Aktenzeichen 29 W (pat) 548/13
Verfahrensgang
vorgehend BPatG München, 21. März 2014, Az: 29 W (pat) 548/13, Beschluss
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2010 048 503
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 14. März 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber und der Richterinnen Akintche und Seyfarth
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Juli 2013 ist wirkungslos, soweit dem Widerspruch gegen die angegriffene Marke 30 2010 048 503 aus der Unionsmarke 003 105 277 stattgegeben worden ist.
2. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenauferlegung wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Mit Beschluss vom 11. Juli 2013 hat die Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes auf den Widerspruch aus der Marke UM 003 105 277 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke 30 2010 048 503 angeordnet und den Widerspruch aus der Marke UM 008 158 883 zurückgewiesen. Gegen die Löschungsentscheidung hat der Markeninhaber form- und fristgerecht Beschwerde, die Widersprechende Anschlussbeschwerde eingelegt.
2
Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdegegnerin und Anschlussbeschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 18. Januar 2018 den Widerspruch aus der Marke UM 003 105 277 zurückgenommen.
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Mit Schriftsatz vom 19. Januar 2018 beantragt der Beschwerdeführer,
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1. in analoger Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 ZPO die Wirkungslosigkeit des Beschlusses der Markenstelle für Klasse 35 des DPMA vom 11. Juli 2013 insoweit festzustellen, als dem Widerspruch stattgegeben worden ist,
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2. der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
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Er ist der Auffassung, durch die Widerspruchsentscheidung könne ein falscher Rechtsschein bzw. Unsicherheit über die vermeintliche Löschungsreife der angegriffenen Marke entstehen, weshalb ein Rechtsschutzbedürfnis für den Feststellungsantrag bestehe.
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Zu dem Kostenantrag führt der Beschwerdeführer aus, die Widersprechende habe den Widerspruch in reiner Behinderungsabsicht geführt und ihn trotz fehlender Erfolgsaussichten zunächst aufrechterhalten. Obwohl die Widerspruchsmarken im Laufe des Widerspruchsverfahrens aufgrund von Löschungsverfahren wegen Nichtbenutzung fast vollständig gelöscht worden seien, und trotz des Hinweises des Gerichts vom 6. Dezember 2017 habe die Widersprechende den Widerspruch nicht unverzüglich zurückgenommen, sondern erst nach Ablauf der vom Gericht gesetzten Stellungnahmefrist. Damit sollte der Beschwerdeführer zu einer weiteren Stellungnahme veranlasst werden, um noch weiteren wirtschaftlichen Aufwand für ihn zu produzieren. Dieses Verhalten sei mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren.
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Die Beschwerdegegnerin hat sich zu den Anträgen nicht geäußert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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1. Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 ZPO war auszusprechen, dass der angefochtene Beschluss wirkungslos ist (vgl. BGH GRUR 1998, 818 – Puma).
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Wird ein noch anhängiger Widerspruch zurückgenommen, ist dem Widerspruchsverfahren die Grundlage entzogen (BGH a. a. O. – Puma). Die Rücknahme führt zur Beendigung des Beschwerdeverfahrens, wodurch auch die – unselbständige – Anschlussbeschwerde wirkungslos wird (vgl. Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG 12. Auflage, § 66 Rn. 56). Eine bereits ergangene Entscheidung des DPMA oder des BPatG über diesen Widerspruch wird damit gemäß § 269 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG wirkungslos, ohne dass es ihrer Aufhebung bedarf. Gemäß § 269 Abs. 4 ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG entscheidet das Gericht auf Antrag über diese Wirkung durch (deklaratorischen) Beschluss.
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Für den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Wirkungslosigkeit des Beschlusses der Markenstelle besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis, da dem Widerspruch teilweise stattgegeben und die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist. Der Beschluss würde sich im Falle seiner Wirksamkeit materiell unmittelbar auf den Bestand der angegriffenen Marke und formell auf den Registerstand auswirken. Der Beschwerdeführer hat ein schutzwürdiges Interesse daran, den Rechtsschein dieser wirkungslosen Entscheidungen zu beseitigen, worin der Zweck eines Beschlusses nach § 269 Abs. 4 ZPO liegt.
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2. Der Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, ist auch nach der Rücknahme des Widerspruchs durch die Widersprechende zulässig (§ 71 Abs. 4 MarkenG), hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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a) Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst trägt, § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG. Eine Abweichung von diesem Grundsatz kommt nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG nur dann in Betracht, wenn dies der Billigkeit entspricht. Das Gesetz knüpft damit die Kostenerstattung nicht generell an den Ausgang des Verfahrens an, sondern sieht eine solche nur in den Fällen vor, in denen die Anwendung des Grundsatzes der eigenen Kostentragung wegen besonderer Umstände unbillig erscheint. Solche besonderen Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist zum Beispiel auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse an dem Erhalt oder Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht und dadurch dem Verfahrensgegner vermeidbare Kosten aufbürdet (vgl. BGH GRUR 1972, 600 – Lewapur; BPatG, Beschluss vom 28.07.2016, 29 W (pat) 504/15 – Vital You!®/VITAL/VITAL regional; Beschluss vom 21.07.2016, 24 W (pat) 31/14 – MEDISKIN/ medi/mediven/medi WIN; Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 71 Rn. 13; Ingerl/ Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 71 Rn. 17).
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Dabei ist stets ein strenger Maßstab anzulegen, der dem Umstand Rechnung trägt, dass die Kostentragung aus Billigkeitsgründen nur ausnahmsweise bei einem sorgfaltswidrigen Verhalten in Betracht kommt. Demnach ist also der Verfahrensausgang in der Hauptsache für sich genommen kein Grund, einem Beteiligten Kosten aufzuerlegen (BGH, a. a. O. – Lewapur). Gleiches gilt für die Rücknahme eines Widerspruchs, Löschungsantrags oder der Beschwerde (BPatG Mitt. 2003, 221 – Rücknahme des Löschungsantrages). Denn es entspricht dem Recht auf gerichtliche Kontrolle (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG), auch bislang anerkannte Rechtsprechungsgrundsätze einer (erneuten) gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen. Selbst eine einheitliche entgegenstehende Entscheidungspraxis reicht dann nicht aus, Kosten wegen des Betreibens aussichtsloser Verfahren aufzuerlegen (BPatG 27 W (pat) 74/14 – BLÄTTERPDF; Mitt. 2010, 529 – Igel plus).
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b) Besondere Umstände, die ein Abweichen von der als Regelfall vorgesehenen eigenen Kostentragung nach § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG rechtfertigen würden, liegen hier nicht vor.
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Die Rücknahme des Widerspruchs rechtfertigt – wie dargelegt – für sich gesehen keine Kostenauferlegung, was bereits aus der Vorschrift des § 71 Abs. 4 MarkenG folgt. Auch die Tatsache, dass die Rücknahme des Widerspruchs nicht unmittelbar auf den gerichtlichen Hinweis vom 6. Dezember 2017, sondern erst am 18. Januar 2018 erfolgt ist, lässt keine Verletzung der prozessualen Sorgfaltspflicht erkennen. Es stand der Beschwerdegegnerin zu, die vom Senat gesetzte Frist für eine mögliche Stellungnahme auszuschöpfen, um eine Entscheidung zu treffen.
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Wegen der hochgradigen Ähnlichkeit der Vergleichszeichen und zumindest entfernter Ähnlichkeit der zu berücksichtigenden Dienstleistungen kann eine markenrechtlich relevante Ähnlichkeit nicht von vorneherein und offenkundig ausgeschlossen werden kann. Die Widersprechende hat auf die bezüglich der Widerspruchsmarke zulässig erhobene Nichtbenutzungseinrede Benutzungsunterlagen vorgelegt. Die Bejahung einer Verwechslungsgefahr hängt vorliegend von der Bewertung der Glaubhaftmachungsunterlagen und dem Grad der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ab. Im Streitfall war somit weder von einer ersichtlich fehlenden Marken- oder Dienstleistungsähnlichkeit noch von einem nicht ernsthaften Glaubhaftmachungsversuch einer rechtserhaltenden Benutzung auszugehen.
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Auch der Ausgang der vor den Zivilgerichten gegen die Widerspruchsmarke anhängigen Löschungsverfahren hindert die Widersprechende nicht daran, die Frage der Verwechslungsgefahr darüber hinaus einer gerichtlichen Überprüfung durch das Bundespatentgericht zu unterziehen. Ein Verstoß gegen die prozessuale Sorgfaltspflicht ist daher nicht erkennbar.
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Der Kostenantrag musste daher erfolglos bleiben.