Aktenzeichen 9 W (pat) 701/18
§ 34 Abs 4 PatG
Tenor
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 196 54 246
…
…
…
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Univ. Hubert sowie der Richter Paetzold, Dipl.-Phys. Dr.-Ing. Geier und Dipl.-Ing. Körtge
beschlossen:
Das Patent wird widerrufen.
Gründe
I.
1
Auf die am 23. Dezember 1996 beim damaligen Deutschen Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent 196 54 246 mit der Bezeichnung
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„Innenausstattungsteil für Kraftfahrzeuge“
3
vom nunmehrigen Deutschen Patent- und Markenamt erteilt und die Erteilung am 6. März 2014 veröffentlicht worden.
4
Gegen das Patent sind sechs Einsprüche erhoben worden.
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Das Patent ist durch Zeitablauf erloschen. Nach einem entsprechenden Hinweisschreiben des DPMA vom 20. Januar 2017 hat die Einsprechende 1) mit Schreiben vom 1. Februar 2017 ein Rechtsschutzinteresse am Fortgang des Einspruchsverfahrens dargetan. Sie hat ein Schreiben der damaligen Konzernmutter
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D… GmbH der Patentinhaberin vom 22. August 2014 vorgelegt, in dem an-
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gekündigt wird, bei Bestand des Patentes Schadensersatzansprüche wegen Nutzung des Streitpatents geltend machen zu wollen. Diesem Rechtsschutzinteresse hat sich die Einsprechende 6) mit Eingabe vom 22. Februar 2017 angeschlossen.
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Mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 hat die Patentinhaberin gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PatG beantragt, dass der Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts durch Beschluss darüber entscheidet, ob und in welchem Umfang das Patent aufrechterhalten oder widerrufen wird.
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Die Einsprechende 6) hat im laufenden Einspruchsverfahren ihren Namen geändert.
10
Der Senat hat im Zwischenbescheid vom 1. Oktober 2019 seine vorläufige Auffassung zur Kenntnis gegeben.
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Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2019 hat die Patentinhaberin die Hilfsanträge 1 bis 3 eingereicht.
12
Zur Begründung der Einsprüche sind die Druckschriften mit den Bezeichnungen D1 bis D35 eingeführt worden, insbesondere die Druckschriften
13
D3 DE 36 06 375 C2,
14
D5 DE 42 14 389 A1,
15
D11 EP 0 763 418 A2,
16
D18 DE 33 36 934 C2 und
17
D19 DE 93 03 143 U1.
18
Die Einsprechende 1) bemängelt in der mündlichen Verhandlung einen Widerspruch. Zum einen sei in Abs. [0016] Satz 1 des Streitpatents angegeben, dass zwischen Trägerformteil und Abstandsgewirke ein Standardkleber eingesetzt werden könne. Zum anderen gehe jedoch aus dem Schriftsatz der Patentinhaberin vom 13. August 2019 hervor, dass ein dehnbarer Kleber eingesetzt werden müsse. Somit sei der Fachmann anhand dieses Widerspruchs nicht in der Lage, den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 auszuführen.
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Die Einsprechende 3) macht im schriftlichen Verfahren geltend, dass dem Gegenstand des Patents die Offenbarung einer ausführbaren Lehre fehle. Nach ihrer Auffassung sei eine „Schrumpfoptimierung“ kein feststehender Begriff und die alleinige Angabe, dass eine solche durch eine Wärmebehandlung durchzuführen sei, sei ohne weitere Angaben hinsichtlich Temperaturen und Zeitraum nicht ausreichend dafür, dass ein Fachmann die Erfindung ausführen könne.
20
Die Einsprechenden 2) und 3) bestreiten im schriftlichen Verfahren die Neuheit des Gegenstands des erteilten Patentanspruchs 1 mit Verweis auf die Gegenstände der Druckschriften D11 und D19.
21
Alle sechs Einsprechenden tragen im schriftlichen Verfahren vor, dem Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 mangele es an erfinderischer Tätigkeit. Hierfür führen sie eine Reihe von Kombinationen von Gegenständen des Standes der Technik an. Insbesondere sei der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ausgehend vom Gegenstand der Druckschrift D19 in Kenntnis des Gegenstands der Druckschrift D5 naheliegend. Denn die Druckschrift D19 betreffe ein Innenausstattungsteil für Kraftfahrzeuge, das einen dem patentgemäßen Schichtaufbau nahekommenden Aufbau mit einer Echtlederschicht als Obermaterial aufweise. Diesem Gegenstand fehlten lediglich die Merkmale, wonach die Deckflächen des Abstandsgewirkes textile Deckflächen seien und wonach das Fadensystem aus Monofilgarn bestehe. Die Druckschrift D5 beschäftige sich ebenfalls mit Innenausstattungsteilen für den Fahrzeuginnenraum und lehre, dass die erforderliche Druckweichheit auch ohne Verwendung von Schaumstoffen durch eine Abstandsschicht u.a. aus Abstandsgewebe erreicht werden könne. Sie offenbare ein patentgemäßes Abstandsgewirke mit zwei textilen Deckflächen unter Verwendung von monofilen elastischen Fäden. Die nahe liegende Kombination dieser beiden Gegenstände ergäbe den patentierten Gegenstand.
22
Die Einsprechenden 1) und 6) beantragen in der mündlichen Verhandlung wie auch die Einsprechenden 2) bis 5) im schriftlichen Verfahren,
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das Patent zu widerrufen.
24
Die Patentinhaberin stellt sich dem Einspruchsvorbringen entgegen und beantragt,
25
das Patent aufrechtzuerhalten,
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hilfsweise, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit folgenden Unterlagen:
27
Patentansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 1,
28
weiter hilfsweise,
29
Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag 2,
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weiter hilfsweise,
31
Patentansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 3,
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für alle Hilfsanträge Beschreibung und Zeichnungen Figuren wie erteilt.
33
Alle Hilfsanträge eingereicht mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2019.
34
Sie ist der Ansicht, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei ausführbar. Zum einen trägt sie in der mündlichen Verhandlung vor, dass aus dem zur Beurteilung der Ausführbarkeit relevanten Streitpatent auf Basis des erteilten Anspruchs 1 und des Abs. [0016] der Streitpatentschrift (im Folgenden: SPS genannt) ausreichende Angaben hervorgingen, insbesondere kenne der Fachmann geeignete Standardkleber, die im Übrigen alle in einem bestimmten Maß dehnbar seien. Zum anderen argumentiert sie im schriftlichen Verfahren, dass Abs. [0018] der SPS den Begriff Schrumpfoptimierung erläutere und dem Fachmann somit eine ausreichende Lehre dafür gebe, wie die Schrumpfoptimierung zu erreichen sei.
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Nach Ansicht der Patentinhaberin gehe aus keinem der im Verfahren befindlichen Dokumente des Standes der Technik ein Gegenstand mit allen Merkmalen des Streitpatents hervor.
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Hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit tritt die Patentinhaberin den von den sechs Einsprechenden herangezogenen vielfältigen Kombinationen von Gegenständen entgegen. Insbesondere befasse sich die Druckschrift D19 mit Sitzen, die einen starken elastischen Polsterkern aufwiesen, und damit nicht mit einem Innenausstattungsteil. Bekanntermaßen stelle sich Schaumstoff nach einer Belastung nicht vollständig zurück und verursache daher eine Faltenbildung, die das Streitpatent gerade vermeiden wolle. Die Faltenbildung bei der Verwendung von Echtleder beruhe laut Streitpatent auf Zugkräften im Leder, z.B. wegen Temperaturänderungen. Jedenfalls fehle dem Gegenstand der D19 das starre Trägerformteil, weiterhin sei wegen der Verwendung der Abdichtfolie zwischen Polsterkern und Klebeschicht das Merkmal nicht erfüllt, wonach eine erste Kleberschicht zwischen Trägerformteil und Abstandsgewirke angeordnet sei. Darüber hinaus gehe die Lehre der Druckschrift D5 hinsichtlich der Verwendung von Klebstoffen in eine im Vergleich zum Streitpatent konträre Richtung. Dort sei gerade ein kleberfreier Schichtaufbau offenbart. Darüber hinaus stehe in der Druckschrift D5 der Recyclingaspekt im Vordergrund und damit einhergehend die Sortenreinheit des Materials. Deswegen sei auch die Verwendung von Echtleder dort nicht offenbart. Auch in der nach Ansicht der Patentinhaberin nicht veranlassten Kombination der Gegenstände der Druckschriften D19 und D5 entstehe kein Gegenstand mit allen Merkmalen gemäß dem erteilten Patentanspruch 1.
37
Selbst wenn aus den verschiedenartigen Kombinationen der im Verfahren befindlichen Druckschriften alle Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents hervorgingen und der Fachmann zu diesem Gegenstand hätte gelangen können, sei der Weg hierzu nicht nahegelegt. Denn kein Stand der Technik offenbare die patentgemäßen Zusammenhänge zwischen Abstandsgewirke, Klebeverbindung und echtem Leder.
38
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet, hier wiedergegeben in einer gegliederten Fassung:
39
M0 Innenausstattungsteil für Kraftfahrzeuge, mit
40
M1 – einem starren Trägerformteil (2),
41
M2 – einer auf einer Oberfläche des Trägerformteils (2) angeordneten Schicht aus einem Abstandsgewirke (3) und
42
M3 – einer ersten Kleberschicht (5) zwischen Trägerformteil (2) und Abstandsgewirke (3)
43
M4 – einer auf dem Abstandsgewirke (3) angeordneten Schicht aus schrumpfoptimiertem Echtleder (4) sowie
44
M5 – einer zweiten Kleberschicht (6) zwischen Abstandsgewirke (3) und der Echtlederschicht (4); wobei
45
M2.1 – das Abstandsgewirke (3) eine Dicke von 1-6 mm und
46
M2.2 zwei textile Deckflächen (7) aufweist,
47
M2.2.1 die durch ein Fadensystem (8) aus Kunstfaser-Monofilgarn im Abstand voneinander verbunden sind.
48
Diesem erteilten Patentanspruch 1 schließen sich die zumindest mittelbar auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 an.
49
Der geltende Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet, hier wiedergegeben in einer gegliederten und die Unterscheide zum erteilten Patentanspruch 1 kennzeichnenden Fassung:
50
M0 *
Instrumententafel, Mittelkonsole oder Türverkleidung
Innenausstattungsteil für Kraftfahrzeuge, mit
51
M1 – einem starren Trägerformteil (2),
52
M2 – einer auf einer Oberfläche des Trägerformteils (2) angeordneten Schicht aus einem Abstandsgewirke (3) und
53
M3 – einer ersten Kleberschicht (5) zwischen Trägerformteil (2) und Abstandsgewirke (3)
54
M4 – einer auf dem Abstandsgewirke (3) angeordneten Schicht aus schrumpfoptimiertem Echtleder (4) sowie
55
M5 – einer zweiten Kleberschicht (6) zwischen Abstandsgewirke (3) und der Echtlederschicht (4); wobei
56
M2.1 – das Abstandsgewirke (3) eine Dicke von 1-6 mm und
57
M2.2 zwei textile Deckflächen (7) aufweist,
58
M2.2.1 die durch ein Fadensystem (8) aus Kunstfaser-Monofilgarn im Abstand voneinander verbunden sind.
59
Dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 schließen sich die zumindest mittelbar auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 an.
60
Der geltende Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 lautet, hier wiedergegeben in einer gegliederten und die Unterscheide zum erteilten Patentanspruch 1 kennzeichnenden Fassung:
61
M0 Innenausstattungsteil für Kraftfahrzeuge, mit
62
M1 – einem starren Trägerformteil (2),
63
M2 – einer auf einer Oberfläche des Trägerformteils (2) angeordneten Schicht aus einem Abstandsgewirke (3) und
64
M3 – einer ersten Kleberschicht (5) zwischen Trägerformteil (2) und Abstandsgewirke (3), wobei
65
M3.1 das Trägerformteil (2) mit dem Abstandsgewirke (3) mittels der ersten Kleberschicht (5) verbunden ist,
66
M4 – einer auf dem Abstandsgewirke (3) angeordneten Schicht aus schrumpfoptimiertem Echtleder (4) sowie
67
M5 – einer zweiten Kleberschicht (6) zwischen Abstandsgewirke (3) und der Echtlederschicht (4), wobei
68
M5.1 die Echtlederschicht (4) mit dem Abstandsgewirke (3) mittels der zweiten Kleberschicht (6) verbunden ist; wobei
69
M2.1 – das Abstandsgewirke (3) eine Dicke von 1-6 mm und
70
M2.2 zwei textile Deckflächen (7) aufweist,
71
M2.2.1 die durch ein Fadensystem (8) aus Kunstfaser-Monofilgarn im Abstand voneinander verbunden sind.
72
Dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 schließen sich die zumindest mittelbar auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 an.
73
Der geltende Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 lautet, hier wiedergegeben in einer gegliederten und die Unterschiede zum erteilten Patentanspruch 1 kennzeichnenden Fassung:
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M0 *
Instrumententafel, Mittelkonsole oder Türverkleidung
Innenausstattungsteil für Kraftfahrzeuge, mit
75
M1 – einem starren Trägerformteil (2),
76
M2 – einer auf einer Oberfläche des Trägerformteils (2) angeordneten Schicht aus einem Abstandsgewirke (3) und
77
M3 – einer ersten Kleberschicht (5) zwischen Trägerformteil (2) und Abstandsgewirke (3),
wobei
78
M3.1 das Trägerformteil (2) mit dem Abstandsgewirke (3) mittels der ersten Kleberschicht (5) verbunden ist,
79
M4 – einer auf dem Abstandsgewirke (3) angeordneten Schicht aus schrumpfoptimiertem Echtleder (4) sowie
80
M5 – einer zweiten Kleberschicht (6) zwischen Abstandsgewirke (3) und der Echtlederschicht (4), wobei
81
M5.1 die Echtlederschicht (4) mit dem Abstandsgewirke (3) mittels der zweiten Kleberschicht (6) verbunden ist; wobei
82
M2.1 – das Abstandsgewirke (3) eine Dicke von 1-6 mm und
83
M2.2 zwei textile Deckflächen (7) aufweist,
84
M2.2.1 die durch ein Fadensystem (8) aus Kunstfaser-Monofilgarn im Abstand voneinander verbunden sind.
85
Dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 schließen sich die zumindest mittelbar auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 an.
86
Wegen des Wortlauts der erteilten Unteransprüche 2 bis 6 wird auf die Patentschrift und wegen der Unteransprüche der Hilfsanträge sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.
II.
87
1. Die Zuständigkeit des Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts ist durch § 61 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PatG begründet. Eine Beteiligte, hier die Patentinhaberin, hat den Antrag auf Entscheidung durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 und somit nach mehr als 15 Monaten nach Ablauf der am 8. Dezember 2014 geendeten Einspruchsfrist unter gleichzeitiger Zahlung der Antragsgebühr gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 PatKostG wirksam gestellt. Ungültigkeitsgründe gemäß § 61 Abs. 2 Satz 2 PatG sind den Akten nicht zu entnehmen.
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2. Das Einspruchsverfahren wird auch nach Erlöschen des Streitpatents durch Zeitablauf fortgeführt.
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Nach dem Erlöschen des Streitpatents besteht kein Interesse der Allgemeinheit mehr an einem Widerruf des Patents für die vorausgegangene Laufzeit. Denn das öffentliche Interesse ist lediglich darauf gerichtet, das Patentregister von zu Unrecht erteilten Patenten freizuhalten und damit die Öffentlichkeit zu schützen (vgl. BPatG GRUR 2010, 363 – Radauswuchtmaschine). Allerdings ist ein gegen ein Patent erhobener Einspruch weiterzuverfolgen, wenn der Einsprechende ein Rechtsschutzinteresse daran hat (vgl. BGH GRUR 2008, 279 Rn. 13 – Kornfeinung; GRUR 2012, 1071 Rn. 8 – Sondensystem). Das Rechtsschutzinteresse an der Fortführung des Einspruchsverfahrens wurde zumindest von der Einsprechenden 1) durch Vorlage des Schreibens der damaligen Konzernmutter D… GmbH der Patentinhaberin vom 22. August 2014 glaubhaft dargelegt. Denn dort werden Schadensersatzansprüche angekündigt. Darüber hinaus hat die Patentinhaberin die Einsprechende 1) weder auf das Hinweisschreiben des DPMA vom 20. Januar 2017 noch auf den gerichtlichen Zwischenbescheid vom 1. Oktober 2019 von der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Vergangenheit freigestellt.
90
3. Die unbestritten zulässigen Einsprüche sind begründet und führen zum Widerruf des Patents.
91
4. Die Änderung des Namens der Einsprechenden 6) betrifft lt. Handelsregisterauszug eine reine Namensänderung ohne Auswirkung auf das Einspruchsverfahren.
92
5. Das Streitpatent betrifft ein Innenausstattungsteil für Kraftfahrzeuge (vgl. Abs. [0001] der Streitpatentschrift, im folgenden SPS genannt).
93
Bei Innenausstattungsteilen in Kraftfahrzeugen, beispielsweise Instrumententafeln, Mittelkonsolen oder Türverkleidungen, gebe es eine Vielzahl unterschiedlicher Materialzusammensetzungen und Herstellungsverfahren. Bei exklusiveren Innenausstattungen werde Echtleder als Dekormaterial verwendet. Bei der Lederverarbeitung spiele die Schrumpfungsneigung von Echtleder eine wichtige Rolle. Bisher werde Echtleder als Dekormaterial für Innenausstattungsteile mit einem starren Trägerformteil, wie etwa Instrumententafeln, unmittelbar auf die starren Trägerformteile aufgezogen, was sich entsprechend hart anfühle, abgesehen von der minimalen Nachgiebigkeit des Leders selbst (vgl. Abs. [0002] und [0003] der SPS).
94
Aus der Druckschrift D18 sei bekannt, im unteren Bereich eines Armaturenbretts eines Kraftfahrzeugs eine Polsterung aus einem Schaumstoffkörper vorzusehen, um so eine verletzungsmindernde Nachgiebigkeit des Armaturenbretts zu erzielen. In der vom gleichen Anmelder stammenden Druckschrift D3 werde ein Verfahren vorgeschlagen, bei dem das Innenausstattungsteil, das mit einer Kunststoff-Folie bezogen sei, nachträglich mit einem zusätzlichen Lederbezug beklebt, um den Fahrgastinnenraum qualitativ aufzuwerten. Bei diesen bekannten Innenausstattungsteilen werde also eine so starke Nachgiebigkeit angestrebt, dass Verletzungen, etwa bei ungewolltem Anstoßen oder unfallbedingtem Aufschlagen, vermieden würden (vgl. Abs. [0004] der SPS).
95
Es sei jedoch wünschenswert, bei an und für sich starren Innenausstattungsteilen, die mit einem Echtlederdekor versehen seien, etwa Instrumententafeln oder Mittelkonsolen, eine gewisse begrenzte Nachgiebigkeit des Echtlederdekors zu realisieren. Zwar würde eine Hinterpolsterung von Echtleder mit Schaumstoff die Möglichkeit bieten, eine bestimmte Nachgiebigkeit beim Berühren des Dekormaterials zu erreichen, es habe sich jedoch in der Praxis gezeigt, dass sich das Echtleder durch seine Schrumpfungsneigung – etwa bei Klimawechselbeanspruchungen, wie sie im Inneren von Kraftfahrzeugen auftreten können, – besonders in konkav geformten Bereichen des Innenausstattungsteils ablöse bzw. eine wellige oder ungleichmäßige Oberflächenerscheinung ausbilde. Dieses Problem bestehe auch bei den verletzungsmindernden Schaumstoffpolsterungen, wenn diese mit einem Echtlederdekor bezogen seien (vgl. Abs. [0005] und [0007] der SPS).
96
Der Erfindung liegt daher gemäß Abs. [0008] der SPS das technische Problem zugrunde, ein Innenausstattungsteil zu schaffen, bei dem ein Echtlederdekor auf einem starren Formträgerteil eine gewisse begrenzte Nachgiebigkeit und eine einwandfreie Oberflächenformhaltigkeit aufweist und sich trotzdem nicht von dem Innenausstattungsteil ablöst.
97
6. Als zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Fahrzeugtechnik mit mehreren Jahren Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion von Innenausstattungsteilen für Kraftfahrzeuge an. Bedarfsweise wird er einen erfahrenen Textilingenieur zu Rate ziehen. Dem Fachwissen dieses Fachmanns ist die Kenntnis darüber zuzurechnen, dass Echtleder nicht ohne Vorbehandlung in einem Kraftfahrzeug mit den dort typischerweise einhergehenden Belastungen hinsichtlich Temperaturen und Luftfeuchtigkeit eingesetzt werden kann. Als Beleg für dieses Fachwissen kann die Druckschrift D3 gelten. Dort wird offenbart, dass Echtlederschichten zum Beziehen eines Innenausstattungsteils für Fahrzeuge vor dem Aufbringen auf das Innenausstattungsteil einer Wärmebehandlung unterzogen werden (vgl. Anspruch 1, Sp. 1, Z. 13 bis 16). Weiterhin wird dort erklärt, dass durch diese Wärmebehandlung der Echtlederschicht Feuchtigkeit entzogen wird und damit die Echtlederschicht nicht erst nach erfolgter Verklebung schrumpft (vgl. Sp. 2, Z. 44 bis 49). Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass das Echtleder bereits während der Wärmebehandlung im Halbzeugzustand schrumpft, nicht erst beim Einsatz im Fahrzeug im eingebauten Zustand. Somit ist diese Vorbehandlung als Schrumpfoptimierung im Sinne des Streitpatents zu verstehen.
98
7. Die Prüfung der Patentfähigkeit, aber auch die Prüfung der Ausführbarkeit erfordern regelmäßig eine Auslegung des Patentanspruchs, bei der dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen sind (BGH GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum I). Dies gilt auch für das Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren. Dazu ist zu ermitteln, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt, wobei diese unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnung aus Sicht des von der Erfindung betroffenen Fachmanns ausgelegt wird (BGH GRUR 2007, 859 – Informationsübermittlungsverfahren).Dies darf allerdings weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH GRUR 2004, 1023 -Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Begriffe in den Patentansprüchen sind deshalb so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift und Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre zum technischen Handeln versteht.
99
Der vorstehend definierte Fachmann entnimmt dem geltenden erteilten Patentanspruch 1 daher ein Innenausstattungsteil (Merkmal M0), das für Kraftfahrzeuge hergerichtet sein muss. Hierzu nennt die SPS in den Absätzen [0002] und [0005] sowie in Patentanspruch 6 beispielhaft Instrumententafeln, Mittelkonsolen oder Türverkleidungen.
100
Gemäß Merkmal M1 weist das Innenausstattungsteil ein starres Trägerformteil auf, das ein Formteil aus Blech, Duroplast, Thermoplast, Verbundwerkstoffen usw. sein kann. Bevorzugt ist wegen seiner geringen Verzugsneigung ein Trägerformteil aus faserverstärktem Polyurethan, wobei die Faserverstärkung z.B. aus Glasfasern oder Naturfasern bestehen kann (vgl. Abs. [0016] und Patentanspruch 5 der SPS).
101
Als weitere Schicht definiert Patentanspruch 1 eine Schicht aus einem Abstandsgewirke 3, die zwar gemäß Merkmal M2 auf einer Oberfläche des mit Merkmal M1 beanspruchten starren Trägerformteils angeordnet sein soll, sich allerdings nicht in direktem Kontakt mit der Oberfläche des Trägerformteils befinden muss. Denn ausweislich des Merkmals M3 ist zumindest eine Kleberschicht 5 zwischen dem Trägerformteil und dem Abstandsgewirke angeordnet. Gleiches gilt auch für eine Echtlederschicht 4, die auf dem Abstandsgewirke angeordnet ist (Merkmal M4) mit zumindest einer sich zwischen ihr und letzterem befindlichen Kleberschicht 6 (Merkmal M5). Die SPS führt darüber hinaus in Abs. [0017] weiter aus, dass es zweckmäßig sein kann, zwischen den Kleberschichten und der polsternden Zwischenschicht an sich bekannte Sperrbeschichtungen vorzusehen, um ein Eindringen von Kleber in die polsternde Zwischenschicht zu minimieren. Zudem kann es zweckmäßig sein, eine Sperrbeschichtung zwischen der Echtlederschicht und der zugehörigen Kleberschicht vorzusehen, um auch ein Eindringen von Kleber in das Leder zu minimieren. Aus alledem, also aus dem Gesamtzusammenhang der SPS folgt somit, dass die Klebeschichten die angrenzenden Schichten nicht nur unmittelbar, sondern auch mittelbar (d.h. unter Anordnung einer dazwischenliegenden (Sperr-) Schicht) verbinden können.
102
Das Abstandsgewirke besteht gemäß den Merkmalen M2.2 und M2.2.1 aus zwei separaten textilen Deckschichten, die durch ein (als eine weitere Schicht zu verstehendes) Fadensystem aus Kunstfaser-Monofilgarn im Abstand voneinander verbunden sind.
103
Als Kleber für die erste Kleberschicht zwischen Trägerformteil und Abstandsgewirke (Merkmal M3) soll ein Standardkleber eingesetzt werden, der vorzugsweise wärmeaktivierbar ist (vgl. Abs. [0016] und Patentanspruch 3 der SPS).
104
Merkmal M4 fordert, dass die Echtlederschicht 4 schrumpfoptimiert ist. Eine Schrumpfoptimierung lässt sich z.B. durch eine Wärmebehandlung erreichen (vgl. Abs. [0018] der SPS), also durch ein auf ein Halbzeug einwirkendes bestimmtes Verfahren. Welche Temperaturbereiche notwendig sind, wie lange das Leder einer solchen Behandlung unterzogen werden muss und welche Eigenschaften letztlich das Erzeugnis schrumpfoptimiertes Leder aufweisen muss um als solches eingestuft bzw. erkannt werden zu können, wird nicht näher ausgeführt und bleibt somit dem Fachmann überlassen.
105
8. Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist ausführbar.
106
Gemäß Merkmal M3 iVm Abs. [0016] und Anspruch 3 der SPS soll ein vorzugsweise wärmeaktivierbarer Standardkleber eingesetzt werden. Die hier zu treffende Auswahl eines anzuwendenden wärmeaktivierbaren Klebers – in Abhängigkeit von den mit einander zu verklebenden fachüblichen Materialien – für den Einsatzfall im Kraftfahrzeug betrifft eine fachnotorische Maßnahme ohne unzumutbare Schwierigkeiten.
107
In Merkmal M4 wird der Begriff „schrumpfoptimiert“ verwendet. Ob dieser Begriff ein feststehender (Fach-) Begriff ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls gibt die SPS in Abs. [0018] hierzu den zusätzlichen Hinweis auf eine Wärmebehandlung. Diese Angaben reichen völlig aus, den Fachmann in die Lage zu versetzen, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen zu verwirklichen. Denn dem Fachmann sind die Notwendigkeit und die Art der Vorbehandlung von Echtlederschichten für den Einsatz im Kraftfahrzeug bekannt, wie dies vorstehend unter Ziffer 6 bereits erläutert wurde.
108
Somit versetzt die Gesamtoffenbarung der SPS den Fachmann problemlos in die Lage, den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auszuführen.
109
9. Hauptantrag – erteilte Fassung
110
Die erteilte Fassung des Streitpatents ist jedoch nicht bestandsfähig. Denn der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist zwar neu, beruht aber gegenüber der Kombination der Lehren der Druckschriften D19 und D5 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
111
9.1 Der Gegenstand des unbestritten ursprünglich offenbarten erteilten Patentanspruchs 1 ist zwar neu.
112
Die nachveröffentlichte Druckschrift D11 betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer mehrlagigen Bahn aus einem außenliegenden Bezug und einem darunterliegenden Vliesstoff mit einem erhöhten stehenden Faseranteil, wobei die Lagen unter Verwendung eines dazwischen angebrachten Klebemittels aufeinanderkaschiert werden (vgl. S. 2, Z. 3 bis 5). Der außenliegende Bezug kann auch aus Leder bestehen (vgl. S. 3, Z. 36, 37). Der darunterliegende Vliesstoff soll eine flächige Faser- oder Filamentanordnung sein, bei der die Fasern oder Filamente – im Gegensatz zum bloßen, lockeren Vlies – durch mechanische (z.B. durch Vlieswirken oder Nadeln), chemische (z.B. durch faserbenetzende Kleber) und/oder thermische Verfahren (z.B. durch Anschmelzen von Bikomponentenfasern) zu einem zusammenhaltenden Flächengebilde verfestigt sind (vgl. S. 3, Z. 40 bis 43). Zwar werden auf S. 4, Z. 6 bis 36 vier verschiedene Vliesstoffe bzw. Vliesgewirke zusammen mit deren Ober- und Unterseiten beschrieben. Allerdings fehlt es hier an der unmittelbaren konkreten Offenbarung des patentgemäßen Abstandsgewirkes, das neben der den Abstand bildenden Schicht zwei zusätzliche (separate) textile Deckflächen aufweist. Die beschriebenen Ober- und Unterseiten der Vliesstoffe bzw. Vliesgewirke der Druckschrift D11 entstehen durch die Erzeugung der entsprechenden Stoffe bzw. Gewirke und sind nicht als zusätzliche separate Schichten im patentgemäßen Sinne als textile Deckflächen eingebracht.
113
Die nächstkommende Druckschrift D19 betrifft ein Polsterteil, bspw. für den Einsatz in Kraftfahrzeugen als Polsterseitenteil angrenzend zur Rücksitzlehne (vgl. S. 1, vorl. Abs.), mithin ein Innenausstattungsteil für Kraftfahrzeuge gemäß Merkmal M0. Entgegen der Ansicht der Patentinhaberin befasst sich die Druckschrift D19 somit nicht mit einem notwendigerweise einen starken elastischen Polsterkern aufweisenden Sitz an sich.
114
Das Innenausstattungsteil weist ein als Kern bezeichnetes Trägerformteil 14 gemäß Merkmal M1 auf, das laut S. 3, Abs. 2 aus einem Polyurethan-Reaktionsgemisch besteht. Durch die Bezeichnung als Kern und den in der Druckschrift D19 gelehrten Aufbau mit dem darüber liegenden Abstandsgewirke mit Rücksprungvermögen (vgl. auch die Figur) ist dem Fachmann ersichtlich, dass das Trägerformteil 14 eine gewisse Stabilität aufweisen und damit im Sinne des Merkmals M1 starr sein muss, da die geforderte Elastizität zum Toleranzausgleich (vgl. S. 1, vorl. Abs.) vom Abstandsgewirke beigetragen wird.
115
Auf der Oberfläche des Trägerformteils 14 ist gemäß dem Merkmal M2 eine Schicht aus einem Abstandsgewirke 20 angeordnet (vgl. die Figur und S. 3, letzter Abs.). Die Oberfläche des Trägerformteils und die Schicht aus Abstandsgewirke brauchen sich nach der oben erläuterten Auslegung des erteilten Patentanspruchs 1 nicht in unmittelbarem Kontakt zu befinden, um das Merkmal M2 zu erfüllen.
116
Zwischen dem Trägerformteil 14 und dem Abstandsgewirke 20 befindet sich gemäß Merkmal M3 eine erste Kleberschicht 24 (vgl. die Figur und S. 3, letzter Abs.). Dass sich zwischen Trägerformteil 14 und der ersten Kleberschicht 24 noch eine Abdichtfolie 18 befindet, ist nach der oben erläuterten Auslegung des erteilten Patentanspruchs 1 unschädlich für die Erfüllung des Merkmals M3.
117
Auf dem Abstandsgewirke 20 ist gemäß Merkmal M4 eine Schicht aus Echtleder 16 angeordnet (vgl. die Figur und S. 3, letzter Abs.). Die Schicht aus Abstandsgewirke und die Schicht aus Echtleder brauchen sich nach der oben erläuterten Auslegung des erteilten Patentanspruchs 1 nicht in unmittelbarem Kontakt zu befinden, um das Merkmal M4 zu erfüllen.
118
Zwischen dem Abstandsgewirke 20 und der Echtlederschicht 16 befindet sich gemäß Merkmal M5 eine zweite Kleberschicht 22 (vgl. die Figur und S. 3, letzter Abs.).
119
Das Abstandsgewirke 20 weist eine Dicke von 1 bis 10 mm auf (vgl. Anspruch 2), womit der Bereich von 1 bis 6 mm gemäß Merkmal M2.1 umfasst ist. Es besteht hinsichtlich des Merkmals M2.2.1 aus einem Fadensystem aus Polyester (vgl. Anspruch 3), also aus Kunstfasern.
120
Hiervon unterscheidet sich das Innenausstattungsteil gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 dadurch, dass das Abstandsgewirke gemäß Merkmal M2.2 zwei textile Deckflächen aufweist, die gemäß Merkmal M2.2.1 durch ein Fadensystem aus Kunstfaser-Monofilgarn im Abstand voneinander verbunden sind.
121
Somit weist der Gegenstand der Druckschrift D19 nicht alle Merkmale des Gegenstands des erteilten Patentanspruchs 1 auf.
122
Die Gegenstände der weiteren im Einspruchsverfahren befindlichen Druckschriften kommen nach Überzeugung des Senats dem Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 erkennbar nicht näher. Dies wurde im Übrigen auch nicht vorgetragen.
123
9.2 Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 beruht aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
124
Das Innenausstattungsteil gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 unterscheidet sich – wie oben gezeigt – von demjenigen der nächstkommenden Druckschrift D19 dadurch, dass das Abstandsgewirke gemäß Merkmal M2.2 zwei textile Deckflächen aufweist, die gemäß Merkmal M2.2.1 durch ein Fadensystem aus Kunstfaser-Monofilgarn im Abstand voneinander verbunden sind.
125
Geht der zuständige Fachmann vom Gegenstand der Druckschrift D19 aus und sucht zur Lösung der patentgemäßen Aufgabe (also ein Innenausstattungsteil zu schaffen, bei dem ein Echtlederdekor auf einem starren Formträgerteil eine gewisse begrenzte Nachgiebigkeit und eine einwandfreie Oberflächenformhaltigkeit aufweist und sich trotzdem nicht von dem Innenausstattungsteil ablöst; vgl. letzter Abs. unter Ziffer 5) nach einer möglicherweise besseren Alternative, so stößt er auf den Gegenstand der Druckschrift D5. Denn die dortige zu lösende Aufgabe besteht darin, einen Schichtaufbau (für ein Ausstattungsteil für einen Fahrzeuginnenraum) zu schaffen, der u.a. qualitativ hochwertig ist (vgl. Sp. 1, Z. 61 bis 65). Hierdurch wird der Fachmann angeregt, den durch die Druckschrift D5 offenbarten Schichtaufbau auf die (die Qualität des Innenausstattungsteils betreffenden) Eigenschaften der Oberflächenformhaltigkeit und der Haftung der Dekorschicht zu prüfen.
126
Die Druckschrift D5 offenbart einen Schichtaufbau für ein Ausstattungsteil für einen Fahrzeuginnenraum (vgl. Sp. 1, Z. 3 bis 6). Zwischen einem dort als Trägerschicht bezeichneten Trägerformteil 6 und einer äußeren Oberflächenschicht 3 ist eine druckweiche Abstandsschicht 5 angeordnet (vgl. Fig. 1 und Sp. 5, Z. 10 bis 21). Die druckweiche Abstandsschicht 5 weist gemäß Merkmal M2.2 zwei textile Deckflächen 10 und 11 auf (vgl. Fig. 1 und Sp. 5, Z. 58 bis 63), die gemäß Merkmal M2.2.1 in einer von mehreren beschriebenen Ausführungsformen durch ein Fadensystem aus Kunstfaser-Monofilgarn im patentgemäßen Sinn im Abstand voneinander verbunden sind (vgl. Fig. 1 und Sp. 5, Z. 31 bis 39 und Z. 66 bis 68).
127
Dass die Druckschrift D5 auch weitere Aspekte wie die Recyclingfähigkeit und die damit einhergehende Sortenreinheit behandelt und darüber hinaus deren Gegenstand ohne die Verwendung von Klebern auskommt, ändert nichts an der aufgezeigten Offenbarung des Abstandsgewirkes mit zwei textilen Deckflächen.
128
Insofern ist daher der Fachmann veranlasst, den Gegenstand der Druckschrift D5 mit demjenigen der Druckschrift D19 zu kombinieren. Somit gelangt er in naheliegender Weise zu dem Gegenstand gemäß dem erteilten Patentanspruch 1.
129
Die auf den erteilten Anspruch 1 rückbezogenen erteilten Unteransprüche 2 bis 6 fallen zusammen mit dem erteilten Anspruch 1 (vgl. BGH GRUR 2007, 862 – 865 – Informationsübermittlungsverfahren II).
130
10. Hilfsantrag 1
131
Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist als einzige Änderung zum erteilten Patentanspruch 1 in Merkmal M0 das Wort „Innenausstattungsteil“ durch die Formulierung „Instrumententafel, Mittelkonsole oder Türverkleidung“ (Merkmal M0
*
) ersetzt worden. Diese Formulierung stammt aus dem so wie eingereicht erteilten Anspruch 6 und ist somit ursprünglich offenbart. Sie schränkt auch den Patentgegenstand nach dem erteilten Anspruch 1 ein. Die Unteransprüche 2 bis 5 nach Hilfsantrag 1 entsprechen den erteilten Unteransprüchen 2 bis 5. Hilfsantrag 1 ist daher zulässig.
132
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ist zwar ausführbar und neu, er beruht aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Er ist daher nicht patentfähig.
133
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 richtet sich auf eine Instrumententafel, eine Mittelkonsole oder eine Türverkleidung. Der Gegenstand der Druckschrift D19 offenbart ein sog. Polsterteil, das beispielsweise in Kraftfahrzeugen als Polsterseitenteil seitlich angrenzend an die Rücksitzlehne zum Einsatz kommt (vgl. S. 1, Abs. 1). Es kann demzufolge für den Fachmann leicht ersichtlich nicht nur dort, sondern auch an anderen Stellen im Kraftfahrzeug zum Einsatz kommen, an denen ähnliche Anforderungen auftreten. Insbesondere eine explizit vom Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 umfasste Türverkleidung unterscheidet sich diesbezüglich kaum von einem sog. Polsterseitenteil der Druckschrift D19. Der Fachmann wird also bedarfsweise ohne Probleme zur Lösung der gestellten Aufgabe vom Gegenstand der Druckschrift D19 ausgehen.
134
Die zum Hauptantrag dargelegte Argumentation hinsichtlich der mangelnden erfinderischen Tätigkeit beim Auffinden seines Gegenstands trifft daher vollinhaltlich auch für den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 zu.
135
Die auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 fallen zusammen mit Anspruch 1.
136
11. Hilfsantrag 2
137
Der Hilfsantrag 2 ist unzulässig.
138
Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 sind im Vergleich zum erteilten Patentanspruch 1 die Merkmale M3.1 und M5.1 hinzugekommen. Diese Merkmale sollen nach Aussage des Vertreters der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung zur Klarstellung des Anspruchs 1 in der Folge des gerichtlichen Zwischenbescheids dienen. Über die Worte „mittels“ und „verbunden“ soll die unmittelbare Verbindung der jeweils benachbarten Schichten herausgestellt werden, also hinsichtlich des Merkmals M3.1 des Trägerformteils und des Abstandsgewirkes und hinsichtlich des Merkmals M5.1 des Abstandsgewirkes und der Echtlederschicht. Allerdings ist der Wortlaut dieser beiden Merkmale nach Überzeugung des Senats weiterhin dahingehend auszulegen, dass die betreffenden Kleberschichten die benachbarten Schichten zwar unmittelbar, aber auch nur mittelbar verbinden können bzw. auf diese Weise zur Verbindung dieser Schichten beitragen. Die entsprechende Auslegung wurde bereits vorstehend unter Ziffer 7 für den erteilten Anspruch 1 dargelegt. Im Resultat ergibt sich somit durch die Einfügung der Merkmale M3.1 und M5.1 in den erteilten Anspruch 1 keine Änderung seines Gegenstandes. Damit handelt es sich bei dieser Änderung offensichtlich um eine Klarstellung ohne materielle Änderung des Patents. Solche reinen Klarstellungen von (inhaltlich) unverändert aufrechterhaltenen Ansprüchen des Patents sind unzulässig (vgl. BGH GRUR 88, 757 Düngerstreuer; 89, 103 (III2c) Verschlussvorrichtung für Gießpfannen). Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist somit unzulässig.
139
12. Hilfsantrag 3
140
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 ist zwar ausführbar und neu, er beruht aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Er ist daher nicht patentfähig.
141
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 kombiniert die Änderungen der Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 und beschränkt somit den erteilten Patentgegenstand. Die Unteransprüche 2 bis 5 nach Hilfsantrag 3 entsprechen den wie eingereicht erteilten Unteransprüchen 2 bis 5. Hilfsantrag 3 ist daher unter Bezugnahme auf die oben abgehandelte Betrachtung der Zulässigkeit der Hilfsanträge 1 und 2 ebenfalls zulässig. Allerdings ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 inhaltlich identisch mit demjenigen des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1, vgl. die Ausführungen zu Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1, und beruht somit nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
142
Die auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 fallen zusammen mit Anspruch 1.
143
13. Das Patent war somit zu widerrufen.