Patent- und Markenrecht

Patentbeschwerdeverfahren – “Mit akustischen Wellen arbeitendes Bauelement mit reduziertem Temperaturgang der Frequenzlage und Verfahren zur Herstellung” – zur Verletzung des rechtlichen Gehörs – Einführung einer neuen Druckschrift in der mündlichen Verhandlung – dem Vertreter der Anmelderin wurde in der Anhörung ausreichend Zeit zur Durchsicht dieser Druckschrift gegeben – keine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör

Aktenzeichen  23 W (pat) 53/17

Datum:
1.2.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:010219B23Wpat53.17.0
Normen:
§ 45 PatG
§ 46 PatG
§ 80 Abs 3 PatG
Spruchkörper:
23. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2010 034 121.5
hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 1. Februar 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Strößner sowie der Richter Dipl.-Phys. Dr. Friedrich, Dipl.-Phys. Dr. Zebisch und Dr. Himmelmann
beschlossen:
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird nicht angeordnet.

Gründe

I.
1
1. Die vorliegende Anmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2010 034 121.5 und der Bezeichnung „Mit akustischen Wellen arbeitendes Bauelement mit reduziertem Temperaturgang der Frequenzlage und Verfahren zur Herstellung“ wurde am 12. August 2010 von der E… AG beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet und am 16. Februar 2012 mit der DE 10 2010 034 121 A1 offengelegt. Gleichzeitig mit der Anmeldung wurde Prüfungsantrag gestellt.
2
2. Die Prüfungsstelle für Klasse H01L hat im Laufe des Prüfungsverfahren zunächst acht Druckschriften als relevanten Stand der Technik eingeführt und in ihren Bescheiden jeweils ausgeführt, dass die Gegenstände der zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden Ansprüche 1 gegenüber diesen Druckschriften auf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruhten (§ 4 PatG) und damit nicht patentfähig seien (§ 1 Abs. 1 PatG).
3
Die Anmelderin hat dem in zwei Eingaben widersprochen, mit denen sie jeweils neue Anspruchssätze eingereicht hat, zuletzt mit der Eingabe vom 11. Mai 2017 drei Anspruchssätze, die als Grundlage eines Hauptantrags und zweier Hilfsanträge dienen sollten.
4
In einer darauffolgenden Anhörung am 31. Mai 2017 haben die Anmelderin und die Prüfungsstelle ihre Ansichten nochmals erläutert. Hierzu hat die Prüfungsstelle als Stand der Technik eine weitere Druckschrift im Verlauf der Anhörung eingeführt. Als Ergebnis der Anhörung, über die nach § 46 Abs. 2 PatG eine Niederschrift angefertigt wurde, die vom Vertreter der Anmelderin genehmigt wurde, hat die Prüfungsstelle die Anmeldung am Ende der Anhörung zurückgewiesen. In ihrer Begründung hat sie ausgeführt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag durch die Zusammenschau zweier der vor der Anhörung genannten Druckschriften nahegelegt und damit nicht patentfähig sei. Letzteres sei auch für die Gegenstände der Ansprüche 1 nach den beiden Hilfsanträgen so, da sie sich für den Fachmann aus der Zusammenschau dieser Druckschriften und der weiteren in der Anhörung eingeführten Druckschrift in naheliegender Weise ergäben.
5
3. Gegen diesen am 7. Juni 2017 zugestellten Beschluss hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 5. Juli 2017, am Tag darauf beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen, Beschwerde eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2017 begründet hat. Mit der Beschwerdebegründung hat sie vier Sätze Patentansprüche als Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 3 eingereicht, wobei die Anspruchssätze des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 und 2 zu den zuletzt im Prüfungsverfahren geltenden Anspruchssätzen gleich sind. In ihrer Beschwerdebegründung hat die Anmelderin zudem angegeben, dass sie durch das ihres Erachtens unakzeptable Verhalten der Prüfungsstelle ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt sehe.
6
4. Der Senat hat zu einer mündlichen Verhandlung am 29. Januar 2019 geladen und in einem Ladungszusatz auf zwei weitere Druckschriften hingewiesen, wovon eine aus dem parallelen japanischen Patentprüfungsverfahren stammt.
7
5. Mit Schriftsatz vom 25. Januar 2019 hat die Anmelderin die Teilung der Anmeldung erklärt. Mit einem weiteren Schriftsatz vom selben Tag hat die Anmelderin mitgeteilt, dass zur angesetzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat kein Vertreter der Anmelderin erscheinen werde. Es wurde eine Entscheidung nach Aktenlage beantragt.
8
6. Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2019 hat die Anmelderin die Zurücknahme der Patentanmeldung gegenüber dem Bundespatentgericht erklärt.
9
Hinsichtlich der sachlichen Einzelheiten des Beschwerdeverfahrens und der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
10
Die Beschwerdegebühr ist nicht zurückzuzahlen.
11
1. Die Anmeldung wurde mit Schriftsatz vom 28. Januar 2019 zurückgenommen. Mit der Rücknahme der Anmeldung ist das Beschwerdeverfahren beendet (vgl. Busse/Keukenschrijver/Engels, Patentgesetz, 8. Aufl. 2016, § 73 Rdn. 180), zumindest aber ist das Erteilungsbeschwerdeverfahren erledigt (vgl. BPatG, Beschluss vom 6. März 2015, 18 W (pat) 78/14, Rdn. 3, juris; Schulte/Püschel, Patentgesetz mit EPÜ, 10. Aufl. 2017, § 73 Rdn. 201; die Beantwortung der Frage, ob die Rücknahme der Anmeldung das Beschwerdeverfahren beendet oder erledigt, kann hier offen bleiben). Nach § 80 Abs. 4 PatG kann das Patentgericht auch dann, wenn die Anmeldung zurückgenommen worden ist, nach § 80 Abs. 3 PatG anordnen, dass die Beschwerdegebühr nach dem Patentkostengesetzes zurückgezahlt wird.
12
2. Die Anmelderin sieht gemäß ihrer Beschwerdebegründung ihr Recht auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass die Prüfungsstelle eine Druckschrift erst in der mündlichen Verhandlung eingeführt hat, ohne dass die Ansprüche in der Anhörung geändert wurden, so dass die Prüfungsstelle offensichtlich diese Druckschrift bereits vorbereitet hatte, ohne sie der Anmelderin vor der Anhörung zu nennen. Dem Vertreter der Anmelderin sei zwar Gelegenheit gegeben worden, die Entgegenhaltung zu studieren, jedoch sei es nicht möglich gewesen, die Entgegenhaltung unter Berücksichtigung der gesamten Offenbarung und im Kontext der weiteren Entgegenhaltungen ausführlich zu studieren. Auch sei es dem Vertreter der Anmelderin nicht möglich gewesen, mit seiner Mandantin in den USA Rücksprache zu halten. Zwar regt die Anmelderin eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht explizit an, doch ist die Rüge dahingehend zu verstehen.
13
3. Gemäß Anhörungsprotokoll vom 31. Mai 2017, das als öffentliche Urkunde gemäß § 415, Abs. 1 ZPO Beweiskraft hat (vgl. Schulte/Rudloff-Schäffer, a. a. O., § 46 Rdn. 51), ist dem Vertreter der Anmelderin nach Einführung der weiteren Druckschrift in der Anhörung ausreichend Zeit zur Durchsicht dieser Druckschrift gegeben worden, was die Anmelderin durch den Zusatz „v.u.g.“ bestätigt hat.
14
Der Prüfungsstelle ist es unbenommen, jederzeit eine neue Druckschrift in das Verfahren einzuführen, auch dann, wenn sich das Patentbegehren nicht geändert hat (vgl. Schulte/Rudloff-Schäffer, a. a. O., § 48 Rdn. 20). Auch der Anmelderin ist es möglich, jederzeit neue Patentansprüche einzureichen. Ziel dieser Vorgehensweise ist es nämlich, ein Patent mit Patentansprüchen zu formulieren, die auch zukünftig Bestand haben, so dass eine bekannt gewordene Druckschrift nicht außer Acht gelassen werden darf, wenn sie die Patentfähigkeit in Frage stellen kann. Der Vertreter der Anmelderin kann jedoch geltend machen, dass er mehr Zeit benötige, um eine Druckschrift genauer zu studieren und auch im Kontext zu bewerten. Dies muss er allerdings in der Anhörung deutlich zu erkennen geben. Insbesondere darf er, wenn er der Ansicht ist, dass hierfür nicht genügend Zeit war, keinen Passus im Anhörungsprotokoll genehmigen, der angibt, dass ausreichend Zeit zur Durchsicht der neu eingeführten Druckschrift gegeben war.
15
Prinzipiell kann der Vertreter der Anmelderin in Fällen, in denen seiner Ansicht nach nicht genügend Zeit zum Erfassen einer Druckschrift zur Verfügung gestellt wurde, mehr Zeit oder auch eine Vertagung der Verhandlung beantragen. Diesem Antrag wird die Prüfungsstelle, sofern es sich nicht um einfache Sachverhalte handelt, nachkommen müssen, so dass es im Interesse der Prüfungsstelle selbst liegt, die Anmelderin über neu einzuführende Druckschriften rechtzeitig in Kenntnis zu setzen. Eines weiteren Bescheids, wie von der Anmelderin gefordert, bedarf es dagegen nicht, denn es steht der Prüfungsstelle frei, ihre Argumentation im Vorfeld schriftlich mitzuteilen oder aber erst in der Anhörung in mündlicher Form, solange nicht auf Grund der Argumentation zu erwarten ist, dass die Anmelderin selbst Recherchen zum Sachverhalt durchführen muss.
16
Ein Recht auf Rückfragen an seine Mandantin hat der Vertreter der Anmelderin dagegen nicht, denn der Vertreter stellt gerade eine fach- und sachkundige Person dar, die an Stelle der Anmelderin zu unabhängigem Handeln befähigt und befugt ist. Es gehört zur Vorbereitung des Vertreters, im Vorfeld der Anhörung mögliche Rückzugspositionen mit der Anmelderin zu erörtern, so dass sich dahingehende Rückfragen erübrigen sollten.
17
4. Zusammengefasst hat die Prüfungsstelle das Recht auf rechtliches Gehör beachtet, auch wenn das Einführen einer weiteren, vorab bekannten Druckschrift in der Anhörung ohne Änderung der Ansprüche als eher ungünstig zu betrachten ist. Jedoch wurde diese Vorgehensweise seitens der Anmelderin durch die Genehmigung des Protokolls durch ihren Vertreter akzeptiert. Damit besteht kein Grund für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr. Dies umso mehr, als Anspruch 1 des Hauptantrags ohne Verwendung der in der Anhörung neu eingeführten Druckschrift zurückgewiesen wurde, und dieser Anspruch 1 als Hauptantrag auch in der Beschwerde weiterverfolgt wurde. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass es auch ohne Einführung der zusätzlichen Druckschrift zu einer Beschwerde gekommen wäre.
18
5. Bei dieser Sachlage war somit die Beschwerdegebühr nicht nach § 80 Abs. 3 PatG zurückzuzahlen, da eine Rückzahlung dem billigen Ermessen nicht entspricht (vgl. Schulte/Püschel, a. a. O., § 80 Rdn. 114).

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