Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – Erinnerung gegen den Kostenansatz – Auslegung des statthaften Rechtsbehelfs – zur funktionellen Zuständigkeit zur Entscheidung – Aufforderung zur Rücksendung des EB – keine angemessene Wartefrist – unrichtige Sachbehandlung – Auslagen hätten nicht erhoben werden dürfen – Aufhebung der Kostenrechnung

Aktenzeichen  28 W (pat) 52/13

Datum:
28.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 82 Abs 1 S 1 MarkenG
§ 82 Abs 1 S 3 MarkenG
§ 1 Abs 1 S 2 PatKostG
§ 4 Abs 1 Nr 1 PatKostG
§ 9 PatKostG
§ 3 Abs 2 GKG
§ 21 Abs 1 S 1 GKG
§ 66 Abs 1 GKG
§ 166 ZPO
Spruchkörper:
28. Senat

Verfahrensgang

vorgehend BPatG München, 2. September 2015, Az: 28 W (pat) 52/13, Beschluss

Tenor

betreffend die Marke 395 44 613
(hier: Erinnerung gegen den Kostenansatz)
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 28. Juni 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Schmid und des Richters Dr. Söchtig
beschlossen:
Auf die Erinnerung wird die Kostenrechnung der Kostenrech-nungsstelle des Bundespatentgerichts vom 13. Januar 2016 aufgehoben.

Gründe

 Mit Beschluss des 28. Senats des Bundespatentgerichts vom 17. September 2012 wurden der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens auferlegt. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat daraufhin mit Beschluss vom 4. April 2013 die von der Widersprechenden zu erstattenden Kosten für das Widerspruchsverfahren festgesetzt. Dagegen hat sie Beschwerde mit der Begründung eingelegt, der zugrunde liegende Beschluss des Bundespatentgerichts vom 17. September 2012 beziehe sich lediglich auf die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Mit Beschluss des 28. Senats des Bundespatentgerichts vom 2. September 2015 wurde der Beschwerde stattgegeben und der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. April 2013 aufgehoben.
Der Beschluss vom 2. September 2015 wurde am 2. Oktober 2015 zusammen mit dem Vordruck eines Empfangsbekenntnisses an die frühere Anschrift der Ver-fahrensbevollmächtigten der Widersprechenden in München gesandt. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2015, das an die neue Adresse der Verfahrens-bevollmächtigten der Widersprechenden in Gräfelfing geschickt wurde, hat die Geschäftsstelle des 28. Senats jene aufgefordert, das dem Schreiben beigefügte Empfangsbekenntnis mit dem Datum des Zugangs des Beschlusses vom 2. September 2015 zu versehen und unterschrieben an das Bundespatentgericht zurückzusenden, um die Zustellung mit Zustellungsurkunde zu vermeiden. Am 28. Oktober 2015 hat die Geschäftsstelle die Zustellung des Beschlusses vom 2. September 2015 mit Zustellungsurkunde veranlasst.
Hierfür wurde von den Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden mit Kostenrechnung vom 13. Januar 2016, abgeschickt am gleichen Tag, die Aus-lagenpauschale in Höhe von 3,50 EUR gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 PatKostG i. V. m. § 3 Abs. 2 GKG, Nr. 9002 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG, angefordert. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Zustellung mit Zustellungsurkunde veranlasst gewesen sei, da das Empfangsbekenntnis vom 2. Oktober 2015 trotz erneuter Aufforderung zur Rücksendung mit Schreiben vom 26. Oktober 2015 nicht zurückgeschickt worden sei.
Die Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden wenden sich mit Schrift-satz vom 28. Januar 2016, der am gleichen Tag beim Bundespatentgericht per Telefax eingegangen ist, gegen die ihnen am 15. Januar 2016 zugegangene Kostenrechnung vom 13. Januar 2016. Sie machen geltend, dass dem Bundespatentgericht am 17. Juni 2015 nochmals ihre neue Anschrift mitgeteilt worden sei. Den Beschluss vom 2. September 2015 hätten sie erstmals am 30. Oktober 2015 erhalten. Auf Nachfrage sei ihnen vom Bundespatentgericht mitgeteilt worden, es gebe eine Anweisung, nach der alle an sie gerichtete Schreiben mit Zustellungsurkunde zuzustellen seien, da in der Vergangenheit mehrfach Empfangsbekenntnisse nicht zurückgeschickt worden seien. Dies sei „jedenfalls im vorliegenden Falls absolut unzutreffend“.
Die Kostenbeamtin hat das Schreiben vom 28. Januar 2016 als Erinnerung gewertet. Sie hat ihr nicht abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1. Die Erinnerung der Widersprechenden ist zulässig.
a) Der Senat legt das Vorbringen in dem Schreiben vom 28. Januar 2016 als Erinnerung gemäß § 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 2 PatKostG i. V. m. § 66 Abs. 1 GKG gegen den in der Rechnung vom 13. Januar 2016 enthaltenen Auslagenansatz aus. Ebenso wie im Falle der Einlegung einer Beschwerde muss ein Rechtsmittel oder ein Rechtsbehelf nicht ausdrücklich benannt werden (vgl. zur Beschwerde BPatGE 6, 58, 61). Es reicht aus, dass erkennbar ist, welche Entscheidung in welchem Umfang angefochten wird (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Auflage, § 66, Rdnr. 40). Die Widersprechende hat in ihrem Schreiben vom 28. Januar 2016 auch ohne ausdrückliche Nennung des Begriffs „Erinnerung“ deutlich zu erkennen gegeben, dass sie mit der Kostenrechnung vom 13. Januar 2016 nicht einverstanden ist und sie aufgehoben wissen will.
Die Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 GKG ist zudem der einzig statthafte Rechtsbehelf, da § 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG und § 1 Abs. 1 Satz 2 PatKostG bei Auslagen auf das GKG verweisen (vgl. auch BPatG, Beschluss vom 30. März 2011, 26 W (pat) 24/06, Rdnr. 7; Fezer, Markenrecht, 3. Auflage, § 82, Rdnr. 6; zur früheren Regelung vgl. Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 8. Auflage, § 11 PatKostG, Rdnr. 1). Der Senat folgt hierbei nicht vollumfänglich der im Beschluss des 10. Senats vom 26. Februar 2004 vertretenen Auffassung, nach der sich die Verweisung auf das GKG in § 1 Abs. 1 Satz 2 PatKostG im Wesentlichen nur auf die Art und Höhe der Auslagen nach den Tatbeständen des GKG beschränkt und sich nicht auf das Verfahren sowie die sonstigen Regelungen erstreckt, soweit das PatKostG   wie bezüglich der Erinne-rung   eigene lückenlose Regelungen enthält (vgl. BPatGE 47, 207; so auch: Busse/Keukenschrijver, a. a. O., § 11 PatKostG, Rdnr. 5; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 82, Rdnr. 12). Es trifft zu, dass das PatKostG vielfach Vorschriften enthält, die den Anforderungen des Bundespatentgerichts im Bereich des Auslagenrechts besser entsprechen. So findet sich beispielsweise im GKG keine dem § 4 Abs. 1 Nr. 1 PatKostG vergleichbare Regelung, nach der zur Zahlung der Auslagen verpflichtet ist, wer –  wie vorliegend in Betracht kommend – die Amtshandlung veranlasst hat oder zu wessen Gunsten sie vor-genommen worden ist.
Allerdings fällt auf, dass die Regelungen zur Erinnerung im GKG und im PatKostG vom Wortlaut her deutliche Unterschiede aufweisen. So entscheidet über Erinnerungen des Kostenschuldners gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 PatKostG die Stelle, die die Kosten angesetzt hat. Dies ist vorliegend nicht der Senat, sondern die Kostenrechnungsstelle. Die Auffassung, über die Erinnerung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 PatKostG gegen den Auslagenansatz des Bundespatentgerichts entscheide immer der Senat (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 82, Rdnr. 92), lässt sich nicht eindeutig aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 PatKostG ableiten. Mit dem Begriff „Stelle“ ist nicht zwingend die Institution gemeint, in deren Namen die Auslagen angefordert werden. Der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 PatKostG kann auch dafür sprechen, dass es sich bei der „Stelle“ um die Funktionseinheit innerhalb des Bundespatentgerichts handelt, die die Auslagenrechnung erlassen hat (vgl. auch Schulte, Patentgesetz, 9. Auflage, § 11 PatKostG, Rdnr. 2). Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass in anderen die Erinnerung betreffenden Vorschriften der Gesetzgeber ausdrücklich den Richter oder das Gericht als die zur Entscheidung über die Erinnerung berufene Stelle benannt hat (vgl. beispielsweise § 23 Abs. 2 i. V. m. § 11 Abs. 2 Satz 6 RPflG, § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 573 Abs. 1 Satz 1 ZPO oder § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
b) Das Rechtsschutzbedürfnis der Widersprechenden ist zu bejahen. In der Gerichtsakte findet sich zwar ein handschriftlicher Vermerk der Kostenbeamtin über ein Telefonat mit der Bundeskasse, nach dem das auf der Kostenrechnung vom 13. Januar 2016 ausgewiesene Kassenzeichen vom „System“ gelöscht worden sei. Damit wird faktisch von der Anforderung der Auslagen abgesehen. Die Kostenschuld besteht jedoch fort und belastet damit die Widersprechende weiterhin.
2. Die Erinnerung der Widersprechenden ist auch begründet.
Die Kostenrechnung vom 13. Januar 2016 verpflichtet die Widersprechende zu Unrecht zur Zahlung der Auslagen, die durch die Zustellung des Beschlusses vom 2. September 2015 mit Zustellungsurkunde entstanden sind. Der Ersatz der Auslagen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 PatKostG i. V. m. § 3 Abs. 2 GKG, Nr. 9002 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG, durch die Widersprechende setzt voraus, dass von ihr die Zustellung des Beschlusses vom 2. September 2015 mit Zustellungsurkunde veranlasst worden ist. Der Senat geht hierbei trotz § 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG und § 1 Abs. 1 Satz 2 PatKostG von der Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1 Nr. 1 PatKostG auch für Auslagen aus. Die von der Kostenrechnungsstelle zugrunde gelegte Vorschrift des § 22 Abs. 1 GKG passt vorliegend nicht. Danach schuldet die Kosten, wer das Verfahren beantragt hat oder an dem Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs beteiligt war. Die Widersprechende hat zwar gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. April 2013 Beschwerde erhoben, die wiederum den Erlass des Beschlusses des Bundespatentgerichts vom 2. September 2015 zur Folge hatte. Insofern könnte die Widersprechende als „Antragstellerin“ angesehen werden. § 22 Abs. 1 GKG ist jedoch sehr weitgehend und berücksichtigt nicht das individuelle Verhalten der Verfahrensbeteiligten. So könnten beispielsweise einem Beschwerdegegner nicht die Auslagen nach dieser Vorschrift auferlegt werden, wenn er das dem Beschluss beigefügte Empfangsbekenntnis nicht zurückgeschickt hätte, da er das Beschwerdeverfahren nicht „beantragt“ hat.
Die Widersprechende hat die durch die Zustellung des Beschlusses vom 2. September 2015 mit Zustellungsurkunde verursachten Auslagen nicht veran-lasst. Die Bestimmung der Zustellungsform unterliegt dem gerichtlichen Ermessen (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 174 Abs.1, § 175, § 176 Abs. 1 ZPO). Das Gericht ist dabei zu einer folgerichtigen Vorgehensweise verpflichtet, die die Entstehung unnötiger Kosten vermeidet. Dem wurde vorliegend nicht entsprochen, nachdem die hier in Rede stehende Zustellung des Beschlusses vom 2. September 2015 mit Zustellungsurkunde bereits am 28. Oktober 2015 angestoßen worden ist, ohne dass die Widersprechende ausreichend Zeit hatte, der Aufforderung vom 26. Oktober 2015 zur Übermittlung des Empfangsbekenntnisses nachzukommen.
Die Senatsgeschäftsstelle hatte vorliegend zunächst am 2. Oktober 2015 die Zustellung des Beschlusses vom 2. September 2015 mit Empfangsbekenntnis an die frühere Adresse der Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden (80689 München, Gotthardstraße 81) veranlasst. Nachdem sich Zweifel am Vollzug dieser Zustellung ergaben, hat der Senat die Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 26. Oktober 2015, das nunmehr an die aktuelle Adresse (82166 Gräfelfing, Bahnhofstr. 7) gerichtet war, aufgefordert, das dem Schreiben beigefügte Empfangsbekenntnis mit dem Datum des Zugangs des Beschlusses vom 2. September 2015 an das Gericht zurückzusenden. Hierdurch sollte offenbar die fehlerhafte Adressierung der ersten Postsendung korrigiert und die Zustellung mit Zustellungsurkunde vermieden werden. Von der Widersprechenden kann nicht erwartet werden, dass sie bis zum 28. Oktober 2015 das Empfangsbekenntnis zurückschickt, nachdem sie unter Zugrundelegung normaler Postlaufzeiten das Schreiben vom 26. Oktober 2015 frühestens am 27. oder 28. Oktober 2015 erhalten hat. Ihr hätte in jedem Fall eine Frist von ein bis zwei Wochen nach Zugang des Schreibens vom 26. Oktober 2015 für seine Bearbeitung und für die Rücksendung des ausgefüllten Empfangsbekenntnisses eingeräumt werden müssen. Diese Wartefrist wurde nicht ansatzweise eingehalten, da bereits am 28. Oktober 2015, mithin vermutlich am selben Tag, an dem die Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden die gerichtliche Mitteilung vom 26. Oktober 2015 erhalten haben, die Zustellung des Beschlusses vom 2. September 2015 mit Postzustellungsurkunde veranlasst wurde.
Nach der Aktenlage ist diese Entscheidung getroffen worden, weil die Ver-fahrensbevollmächtigten der Widersprechenden in der Vergangenheit verschiedentlich Empfangsbekenntnisse nicht an das Bundespatentgericht zurückgesandt hätten. Die Aussage der Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden, dass dies „jedenfalls im vorliegenden Falls absolut unzutreffend“ sei, lässt zwar darauf schließen, dass es Versäumnisse der eben geschilderten Art gegeben hat. Dies ist jedoch kein Grund, im vorliegenden Fall plötzlich die Zustellungsart zu wechseln, ohne dem Adressaten ausreichend Zeit zu geben, das Empfangsbekenntnis zurückzuschicken. Ein nachträglicher Wechsel der Zustellungsart ist zwar grundsätzlich möglich. Unter den gegebenen Umständen stellt er sich aber als unvermittelter, insbesondere nicht auf einer neuen Sachlage beruhender Bruch mit der noch im Schreiben vom 26. Oktober 2015 bestätigten Verfahrensweise dar. Es hätte hier ohne wesentliche Gefährdung des Zustellungserfolgs wenige Tage zugewartet werden können, ob die Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden auf die Aufforderung vom 26. Oktober 2015 zur Rücksendung des Empfangsbekenntnisses reagieren.
Im Übrigen wären die Auslagen bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden, so dass sie auch gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG bzw. § 9 PatKostG nicht erhoben werden dürfen.
Die Kostenrechnung vom 13. Januar 2016 war folglich aufzuheben.
Me

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