Patent- und Markenrecht

Patentbeschwerdeverfahren – „Maischgefäß“ – zur Patentfähigkeit – Auslegung eines Patentanspruchs

Aktenzeichen  14 W (pat) 4/11

Datum:
21.10.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 14 PatG
Spruchkörper:
14. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend das Patent DE 100 26 723


hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Maksymiw, des Richters Schell sowie der Richterinnen Dipl.-Chem. Dr. Münzberg und Dipl.-Chem. Dr. Wagner
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 4. November 2010 hat die Patentabteilung 23 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent DE 100 26 723 mit der Bezeichnung
2
„Maischgefäß“
3
aufrechterhalten.
4
Dem Beschluss liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 4 zugrunde, von denen der Patentanspruch 1 wie folgt lautet:
5
„1. Maischgefäß (1) zum Maischen von Wasser und Malzschrot und/oder anderen stärkehaltigen Rohstoffen für die Bierherstellung, mit einem zumindest teilweise im Innern (2) des Maischgefäßes (1) wirkenden Vibrationselement zum mechanischen Erzeugen von Wellen in dem eingefüllten Medium (6) aufgrund einer Vibration des Vibrationselements, dadurch gekennzeichnet, dass das Vibrationselement ein Rüttelstab (7) ist und zusätzlich zu einem Rührwerk (3) angeordnet ist, wobei der Rüttelstab (7) im Innern des Maischgefäßes (2) rüttelnd hin- und herbewegbar ist, und durch den direkten Kontakt des Mediums (6) mit dem Rüttelstab auf unmittelbare Art und Weise eine mechanische Wellenanregung in dem Medium (6) ausgeführt wird.“
6
Die Aufrechterhaltung des Patents wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Maischgefäß des Patentanspruchs 1 unstrittig neu sei und gegenüber dem von der Einsprechenden zitierten Stand der Technik
7
E1 DE 297 13 506 U1
8
E2 DE 960 271 B
9
E3 US 3 814 003 A
10
E4 GB 472 756 A
11
E5 W. Kunze, Technologie Brauer und Mälzer, 8. Auflage, VLB Berlin,
12
 1998, S. 205, 221 bis 223 und 228
13
auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Keine der Druckschriften E1, E2 oder E5 enthalte einen Hinweis, der den gleichzeitigen Einsatz eines Rüttelstabs und eines Rührwerks zur Beschleunigung des Maischprozesses nahe legen würde. Auch eine Zusammenschau der Druckschriften E1, E2 und E5 lasse keine weiteren Aspekte erkennen, die die erfinderische Tätigkeit des im erteilten Patentanspruch 1 beschriebenen Maischgefäßes infrage stellen würden. Darüber hinaus trage auch die weitere, von der Einsprechenden in Betracht gezogene Druckschrift E3 nichts zur patentgemäßen Lösung der gestellten Aufgabe bei. Die Druckschrift E4 liege vom Patentgegenstand weiter ab, da sie nur Phasen- bzw. Reaktionssysteme betreffe, denen Maische nicht zuzurechnen sei.
14
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.
15
Die Einsprechende macht unter weiterer Einbeziehung der Druckschriften
16
E6 DE 973 360
17
E7 GB 478 721
18
E8a SU 1541244 A1 und
19
E8b deutsche Übersetzung von E8a
20
geltend, dass es sich beim Maischvorgang um eine enzymkatalysierte Abbaureaktion in Verbindung mit einem Lösungsvorgang handle. Für den Fachmann sei es daher offensichtlich, dass eine effektivere Durchmischung zu einer erheblichen Verbesserung der Umsetzungsgeschwindigkeit beim Maischvorgang führe. Es liege für ihn folglich auf der Hand, die Maischvorrichtung der E5 mit der in der E2 beschriebenen Vorrichtung zur Kombination von Vibration und Durchwirbelung auszustatten. Dies liege für den Fachmann auch deshalb nahe, weil der Inhalt der E6 bzw. E7 zum Fachwissen eines Durchschnittsfachmannes gehöre und darin ebenfalls auf die vorteilhafte Wirkung von Vibrationen bzw. Schwingungen, die durch mechanische Agitation erzeugt würden, in Verbindung mit dem Maischen hingewiesen werde. In Kenntnis von E5 und E6 bzw. E7 bedürfe es somit keines erfinderischen Zutuns, die Druckschrift E2 heranzuziehen und die Aufgabe im patentgemäßen Sinn zu lösen. Die Einsprechende macht ferner geltend, dass der Inhalt der Druckschrift E8a/E8b dem Streitpatent neuheitsschädlich entgegenstehe, da ein Maischgefäß zum einen nicht zwangsläufig eine Heizung aufweisen müsse, so dass die Druckschrift E8a/E8b ein Maischgefäß im Sinne des Patentanspruchs 1 offenbare. Zum anderen sei im Patentanspruch 1 weder die bauliche Gestaltung noch der Frequenzbereich des darin genannten „Rüttelstabs“ definiert. Demzufolge sei darunter auch der in E8a/E8b beschriebene, im Ultraschallbereich arbeitende Generator zu verstehen. Nach Ansicht der Einsprechenden stehe eine Zusammenschau der Druckschriften E8a/E8b und E2 dem Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 auch im Hinblick auf die fehlende erfinderische Tätigkeit patenthindernd entgegen.
21
Die Einsprechende beantragt,
22
den Beschluss der Patentabteilung 23 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. November 2010 aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
23
Die Patentinhaberin beantragt,
24
die Beschwerde zurückzuweisen.
25
Zur Stütze ihres Vorbringens verweist sie u. a. auf folgende Dokumente
26
Anlage 1 Dissertation von Ralph Schneid am Institut für Biotechnologie
27
der Technischen Universität Berlin, eingereicht am 10. September 2009 Seiten 90 bis 95
28
Anlage 2 Dissertation von Ralph Schneid am Institut für Biotechnologie
29
der Technischen Universität Berlin, eingereicht am 10. September 2009, Seiten 69 bis 71
30
Anlage 3 W. Kunze, Technologie Brauer und Mälzer, 8. Auflage, VLB
31
Berlin, 1998, S. 226 bis 231 (enthält weitere Zitatstellen aus der E5)
32
und trägt im Wesentlichen vor, dass das Maischen eine Kombination aus dem Herauslösen der löslichen und unlöslichen Substanzen aus den Malzpartikeln sowie einem enzymatischen Abbauvorgang darstelle. Zeitlich limitierender Faktor sei dabei somit nicht das Mischen, sondern der Herauslösungsprozess aus den Malzpartikeln sowie der enzymatische Abbauprozess. Durch den zusätzlichen Einsatz einer Vibrationsquelle würden diese Prozesse beim Maischen erfindungsgemäß beschleunigt, was durch die Angaben in den Anlagen A1 und A2 bestätigt werde. Hierfür gebe es im zitierten Stand der Technik jedoch keine Anregung. Bei der E8 handle es sich ferner nicht um neuheitsschädlichen Stand der Technik, denn darin werde kein Maischgefäß zum Maischen von Wasser und Malzschrot entsprechend dem Patentanspruch 1 der Streitpatentschrift verwendet, sondern lediglich ein sog. Vormaischer. Zudem sei der in E8 beschriebene Generator kein als Rüttelstab ausgebildetes Vibrationselement, da dieser aktiv keine Schwingungen ausüben könne.
33
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. Zum Wortlaut der geltenden Patentansprüche 2 bis 4 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
II.
34
Die Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig, sie konnte jedoch nicht zum Erfolg führen.
35
1. Bei den geltenden Patentansprüchen 1 bis 4 handelt es sich um die erteilten Patentansprüche 1 bis 4, die auf die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 7 iVm den Absätzen [0008 und 0013] der Offenlegungsschrift DE 100 26 723 A1 zurückgehen. Die Anspruchsfassung ist auch sonst nicht zu beanstanden.
36
2. Zwischen den Verfahrensbeteiligten besteht Uneinigkeit darüber, ob der im geltenden Patentanspruch 1 verwendete Begriff „Rüttelstab“ eine Vorrichtung zur Erzeugung von Ultraschallwellen mit umfasst und welche Vorrichtungen der Fachmann unter dem darin verwendeten Begriff „Maischgefäß“ versteht.
37
Vor der Beurteilung der Patentfähigkeit des beanspruchten Maischgefäßes ist daher der Sinngehalt des geltenden Patentanspruchs 1 in seiner Gesamtheit unter Heranziehung der den Patentanspruch erläuternden Beschreibung durch Auslegung zu ermitteln. Dabei stellt die Patentschrift im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar (vgl. BGH GRUR 2007, 410, Rn. 18 – Kettenradanordnung; BGH GRUR 1999, 909, LS. 1. und 2. – Spannschraube). Unter Berücksichtigung dessen sind die Begriffe „Rüttelstab“ und „Maischgefäß“ folglich so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift versteht (vgl. BGH GRUR 2001, 232 – Brieflocher).
38
Der Fachmann ist vorliegend ein an einer Hochschule ausgebildeter Diplomingenieur der Fachrichtung Brauwesen und Getränketechnologie, der mit der Konstruktion sowie dem Betrieb von Maischgefäßen befasst und vertraut ist und zudem über fundierte Kenntnisse der biochemischen Abläufe beim Maischprozess verfügt.
39
2.1 Dieser Fachmann entnimmt der Streitpatentschrift, dass es sich als vorteilhaft erweist, wenn mit einem als „Rüttelstab“ ausgebildeten Vibrationselement im Inneren des Maischgefäßes Wellen mit einer Frequenz von etwa 12 000 Schwingungen pro Minute, entsprechend einer Frequenz von 200 Hz, erzeugt werden (vgl. DE 100 26 723 B4, Abs. [0032]). Da dem unter Punkt II.2 definierten Fachmann bekannt ist, dass Ultraschallfrequenzen im Bereich von 15 bis 50 kHz liegen, wird er die patentgemäßen Vibrationen somit keinesfalls mit Ultraschall in Verbindung bringen. Zudem wird im Streitpatent ausgeführt, dass der Rüttelstab in der Art eines Betonrüttlers im Medium hin und her bewegt werden kann (vgl. DE 100 26 723 B4, Abs. [0012]). Dieser Aussage entnimmt der Fachmann ebenfalls, dass die patentgemäße Lehre nicht auf höherfrequenten Schwingungen basiert, sondern auf Schwingungen im niederfrequenten Bereich, da Betonrüttler üblicher Weise bei ca. 50 Hz betrieben werden. Ultraschallfrequenzen wird der Fachmann mit dem patentgemäßen Begriff „Rüttelstab“ auch deshalb nicht in Verbindung bringen, weil in der Beschreibung des Streitpatents explizit ausgeführt wird, dass die nach der patentgemäßen Lehre erhaltenen Ergebnisse mit Ultraschall nicht erzielbar sind (vgl. DE 100 26 723 B4, Abs. [0011]). Aufgrund der Beschreibung der Streitpatentschrift wird der Fachmann trotz fehlender Definition des Frequenzbereichs im Patentanspruch 1 somit erkennen, dass mit dem Begriff „Rüttelstab“ keine Vorrichtungen zur Erzeugung von höherfrequenten Ultraschallwellen umschrieben werden, sondern ausschließlich Vorrichtungen, die Vibrationen im niederfrequenten Bereich erzeugen.
40
Eine solche Interpretation des geltenden Patentanspruchs 1 erfordert – entgegen der von der Einsprechenden vertretenen Auffassung – für ein fachlich korrektes Verständnis der darin vermittelten technischen Lehre keine zusätzliche Aufnahme eines definierten Frequenzbereichs. Denn wie die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar ausgeführt hat, handelt es sich bei der in der Streitpatentschrift angegebenen Frequenz von 200 Hz lediglich um einen Richtwert, an dem sich der Fachmann orientieren kann, um eine optimale Frequenz im niederfrequenten Schwingungsbereich zu ermitteln. Die Patentinhaberin hat des Weiteren glaubhaft vorgetragen, dass der Fachmann hiervon auch deshalb ausgeht, weil der „Rüttelstab“ den Angaben in der Streitpatentschrift zur Folge in der Art eines Betonrüttlers bewegt wird, von dem ihm jedoch bekannt ist, dass mit diesem aufgrund von Unwuchten Schwingungen von 200 Hz nicht erreicht werden können, so dass der Fachmann in den 200 Hz auch aus diesem Grund nur eine Bereichsangabe erkennt.
41
In Anbetracht dessen stehen – anders als von der Einsprechenden angenommen – auch die Ergebnisse der nachveröffentlichten Dissertation, die in den Anlagen A1 und A2 ausschnittsweise beschrieben werden, nicht im Widerspruch zu der im geltenden Patentanspruch 1 beschriebenen technischen Lehre, obwohl aus ihnen hervorgeht, dass sich die gewünschten Effekte bei der im Streitpatent explizit angegebenen Frequenz von 200 Hz nicht einstellen, sondern hierfür eine Frequenz von 120 Hz zu bevorzugen ist (siehe Anlage A2, S. 66 bis 69). Diese Aussage steht vielmehr im Einklang mit dem geltenden Patentanspruch 1 in seiner zuvor dargelegten Auslegung, da sie einmal mehr deutlich macht, dass mit dem im geltenden Patentanspruch 1 verwendeten Begriff „Rüttelstab“ keine exakte Frequenz von 200 Hz verbunden ist, sondern damit eine Vielzahl von Schwingungen im niederfrequenten Bereich umschrieben wird. Die mit Verwendung des Begriffs „Rüttelstab“ getroffene Verallgemeinerung ist vorliegend folglich zulässig, da mit ihr nur dem berechtigten Anliegen der Patentinhaberin Rechnung getragen wird, die Erfindung in vollem Umfang zu erfassen und damit sämtliche Energien, die für einen effizienten Aufschluss der Malzpartikel erforderlich sind, zu beanspruchen (vgl. BGH GRUR 2013, 1210, 1. Ls i. V. m. Rn. 15 – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren).
42
2.2 Zu dem im Patentanspruch 1 ebenfalls allgemein verwendeten Begriff „Maischgefäß“ findet der Fachmann im Absatz [0006] der Streitpatentschrift nähere Ausführungen. Aus ihnen geht hervor, dass in Fachkreisen unter dem Oberbegriff „Maischgefäß“ alle Gefäße verstanden werden, die beim Maischen zum Einsatz kommen, unabhängig davon ob hierfür ein Kombinationsgerät wie die Maischbottichpfanne oder einzelne, für die jeweiligen Teilschritte des Maischens geeignete Geräte wie Maischbottich und Maischpfanne verwendet werden (vgl. DE 100 26 723 B4, Abs. [0006]). Der Begriff „Maischgefäß“ ist auch deshalb in diesem Sinne breit auszulegen, weil weder die Beschreibung der Streitpatentschrift noch der geltende Patentanspruch 1 einen Anhaltspunkt dafür liefern, dass das patentgemäße „Maischgefäß“ zwingend zum Erhitzen der Maische und damit für den enzymatischen Abbau der im Malz enthaltenen Stärke geeignet sein muss. Demzufolge sind unter dem im Patentanspruch 1 genannten Begriff „Maischgefäß“ auch solche Gefäße zu verstehen, in denen lediglich das geschrotete Darrmalz und das Brauwasser miteinander zur Maische vermengt werden.
43
3. Das Maischgefäß des geltenden Patentanspruchs 1 mit den Merkmalen
44
M1a Maischgefäß zum Maischen von Wasser und Malzschrot und/oder anderen stärkehaltigen Rohstoffen für die Bierherstellung, mit einem zumindest teilweise im Inneren des Maischgefäßes wirkenden
45
M1b Vibrationselement zum mechanischen Erzeugen von Wellen in dem eingefüllten Medium aufgrund einer Vibration des Vibrationselements,
46
M2 wobei das Vibrationselement ein Rüttelstab ist, der
47
M3 zusätzlich zu einem Rührwerk angeordnet ist,
48
M4a sich im Inneren des Maischgefäßes befindet,
49
M4b rüttelnd hin und her bewegbar ist und durch den direkten Kontakt  des Mediums mit dem Rüttelstab auf unmittelbare Art und Weise  eine mechanische Wellenanregung in dem Medium ausgeführt  wird.
50
ist neu gegenüber der Entgegenhaltung E8a/E8b, da der im geltenden Patentanspruch 1 genannte „Rüttelstab“ entsprechend der Auslegung unter Punkt II.2.1 ein abgrenzendes Merkmal darstellt.
51
Im Maischgefäß der Druckschrift E8a/E8b wird zwar eine Kombination aus einem Rührwerk und einem Vibrationselement verwendet und damit im eingefüllten Medium des Maischgefäßes mechanisch Wellen erzeugt, so dass die bekannte Vorrichtung die patentgemäßen Merkmale M1a, M1b und M3 bis M4b aufweist (vgl. E8b, Anspruch 1). Als Vibrationselement kommt hierbei allerdings ein Generator zum Einsatz. In diesem werden die Stäbe eines Schwingungssystems durch den erzeugten Flüssigkeitsstrom zu Biegeschwingungen in ihrer Eigenfrequenz angeregt (vgl. E8b, S. 3, mittlerer Abs.). Der Generator wird demnach hydrodynamisch betrieben und daher selbst nicht in Bewegung versetzt. Folglich ist der in der Vorrichtung der E8a/E8b verwendete Generator kein Vibrationselement im patentgemäßen Sinn, das als „Rüttelstab“ aufgebaut ist und demzufolge selbst aktiv Schwingungen erzeugt. Außerdem werden mit dem Generator in der Vorrichtung der E8a/E8b ausschließlich Ultraschallschwingungen erzeugt, da außer der damit erzeugten Eigenfrequenz des Schwingungssystems, die im Ultraschallbereich liegt, keine weiteren Schwingungen generiert werden (vgl. E8b, S. 1, zweiter Abs, Z. 6, S. 3, zweiter Abs, Z. 7 von unten i. V. m. Anspruch 1). Wie bereits zuvor unter Punkt II.2.1 ausgeführt, ist der „Rüttelstab“ des patentgemäßen Merkmals M2 jedoch nicht dazu in der Lage höherfrequente Ultraschallschwingungen zu erzeugen, sondern lediglich für die Erzeugung niederfrequenter Schwingungen geeignet. Für das patentgemäße Merkmal M2 findet sich in der E8a/E8b demzufolge keine Offenbarung.
52
Zu einer anderen Beurteilung der Sachlage führt auch der Einwand der Einsprechenden, dass die von einem Generator erzeugten Frequenzen üblicher Weise einstellbar seien und daher mit dem Generator der E8a/E8b auch die niederfrequenten Schwingungen eines patentgemäßen „Rüttelstabes“ erzeugbar seien, nicht. Denn das in der E8a/E8b beschriebene Versetzen der Stäbe in Biegeschwingungen ihrer Eigenfrequenz macht deutlich, dass eine Regulierung der Frequenz beim Vibrationselement der E8a/E8b nicht vorgesehen ist, da die Schwingung der Stäbe in ihrer Eigenfrequenz eine immanente Eigenschaft des betrachteten Schwingungssystems ist und sich diese somit nicht einstellen lässt. Zudem ist in der E8a/E8b nur von Ultraschall und damit von kurzen, punktuell auftretenden Schwingungen, nicht aber von langen, großräumigen mechanischen Schwingungen, wie sie im niederfrequenten Bereich auftreten, die Rede. Auch aus diesem Grund liest der Fachmann somit – anders als von der Einsprechenden angenommen – in der E8a/E8b keinen „Rüttelstab“, wie im patentgemäßen Merkmal M2 angegeben, unmittelbar und eindeutig mit (vgl. BGH GRUR 2009, 382, 2. Ls. i. V. m. Rn. 25 und 26 – Olanzapin).
53
Auch in keiner weiteren, der dem Senat vorliegenden Entgegenhaltungen wird, von der Einsprechenden unbestritten, das patentgemäße Maischgefäß in allen Einzelheiten beschrieben.
54
4. Das Maischgefäß nach Patentanspruch 1 beruht zudem auf erfinderischer Tätigkeit.
55
Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, ein Maischgefäß zur Verfügung zu stellen, das ein zeitsparendes Maischen erlaubt (vgl. DE 100 26 723 B4, Abs. [0008]).
56
Die Aufgabe wird durch das Maischgefäß des geltenden Patentanspruchs 1 mit den unter Punkt II.3 genannten Merkmalen M1 bis M4b gelöst.
57
Zur Lösung der Aufgabe konnte der Fachmann insbesondere von der E8a/E8b ausgehen, da auch mit der in der E8a/E8b beschriebenen Vorrichtung u. a. der Prozess der Verzuckerung der Biermaische beschleunigt werden soll (vgl. E8b, S. 1, erster Abs. und zweiter Abs., Z. 1 bis 4 von unten). E8a/E8b offenbart hierfür ein Maischgefäß, bei dem zum Mischen von zerkleinertem Malz oder ungemälzter Gerste mit Wasser eine Kombination aus Rührwerk und Vibrationselement eingesetzt wird. Im Inneren des Gefäßes kommt das Medium folglich in direkten Kontakt mit einem Rührwerk sowie einem zur Erzeugung von Ultraschallschwingungen geeigneten Generator (vgl. E8b, Anspruch 1 i. V. m. E8a, Fig. 1). Alternativen zu dem hydrodynamisch und damit passiv betriebenen Generator zur Erzeugung von Ultraschallschwingungen, werden in der E8a/E8b allerdings nicht angesprochen (vgl. E8b, S. 3, mittlerer Abs. i. V. m. letzter Abs., erster Satz). Demzufolge liefert die E8a/E8b dem Fachmann keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein zeitsparendes Maischen auch dann möglich ist, wenn – wie in den Merkmalen M2 und M3 des geltenden Patentanspruchs 1 vorgesehen – ein Vibrationselement in Form eines Rüttelstabes zur Erzeugung von energieärmeren, niederfrequenten Schwingungen zusammen mit einem Rührwerk verwendet wird, da in der E8a/E8b hierfür der Einsatz von Ultraschallschwingungen als wesentlich erachtet wird und ein Austausch des Generators somit nicht vorgesehen ist.
58
Der Einsprechenden ist zwar insofern zuzustimmen, als der Fachmann dem in der E8a/E8b im Jahr 1988 propagierten Einsatz von Ultraschall skeptisch gegenüber stehen wird, weil ihm aufgrund seines Fachwissens, wie es in dem aus dem Jahr 1998 stammenden Lehrbuch – das vorliegend als Druckschrift E5 bezeichnet wird – bekannt ist, dass die Rührwerksarbeit bei der Maischarbeit zwar eine große Rolle spielt, ein zu intensives Rühren aber dennoch zu vermeiden ist, da dabei zusätzlich Luft eingetragen wird und an den Maischeteilen Scherkräfte auftreten (vgl. Anlage 3, S. 229, li. Sp. zweiter und vierter Abs.). Die E5 lehrt für eine gute Maischarbeit sowie einen optimalen Kontakt zwischen den Bestandteilen des Malzes und den im Wasser gelösten Enzymen mithin auf die Dimensionierung des Rührwerks sowie die Beheizung der Maischpfanne zu achten (vgl. E5, S. 221, seitenübergreifender Abs. und S. 222, li. Sp. zweiter Abs, erster Satz i. V. m. S. 228, re. Sp. letzter Abs.). Damit bietet die E5 dem Fachmann allerdings keine Veranlassung die Rührwerksarbeit durch den zusätzlichen Eintrag von niederfrequenten Schwingungen zu unterstützen, sondern regt allenfalls eine Optimierung der Rührwerksarbeit an.
59
Anregungen, die in Richtung der patentgemäßen Lösung weisen, erhält der Fachmann auch aus den ebenfalls mit der Bierherstellung befassten Druckschriften E1, E3 und E6 nicht.
60
Aus der E1 ist ihm u. a. eine Vorrichtung zum Aufheizen von Maische bekannt, in der mit einem Ultraschallwandler Ablagerungen während des Aufheizprozesses verhindert werden. Mit dem Ultraschallwandler wird bei dieser Vorrichtung zusätzlich die Freisetzung von Enzymen sowie die Trennung von Spelzen und Korn gefördert (vgl. E1, S. 7, fünfter Abs iVm Anspruch 1). Niederfrequente Schwingungen oder als Rüttelstab ausgebildete Vibrationselemente sind für die Lehre der E1 somit nicht von Belang, so dass die Druckschrift E1 kein Maischgefäß mit den patentgemäßen Merkmalen M2 und M3 nahe zu legen vermag.
61
Bei der Vorrichtung der Druckschrift E3 handelt es sich um einen für das Brauen von Bier geeigneten Tank, in dem das Gären, das Altern sowie die abschließenden Schritte des Brauprozesses durchgeführt werden können (vgl. E3, Anspruch 1 i. V. m. Sp. 2, Z. 56 bis 66). Im Inneren dieses Tanks befindet sich am Boden eine Vorrichtung, mit der Ultraschall oder andere mechanische Wellen erzeugt werden, um damit die abgesetzte Hefe aufzulockern und deren Abfluss aus dem Tank zu unterstützen (vgl. E3, Sp. 6, Z. 24 bis 29). Nachdem diese Vorrichtung somit weder für den Maischvorgang geeignet ist, noch in ihr eine Kombination aus Rührwerk und Vibrationselement vorgesehen ist, erschließen sich dem Fachmann die patentgemäßen Merkmale M2 und M3 auch durch die Angaben in der E3 nicht.
62
Auf den Vorteil niederfrequenter Schwingungen in Kombination mit Rührwerksarbeit, entsprechend den patentgemäßen Merkmalen M2 und M3, weist auch die Druckschrift E6 nicht hin, denn für eine beschleunigte und vervollständigte Verzuckerung bei der Bierherstellung wird darin ebenfalls eine Beaufschlagung der Maische mit Schwingungen von Ultraschallfrequenz als wesentlich erachtet (vgl. E6, S. 1, Z. 1 bis 8 und 14 bis 19 sowie S. 2, Z. 93 bis 99). Verfahren, wie sie vor dem für die E6 maßgeblichen Zeitpunkt verwendeten verwendet worden sind und unter Einsatz von niederfrequenten Schallsendern z.B. beim Umrühren des Malzes in den Maisbottichen durchgeführt wurden, werden in der E6 dagegen als wenig wirkungsvoll beschrieben (vgl. E6, S. 2, Z. 13 bis 28). Damit steht die Lehre der E6 jedoch im Gegensatz zur Lehre des Patentanspruchs 1 gemäß Streitpatent, da der Fachmann einer durch die Anwendung von Ultraschall überholten Technik keine Beachtung schenken und folglich den Einsatz von niederfrequenten Schwingungen in Kenntnis der E6 sogar vermeiden wird.
63
Folglich konnte der Fachmann ausgehend von E8a/E8b, selbst unter weiterer Berücksichtigung einer oder mehrerer der Druckschriften E1, E3 und E6 sowie unter gleichzeitiger Einbeziehung seines Fachwissens, wie es in der Druckschrift E5 wiedergegeben wird, nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Streitpatent gelangen.
64
Auch die Druckschrift E2, die zwar nicht mit den Vorgängen des Maischens aber mit allgemeinen Misch- und Lösungsverfahren befasst ist und daher ebenfalls von dem unter Punkt II.2 definierten Fachmann in Betracht gezogen wird, führt zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage. Das Prinzip der in E2 beschriebenen Vorrichtung zum Beschleunigen von Misch-, Rühr- und ähnlichen Vorgängen basiert darauf, das zu behandelnde Gut Vibrationseinflüssen sowie einer Durchwirbelung auszusetzen (vgl. E2, S. 1, Z. 16 bis 21). Hierfür wird eine kombinierte Vorrichtung aus einem Vibrationsgerät und einem Wirbelgerät vorgeschlagen, wobei die Frequenz des Vibrators variiert werden kann und beide Geräte gleichzeitig betreibbar sind (vgl. E2, S. 1, Z. 29 bis S. 2, Z. 5 und S. 2, Z. 41 bis 44 i. V. m. Ansprüche 1, 2 und 10). Aufgrund der Tatsache, dass der Vibrator der in E2 beschriebenen Vorrichtung nach dem Unwuchtprinzip arbeitet, erkennt der Fachmann des Weiteren, dass damit niederfrequente Schwingungen erzeugt werden (vgl. E2, Anspruch 7 i. V. m. Fig. 2). Es ist zwar zutreffend, dass – wie von der Einsprechenden vorgetragen wurde – in der E2 somit zur Verbesserung von Misch- und Lösungsvorgängen eine Kombination aus niederfrequenten Schwingungen und Rührwerksarbeit empfohlen wird. Auf den speziellen Vorgang des Maischens, wird die Lehre der E2 allerdings nicht übertragen. Das Argument der Einsprechenden, der Fachmann werde unter den allgemeinen Verfahren der E2 auch das Maischen subsumieren, kann daher nicht gefolgt werden, denn selbst enzymatisch katalysierte Vorgänge, wie sie beim Maischen stattfinden, werden in der E2 an keiner Stelle erwähnt. Allein die Tatsache, dass sich in der E2 keine Aussage findet, die den Fachmann davon abhält die Vorrichtung der E2 zur Beschleunigung des Maischprozesses einzusetzen, kann entgegen der Auffassung der Einsprechenden ebenfalls nicht als Indiz dafür gewertet werden, dass das Bereitstellen eines Maischgefäßes mit den patentgemäßen Merkmalen M2 und M3 kein erfinderisches Zutun erfordert. Denn um in der Lehre der E2 einen Lösungsweg erkennen zu können, der für den Fachmann auf der Hand liegt, um von den bisher im Stand der Technik beschritten Wegen bei der Beschleunigung der Maischarbeit abzuweichen, bedarf es geltender Rechtsprechung folgend vielmehr über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Hinweise oder sonstiger Anregungen dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (vgl. BGH GRUR 2009, 746, Ls – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung). Derartige Anregungen oder Hinweise sind der E2 jedoch nicht zu entnehmen. Nachdem sich auch in der zuvor erörterten Druckschrift E8a/E8b keine Hinweise finden, die von dem im Stand der Technik üblichen Einsatz eines Ultraschallschwingungen erzeugenden Generators abraten, vermag somit selbst die von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung wiederholt zitierte Zusammenschau der Entgegenhaltungen E8a/E8b und E2 das Beruhen des mit dem geltenden Patentanspruch 1 beanspruchten Maischgefäßes auf erfinderischer Tätigkeit nicht zu widerlegen.
65
Auch die gleichzeitige Berücksichtigung der weiteren, in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffenen Entgegenhaltungen E4 und E7 führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die in der Druckschrift E4 beschriebenen, mechanisch erzeugten Schwingungen kommen zum einen nicht in Kombination mit einem Rührwerk zum Einsatz, so dass aus der E4 die patentgemäßen Merkmale M2 und M3 nicht abzuleiten sind (vgl. E4, S. 1, Z. 22 bis 33 und 76 bis 81). Zum anderen werden die mechanisch erzeugten Schwingungen in der E4 nur bei chemischen Reaktionen und Extraktionsprozessen verwendet, nicht aber bei enzymatischen Reaktionen (vgl. E4, S. 1, Z. 60 bis 75). Damit fehlt der Lehre der E4 jedoch der Bezug zu dem in Rede stehenden Maischprozess, bei dem die Aktivität der Enzyme von entscheidender Bedeutung ist (vgl. E5, S. 205, re. Sp. unterer gerahmter Abs. i. V. m. S. 228, re. Sp, letzter Abs.).
66
Die Druckschrift E7 spricht zwar davon beim Maischen nach dem Ablassen der Flüssigkeit in die verbleibenden Feststoffe mit einem an einer Platte befestigten Oszillator vertikale Schwingungen einzubringen (vgl. E7, S. 4, Z. 80 bis 94). Von einer Kombination der mechanischen Schwingungen mit der Rührwerksarbeit wird in der E7 jedoch abgeraten, da während des Schwingungseintrages das Rührwerk regelmäßig außer Betrieb genommen wird (vgl. E7, S. 4, Z. 94 bis 96). Eine Anregung oder ein Hinweis darauf, die Maischarbeit entsprechend den patentgemäßen Merkmalen M2 und M3 durch eine Kombination aus Rührwerksarbeit und mechanisch erzeugten, niederfrequenten Schwingungen zu beschleunigen, erhält der Fachmann somit auch aus der E7 nicht.
67
Nach alledem wird die Vorrichtung des geltenden Patentanspruchs 1 vom Stand der Technik nicht nahegelegt.
68
5. Die Vorrichtung des geltenden Patentanspruchs 1 erfüllt somit alle Kriterien der Patentfähigkeit. Der geltende Patentanspruch 1 hat folglich Bestand. Die Patentansprüche 2 bis 4 betreffen besondere Ausführungsformen der Vorrichtung nach Patentanspruch 1 und sind daher mit diesem rechtsbeständig.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

L-1-Visum – Als Experte in die USA

Es gibt etliche Wege, legal in die USA einzureisen. Einer davon ist die Einreise als Experte mit einem Visum für unternehmensinterne Transfers. Es ist als L1-Visum bekannt. Hier erfahren Sie alles über die Visa-Typen, die Beantragung und die Herausforderungen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen