Aktenzeichen 19 W (pat) 21/19
Tenor
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 10 2015 200 284
…
…
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Ing. J. Müller und Dipl.-Phys. Dr. Haupt
beschlossen:
Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Auf die am 13. Januar 2015 eingereichte Anmeldung ist mit Beschluss vom 31. August 2015 das Patent 10 2015 200 284 mit der Bezeichnung „Bremsvorrichtung für einen beweglichen Türflügel und einen korrespondierenden Türschließer“ erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 29. Oktober 2015 erfolgt.
2
Gegen das Patent haben die beiden Einsprechenden jeweils Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
3
Die Einsprechenden I und II haben übereinstimmend geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 3 und 4 PatG).
4
Die Einsprechende II hat zudem geltend gemacht, dass das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG).
5
Zum Stand der Technik haben die Einsprechenden unter anderem auf die folgenden Druckschriften Bezug genommen:
6
D11 DE 11 2008 002 316 B4
7
D19 DE 10 2011 055 491 A1
8
D23 DE 10 2013 100 321 A1
9
Die Patentinhaberin ist dem Vorbringen der Einsprechenden entgegengetreten und hat beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten gemäß den Hilfsanträgen 0, 1, 1a und 2 bis 5.
10
Das Deutsche Patent- und Markenamt – Patentabteilung 1.23 – hat das Patent mit am Ende einer Anhörung am 6. November 2018 verkündetem Beschluss widerrufen. In der schriftlichen Begründung ist ausgeführt, die Gegenstände der jeweiligen Patentansprüche 1 in den Fassungen nach Hauptantrag sowie gemäß den Hilfsanträgen beruhten nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
11
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin vom 6. März 2019.
12
Die Patentinhaberin beantragt,
13
den Beschluss der Patentabteilung 1.23 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. November 2018 aufzuheben und das Patent 10 2015 200 284
14
mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
15
Patentansprüche 1 bis 15 gemäß Hilfsantrag 1 vom 5. September 2019,
16
Beschreibung und Zeichnungen wie erteilt.
17
hilfsweise,
18
Patentansprüche 1 bis 11 gemäß Hilfsantrag 2 vom 5. September 2019,
19
Beschreibung und Zeichnungen wie erteilt.
20
Die Einsprechenden I und II beantragen übereinstimmend,
21
die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
22
Die Patentansprüche 1 und 15 gemäß Hilfsantrag 1 vom 5. September 2019 lauten:
23
1. Bremsvorrichtung ( 20 ) für einen beweglichen Türflügel ( 5 ) mit einem als Generator betriebenen Elektromotor ( 22 ) dessen Motorwelle ( 24 ) durch eine Bewegung des Türflügels ( 5 ) drehbar ist und an dessen Motorklemmen (K1, K2) eine bewegungsabhängige Motorspannung (u(t)) entsteht, welche an einen Bremsstromkreis ( 18 ) angelegt ist, wobei der Bremsstromkreis ( 18 ) zumindest ein Schaltelement (FET) aufweist, über welches die Motorklemmen (K1, K2) kurzschließbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass eine Auswerte- und Steuereinheit ( 11 ) über das Schaltelement (FET) eine Pulsweitenmodulation des Motorstroms (i(t)) durchführt und eine wirksame Bremskraft zur Dämpfung der Bewegung des Türflügels ( 5 ) einstellt, wobei
24
die Auswerte- und Steuereinheit ( 11 ) die Dämpfung der Bewegung des Türflügels ( 5 ) in Abhängigkeit von einer aktuellen Bewegungsrichtung und/oder einer aktuellen Geschwindigkeit und/oder eines aktuellen Öffnungswinkels des Türflügels ( 5 ) einstellt und wobei
25
die Auswerte- und Steuereinheit ( 11 ) die Dämpfung der Schließbewegung des Türflügels ( 5 ) über die Pulsweitenmodulation des Motorstroms (i(t)) in Abhängigkeit von der aktuellen Geschwindigkeit und/oder des aktuellen Öffnungswinkels des Türflügels ( 5 ) so regelt, dass eine vorgegebene Schließzeit erreicht wird.
26
15. Türschließer ( 1 ) mit einem mechanischen Energiespeicher ( 28 ), welcher durch manuelles Öffnen des Türflügels ( 5 ) mit potentieller Energie aufladbar ist, welche den losgelassenen Türflügel ( 5 ) schließt, und einer Bremsvorrichtung ( 20 ), welche die Bewegung des Türflügels ( 5 ) dämpft, dadurch gekennzeichnet, dass die Bremsvorrichtung nach mindestens einem der Ansprüche 1 bis 14 ausgeführt ist.
27
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 vom 5. September 2019 lautet:
28
1. Türschließer ( 1 ) mit einem mechanischen Energiespeicher ( 28 ), welcher durch manuelles Öffnen des Türflügels ( 5 ) mit potentieller Energie aufladbar ist, welche den losgelassenen Türflügel ( 5 ) schließt, und einer Bremsvorrichtung ( 20 ), welche die Bewegung des Türflügels ( 5 ) dämpft, wobei die Bremsvorrichtung ( 20 ) einen als Generator betriebenen Elektromotor ( 22 ) umfasst, dessen Motorwelle ( 24 ) durch eine Bewegung des Türflügels ( 5 ) drehbar ist und an dessen Motorklemmen (K1, K2) eine bewegungsabhängige Motorspannung (u(t)) entsteht, welche an einen Bremsstromkreis ( 18 ) angelegt ist, wobei der Bremsstromkreis ( 18 ) zumindest ein Schaltelement (FET) aufweist, über welches die Motorklemmen (K1, K2) kurzschließbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass eine Auswerte- und Steuereinheit ( 11 ) über das Schaltelement (FET) eine Pulsweitenmodulation des Motorstroms (i(t)) durchführt und eine wirksame Bremskraft zur Dämpfung der Bewegung des Türflügels ( 5 ) einstellt, wobei die Auswerte- und Steuereinheit ( 11 ) die Dämpfung der Bewegung des Türflügels ( 5 ) in Abhängigkeit von einer aktuellen Bewegungsrichtung und einer aktuellen Geschwindigkeit und eines aktuellen Öffnungswinkels des Türflügels ( 5 ) einstellt und wobei
29
(a) die Auswerte- und Steuereinheit ( 11 ) die Öffnungsbewegung des Türflügels ( 5 ) über die Pulsweitenmodulation des Motorstroms (i(t)) dämpft, wenn der aktuelle Öffnungswinkel des Türflügels ( 5 ) einen vorgegebenen Öffnungswinkelgrenzwert überschreitet und wobei
30
(b) die Auswerte- und Steuereinheit ( 11 ) die Dämpfung der Schließbewegung des Türflügels ( 5 ) über die Pulsweitenmodulation des Motorstroms (i(t)) in Abhängigkeit von der aktuellen Geschwindigkeit und/oder des aktuellen Öffnungswinkels des Türflügels ( 5 ) so regelt, dass eine vorgegebene Schließzeit erreicht wird,
31
wobei Parameter und/oder Grenzwerte zur Dämpfung der Bewegung des Türflügels ( 5 ) in einem nichtflüchtigen Speicher ( 19 ) gespeichert sind und der nichtflüchtige Speicher ( 19 ) im stromlosen Zustand der Bremsvorrichtung ( 20 ) mittels RFID oder NFC beschreibbar ist.
32
Zum Wortlaut der auf die jeweiligen Patentansprüche 1 rückbezogenen Ansprüche und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
33
1. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Patentinhaberin hat keinen Erfolg, denn im Ergebnis hält die Entscheidung der Patentabteilung 1.23 der Überprüfung stand.
34
2. Der Einspruch ist zulässig (§ 59 Abs. 1 PatG), insbesondere ist er fristgerecht eingegangen sowie ausreichend substantiiert.
35
3. Das Streitpatent betrifft eine Bremsvorrichtung für einen beweglichen Türflügel und einen mit einer solchen Bremsvorrichtung ausgestatteten Türschließer (Bezeichnung und Absatz 0001).
36
Laut Streitpatent sind aus dem Stand der Technik Türschließer für bewegliche Türflügel mit einem mechanischen Energiespeicher und einer Bremsvorrichtung bekannt und weit verbreitet. Beim manuellen Öffnen des Türflügels werde der mechanische Energiespeicher, beispielsweise als Feder ausgeführt, mit potentieller Energie aufgeladen, welche den losgelassenen Türflügel wieder schließt. Die Schließgeschwindigkeit selbst werde in der Bremsvorrichtung beispielsweise durch Öl in einem Dämpfer gedämpft. Allerdings sei die Schließgeschwindigkeit des Türflügels mit Ventilen nur in Grenzen einstellbar. Beispielsweise könnten Funktionen, welche von der aktuellen Geschwindigkeit des Türflügels abhängen, nur aufwändig realisiert werden. Auch gestalte sich die Regelung der Schließgeschwindigkeit, beispielsweise auf eine gewünschte Schließzeit des Türflügels, als schwierig. Insbesondere ändere sich bei Änderung der Temperatur des Dämpferöls oder der Reibungsverhältnisse im Türschließer auch die Schließzeit (Absatz 0002).
37
Weiterhin sei aus dem Stand der Technik ein Antrieb zum Betätigen eines beweglichen Türflügels mit einer gattungsgemäßen Bremsvorrichtung bekannt, welche einen als Generator betriebenen Elektromotor umfasse, dessen Motorwelle durch eine Bewegung des Türflügels drehbar sei und an dessen Motorklemmen eine bewegungsabhängige Motorspannung entstehe, welche an einen Bremsstromkreis angelegt sei, wobei der Bremsstromkreis zumindest ein als Feldeffekttransistor (FET) ausgeführtes Schaltelement aufweise, über welches die Motorklemmen kurzschließbar seien (Absatz 0003).
38
Der Erfindung liegt laut Streitpatent die Aufgabe zugrunde, eine Bremsvorrichtung für einen beweglichen Türflügel und einen korrespondierenden Türschließer anzugeben, welche eine verbesserte Einstellung der Schließgeschwindigkeit des Türflügels ermöglichen (Absatz 0004).
39
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 vom 5. September 2019 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
40
a) Bremsvorrichtung (20) für einen beweglichen Türflügel (5)
41
b) mit einem als Generator betriebenen Elektromotor (22)
42
c) dessen Motorwelle (24) durch eine Bewegung des Türflügels (5) drehbar ist und
43
d) an dessen Motorklemmen (K1, K2) eine bewegungsabhängige Motorspannung (u(t)) entsteht,
44
e) welche an einen Bremsstromkreis (18) angelegt ist,
45
f) wobei der Bremsstromkreis (18) zumindest ein Schaltelement (FET) aufweist,
46
g) über welches die Motorklemmen (K1, K2) kurzschließbar sind,
47
dadurch gekennzeichnet, dass
48
h) eine Auswerte- und Steuereinheit (11) über das Schaltelement (FET) eine Pulsweitenmodulation des Motorstroms (i(t)) durchführt und
49
i) eine wirksame Bremskraft zur Dämpfung der Bewegung des Türflügels (5) einstellt, wobei
50
j) die Auswerte- und Steuereinheit (11) die Dämpfung der Bewegung des Türflügels (5) in Abhängigkeit von
51
j1) einer aktuellen Bewegungsrichtung und/oder
52
j2) einer aktuellen Geschwindigkeit und/oder
53
j3) eines aktuellen Öffnungswinkels des Türflügels (5) einstellt und wobei
54
l) die Auswerte- und Steuereinheit (11) die Dämpfung der Schließbewegung des Türflügels (5) über die Pulsweitenmodulation des Motorstroms (i(t)) in Abhängigkeit von der aktuellen Geschwindigkeit und/oder des aktuellen Öffnungswinkels des Türflügels (5) so regelt, dass eine vorgegebene Schließzeit erreicht wird.
55
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 vom 5. September 2019 unterscheidet sich von dem gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, dass die Merkmale a), b) und j1) bis j3) wie folgt gefasst sind:
56
a‘) Türschließer (1) mit
57
a1‘) einem mechanischen Energiespeicher (28), welcher durch manuelles Öffnen des Türflügels (5) mit potentieller Energie aufladbar ist, welche den losgelassenen Türflügel (5) schließt, und
58
a2‘) einer Bremsvorrichtung (20), welche die Bewegung des Türflügels (5) dämpft,
59
b‘) wobei die Bremsvorrichtung (20) einen als Generator betriebenen Elektromotor (22) umfasst,
60
…
61
j1‘) einer aktuellen Bewegungsrichtung und
62
j2‘) einer aktuellen Geschwindigkeit und
63
j3‘) eines aktuellen Öffnungswinkels des Türflügels (5) einstellt und wobei
64
daran anschließend zusätzlich das folgende Merkmal eingefügt ist:
65
k) (a) die Auswerte- und Steuereinheit (11) die Öffnungsbewegung des Türflügels (5) über die Pulsweitenmodulation des Motorstroms (i(t)) dämpft, wenn der aktuelle Öffnungswinkel des Türflügels (5) einen vorgegebenen Öffnungswinkelgrenzwert überschreitet und wobei (b)
66
und sich letztendlich an das mit dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 identische Merkmal l) das folgende Merkmal anschließt:
67
m) wobei Parameter und/oder Grenzwerte zur Dämpfung der Bewegung des Türflügels (5) in einem nichtflüchtigen Speicher (19) gespeichert sind und der nichtflüchtige Speicher (19) im stromlosen Zustand der Bremsvorrichtung (20) mittels RFID oder NFC beschreibbar ist.
68
4. Vor diesem Hintergrund legt der Senat seiner Entscheidung als Fachmann einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik bzw. einen Absolventen eines vergleichbaren Master-Studienganges mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der elektromechanischen und elektronischen Türsteuerungen zugrunde.
69
5. Zum Verständnis der Lehre des Streitpatents und einzelner Merkmale in den Patentansprüchen 1 nach den Hilfsanträgen 1 und 2 sind folgende Bemerkungen veranlasst:
70
5.1 Allgemein dient eine Bremsvorrichtung (Merkmal a)) zur Verringerung bzw. Begrenzung der Geschwindigkeit von bewegten Maschinenteilen oder Fahrzeugen und kann im einfachsten Fall durch die Umwandlung deren kinetischer Energie über Reibung in Wärmeenergie erreicht werden. Alternativ dazu kann mit einer sogenannten Nutzbremse bzw. elektromotorischen Bremse mit einem als Generator betriebenen Elektromotor (Merkmal b)) die kinetische Energie der bewegten Masse in elektrische Energie umgeformt werden, wobei an den Motorklemmen eine bewegungsabhängige Motorspannung entsteht (Merkmal d)).
71
Wie dem Fachmann auf Grund seines allgemeinen Fachwissens geläufig ist, kann dabei die Bremsung der Motorwelle mittels eines mit den Anschlussklemmen der Motorwicklung verbundenen Bremsstromkreises erfolgen, wobei dies unter Umständen auch in Form eines bloßen Kurzschließens über ein Schaltelement erfolgen kann, d. h. über eine nahezu widerstandslose Verbindung der Anschlussklemmen, durch welche die Spannung zwischen den Klemmen auf einen Wert nahe Null fällt. (Merkmale e) bis g)).
72
Schaltelemente bzw. Schalter stellen allgemein eine Baugruppe dar, die entweder mittels manueller bzw. durch ein Steuersignal ausgelöster Betätigung mechanisch zwischen zwei elektrisch leitenden Materialien oder mittels eines Halbleiterbauelements eine elektrisch leitende Verbindung herstellt oder trennt, was idealerweise zu einem Schaltzustand mit eindeutig offenem oder geschlossenem Stromkreis führt. Zwar sind vom Wortlaut des Merkmals f) mechanische Schalter nicht ausgeschlossen, jedoch versteht der Fachmann im Kontext des Streitpatents und insbesondere in Hinblick auf die Anweisung im Merkmal h), wonach mit dem Schaltelement eine Pulsweitenmodulation durchgeführt werden soll, darunter einen elektronischen Schalter im Sinne eines geeigneten Halbleiterbauelements, wie es insbesondere bereits durch das Bezugszeichen „FET“ angedeutet und im Anspruch 2 explizit als „Feldeffekttransistor (FET)“ benannt wird.
73
5.2 Unter der Dämpfung der Bewegung des Türflügels versteht der Fachmann im Kontext der Beschreibung die Verringerung der Geschwindigkeit des mit dem Türflügel gekoppelten Elektromotors und setzt es daher mit dem Bremsen des Türflügels gleich (Absatz 0028: „Während des Kurzschlusses wird die
Winkelgeschwindigkeit
des Elektromotors 22
gedämpft
.“ und Absatz 0031: „Die Auswerte- und Steuereinheit 11
dämpft
die
Öffnungsgeschwindigkeit
des Türflügels 4“).
74
5.3 Ein mechanischer Energiespeicher eines Türschließers (Merkmale a‘) und a1‘)), welcher durch manuelles Öffnen des Türflügels mit potentieller Energie aufladbar ist, wird nach Absatz 0002 im Stand der Technik und laut den Absätzen 0019 und 0021 beim Ausführungsbeispiel des Streitpatents vorzugsweise als Feder ausgeführt, welche durch das manuelle Öffnen des Türflügels gespannt wird. Danach schließt die potentielle Energie in der Feder den Türflügel. Das Schließmoment des Türflügels ist dabei durch die aktuelle Federspannung und die verschiedenen Übersetzungen im System bestimmt. Derartige mechanische Energiespeicher bei Türschließern sind Standardkomponenten in herkömmlichen Türanlagen und dem Fachmann bestens vertraut.
75
5.4 In einem nichtflüchtigen Speicher werden gemäß Merkmal m) Parameter und/oder Grenzwerte zur Dämpfung der Bewegung des Türflügels gespeichert und dieser kann im stromlosen Zustand der Bremsvorrichtung mittels RFID (Radio-Frequency Identification: Identifikation mit Hilfe elektromagnetischer Wellen) oder NFC (Near Field Communication: Nahfeldkommunikation) oder laut Absatz 0032 mittels einer Hilfsspannung und einem Programmiergerät beschrieben und außerdem mit jedem Öffnungszyklus ein darin enthaltener Zähler inkrementieren werden.
76
Als nichtflüchtiger Speicher werden in der elektronischen Datenverarbeitung verschiedene Datenträger bezeichnet, bei denen die darauf abgelegten Informationen auf Dauer erhalten bleiben, insbesondere auch während die zugehörige elektronische Datenverarbeitungsanlage nicht in Betrieb ist oder nicht mit Strom versorgt wird.
77
NFC ist ein dem Fachmann bekannter internationaler Übertragungsstandard, der auf der RFID-Technologie beruht, bei dem per elektromagnetischer Induktion mittels lose gekoppelter Spulen (Transponder/Sender – Lesegerät/Empfänger) über kurze Strecken ein kontaktloser Austausch von Daten vorgenommen werden kann.
78
6. Es kann dahin gestellt bleiben, ob die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG), da wegen mangelnder Patentfähigkeit ihrer Gegenstände weder eine beschränkte Aufrechterhaltung des Patents nach Hilfsantrag 1 noch nach Hilfsantrag 2 in Betracht kommt (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 PatG).
79
6.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 vom 5. September 2019 beruht gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
80
6.1.1 Einen geeigneten Ausgangspunkt für die Bemühungen des Fachmanns um eine Weiterentwicklung einer Bremsvorrichtung für einen beweglichen Türflügel mit einer verbesserten Einstellbarkeit der Schließgeschwindigkeit, stellt die bereits im Einspruchsverfahren in Bezug genommene Druckschrift DE 11 2008 002 316 B4 (= D11) dar.
81
Die Druckschrift D11 betrifft ein System und ein Verfahren zum dynamischen Bremsen eines Fahrzeugverschlusssystems („dynamisches Bremssystem“), welches die Geschwindigkeit eines Fahrzeugverschlussbauteils ohne die zusätzliche Eingabe externer Leistung an den Motor von einer Energiequelle während des Schließbetriebes steuert. Stattdessen wird die Energie, die aus der kinetischen Energie des Fahrzeugverschlussbauteils während eines Schließarbeitsgangs erzeugt wird, von dem dynamischen Bremssystem nutzbar gemacht, um dann die Geschwindigkeit des Fahrzeugverschlussbauteils während des Schließbetriebs zu steuern. Das dynamische Bremssystem fängt die kinetische Energie von der sich schließenden Hebetür durch den Motor ein, um elektrische Energie zu erzeugen, die von dem Bremssystem verwendet werden soll, und um dann diese Energie zu verwenden, um auf den Motor eine „Bremswirkung“ auszuüben, ohne die Notwendigkeit zusätzlicher Leistung aus der Energieversorgung (Absatz 0007).
82
Aus der Druckschrift D11 ist in den Worten des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 Folgendes bekannt: Eine
83
a) Bremsvorrichtung für einen beweglichen Türflügel
84
(Absatz 0007: „System … zum dynamischen Bremsen eines Fahrzeugverschlusssystems („dynamisches
Bremssystem
“), … Das vorliegende dynamische Bremssystem steuert die Geschwindigkeit eines Fahrzeugverschlussbauteils“ und Absatz 0029: „Zum Beispiel können die Grundsätze des vorliegenden dynamischen Bremssystems bei Motoren, die in Booten, Flugzeugen,
Gebäuden (z. B. automatische Türen)
verwendet werden … angewendet werden“)
85
b) mit einem als Generator betriebenen Elektromotor
86
c) dessen Motorwelle durch eine Bewegung des Türflügels drehbar ist und
87
d) an dessen Motorklemmen eine bewegungsabhängige Motorspannung entsteht,
88
(Absatz 0008: „Wenn sich das Verschlussbauteil bewegt,
wird der Motor gedreht
wird elektrische Energie wird [sic!] erzeugt.“, Absatz 0029: „Motor 112 … Antriebsmechanismus … einen
elektrischen Motor
oder einen elektromechanischen Motor“ und Absatz 0045: „Bei einer Ausführungsform wird der Motor 112, wenn er angetrieben wird, zu einem
Generator
, und durch Kurzschließen [sic!] der Energie zurück zu dem Motor 112 liefert er eine negative Energie an sich selbst zurück, die die erzeugte Energie auslöscht.“ Dass bei der Erzeugung der bewegungsabhängigen elektrischen Energie an den Motorklemmen eine elektrische Spannung entsteht, ist für den Fachmann selbstverständlich.)
89
e) welche an einen Bremsstromkreis angelegt ist,
90
f) wobei der Bremsstromkreis zumindest ein Schaltelement aufweist,
91
(Figur 3 und Absatz 0040: „Die
Schaltung 300
des dynamischen Bremssystems 100 kann weiter einen ersten
Transistor
310a, einen zweiten Transistor 310b, einen ersten
Metalloxid-Halbleiter-Feldeffekttransistor („MOSFET
” ‒ Metal Oxide Semiconductor Field-Effect Transistor) 310c, einen zweiten MOSFET 310d und einen dritten Transistor 310e (gemeinsam 310) umfassen. Weiter kann die Schaltung 300 des dynamischen Bremssystems 100 auch ein erstes
Relais
312a, ein zweites Relais 312b und ein drittes Relais 312c (gemeinsam 312) umfassen.“)
92
g) über welches die Motorklemmen kurzschließbar sind, wobei
93
(Absatz 0045: „Bei einer Ausführungsform wird der Motor 112, wenn er angetrieben wird, zu einem Generator, und durch
Kurzschließen
[sic!] der Energie zurück zu dem Motor 112 liefert er eine negative Energie an sich selbst zurück, die die erzeugte Energie auslöscht.“)
94
h) eine Auswerte- und Steuereinheit über das Schaltelement eine Pulsweitenmodulation des Motorstroms durchführt und
95
(Absatz 0045: „Um die Energie zu nutzen, die von dem Motor 112, der die Hebetür 106 bei einem Schließbetrieb betätigt, erzeugt wird, führt der dritte Mikrocontrollerport 308c eine
Pulsbreitenmodulation
bei dem ersten MOSFET 310c und dem zweiten MOSFET 310d aus …
Der
Controller 110
steuert, wie viel der Energie an den Motor 112 zurückfließt, durch
PWM
.“ und Absatz 0049: „… steuern im Schritt 606 der Controller 110, die Software 204 und/oder die
Schaltung 300 des dynamischen Bremssystems
100 den Motor 112 durch
PWM
, wie es hierin beschrieben ist. Dieser Schritt kann umfassen, dass der Controller 110, die Software 204, die Schaltung 300 und/oder die Energieversorgung 306 ein herkömmliches
PWM
-Signal an den Motor 112 liefern.“)
96
i) eine wirksame Bremskraft zur Dämpfung der Bewegung des Türflügels einstellt, wobei
97
(Absatz 0045: „Das dynamische Bremsen nutzt die Energie, die durch das Öffnen und/oder das Schließen der Hebetür 106 des Fahrzeugs 102 erzeugt wird, und verwendet sie, um eine
Bremskraft
durch das dynamische Bremssystem 100 auszuüben“. Beim Bremsen der Hebetür handelt es sich um eine Dämpfung der Bewegung des Türflügels im Sinne des Streitpatents, vgl. dazu die Auslegung in Abschnitt 5.2.)
98
j) die Auswerte- und Steuereinheit die Dämpfung der Bewegung des Türflügels in Abhängigkeit von
99
(Beispielsweise Absatz 0015: „Der
Controller
kann weiter eine Schaltkarte mit einer Vielzahl von Mikrocontrollern umfassen, um den Antriebsmechanismus zwischen einer offenen Position, einer geschlossenen Position, einem Freilaufbetrieb und dem dynamischen Bremsbetrieb zu
steuern
.“, Absatz 0016: „Controller zum dynamischen Bremsen eines Fahrzeugverschlussbauteils“ und Absatz 0029: „Das dynamische Bremssystem 100 umfasst weiterhin einen
Controller 110
“. Zusätzlich zu den Steuerungsfunktionen wertet der Controller insbesondere auch Sensordaten aus, vgl. beispielsweise Absatz 0011: „… um an den Controller Daten zu liefern, die sich auf die Schließgeschwindigkeit des Fahrzeugverschlussbauteils in Bezug auf das Fahrzeug beziehen.“, Absatz 0032: „Der Drehgeber mit flexibel gekoppelter Welle 122 kann elektrisch mit dem Controller 110 gekoppelt sein“, Absatz 0033: „Der Hall-Effekt-Sensor 124 kann über Verbinder 120 in Kommunikation mit dem Controller 110 stehen.“, Absatz 0035: „Zusätzlich können der Controller 110 … ein Treibersignal und ein Kompensationssignal basierend auf dem Winkelsignal oder dem Abstandssignal erzeugen“ und Absatz 0045: „Weiter manipuliert und verwaltet der Controller 110 die Energie, die er aus dem dynamischen Bremsen erhält“. Dabei ist der als Auswerte- und Steuereinheit wirkende Controller nicht nur geeignet die Dämpfung der Bewegung des Türflügels in Abhängigkeit von den in den Merkmalen j1) bis j3) genannten Parametern einzustellen ‒ so wie es der Wortlaut des Vorrichtungsanspruchs fordert ‒ sondern dies wird in der Druckschrift D11 expressis verbis beschrieben.)
100
j1) einer aktuellen Bewegungsrichtung und/oder
101
(Absatz 0045: „Abhängig von der Bewegungsrichtung der Hebetür 106, vorwärts oder rückwärts …“)
102
j2) einer aktuellen Geschwindigkeit und/oder
103
(Absatz 0002: „Typischerweise werden Sensoren benutzt, … zum
Bestimmen der Geschwindigkeit der Hebetür
und ob sie gesteuert werden muss oder nicht, um zu verhindern, dass die Hebetür heftig zuschlägt und möglicherweise den Bediener verletzt.“, Absatz 0011. „.. um an den Controller Daten zu liefern, die sich auf die Schließgeschwindigkeit des Fahrzeugverschlussbauteils in Bezug auf das Fahrzeug beziehen.“, Absatz 0012: „… das
Feststellen einer Geschwindigkeit des Fahrzeugverschlussbauteils
in Bezug auf das Fahrzeug“, Absatz 0016: „Controller zum dynamischen Bremsen eines Fahrzeugverschlussbauteils, … dass er ein Steuersignal empfängt, das für eine
Schließgeschwindigkeit des Fahrzeugverschlussbauteils
repräsentativ ist“, Absatz 0033: „Signale von dem Hall-Effekt-Sensor 124 werden … für das dynamische Bremssystem 100 erzeugt. Der Hall-Effekt-Sensor 124 stellt … die
Geschwindigkeit der Hebetür
106 in Bezug auf die Fahrzeugkarosserie 104 fest.“ und Absatz 0050: „… kann das dynamische Bremssystem 100 feststellen, ob die Hebetür 106 zu schnell geschlossen wird, indem Daten im Hinblick auf die Geschwindigkeit … der Hebetür 106 durch den Drehgeber mit flexibel gekoppelter Welle 122 und/oder den Hall-Effekt-Sensor 124 erhalten werden.“ sowie Anspruch 8: „… um an den Controller Daten, die sich auf die
Schließgeschwindigkeit
des Fahrzeugverschlussbauteils (106) in Bezug auf das Fahrzeug (102) beziehen, zu liefern“ und Anspruch 11: „Feststellen einer
Geschwindigkeit
eines Fahrzeugverschlussbauteils (106) in Bezug auf das Fahrzeug“.)
104
j3) eines aktuellen Öffnungswinkels des Türflügels einstellt und wobei
105
(Absatz 0003: „Mehrere unterschiedliche Sensortypen können verwendet werden, um die
Position
… eines sich schließenden Fahrzeugverschlussbauteils zu erfassen, so wie Hall-Effekt-Sensoren oder optische Flügelunterbrechungssensoren.“, Absatz 0010: „das Treibersignal als Antwort auf die
Position des Fahrzeugverschlussbauteils
ändert.“, Absatz 0011: „Der Positionssensor für das Fahrzeugverschlussbauteil kann entweder ein Drehgeber mitflexibel gekoppelter Welle (rotary flex shaft encoder) oder ein Hall-Effekt-Sensor sein.“, Absatz 0032: „Das dynamische Bremssystem 100 kann weiter einen Positionssensor für das Fahrzeugverschlussbauteil umfassen, um den Abstand zwischen der Hebetür 106 und der Fahrzeugkarosserie 104 während des Öffnungs- und Schließbetriebes festzustellen. … Zum Beispiel kann bei einer Ausführungsform ein Drehgeber mit flexibel gekoppelter Welle 122 an dem Scharnier 108 angebracht werden, um die Entfernung zwischen der Hebetür 106 und der Fahrzeugkarosserie 104 festzustellen. … irgendein Typ eines
Winkelsensors
angeordnet und von dem dynamischen Bremssystem 100 benutzt werden kann, so wie ein analoger
Winkelsensor
.“, Absatz 0033: „Der Hall-Effekt-Sensor 124 stellt die Position … der Hebetür 106 in Bezug auf die Fahrzeugkarosserie 104 fest.“, Absatz 0035: „… der Controller 110 … ein Treibersignal … basierend auf dem
Winkelsignal
… erzeugen“ und Absatz 0050: „… ein
Winkelsignal … basierend auf dem Winkel der Hebetür 106
erzeugt werden. Diese [sic!] Winkelsignal kann … an den Controller 110 zurückgespeist werden.“ sowie Anspruch 9: „System zum dynamischen Bremsen eines Fahrzeugverschlussbauteils … bei dem der Sensor für das Fahrzeugverschlussbauteil entweder ein Drehgeber mit flexibel gekoppelter Welle (122), ein Hall-Effekt-Sensor (124) oder ein Winkelsensor ist.“)
106
l)Teil die Auswerte- und Steuereinheit die Dämpfung der Schließbewegung des Türflügels über die Pulsweitenmodulation des Motorstroms in Abhängigkeit von der aktuellen Geschwindigkeit und/oder des aktuellen Öffnungswinkels des Türflügels regelt.
107
(Den oben zu den Merkmalen h), j), j2) und j3) zitierten Textstellen aus der Druckschrift D11 ist zu entnehmen, dass der dort als Auswerte- und Steuereinheit fungierende Controller 110 die Dämpfung der Schließbewegung des Türflügels (Merkmal j)) über die Pulsweitenmodulation des Motorstroms (Merkmal h)) in Abhängigkeit von der aktuellen Geschwindigkeit (Merkmal j2)) und des aktuellen Öffnungswinkels (Merkmal j3)) des Türflügels nicht nur einstellt, sondern auch regelt (vgl. dazu insbesondere noch Figur 6 i. V. m. den zugehörigen Absätzen 0049 bis 0052 sowie beispielsweise Absatz 0048: „… dynamischen Bremssystems … passt der Controller 110 die Treiber-PWM-Signale 502 an, um die Hebetür 116 mit einer
konstanten Geschwindigkeit
schließend zu
halten
“).)
108
Nicht explizit entnehmbar ist der Druckschrift D11 somit lediglich der Teil des Merkmals l), wonach die Auswerte- und Steuereinheit die Dämpfung der Schließbewegung des Türflügels derart regelt, dass eine vorgegebene Schließzeit erreicht wird.
109
6.1.2 Die Bremsvorrichtung des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 mag daher gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift D11 neu sein (§ 3 PatG), der in der Druckschrift D11 nicht explizit beschriebene Teil des Merkmals l) der Bremsvorrichtung, wonach die Dämpfung so geregelt werden soll, dass eine vorgegebene Schließzeit erreicht wird, ist jedoch nicht geeignet, die notwendige erfinderische Tätigkeit zu begründen (§ 4 PatG):
110
Da auch bei den Bremsvorrichtungen für Türflügel gemäß Druckschrift D11 das Ziel ist, beim Schließbetrieb die Tür innerhalb eines endlichen Zeitraums zu schließen, ergibt sich zwangsläufig jeweils eine bestimmte Schließzeit. Diese ist dabei nicht unabhängig, sondern ergibt sich für einen aktuellen Öffnungswinkel in Abhängigkeit von der durch die Dämpfung der Schließbewegung des Türflügels über die Pulsweitenmodulation des Motorstroms geregelten Schließgeschwindigkeit. Insbesondere ergibt sich bei einer konstanten Schließgeschwindigkeit, wie sie dort angestrebt wird (Absätze 0047 und 0048: „in einem Versuch, das Schließen einer Tür bei einer konstanten Geschwindigkeit zu halten“ und „passt der Controller 110 die Treiber-PWM-Signale 502 an, um die Hebetür 116 mit einer konstanten Geschwindigkeit schließend zu halten“), für den Schließvorgang bei einem bestimmten Öffnungswinkel über den einfachen mathematischen Zusammenhang der reziproken Proportionalität die zugehörige Schließzeit. Aufgrund dieses Zusammenhangs ist es ins Belieben des Fachmanns gestellt, wie er die Dämpfung der Schließbewegung, beispielsweise je nach Art der Tür und des Einsatzgebietes sinnvollerweise regelt: Ob er entweder die Schließgeschwindigkeit vorgibt, aus der sich ein bestimmte Schließzeit ergibt oder die Schließzeit vorgibt und daraus die erforderliche Schließgeschwindigkeit abgeleitet wird.
111
Die Dämpfung so zu regeln, dass eine vorgegebene Schließzeit erreicht wird, stellt deshalb für den Fachmann eine fachübliche Maßnahme dar, die er regelmäßig ergreift, insbesondere dann, wenn er bei Türanlagen Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen hat, wie beispielsweise die einschlägigen Normen für Feuer- und Rauchschutztüren, nach denen die Schließzeit eine Gesamtschließzeit nicht überschreiten darf. Dies zu tun, geht daher für den Fachmann nicht über fachübliches Vorgehen hinaus bzw. ist seinem selbstverständlichen Handeln zuzuordnen.
112
Somit ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 in naheliegender Weise aus der Kenntnis der Druckschrift D11 unter Berücksichtigung des Wissens und Könnens des Fachmanns.
113
6.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 vom 5. September 2019 beruht gegenüber dem Stand der Technik ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
114
6.2.1 Von der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 zunächst dadurch, dass die Merkmale a) und b) folgendermaßen gefasst sind:
115
a‘) Türschließer (1) mit
116
a1‘) einem mechanischen Energiespeicher (28), welcher durch manuelles Öffnen des Türflügels (5) mit potentieller Energie aufladbar ist, welche den losgelassenen Türflügel (5) schließt, und
117
a2‘) einer Bremsvorrichtung (20), welche die Bewegung des Türflügels (5) dämpft,
118
b‘) wobei die Bremsvorrichtung (20) einen als Generator betriebenen Elektromotor (22) umfasst,
119
Die Merkmale a‘) und a1‘) sind ebenfalls in der Druckschrift D11 offenbart, da das in Figur 1C gezeigte Ausführungsbeispiel ebenfalls einen Türschließer („Gasfeder oder ein Federbein 118“) mit einem mechanischen Energiespeicher verwendet, welcher durch Öffnen des Türflügels mit potentieller Energie aufladbar ist, welche den Türflügel schließt (Absatz 0031: „Zusätzlich kann das dynamische Bremssystem 100 weiter eine Gasfeder oder ein Federbein 118 (in der Fig. 1C nicht gezeigt) umfassen, um
zusätzliche mechanische Energie
oder Kraft
zum
Öffnen und
Schließen
der Hebetür 106 bereitzustellen. … Die Gasfeder 118 kann zum Beispiel zwischen der Fahrzeugkarosserie 104 und der Hebetür 106 angeordnet werden.“). Dass die Gasfeder oder das Federbein auch beim manuellen Öffnen des Türflügels als mechanischer Energiespeicher wirken und den losgelassenen Türflügel schließen, kann ‒ entgegen der Auffassung der Patentinhaberin ‒ der Fachmann der Druckschrift D11 ebenfalls entnehmen, vgl. Absatz 0044: „Weiter mit Bezug auf die Fig. 3 kann das dynamische Bremssystem 100 dem Motor 112 weiter eine Freilauffunktionalität verleihen, um
die Hebetür 106 von Hand durch einen Benutzer zu betätigen
, wenn dies gewünscht wird. Im Allgemeinen ist der Freilauf die Möglichkeit für den Motor 112, sich frei zu drehen, wenn er nicht mit Energie versorgt oder von dem dynamischen Bremssystem 100 angeregt wird. Dies kann bei Arbeitsabläufen wünschenswert sein, wenn zusätzlich zu einer antreibbaren Hebetür 106 ein
manueller Modus
erforderlich oder gewünscht ist. … Dies ermöglicht es dann, die Hebetür 106
von Hand
betätigt wird, ohne dass Energie an den Motor 112 geliefert wird.“.
120
6.2.2 Zu den Merkmalen a2‘) und b‘), welche gegenüber den Merkmalen a), b) und i) nach Hilfsantrag 1 zwar unterschiedlich formuliert aber sonst inhaltsgleich sind, wird auf die im Abschnitt 6.1 zu diesen Merkmalen zitierten Textstellen aus der Druckschrift D11 verwiesen.
121
6.2.3 Weiterhin unterscheiden sich die Merkmale
122
j1‘) einer aktuellen Bewegungsrichtung und
123
j2‘) einer aktuellen Geschwindigkeit und
124
j3‘) eines aktuellen Öffnungswinkels des Türflügels (5) einstellt und wobei
125
des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 von der Fassung der Merkmale j1) bis j3) gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, dass die dortigen „und/oder“-Verknüpfungen jeweils durch eine „und“-Verknüpfung ersetzt wurden, wodurch die Auswerte- und Steuereinheit geeignet sein muss, die Dämpfung der Bewegung des Türflügels in Abhängigkeit von allen drei Parametern einstellen zu können.
126
Wie in den Ausführungen zu den Merkmalen j1) bis j3) gemäß Hilfsantrag 1 in Abschnitt 6.1.1 dargelegt, stellt auch die Auswerte- und Steuereinheit der Bremsvorrichtung nach Druckschrift D11 die Dämpfung der Bewegung des Türflügels in Abhängigkeit von allen drei aktuellen Parametern ‒ Bewegungsrichtung, Geschwindigkeit und Öffnungswinkel ‒ ein, wobei sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, dass diese Einstellung nicht lediglich in Abhängigkeit von jeweils nur einem Parameter oder zwei Parametern möglich ist, sondern die Einstellung in Abhängigkeit von allen drei Parametern zusammen vielmehr den Regelfall wiedergibt.
127
Dies entnimmt der Fachmann bereits der Beschreibungseinleitung der Druckschrift D11, die als ein typisches Beispiel die Dämpfung der Bewegung eines Türflügels in Abhängigkeit von den vorgenannten drei Parametern erläutert (Absatz 0003: „Als ein Beispiel erreicht, wenn sich eine Hebetür
schließt
[Bewegungsrichtung; Merkmal j2‘)],
die Tür einen Punkt
[Öffnungswinkel; Merkmal j3‘)], an dem das Gewicht der Hebetür beginnt, die Hebetür ohne einen zusätzlichen Aufwand von dem Antriebsmechanismus zu schließen. Tatsächlich kann an diesem Punkt der Antriebsmechanismus eine Kraft auf die Hebetür ausüben, um das
vorzeitige Schließen
[Geschwindigkeit; Merkmal j2‘)], zu verhindern.“).
128
6.2.4 Bezüglich des sich anschließenden, gegenüber dem Hilfsantrag 1 zusätzlich eingefügten Merkmals:
129
k) (a) die Auswerte- und Steuereinheit (11) die Öffnungsbewegung des Türflügels (5) über die Pulsweitenmodulation des Motorstroms (i(t)) dämpft, wenn der aktuelle Öffnungswinkel des Türflügels (5) einen vorgegebenen Öffnungswinkelgrenzwert überschreitet und wobei
130
ist der Druckschrift D11 zumindest nicht explizit entnehmbar, dass ein Öffnungswinkelgrenzwert vorgegeben wird.
131
Die technische Lehre der Druckschrift D11 befasst sich hauptsächlich mit dem dynamischen Bremsen von Verschlusssystemen wie automatischen Türen vorwiegend beim Schließ- und nicht beim Öffnungsvorgang, wobei der als Auswerte- und Steuereinheit arbeitende Controller die Schließbewegung des Türflügels dämpft, wenn die Position des Türflügels, d. h. der aktuelle Öffnungswinkel, welcher mit Winkelsensoren bestimmt wird, in der Nähe der Schließposition festgestellt wird, vgl. beispielsweise den Absatz 0002: „Typischerweise werden Sensoren benutzt, um die tatsächliche Position der Hebetür zu erfassen, … ob sie gesteuert werden muss oder nicht, um zu verhindern, dass die Hebetür heftig zuschlägt und möglicherweise den Bediener verletzt.“. Der Fachmann hat aber Veranlassung, insbesondere bei bestimmten Türanlagen und räumlichen Gegebenheiten im Falle der Öffnungsbewegung des Türflügels, analog zu verfahren und bekommt dazu zusätzlich den Hinweis in Absatz 0048: „… zu verlangsamen …
die Hebetür 106 schlägt nicht stark zu. Zusätzlich kann das vorliegende dynamische
Bremssystem
100 ebenso das
Öffnen
der Hebetür 106
unterstützen
.“. Als Beginn für die Dämpfung der Öffnungsbewegung des Türflügels einen Öffnungswinkelgrenzwert vorzugeben, stellt zur Überzeugung des Senats eine Maßnahme dar, die der Fachmann bei dem Entwurf von sicheren Türanlagen regelmäßig ergreift.
132
Zum Beleg der Fachüblichkeit dieser Maßnahme verweist der Senat auf die Druckschrift DE 10 2011 055 491 A1 (= D19), in der die Dämpfung der Öffnungsbewegung des Türflügels bei großem Öffnungswinkel beschrieben wird (beispielsweise Absatz 0026: „… Reduzierung des Öffnungsmomentes gemäß Fig. 2 … eine Öffnungsendlagendämpfung realisiert wird.“) und explizit konkrete Öffnungswinkelgrenzwerte vorgegeben werden (Anspruch 7: „… manuelles Öffnen des Türflügels im Türwinkelbereich von bis zu 30° vor der Türendlage, insbesondere von bis zu 20° vor der Türendlage, insbesondere von bis zu 15° vor der Türendlage, als Generator wirkend zu dämpfen.“).
133
6.2.5 An die Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 schließt sich gemäß Hilfsantrag 2 an das mit dem gemäß Hilfsantrag 1 inhaltsgleiche Merkmal l) noch die Angabe an:
134
m) wobei Parameter und/oder Grenzwerte zur Dämpfung der Bewegung des Türflügels (5) in einem nichtflüchtigen Speicher (19) gespeichert sind und der nichtflüchtige Speicher (19) im stromlosen Zustand der Bremsvorrichtung (20) mittels RFID oder NFC beschreibbar ist.
135
Ausgehend von Vorrichtung der Druckschrift D11 hat der Fachmann bei der konkreten technischen Realisierung noch zu entscheiden, wie er die zur Dämpfung der Bewegung des Türflügels relevanten Parameter, wie beispielsweise Grenzwerte für die Geschwindigkeit, den Öffnungswinkel und dergleichen, implementiert.
136
Für den zuständigen Fachmann ist es selbstverständlich, derartige Daten in einem geeigneten Speicher innerhalb der Vorrichtung, wie er auch beim Ausführungsbeispiels nach Figur 2 der Druckschrift D11 verwendet wird (Absatz 0035: „Der Prozessor 202 kann mit einem
Speicher 206
zum Speichern von Information, … und/oder
Daten
, die zum Beispiel von dem Programm oder der Software 204 verwendet werden“), zu hinterlegen.
137
Ebenso selbstverständlich ist es für ihn, sicherzustellen, dass Parameter, die für die sichere Funktionsweise nicht nur für einen Öffnungs- oder Schließvorgang, sondern für die Vorrichtung insgesamt relevant sind, permanent gespeichert bleiben, insbesondere auch, wenn die Vorrichtung zeitweise nicht in Betrieb und daher stromlos ist. Es ist daher dem selbstverständlichen Handeln des Fachmanns zuzuordnen, für die Speicherung dieser Daten einen nichtflüchtigen Speicher zu verwenden.
138
Schließlich hat der Fachmann bei der technischen Realisierung ausgehend von Vorrichtung der Druckschrift D11 noch die Aufgabe zu lösen, die besagten Daten auf dem nichtflüchtigen Speicher abzulegen. Wie dem Fachmann auf Grund seines allgemeinen Fachwissens bekannt ist, stehen ihm dazu prinzipiell zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Die Übertragung mittels Anschluss des Speichers über eine elektrische Verbindung oder mittels einer kabellosen Übertragung durch elektromagnetische Wellen, insbesondere per Funkübertragung.
139
Nachdem in der Druckschrift D11 bereits offenbart ist, dass das Bremssystem einen Transponder zum Senden drahtloser Signale, wie Hochfrequenz- oder Infrarotstrahlungssignale, an den Controller zum Öffnen und Schließen der Hebetür und weiterer Informationen, wie Autorisierungscodes umfasst, die dort explizit als auf dem Gebiet bekannt bezeichnet werden (vgl. Absatz 0034), ist es für ihn naheliegend, auch die Parameter und/oder Grenzwerte zur Dämpfung der Bewegung des Türflügels auf diesem Wege mittels Transponder an den nichtflüchtigen Speicher zu übertragen.
140
Die bekanntesten Transponder-Systeme zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents stellten die RFID-Transponder dar, die auf dem NFC-Übertragungsstandard beruhen. Es war für den Fachmann somit naheliegend, die RFID-Technologie für diese Anwendung zu nutzen. Als Beleg für die Fachüblichkeit wird dazu rein beispielgebend auf die Druckschrift DE 10 2013 100 321 A1 (= D23) verwiesen, die sich ebenfalls mit dem Datenaustausch zwischen einer Türanlage und einem externen Sender beschäftigt und dazu unter anderem NFC benutzt (Absatz 0016: „Wird beispielsweise NFC als Kommunikationsart genutzt, kann das System so ausgelegt werden, dass mit der Einrichtung nur ein einziger Flügel bzw. eine einzige Flügelanlage aktuell parametrisiert werden kann.“).
141
6.2.6 Hinsichtlich der übrigen aus der Druckschrift D11 bekannten Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 wird auf die entsprechenden Ausführungen zum Hilfsantrag 1 verwiesen.
142
6.2.7 Der Einwand der Anmelderin, der Umstand, dass drei Entgegenhaltungen (D11, D19 und D23) und zusätzlich das Fachwissen bemüht werden müssten, um die fehlende Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 zu begründen, sei als Indiz für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit zu werten, konnte zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhalts führen, da zum einen der Fachmann nicht die Druckschriften D19 und D23 mit der Druckschrift D11 kombinieren muss, um zum Streitgegenstand zu gelangen, sondern diese lediglich sein präsentes Fachwissen belegen. Zum anderen handelt es sich bei der Anweisung nach Merkmal m) zur Überzeugung des Senats nicht um eine Maßnahme, die zusammen mit den übrigen Merkmalen einen synergetischen, über die Summe der einzelnen Wirkungen hinausgehenden kombinatorischen Effekt ergibt, sondern sie stellt eine bloße Aggregation dar, die ohnedies eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen kann.
143
6.2.8 Nach alledem ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach der Druckschrift D11 in Kombination mit seinem Fachwissen, wie es beispielsweise durch die Druckschriften D19 und D23 belegt ist.
144
7. Der auf den unabhängigen Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 rückbezogene nebengeordnete Anspruch 15 und die auf die jeweiligen unabhängigen Patentansprüche 1 direkt oder indirekt rückbezogenen Unteransprüche, sowohl nach Hilfsantrag 1 als auch nach Hilfsantrag 2, teilen deren Schicksal, zumal sie keine Besonderheiten nennen, die aus Sicht des Senats zur Grundlage einer gewährbaren Anspruchsfassung hätten werden können. Auch die Beschwerdeführerin hat Derartiges nicht geltend gemacht.
145
8. Die Beschwerde der Patentinhaberin war daher zurückzuweisen.