziehungsweise Dokumente (wie beispielsweise Verpackungen) dem Gericht vorlegen, kann nicht als eigenständiger Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausgelegt werden. Eine mündliche Verhandlung war auch nicht aus Gründen der Sachdienlichkeit veranlasst, § 69 Nr. 3 MarkenG.

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