Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren – “Gelbe Seiten” – offensichtliche Unzulässigkeit und Unbegründetheit der Anhörungsrüge – zur Kostenentscheidung

Aktenzeichen  27 W (pat) 211/09

Datum:
28.7.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
Art 103 GG
§ 71 Abs 1 S 1 MarkenG
§ 82 Abs 1 MarkenG
§ 83 Abs 2 Nr 3 MarkenG
§ 89a MarkenG
§ 321a Abs 1 ZPO
§ 2 Abs 1 PatKostG
Spruchkörper:
27. Senat

Verfahrensgang

vorgehend BPatG München, 9. März 2010, Az: 27 W (pat) 211/09

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 396 44 690
(hier Löschungsverfahren S 368/07 und S 47/08)
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) durch… am 28. Juli 2010
beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Beschwerdegegnerin zu 1) wird als unzulässig verworfen.
Die Beschwerdegegnerin zu 1) trägt die durch die Anhörungsrüge entstandenen Kosten einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin.

Gründe

I.
1
Mit Schriftsatz vom 9. Juni 2010 hat die Beschwerdegegnerin zu 1) gegen den Beschluss des Senates vom 9. März 2010 eine Anhörungsrüge erhoben, die sie im Wesentlichen darauf gestützt hat, der Senat habe in der mündlichen Verhandlung nicht darauf hingewiesen, dass er bei der Beurteilung der originären Unterscheidungskraft der Streitmarke von einer früheren Entscheidung (27 W (pat) 6/09, Beschluss vom 06.04.2009 – GelbeSeiten ShoppingGuide) abweichen werde und im Übrigen aus ihrer Sicht wesentlichen Vortrag der Beschwerdegegnerin zu 1) nicht ausreichend berücksichtigt, insbesondere dass der Begriff “Gelbe Seiten” aufgrund der beschreibenden Verwendung in den USA und aller Herausgeber von Branchenverzeichnissen weltweit bereits im Zeitpunkt der Anmeldung der Streitmarke freihaltungsbedürftig gewesen sei, aus verfassungsrechtlichen Gründen die Monopolstellung der Markeninhaberin zu berücksichtigen sei und die als Beleg der Verkehrsdurchsetzung vorgelegten Gutachten über wesentliche Mängel verfügt hätten.
2
Die Beschwerdegegnerin zu 1) beantragt daher,
3
das Verfahren fortzusetzen.
4
Die Beschwerdeführerin beantragt,
5
die Anhörungsrüge der Beschwerdegegnerin zu 1) als unzulässig zu verwerfen.
6
Sie ist der Anhörungsrüge entgegen getreten, weil sie zum einen unzulässig sei und zum anderen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht ersichtlich sei; sämtliche entscheidungsrelevanten Fragen seien bereits schriftsätzlich ausführlich vorbereitet und in der mündlichen Verhandlung eingehend erörtert worden.
7
Die Beschwerdegegnerin zu 2) hat sich zum Berichtigungsantrag nicht geäußert.
II.
8
Der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens ist als unzulässig zu verwerfen.
9
§ 89 a MarkenG, welcher bei einem Verstoß des rechtlichen Gehörs eine Fortsetzung des Verfahrens vorsieht, ist für Verfahren des Bundespatentgerichts nicht anwendbar. Diese Vorschrift gilt vielmehr, wie sich bereits aus seiner Zugehörigkeit zum allein das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof betreffenden Abschnitt 6 des MarkenG ergibt, ausschließlich für die Fortsetzung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens vor dem Bundesgerichtshof. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf Verfahren vor dem Bundespatentgericht fehlt es an einer Regelungslücke. Ziel der Fortsetzung des Verfahrens bei Verletzung des rechtlichen Gehörs ist es nämlich allein, möglichen Verfassungsbeschwerden wegen Verstoßes gegen Art. 103 GG, die nur bei Erschöpfung des Rechtsweges zulässig sind, vorzubeugen (vgl. BVerfGE 107, 335). Da gegen Entscheidungen des Bundespatentgerichts bei Versagung des rechtlichen Gehörs jedoch stets die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG eröffnet ist, welche ausreichend Gewähr zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bietet, fehlt es an einer Regelungslücke, welche mittels der Analogie zu § 89 a MarkenG gefüllt werden könnte.
10
Aus demselben Grund sind auch die Voraussetzungen für eine Fortsetzung des Verfahrens nach § 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 321 a Abs. 1 ZPO nicht erfüllt (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9.Aufl. 2009, § 82 RdNr. 11).
11
Damit erweist sich der Antrag der Beschwerdegegnerin zu 1) bereits als offensichtlich unzulässig, so dass er zu verwerfen war.
12
Ungeachtet der Unzulässigkeit wäre der Antrag aber auch unbegründet gewesen. Soweit die Beschwerdegegnerin zu 1) behauptet, sie sei in der mündlichen Verhandlung nicht auf die frühere Entscheidung des Senats hingewiesen worden, ist dies schon unzutreffend; vielmehr war, wie dies in der seitens der Beschwerdegegnerin zu 1) unwidersprochenen gebliebenen Hinweis des Berichterstatters vom 22.06.2010 mitgeteilt worden war, auf die Abweichung der Beurteilung des Senats über die originäre Unterscheidungskraft der Streitmarke im zu verhandelnden Fall von der früheren Entscheidung in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich aufmerksam gemacht worden. Darüber hinaus hat die Beschwerdegegnerin zu 1) in ihrem Schriftsatz vom 15. Juli 2010 selbst mitgeteilt, dass ihr die frühere Entscheidung des Senats aufgrund des Zitats der Beschwerdeführerin bei der mündlichen Verhandlung bekannt gewesen war. Dann hätte es auch ohne der tatsächlich erfolgten Mitteilung über die Abweichung von der früheren Entscheidung keiner intellektuellen Anstrengungen seitens der Beschwerdegegnerin zu 1) bedurft, um zu erkennen, dass der Senat bei der von ihm in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich mitgeteilten, sich im Beschluss vom 9. März 2010 wiederfindenden Einschätzung der originären Unterscheidungskraft von der früheren Entscheidung abweichen wird.
13
Auch die übrigen Rügen hätten selbst bei Zulässigkeit des Antrags der Beschwerdegegnerin zu 1) eine Fortsetzung des Verfahrens nicht begründen können. Die Frage des Freihaltungsbedürfnisses ist – ebenso wie die Frage der Unterscheidungskraft – im Beschluss ausführlich erörtert worden, wobei sowohl das von der Beschwerdegegnerin zu 1) vorgetragene Argument der Monopolstellung (vgl. Seite 18 f. des Beschlusses) als auch die nach Ansicht der Beschwerdegegnerin zu 1) angebliche beschreibende Verwendung des Begriffs “Gelbe Seiten” in den USA und in anderen Ländern (vgl. Seite 19 des Beschlusses) in der diesen Argumenten aufgrund ihrer Bedeutung zukommenden Weise gewürdigt worden war. Auch das Vorbringen zur angeblichen Nichtberücksichtigung ihrer Einwände zur Verkehrsdurchsetzung begründet keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Hiergegen spricht schon, dass es sich bei den Ausführungen im Beschluss zur Verkehrsdurchsetzung um obiter dicta handelte; denn der Löschungsantrag der Beschwerdegegnerin zu 1) war vom Senat bereits ungeachtet der Frage einer möglichen Verkehrsdurchsetzung der Streitmarke für unbegründet erachtet worden, weil der Streitmarke zum Anmeldezeitpunkt weder die Unterscheidungskraft fehlte noch sie freihaltungsbedürftig war. Ungeachtet dessen war im Beschluss ausgeführt worden, dass sich nach Ansicht des Senats eine Verkehrsdurchsetzung bereits ohne Berücksichtigung des Gutachtens der T… GmbH aufgrund der übrigen Unterlagen ergeben hatte; dementsprechend waren Ausführungen zu den von der Beschwerdegegnerin zu 1) angeblich behaupteten Mängeln mangels Entscheidungserheblichkeit entbehrlich, worauf im Beschluss auch ausdrücklich hingewiesen wird (vgl. Seite 26 unter Buchst. cc) des Beschlusses).
14
Die Kostenentscheidung folgt aus § 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. Nr. 403 100 GebVerz zu § 2 Abs. 1 PatKostG sowie aus § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG. Da die Anhörungsrüge sowohl nach allg. M. unzulässig als auch offensichtlich unbegründet war und dies für die Beschwerdegegnerin zu 1) bei einem Mindestmaß an rechtlicher Prüfung ohne Mühe hätte erkennbar sein können, entspricht es der Billigkeit, dieser nicht nur die kraft Gesetzes ohnehin von ihr zu tragenden Gerichtskosten sondern auch die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin, soweit sie durch die Anhörungsrüge entstanden sind, aufzuerlegen; denn wegen der offensichtlichen Erfolglosigkeit ihres Antrages – zumal nach entsprechendem Hinweis des Berichterstatters – steht zu vermuten, dass die Beschwerdegegnerin zu 1) mit ihrem Antrag weniger (vermeintliche) prozessuale Rechte geltend machen wollte, sondern vielmehr eine Behinderung und Schädigung der Verfahrensgegnerin bezweckte.

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