Patent- und Markenrecht

Patentbeschwerdeverfahren – “MOSFET-Vorrichtung” – Bezeichnung der Erfindung ist als Titel der Beschreibung anzugeben und stellt Teil der Beschreibung dar – der Prüfer darf eine Änderung des Beschreibungstitels grundsätzlich nicht ohne Einverständnis des Anmelders vornehmen

Aktenzeichen  7 W (pat) 1/19

Datum:
5.3.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 34 Abs 3 Nr 4 PatG
§ 49 Abs 1 PatG
§ 10 Abs 1 PatV
Spruchkörper:
7. Senat

Leitsatz

MOSFET-Vorrichtung
Die Bezeichnung der Erfindung ist gemäß § 10 Abs. 1 PatV am Anfang der Beschreibung nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 PatG als Titel der Beschreibung anzugeben und stellt damit einen Teil der Beschreibung dar. Der Prüfer darf eine Änderung des Beschreibungstitels grundsätzlich nicht ohne Einverständnis des Anmelders vornehmen.

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 11 2012 005 031.2
hier Beschwerde gegen den Erteilungsbeschluss
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 5. März 2020 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und die Richterin Dr. Schnurr
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Januar 2019 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.
1
Am 30. November 2012 reichte die Anmelderin, u. a. mit Deutschland als Bestimmungsstaat, in englischer Sprache die internationale Anmeldung PCT/US2012/067486 mit der Bezeichnung “Edge Termination for Super Junction MOSFET Devices” ein. Zur Einleitung der nationalen Phase beim Deutschen Patent- und Markenamt übersandte die Anmelderin am 28. Mai 2014 Patentansprüche und Beschreibungsseiten in deutscher Sprache sowie Zeichnungen und gab hierbei als Bezeichnung der Erfindung “Randabschluss für Super-Junction-MOSFET-Vorrichtungen” an. Patentanspruch 1 ist gerichtet auf eine “Super-Junction-Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransistor-(MOSFET)-Vorrichtung, umfassend …”.
2
Auf den Prüfungsbescheid des Patentamts vom 31. August 2018, in dem als Stand der Technik zwei US-Patentanmeldungen als Druckschriften (1) und (2) angegeben sind, legte die Anmelderin am 21. Dezember 2018 neue Patentansprüche 1 bis 17 und überarbeitete Seiten 1 bis 10 und 30 der Beschreibung vor; die Bezeichnung der Erfindung blieb unverändert. Der eingereichte Patentanspruch 1 ist gerichtet auf eine “Super-Junction-Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransistor-(MOSFET)-Vorrichtung, enthaltend …”. Gemäß einer in der patentamtlichen Akte enthaltenen Aktennotiz vom 25. Januar 2019 erklärte sich der Vertreter der Anmelderin telefonisch mit der einfachen Nennung des Stands der Technik und der Bezeichnung der Druckschrift (1) als “gattungsgemäßem Stand der Technik” in der Beschreibung einverstanden.
3
Durch Beschluss vom 29. Januar 2019 hat die Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent erteilt, wobei sie der Erteilung die geänderten Unterlagen vom 21. Dezember 2018 und im Übrigen die Unterlagen vom 28. Mai 2014 zugrunde gelegt hat. Hierbei ist im Patentanspruch 9 ein Semikolon gestrichen worden, das sich zusätzlich im Anschluss an ein Komma hinter dem Wort “ist” befunden hat, und ein einzelner, vor dem Wort “dadurch” befindlicher einzelner Buchstabe “D”. Die Beschreibung ist u. a. wie folgt ergänzt worden: Auf Seite 1 ist die Überschrift “Randabschluss für Super-Junction-MOSFET-Vorrichtungen” ergänzt worden durch die Worte “und Verfahren zu dessen Herstellung”. Auf Seite 2 der Beschreibung sind die Sätze eingefügt worden “Zum gattungsgemäßen Stand der Technik wird auf die Druckschrift US 2007/0 040 217 A1 verwiesen. Zum Stand der Technik wird weiterhin auf die Druckschrift US 2009/0 079 002 A1 verwiesen.”
4
Unter Einreichung neuer Patentansprüche wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde gegen den so ergangenen Beschluss. Sie beantragt sinngemäß,
5
den Erteilungsbeschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Januar 2019 aufzuheben und das Patent im Titel von “Randabschluss für Super-Junction-MOSFET-Vorrichtungen und Verfahren zu dessen Herstellung” zu berichtigen in “Super-Junction-Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransistor-Vorrichtung und Verfahren zu dessen Herstellung” und das Patent mit den neu eingereichten Patentansprüchen 1 bis 18 zu erteilen,
6
und regt an, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
7
Zur Begründung gibt die Anmelderin an, der Titel der Beschreibung sei zu ändern, um ihn an den Gegenstand der Patentansprüche anzugleichen.
8
Auf einen Hinweis des Senats, dass die Beschwerde mangels Beschwer als unzulässig anzusehen sein dürfte, weil der Inhalt des erteilten Patents nicht von dem abweiche, was die Anmelderin beantragt habe, verweist die Anmelderin darauf, dass es nur dann an einer Beschwer fehle, wenn mit der Beschwerde ausschließlich ein neues Begehren verfolgt werde, über das die angefochtene Entscheidung nicht entschieden habe. Diese Ausschließlichkeit sei jedoch nicht gegeben. Die erteilten Patentansprüche, insbesondere Patentanspruch 1, definierten eine “Super-Junction-Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransistor-(MOSFET)-Vorrichtung”. Im Erteilungsbeschluss werde jedoch als Titel ein “Randabschluss für Super-Junction-MOSFET-Vorrichtungen und Verfahren zu dessen Herstellung” angegeben. Da ein Randabschluss für eine Super-Junction-MOSFET-Vorrichtung nicht gleichzusetzen sei mit einer Super-Junction-Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransistor-(MOSFET)-Vorrichtung, weiche der Erteilungsbeschluss inhaltlich von dem Begehren der Anmelderin ab. Zudem bestehe ein Unterschied darin, ob ein Verfahren zur Herstellung eines Randabschlusses oder eine entsprechende Super-Junction-Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransistor-(MOSFET)-Vorrichtung als solche tituliert werde. Im Ergebnis werde daher nicht ausschließlich eine Änderung der erteilten Patentansprüche geltend gemacht.
II.
9
Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache insoweit Erfolg, als der Erteilungsbeschluss ohne Sachentscheidung aufzuheben und die Sache an das Patentamt zurückzuverweisen ist (§ 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG).
10
1. Die gemäß § 73 Abs. 1 PatG statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere hat die Anmelderin mit der im Erteilungsbeschluss vorgenommenen Abänderung des Titels der Beschreibung eine Abweichung vom Erteilungsantrag und damit schlüssig eine Beschwer geltend gemacht. Dies reicht für die Bejahung der Zulässigkeit der Beschwerde aus (vgl. Schulte, PatG, 10. Aufl., § 73 Rdn. 51).
11
2. Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet.
12
Ein Patent darf grundsätzlich nur so erteilt werden, wie es beantragt ist. Jede Änderung der Unterlagen, die nicht nur in geringfügigen redaktionellen Korrekturen wie der Berichtigung von Schreibfehlern oder offenbaren grammatikalischen oder sprachlichen Unrichtigkeiten besteht, setzt das schriftlich erklärte Einverständnis des Anmelders voraus (vgl. Schulte, a. a. O., Einleitung Rdn. 7, § 49 Rdn. 16, m. w. N.).
13
Die Anmelderin hat sich zwar mit den im Erteilungsbeschluss vorgenommenen Änderungen, was die Einfügung des Standes der Technik in die Beschreibung anbelangt, telefonisch einverstanden erklärt; ob dieses Einverständnis der Schriftform bedurft hätte, kann hier dahinstehen, denn diese Änderung wird von der Anmelderin mit der Beschwerde nicht beanstandet. Weitere Änderungen in der Beschreibung wie die Streichung eines ersichtlich überflüssigen Semikolons oder des Buchstabens “D” stellen die Behebung einer offenbaren Unrichtigkeit dar und sind damit grundsätzlich ohne Einverständnis der Anmelderin zulässig.
14
Dies gilt jedoch nicht für die Abänderung des Titels der Beschreibung. Entgegen der Auffassung der Anmelderin kommt es insoweit aber nicht darauf an, ob der Prüfer hier statt der vorgenommenen Ergänzung um das Verfahren – die sichtlich nur deswegen erfolgte, um die Bezeichnung zu vervollständigen, weil die nebengeordneten Ansprüche auf ein Verfahren gerichtet sind – richtigerweise als Titel der Beschreibung die wörtliche Formulierung aus dem Oberbegriff von Patentanspruch 1 hätte vorschlagen sollen. Denn die von der Anmelderin beanstandete Diskrepanz zwischen Titel der Beschreibung und Gegenstand des Patentanspruchs 1 hat von Anfang an, während des gesamten Erteilungsverfahrens vorgelegen, ohne dass die Anmelderin den Titel ihrer Beschreibung, was sie hätte tun können, angepasst hat; auch in ihren zuletzt eingereichten Unterlagen, mit denen sie die Erteilung des Patents beantragt hat, stimmt der Titel der Beschreibung nicht mit der genauen Bezeichnung der Vorrichtung in Patentanspruch 1 überein. Dies ist grundsätzlich auch kein Mangel, denn die Bezeichnung muss nicht zwingend dem Oberbegriff des Hauptanspruchs entsprechen (vgl. Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 34 Rdn. 30 unter Hinweis auf DPA Mitt. 1960, 16). Entscheidend ist hier aber, dass der Prüfer mit der Ergänzung des Beschreibungstitels um das Verfahren eine inhaltliche Änderung an den Erteilungsunterlagen vorgenommen hat, die so mit der Anmelderin nicht abgesprochen war und keine bloß redaktionelle Anpassung darstellt.
15
Die Änderung der Bezeichnung bedarf grundsätzlich der Zustimmung des Anmelders (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 10. Aufl., § 34 Rdn. 73). Die Bezeichnung der Erfindung soll nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 PatV “kurz und genau” sein, nämlich kurz und technisch genau einen Überblick über den Gegenstand der Anmeldung geben (vgl. Busse/Keukenschrijver, a. a. O., § 34 Rdn. 30). Damit mag sie zwar hauptsächlich der Einordnung und Auffindbarkeit der Patentanmeldung bzw. des Patents, mithin Recherchezwecken dienen, zumal sie auch hervorgehoben auf der ersten Seite der Patentschrift als Überschrift erscheint. Umstände, die nicht den Inhalt des Erteilungsbeschlusses bestimmen, sondern allein dem Vollzug der Erteilung dienen wie die Art und Weise der Veröffentlichung des Patents in der Patentschrift, können eine Abweichung vom Erteilungsantrag grundsätzlich nicht begründen (wie z. B die Auswahl der Hauptzeichnung auf Seite 1 der Patentschrift, s. hierzu Senatsbeschluss vom 7. November 2018, 7 W (pat) 16/18 unter II.4; vgl. auch BGHZ 153, 1 – Läägeünnerloage – für die sprachliche Form der Bezeichnung). Die Bezeichnung der Erfindung ist aber auch, wie § 10 Abs. 1 PatV ausdrücklich bestimmt, am Anfang der Beschreibung nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 PatG als Titel anzugeben. Als Beschreibungstitel bildet die Bezeichnung einen Teil der Beschreibung (vgl. z. B die Entscheidungen BPatG, Beschluss vom 6. April 2000, 9 W (pat) 53/98, juris Tz. 22 oder Beschluss vom 20. April 1998, 31 W (pat) 48/96, juris Tz. 16, in denen bei der Auslegung der Beschreibungstext samt Titel in den Blick genommen wird) und gehört in dieser Funktion auch mit zum Inhalt des Erteilungsantrags.
16
Der Prüfer durfte somit die beanstandete Änderung des Beschreibungstitels, der zugleich die Bezeichnung der Erfindung darstellt, nicht ohne Einverständnis der Anmelderin vornehmen. Diese Änderung stellt daher eine Verletzung des Antragsgrundsatzes dar. Aus diesem Grund ist der angefochtene Beschluss aufzuheben, ohne dass der Senat in der Sache selbst entscheidet, § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG. Die Prüfungsstelle wird nunmehr über die Erteilung des Patents nach Maßgabe des von der Anmelderin im Beschwerdeverfahren bzw. im weiteren Verlauf des Erteilungsverfahrens gestellten Antrags erneut zu beschließen haben.
17
3. Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr beruht auf § 80 Abs. 3 PatG. Danach ist die Rückzahlung anzuordnen, wenn dies der Billigkeit entspricht. So liegt der Fall hier. Der angefochtene Beschluss erging unter Verletzung des Grundsatzes der Bindung an den Erteilungsantrag, womit die Anmelderin zugleich auch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden ist. Dieser Verfahrensfehler ist für die Erhebung der Beschwerde (mit)ursächlich gewesen.

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