Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren – “Kaleido” – Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  29 W (pat) 40/09

Datum:
12.6.2013
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 89 Abs 4 S 2 MarkenG
Spruchkörper:
29. Senat

Verfahrensgang

vorgehend BPatG München, 21. September 2011, Az: 29 W (pat) 40/09vorgehend BGH, 22. Dezember 2012, Az: I ZB 72/11

Tenor

In der Beschwerdesache

…       
betreffend die Marke 306 52 708
(Löschungsverfahren S 261/08)
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 12. Juni 2013 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker sowie der Richterinnen Kortge und Uhlmann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Für die Beschwerdegegnerin ist seit dem 28. Februar 2007 die Wortmarke „Kaleido“ unter der Nummer 306 52 708 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen für die Waren und Dienstleistungen der
2
Klasse 16: Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);
3
Klasse 28: Spiele, Spielzeug;
4
Klasse 35: Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung, auch im Rahmen von e-commerce.
5
Die Beschwerdeführerin hat am 21. August 2008 beim DPMA die Löschung der Marke beantragt mit der Begründung, diese sei nicht unterscheidungskräftig und freihaltebedürftig, weil die Bezeichnung „Kaleido“ eine übliche Abkürzung der Sachbezeichnung „Kaleidoskop“ sei.
6
Mit Beschluss vom 31. August 2009 hatte die Markenabteilung 3.4 des DPMA den Löschungsantrag zurückgewiesen. Diese Entscheidung hatte der Senat auf die Beschwerde der Antragstellerin mit Beschluss vom 21. September 2011 aufgehoben, soweit der Löschungsantrag für die Ware der Klasse 28 „Spielzeug“ zurückgewiesen worden war und insoweit das DPMA angewiesen, die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
7
Diese Löschung hat die Markeninhaberin im zugelassenen Rechtsbeschwerdeverfahren angegriffen.
8
Mit Beschluss vom 22. November 2012 hat der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Senats aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen. Das Bundespatentgericht habe nicht festgestellt, dass die Bezeichnung „Kaleido“ eine gebräuchliche Bezeichnung oder Werbeaussage einer im Inland bekannten Fremdsprache sei. Es sei vielmehr davon ausgegangen, dass der Begriff „Kaleido“ in der deutschen Sprache weder als Wort noch als Abkürzung lexikalisch nachweisbar und die Bedeutung dieses aus griechischen Wörtern zusammengesetzten Wortes nicht sehr bekannt sei. Dass der fast gleichlautende und fast gleich geschriebene englischsprachige Begriff „kaleidoscope“ mit „kaleido“ abgekürzt werde, habe keinen Einfluss auf das allein maßgebliche inländische Sprachverständnis. Die getroffenen Feststellungen belegten auch keine tatsächliche Benutzung des Markenwortes als Abkürzung für Kaleidoskope oder deren spezifische Eigenschaften im deutschen Sprachraum. Entweder werde es für ein Programm (sog. App) mit einem digitalen Kaleidoskop für Smartphones als Produktname benutzt oder die als Beleg beschreibender Verwendung angeführten Internetseiten seien nicht geeignet, das inländische Verkehrsverständnis zu prägen. Die Annahme, der Verkehr werde die angegriffene Bezeichnung ohne weiteres als Angabe für „Kaleidoskop“ erkennen, weil sich „Kaleido“ in der deutschen Sprache stets nur auf „Kaleidoskop“ beziehen könne, berücksichtige nicht, dass das Kunstwort „Kaleido“, wie das DPMA festgestellt habe, für ein Kraftfahrzeug, eine Damenuhr und einen Internetshop kennzeichenmäßig verwendet werde. Das Entfallen der Endsilbe „skop“, die auf ein dem Durchschnittsverbraucher bekanntes Gerät zur optischen Betrachtung hindeute, sei nicht nur eine geringfügige Abweichung vom warenbeschreibenden Begriff „Kaleidoskop“, sondern stelle einen wesentlichen Bezugspunkt für die Annahme einer konkreten beschreibenden Bedeutung des übrigen Wortbestandteils dar. Sprachwissenschaftliche Erkenntnisse, die auf der Annahme einer assoziativen Ergänzung von als Abkürzung erkannten Begriffen in einem vom Kontext vorgegebenen Sinn beruhen, könnten nicht für die als Rechtsfrage zu beantwortende Beurteilung der Unterscheidungskraft herangezogen werden. Die Annahme, dass der Durchschnittsverbraucher „Kaleido“ in Bezug auf die Ware „Spielzeug“ stets nur als Abkürzung für „Kaleidoskop“ wahrnähme, stehe nicht mit der Lebenserfahrung in Einklang. Auch die in vergleichbarer Weise gebildeten Wörter „Endoskop“, „Horoskop“, „Teleskop“ und „Stethoskop“ würden nicht typischerweise auf „Endo“, „Horo“, „Tele“ und „Stetho“ verkürzt. „Kaleido“ werde für sich genommen als Fantasiebegriff verstanden.
II.
9
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie eine Aufhebung des Beschlusses des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. August 2009 weiterverfolgt, soweit der Löschungsantrag für die Ware „Spielzeug“ in Klasse 28 zurückgewiesen wurde, hat in der Sache keinen Erfolg.
10
Nach der für den erkennenden Senat gemäß § 89 Abs. 4 Satz 2 MarkenG bindenden rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts durch den Bundesgerichtshof fehlt der Marke „Kaleido“ für die Ware „Spielzeug“ in Klasse 28 nicht jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, so dass der angegriffenen Marke weder im Zeitpunkt der Eintragung noch zum Entscheidungszeitpunkt ein absolutes Schutzhindernis entgegenstand.
11
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 22. November 2012 die Frage des Vorliegens eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG umfassend beurteilt.
12
Nach seiner Ansicht handelt es sich bei der angegriffenen Marke „Kaleido“ in Bezug auf die Ware „Spielzeug“ um einen Fantasiebegriff. Die Annahme des Bundespatentgerichts, dass der Durchschnittsverbraucher die Bezeichnung „Kaleido“ auf der Ware „Spielzeug“ stets nur als Abkürzung für „Kaleidoskop“ wahrnehmen werde, auch weil sich „Kaleido“ in der deutschen Sprache stets nur auf „Kaleidoskop“ beziehen könne, steht nach Auffassung des BGH nicht mit der Lebenserfahrung in Einklang. Die angegriffene Bezeichnung werde als reines Kunstwort tatsächlich kennzeichenmäßig benutzt, nämlich für eine App, ein Kraftfahrzeug, eine Damenuhr und einen Internetshop, allerdings nicht für die hier in Rede stehende Ware „Spielzeug“. In einem Rechtsgebiet, das sich wie kein anderes mit den Bedeutungsinhalten sprachlicher Begriffe beschäftigt, können nach Ansicht des BGH sprachwissenschaftliche Erkenntnisse nicht berücksichtigt werden, weil es sich bei der zu beantwortenden Beurteilung der Unterscheidungskraft um eine Rechtsfrage handele. Eine assoziative Ergänzung von als Abkürzung erkannten Begriffen in einem vom Kontext vorgegebenen Sinn durch den Durchschnittsverbraucher, wie z. B. die automatische Ergänzung des Begriffs „Kaleido“ um die Endsilbe „skop“, wenn diese Bezeichnung auf dem Spielzeug „Kaleidoskop“ angebracht ist, darf nach Auffassung des BGH daher nicht angenommen werden.
13
Durch diese abschließende Beurteilung ist für den Senat kein Entscheidungsspielraum mehr gegeben.

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