Patent- und Markenrecht

Patentnichtigkeitsklageverfahren – “Endoluminale Laserablationsvorrichtung” – auf Verwendung eines Erzeugnisses gerichteter Anspruch – im Einzelfall Zuordnung der Sach- oder Verfahrenskategorie – ein zur medizinischen Verwendung bereitgestelltes Erzeugnis (hier: ein medizinisches Gerät) ist nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen – die gesetzliche Ausnahme für die Neuheit von Stoffen bzw. Stoffgemischen kann im Rahmen der zweiten medizinischen Indikation nicht in zulässiger Weise entsprechend auf sonstige Erzeugnisse ausgedehnt werden

Aktenzeichen  4 Ni 60/17 (EP)

Datum:
12.3.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:120319U4Ni60.17EP.0
Normen:
Art 53 Buchst c S 2 EuPatÜbk
Art 54 Abs 4 EuPatÜbk
Art 54 Abs 5 EuPatÜbk
Spruchkörper:
4. Senat

Leitsatz

Endoluminale Laserablationsvorrichtung
1. Ein auf Verwendung eines Erzeugnisses gerichteter Anspruch – ob als reiner Verwendungsanspruch oder Verwendungsherstellungsanspruch formuliert – ist abhängig von der Bedeutung der anspruchsgemäßen Sach- und Verfahrensmerkmale im Einzelfall der Sach- oder Verfahrenskategorie zuzuordnen.
2. Auch wenn ein zur (weiteren) medizinischen Verwendung bereitgestelltes Erzeugnis – hier ein medizinisches Gerät – nach Art. 53c Satz 2 EPÜ – anders als medizinische Verfahren – nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist, kann die in Art. 54 Abs. 4 und Abs. 5 EPÜ abschließend formulierte gesetzliche Ausnahme für die Neuheit von Stoffen bzw. Stoffgemischen und die hierauf abstellende frühere Rechtsfortbildung eines anerkannten Verwendungs- bzw. Verwendungsherstellungsanspruchs im Rahmen der zweiten medizinischen Indikation nicht in zulässiger Weise entsprechend auf sonstige Erzeugnisse ausgedehnt werden.

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 2 620 119
(DE 60 2009 033 451)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 2019 durch den Vorsitzenden Richter Engels, der Richterin Kopacek, den Richter Dipl.-Ing. Veit, die Richterin Dipl.-Phys. Zimmerer sowie den Richter Dipl.-Chem. Dr. Wismeth
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 2 620 119 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 620 119, deutsches Aktenzeichen DE 60 2009 033 451 (Streit- bzw. Klagepatent), das am 2. März 2009 angemeldet worden ist und die US-amerikanischen Prioritäten US 67537 vom 28. Februar 2008, US 79024 vom 8. Juli 2008, US 104956 vom 13. Oktober 2008 und US 395455 vom 27. Februar 2009 in Anspruch nimmt. Das Streitpatent trägt in der Verfahrenssprache Englisch die Bezeichnung „Endoluminal laser ablation device for treating veins“, in der deutschen Übersetzung „Endoluminale Laserablationsvorrichtung zur Behandlung von Venen“. Das Streitpatent umfasst 15 Patentansprüche, die sämtlich angegriffen sind.
2
Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch:
3
In der deutschen Übersetzung lautet Patentanspruch 1:
4
Die Klägerin macht geltend, dass das Klagepatent nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a und Art. 54, 56 EPÜ wegen mangelnder Patentfähigkeit, insbesondere wegen fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit, für nichtig zu erklären sei.
5
Die Klägerin führt die folgenden Dokumente in das Verfahren ein:
6
N1 EP 0 292 695 A2
7
N2 DE 31 19 322 A1
8
N3 US 4 842 390 A
9
N4 „Lexikon der Optik“, Erster Band A bis L, Hrsg.: Harry Paul, Spektrum Akad. Verl. Berlin, 1999, S. 403-404
10
N5 DE 197 03 208 A1
11
N6 DE 39 41 705 A1
12
N7 US 5 303 324 A
13
N8 DE 101 02 477 A1
14
N9 US 5 242 438 A
15
N10 DE 44 03 134 A1
16
N11 DE 196 30 255 A1
17
N12 EP 0 152 766 A1
18
N13 EP 0 232 511 A1
19
N14 US 6 143 018 A
20
N15 US 2004/0092913 A1
21
N16 US 5 196 005 A
22
N17 DE 39 01 931 A1
23
N18 US 4 850 351 A
24
N19 Christine Burgmeier: „Endoluminale Behandlung der Varikosis:
25
Analyse der Rolle kollagener Fasern und experimentelle Evaluation der thermischen Gewebeveränderungen durch Laser- und Radiofrequenzenergie“, Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät, URL: https://edocundub.uni-muenchen.de/8914/, eingestellt am 22. August 2008
26
N20 R. Puls et. al.: „Laserinduzierte interstitielle Thermotherapie (LITT) – Anwendung runder und spitzer Laserapplikator-Systeme – erste Ergebnisse“, Fortschr. Röntgenstr. 2001; 173: 263-265, Georg Thieme Verlag Stuttgart New York, ISSN 1438-9029
27
N21 US 5 537 499 A
28
N22 Merkmalsgliederung des Patentanspruchs 1
29
N23 Stefano Sottini et al.: „Probe for laser angioplasty radiating a corolla shaped beam“; Applied Optics, Vol. 28, No. 5, 1. März 1989, S. 995-999
30
N24 US 9 693 826 B2
31
N25 Erteilungsbeschluss zu N24
32
N26 Auszug zum Begriff „Lichtstreuung“ aus dem Lexikon der Optik, Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg-Berlin, Bd.1, 1999
33
N27 Wikipedia-Artikel zu „Angioplastie“ (URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Angioplastie, abgerufen am 5. Februar 2018)
34
N28 T. Reuther et al.: „Durchmesser der Vena saphena magna in der Krossenregion bei gesunden Venen und primärer Stammvarikosis“, Phlebologie 1999, 28, S. 48-52
35
N29 Beschluss des LG Düsseldorf 4 b O 129/16 zu Gbm DE 20 2009 018 508 U1
36
N30 Beschluss LG Düsseldorf 4b O 13/17 zu EP 2 620 119 B1
37
N31/N31A Heinze A. et al: Modified fiber tips for light application in hollow organs. In: Proc. SPIE 1201, optical fibers in medicine V, 1. Juli 1990, S. 304-312
38
N32 Stellenbeschreibung eines R&D Managers
39
N33 Forschungsbericht 2005-2006 LIFE, Klinikum der Universität München S. 1-9
40
N34 EP 2 620 119 A2 (urspr. Anmeldungsunterlagen des Streitpatents).
41
Nach Ansicht der Klägerin könne aus Abs. [0022] des Streitpatents im Umkehrschluss geschlossen werden, dass die Aufgabe der Erfindung darin bestehe, eine verbesserte Vorrichtung für die sichere und wirkungsvolle endoluminale Laserablation („ELA“) zu schaffen, die mit relativ niedrigen Leistungsdichten durchgeführt werden könne. Eine klare Festlegung der Aufgabenstellung liege aber nicht vor.
42
Wie aus Abs. [0023] der Streitpatentschrift zu entnehmen sei, sollten die Vorteile nach Abs. [0022] durch eine Vorrichtung zur endoluminalen Behandlung von Blutgefäßen erreicht werden, die einen flexiblen Wellenleiter aufweise, der eine langgestreckte Achse, ein proximales Ende, das optisch mit einer Strahlungsquelle verbindbar sei, und ein distales Ende aufweise, das in einem Blutgefäß aufnehmbar sei. Das distale Ende schließe eine Strahlung emittierende Oberfläche ein, die Strahlung von der Strahlungsquelle seitlich bezüglich der langgestreckten Achse des Wellenleiters auf einen sich winkelmäßig erstreckenden Teil der umgebenden Gefäßwand emittiere. Möglichkeiten zur radialen oder winkelmäßigen Umlenkung eines Lichtstrahls seien jedoch allgemein aus der Schulphysik bekannt und auch in Anwendung auf eine endoluminale, d.h. auf die Innenwand eines Hohlkörpers gerichtete Strahlung bekannt, wie sich dies allgemein z.B. aus den Schriften N1 bis N6 ergebe.
43
Die Zweckangabe „für die endoluminale Behandlung von venösen Insuffizienzen“ der Vorrichtung der in dem Streitpatent beanspruchten Art stelle lediglich eine unbestimmte Auswahl von Anwendungsmöglichkeiten derartiger streitgegenständlicher Vorrichtungen dar, die allgemein ohne Beschränkung hierauf ebenfalls für die Behandlung von venösen Insuffizienzen, jedoch außerdem für eine Vielzahl von anderen medizinischen Anwendungen geeignet seien. Es sei daher nicht erforderlich, dass für eine aus dem Stand der Technik bekannte Vorrichtung der genannte Einsatzzweck ausdrücklich bekannt sei, vielmehr reiche eine Eignung hierfür aus.
44
Die Merkmale des Patentanspruchs 1 seien gegenüber N1 bis N5, N21 und N23 nicht neu. Insbesondere sei die N21 ohne weiteres für die endoluminale Behandlung von venösen Insuffizienzen geeignet. N21 zeige sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 in der Ausführungsform nach den Fig. 26 bis 33. Darüber hinaus sei der Gegenstand des Streitpatents nicht neu gegenüber der N31/N31A, die sich mit der Laserbehandlung von Hohlorganen, insbesondere der Koagulation von zylindrischen Organen befasse. Die N31/N31A stelle auch auf die Verwendung kleiner bzw. kleinster Dimensionierungen ab. Der Zweck des Verschließens der Fistel entspreche demjenigen, auf den die Beklagte im Patent abstelle. Darüber hinaus beruhe Patentanspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit in Bezug auf eine Kombination der Schriften N4 oder N1 mit N6. Eine fehlende erfinderische Tätigkeit des Patentanspruchs 1 ergebe sich auch aus einer Kombination der N5 mit N16. Es werde rein vorsorglich darauf hingewiesen, dass in keinem Fall auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen könne, eine optische Vorrichtung, die für eine interstitielle Anwendung mit einer Kappe mit einer Spitze am freien Ende versehen sei, dadurch für eine endoluminale Anwendung je nach Anwendungsfall besser geeignet zu machen, dass eine Abdeckung mit einem abgerundeten freien Ende versehen werde. Zudem bestehe eine fehlende erfinderische Tätigkeit des Patentanspruchs 1 in Bezug auf eine Kombination N3 mit N6 sowie der N21 mit N5 oder N6.
45
Da alle Unteransprüche direkt oder indirekt auf einen nicht patentfähigen Patentanspruch 1 rückbezogen seien, fielen sie bereits aus diesem Grund. Aber auch die Einbeziehung der Merkmale der Unteransprüche in den Patentanspruch 1 könne angesichts des Standes der Technik nicht zu einem patentfähigen Gegenstand führen.
46
Im Hinblick auf die Hilfsanträge hat die Klägerin anfangs allgemein in Frage gestellt, ob das Streitpatent insoweit die beanspruchte Erfindung so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG). Jedenfalls seien aber auch die Gegenstände der Hilfsanträge nicht neu bzw. beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Das in Patentanspruch 1 aller Hilfsanträge eingefügte Merkmal „by applying radiation to the vein wall for occluding the vein during a pull-back-motion of the device“ stelle eine Zweckangabe dar, so dass es nur darauf ankomme, ob eine Vorrichtung objektiv dazu geeignet sei. Zudem sei in alle Hilfsanträge das Merkmal „rounded“ in Bezug auf das distale Ende des Wellenleiters aufgenommen worden. In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen (Anlage N34) sei allerdings an keiner Stelle offenbart, dass das distale Ende des Wellenleiters abgerundet ausgebildet werden könne. Ein abgerundetes distales Ende des Wellenleiters könne auch nicht der Fig. 1 entnommen werden. Die Aufnahme des Merkmals stelle daher eine unzulässige Erweiterung nach Art. II § 6 Nr. 3 IntPatÜG i.V.m. Art. 123 Abs. 2 EPÜ dar. Das in Patentanspruch 1 aller Hilfsanträge eingefügte Merkmal „wherein the emitting surface is oriented at an acute angle with respect to the elongated axis of the waveguide and wherein the emitting surface is substantially conical shaped“ sei aus N3, N5, N6, N21, N23 sowie N31/N31A bekannt, um eine seitliche und ringförmige Abstrahlung zu bewirken. Das in Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 2 eingefügte Merkmal „wherein the spread of the annular beam is defined by an angle within the range of about 30° to about 40°“ sei eine reine Auswahl aus möglichen Divergenzwinkeln (vgl. N3, N5 und N23), für die spezielle Vorteile nicht angegeben seien. Als Ausgangspunkt des weiter zu bildenden Standes der Technik sei von N31/N31A auszugehen. Die Auswahl des Winkels erfolge ohne Darlegung irgendwelcher Vorteile und könne eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Diesbezüglich sei auch auf N5 zu verweisen. Die Auswahl des Winkelbereichs werde der Fachmann auch davon abhängig machen, ob er ein schnelleres Ergebnis erzielen wolle und wie er z.B. in der N31/N31A Beschädigungen des gesunden Gewebes dadurch vermeide, dass keine axiale Abstrahlung erfolge oder sich diese begrenze. Das in Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 eingefügte Merkmal „at least one laser source that provides laser radiation of 1470 nm +/- 30 nm or 1950 nm +/- 30 nm“ gebe die Absorptions-Maxima von Lichtwellen in Wasser an, die dem Fachmann bereits aufgrund seines allgemeinen Fachwissens bekannt seien. Es sei naheliegend für den Fachmann, Wellenlängen auszuwählen, die auf die Absorptionseigenschaften von Wasser abstellten, weshalb man zu den hier ausgewählten Wellenlängen gelange. Das weitere Merkmal „wherein the proximal end of the waveguide is optically coupled to the at least one laser source“ stelle eine Selbstverständlichkeit dar. Dies gelte auch im Hinblick auf den Hilfsantrag 4, der das gleiche zusätzliche Merkmal wie Hilfsantrag 3 enthält. Das in den Hilfsantrag 5 eingefügte Merkmal „wherein the waveguide is an optical fiber and wherein the cover is a cap that is fused to the fiber core“ sei beispielsweise aus N21 bekannt. Auch dieses Merkmal sei naheliegend, wobei bei dem hier verwendeten Fiberglas das Merkmal „fuse“ z.B. ein Anschmelzen bedeute. Die N21 zeige in sämtlichen Ausführungsbeispielen ein Verschmelzen, wobei beim Patent auch nicht klar werde, ob hier nicht nur das „cladding“ mit der Kappe verschmolzen werde, oder aber der „waveguide“. Deshalb mangele es an einer erfinderischen Tätigkeit.
47
Die Klägerin beantragt,
48
das europäische Patent 2 620 119 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
49
Die Beklagte beantragt,
50
die Klage abzuweisen (Bl. 292 d.A.), hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit den Hilfsanträgen 1 bis 5, eingereicht mit Schriftsatz vom 31. Januar 2019 (Bl. 291 d.A.), und den in der mündlichen Verhandlung am 12. März 2019 eingereichten Hilfsanträgen 1 bis 5 B-Fassung verteidigt wird.
51
Darüber hinaus erklärt die Beklagte, das Streitpatent werde in der jeweiligen A- und B-Version in aufsteigender Reihenfolge der Hilfsanträge 1 bis 5 verteidigt. Außerdem werde in sämtlichen Patentansprüchen die Formulierung „emits radiation“ durch die Angabe „adapted to emit radiation“ ersetzt. Auf eine isolierte Verteidigung der Unteransprüche hat die Beklagte verzichtet.
52
Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und erachtet das Streitpatent für patentfähig. Die Nichtigkeitsklage sei nicht begründet.
53
Sie legt ihrerseits folgende Dokumente vor:
54
W01 Merkmalsanalyse des Patentanspruchs 1
55
W02 Urteil des OLG Düsseldorf v. 31. August 2017, Az. I – 2 U 11/17
56
W03 Auszug aus den Prüfungsrichtlinien des EPA
57
W04 Auszug aus dem Online-Lexikon Wikipedia zum Begriff „Reflexion (Physik)“; URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Reflexion_(Physik), abgerufen am 29. Oktober 2018
58
W05 Auszug aus dem Online-Lexikon Wikipedia zum Begriff „Lambertsches Gesetz“; URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Lambertsches_Gesetz, abgerufen am 29. Oktober 2018
59
W06 Bennett J.M.: „Characterization of Surface Roughness“. In: Light Scattering and Nanoscale Surface Roughness; Maradudin A.A. (Editor), 2007 Springer Science+Business Media LLC, S. 1-33
60
W07 Voronovich A.G.: „Wave Scattering from Rough Surfaces“; Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1994, 1999, S. 1-9
61
W08 Ausdruck aus der Internetseite der Firma Total Vein Systems (VStvA), URL: https://www.totalvein.com/categories/laser-fibers/specialty-laser-fibers-total-vein-systems, abgerufen am 31. Januar 2019
62
W09 Ausdruck aus der Internetseite der Firma Diotech (Korea), URL: http://diotech21.com/product/fiber/, abgerufen am 31. Januar 2019.
63
Die Zweckangabe „für die endoluminale Behandlung von Veneninsuffizienzen“ im Patentanspruch 1 des Streitpatents sei so auszulegen, dass die in Frage stehende Vorrichtung tatsächlich zur endoluminalen Behandlung von varikösen Venen geeignet sei. Dies impliziere, dass die Vorrichtung Abmessungen aufweise, die ein Einbringen in Venen ermögliche, die Vorrichtung in die Venen eingeschoben werden könne, ohne die Venenwand zu perforieren, die Vorrichtung während der Bestrahlung aus der Vene gleichmäßig herausgezogen werden könne und dass die Abstrahlcharakteristik so beschaffen sein müsse, dass das Behandlungsziel, Veneninsuffizienzen zu beheben, erreicht werde. Diese Grundsätze hätten auch Geltung im Rahmen der Neuheitsprüfung. Eine vorbekannte Vorrichtung, die zu einem neuen Zweck verwendet werde und dafür, wenn auch nur geringfügig, verändert werde, sei damit neu. Bezüglich der Formulierung „adapted to emit“ im Merkmal 3.1.1, wonach das distale Ende eine Strahlung emittierende Oberfläche aufweise, die dazu eingerichtet ist, Strahlung von der Strahlungsquelle bezüglich der Längsachse des Wellenleiters in seitliche Richtung und vom Wellenleiter aus ringförmig auf einen sich über einen Winkelbereich erstreckenden Abschnitt der umgebenden Gefäßwand zu emittieren, sei aufgrund der Formulierung „adapted to emit“ davon auszugehen, dass allein auf die durch den Waveguide erzeugte Strahlencharakteristik abzustellen sei.
64
Zu den Neuheitsangriffen der Klägerin vertritt die Beklagte die Ansicht, dass sämtliche Merkmale des Streitpatents weder in N1, noch in N2, N3 oder N4 offenbart seien. N5 sei im europäischen Prüfungsverfahren bereits als nicht neuheitsschädlich angesehen worden. Die Lehre nach Patentanspruch 1 des Streitpatents diene einem vollkommen anderen Zweck als die N5. Daran ändere auch der Verweis der Klägerin auf N20 nichts, aus der die Klägerin ableite, dass der Fachmann in Zusammenhang mit der Laserablation sowohl spitze als auch runde Enden verwende. Vorliegend könne keine Rede davon sein, dass der Fachmann eine „runde“ Laserspitze für alle Variationen von Ablation von Gewebe mitlesen würde. Die N19 sei zudem nicht geeignet, gutachterlich die Eignung der aus N5 bekannten Lasersonde für die Behandlung von venösen Insuffizienzen nachzuweisen, sondern bestätige eher das Gegenteil. Gegenüber der N23 sei der Gegenstand des Streitpatents allein schon deshalb neu, da aus der N23 weder die Art der Befestigung der Kappe an dem Lichtleiter noch eine Gas-Wellenleiterschnittstelle hervorgehe. Ob Gas in der Kavität vorhanden sei oder nicht, gehe nicht aus N23 hervor. Genau wie in der N3 weise die strahlungsemittierende Oberfläche keine ringförmige Abstrahlcharakteristik auf. Auch sei die Wandstärke der N23 für die Behandlung variköser Venen zu gering.
65
Die angegriffene Lehre sei auch nicht durch eine Kombination von N2 mit N6 oder N4 mit N6 nahegelegt. Bei der N6 handele es sich um eine Vorrichtung für die photodynamische Therapie, insbesondere bezüglich der Harnblase mit einem grundsätzlich anderen Anwendungsfall. Die N16 beziehe sich ebenfalls nicht auf die endoluminale Behandlung von Veneninsuffizienzen, sondern auf die photodynamische Therapie. Außerdem sei N16 ein Beleg dafür, dass der Fachmann bei interstitiellen Anwendungen generell spitz zulaufende Enden verwendete. Der Fachmann würde auch die N21 nicht mit N5 oder N6 kombinieren und das distale Ende der optischen Faser 17 mit einem spitz zulaufenden konusförmigen Ende versehen, da diese Lehre N21 zuwiderlaufen würde. Zur Lehre der N31/N31A bestünden im Wesentlichen drei Unterschiede. Zum ersten werde das Merkmal „dicht“ dort nicht gelehrt, da die in Fig. 3 gezeigte Verwendung eines Haftmittels für einen Versuchsgegenstand mit trockener Umgebung keine Eignung i.S. des erfindungsgemäß verstandenen Begriffs „dicht“ aufweise, da in flüssiger Umgebung zur Behandlung von Venen wesentlich andere Anforderungen, nämlich ein hermetisch dichter Abschluss erforderlich sei. Die N31/N31A sei bezüglich des Merkmals „dicht“ nur auf ihren eigenen Offenbarungsgehalt beschränkt und sei nicht ergänzt durch Fachwissen zu interpretieren. Zweitens zeige Fig. 3 am proximalen Ende eine Abstufung, welcher eine anspruchsgemäß vorausgesetzte Eignung entgegenstehe, da die Vorrichtung nicht komplikationsfrei zurückgezogen werden könne. Im anderen Fall, wenn man eine sehr dünne Kappe voraussetze, würde sich nur eine sehr kleine Stufe bilden, aber die Kappe den Belastungen nicht Stand halten. Drittens belege Fig. 6, dass die dortige Strahlungsverteilung von einer Verteilung ausgehe, die einem ringförmigen Lichtmesser gleichkomme, weil die Basisverteilung 0,4 mm betrage. Zudem sei in dem Merkmal 0, das eine Vorrichtung für die endoluminale Behandlung von venösen Insuffizienzen bezeichne, mehr als ein bloßes Geeignetheitskriterium zu sehen, es müsse im Stand der Technik tatsächlich der anspruchsgemäß genannte Vorgang beim Zurückziehen erfolgen. Dies geschehe bei der N31/N31A nicht, da diese stationär bleibe.
66
Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 sei zum einen die Zweckangabe präzisiert worden. Ferner seien die zusätzlichen Merkmale eines runden distalen Endes und einer konischen Spitze aufgenommen, wobei zusätzlich gefordert werde, dass die emittierenden Flächen einen spitzen Winkel zur optischen Achse einnähmen. In Patentanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 2 sei im Vergleich zum ersten Hilfsantrag zusätzlich das im Unteranspruch enthaltene Merkmal aufgenommen, dass die Winkeldivergenz der emittierenden Strahlung zwischen 30° und 40° liege. Die insoweit von der Klägerin geltend gemachten Voraussetzungen für die Annahme eines Standardrepertoires seien nicht dargelegt worden. Entgegen der Auffassung der Klägerin handle es sich um eine gezielte Auswahl des Winkelbereichs, was sich auch aus Abs. [0016] des Streitpatents ergebe. Die technische Entwicklung radial abstrahlender Laser sei vom Fachmann zum in Rede stehenden Zeitpunkt als nicht zielführend angesehen worden, die technische Entwicklung sei tatsächlich in eine andere Richtung gelaufen, weshalb die Lehre erfinderisch sei; hinzu komme, dass der tatsächlich ausgewählte Bereich sich als besonders sinnvoll erweise. Der Patentanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 3 unterscheide sich von Hilfsantrag 1 durch die Spezifikation der Wellenlängenbereiche, die z.B. im Abs. [0078] offenbart sei. Diesbezüglich werde auf Abs. [0062] und Abs. [0063] verwiesen, woraus sich ergebe, dass sich die Behandlung mit der gewählten Wellenlänge als schmerzfrei oder mit weniger Schmerzen begleitet erweise. Selbst bei unterstellter Annahme, der Fachmann habe eine solche Wellenlänge im Hinblick auf das Medium Wasser als vorteilhaft angesehen, habe gerade eine derartige Annahme nicht zu dem Schluss geführt, dass dies für die hier indizierte Behandlung eine sinnvolle Wellenlänge sei. Hilfsantrag 4 sei auf die einzelne Wellenlänge gerichtet, die ebenfalls im Abs. [0078] offenbart sei. Hilfsantrag 5 stelle die Kombination des Hilfsantrags 1 mit den Merkmalen des Unteranspruchs 12 dar. Das Merkmal des Anschweißens der Kappe sei ein wesentliches Element für das Funktionieren der Erfindung, und dies wirke nur im Nachhinein trivial. Es sei aufwendig und teuer und im Stand der Technik erfolge eine Befestigung in der Regel durch Ankleben.
67
Die in der mündlichen Verhandlung am 12. März 2019 eingereichten B-Versionen der Hilfsanträge 1 bis 5 erachtet die Beklagte nicht als verspätet, da sie als Reaktion auf die Vorlage der N31/N31A durch die Klägerin zu werten seien. Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, die geltend gemachten Verwendungsansprüche stellten keine Beschreibung eines chirurgischen Behandlungsverfahrens dar, das nach Art. 53 c Satz 1 EPÜ einem Patentschutz nicht zugänglich sei. Der entscheidende Punkt sei, dass sowohl der Stoff- als auch der Vorrichtungsanspruch unterschiedslos der Sachkategorie zuzuordnen sei und deshalb ein Unterschied der Behandlung des Stoffanspruchs nach der hier maßgeblichen sogenannten Schweizer Anspruchsfassung nicht gerechtfertigt sei.
68
Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt allen Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2019 verwiesen.
69
Der Senat hat den Parteien einen frühen qualifizierten Hinweis vom 31. Oktober 2018 nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet (vgl. Bl. 240 ff. d. A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.
70
Die zulässige Klage erweist sich als begründet.
71
Sowohl die gemäß Hauptantrag verteidigte erteilte Fassung des Streitpatents als auch die jeweilige Fassung nach den Hilfsanträgen 1 bis 5 erweisen sich als nicht patentfähig, weil die jeweils beanspruchte Lehre gegenüber dem Stand der Technik nicht mehr neu ist oder jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a und Art. 54, 56 EPÜ).
72
Die jeweilige Fassung der Anspruchssätze nach den Hilfsanträgen 1 bis 5 in den jeweiligen B-Fassungen führt ebenfalls nicht zu einer erfolgreichen Verteidigung des Streitpatents.
73
Zur Verspätung:
74
Weder die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 4. März 2019 bzw. 6. März 2019 eingereichte Anlage N31/N31A noch die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsanträge 1 bis 5 in den jeweiligen B-Fassungen waren als verspätet gemäß § 83 Abs. 4 PatG zurückzuweisen.
75
Die durch das 2009 in Kraft getretene Patentrechtsmodernisierungsgesetz (PatRModG) erfolgte Neufassung des § 83 PatG und die damit in das Nichtigkeitsverfahren eingeführten Präklusionsregeln sehen grundsätzlich die Möglichkeit vor, verspätetes Vorbringen zurückzuweisen. Voraussetzung hierfür ist nach § 83 Abs. 4 PatG, dass das Vorbringen unter Versäumung der nach § 83 Abs. 2 PatG gesetzten Frist erfolgt, die betroffene Partei die Verspätung nicht genügend entschuldigt und die Berücksichtigung des neuen Vortrags eine Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung erfordert hätte.
76
Weder die Klägerin noch die Beklagte haben jeweils eine Vertagung beantragt. Beide Parteien haben sich zudem in der mündlichen Verhandlung am 12. März 2019 wechselseitig sowohl zur Entgegenhaltung N31/N31A als auch zur beantragten Verteidigung des Streitpatents mit den Hilfsanträgen 1 bis 5 in den jeweiligen B-Versionen durch die Beklagte zur Sache eingelassen. Hinzu kommt, dass aufgrund der rein rechtlichen Erwägungen zur Zulässigkeit der Hilfsanträge 1 bis 5 in den B-Versionen eine Vertagung nicht erforderlich war.
II.
77
1. Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zur endovaskulären Behandlung mittels Laser, insbesondere zur Behandlung von Gefäßkrankheiten wie venösen Insuffizienzen (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0001], Patentanspruch 1).
78
Aus dem Stand der Technik sind verschiedene Methoden und Vorrichtungen zur Behandlung von kranken Gefäßen, insbesondere insuffizienten Venen, wie bspw. Verödung mittels Medikamenten (Sklerotherapie), Venen-Stripping, Verödung mittels RF-Energie, bekannt, die jedoch Nachteile aufweisen (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0007]-[0011]).
79
Des Weiteren ist als Methode für die Behandlung von Krampfadern die sog. endoluminale Laser-Ablation (ELA) bekannt, bei der eine optische Faser in die zu behandelnde Vene eingeführt, und diese mittels der Laser-Energie thermisch zerstört bzw. verklebt wird (vgl. Abs. [0012]-[0015]). Nachteilig bei den aus dem Stand der Technik bekannten Vorrichtungen zur Laser-Ablation sei jedoch, dass die Laser-Strahlung lediglich aus der kleinen ebenen Endfläche der Faser und nur in Vorwärtsrichtung austritt. Dadurch müsse für ein zufrieden stellendes Ergebnis die Behandlung mit einer hohen Laser-Energie durchgeführt werden, wodurch im Gewebe hohe Temperaturen und damit einhergehende thermische Schädigungen des die Vene umgebenden Gewebes sowie Nervenschädigungen auftreten können. Zur Vermeidung von Schmerzen aufgrund der hohen Erwärmung des umgebenden Gewebes sei eine starke Betäubung des zu behandelnden Bereiches mittels einer großen Menge an Betäubungsmittel (bspw. Tumeszenzlösung) nötig, was zu weiteren Komplikationen führen könne (vgl. Abs. [0016]-[0018]).
80
2. Davon ausgehend bezeichnet es das Streitpatent als Aufgabe der Erfindung, die vorstehend beschriebenen Nachteile der Vorrichtungen des Standes der Technik zu überwinden (vgl. Abs. [0021]).
81
3. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent im erteilten Patentanspruch 1 (Hauptantrag) eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor (Gliederung hinzugefügt):
82
 Merkmal
 Verfahrenssprache Englisch
 deutsche Übersetzung
 0     
 A device for endoluminal treatment of venous insufficiencies, comprising:
 Vorrichtung für die endoluminale Behandlung von venösen Insuffizienzen mit:
 1     
 a flexible waveguide (100, 200, 500, 600, 800, 900)
 einem biegsamen Wellenleiter (100, 200, 500, 600, 800, 900),
 1.1   
 defining an elongated axis,
 der eine Längsachse bestimmt,
 2     
 a proximal end optically connectable to a source of radiation (424),
 einem optisch mit einer Strahlungsquelle (424) verbindbaren proximalen Ende,
 3     
 and a distal end receivable within the blood vessel
 und einem von dem Blutgefäß aufnehmbaren distalen Ende,
 3.1   
 and including a radiation emitting surface (110, 210, 510, 610) [of the waveguide]
 das eine Strahlung emittierende Oberfläche (110, 210, 510, 610) [des Wellenleiters] aufweist,
 3.1.1
 adapted to emit radiation from the radiation source (424) laterally with respect to the elongated axis of the waveguide (100, 200, 500, 600, 800, 900) and annularly from the waveguide (100, 200, 500, 600, 800, 900) onto an angularly extending portion of the surrounding vessel wall,
 die dazu eingerichtet ist, Strahlung von der Strahlungsquelle (424) bezüglich der Längsachse des Wellenleiters (100, 200, 500, 600, 800, 900) in seitliche Richtung und vom Wellenleiter (100,200, 500, 600, 800, 900) aus ringförmig auf einen sich über einen Winkelbereich erstreckenden Abschnitt der umgebenden Gefäßwand zu emittieren,
 4     
 the device further comprising a cover (106, 206, 506, 606, 906)
 wobei die Vorrichtung ferner eine Abdeckung (106, 206, 506, 606, 906) aufweist,
 4.1   
 that is fixedly secured to the waveguide (100, 200, 500, 600, 800, 900) and sealed with respect thereto,
 die fest am Wellenleiter (100, 200, 500, 600, 800, 900) befestigt ist und daran dicht angebracht ist,
 4.2   
 substantially transparent with respect to the emitted radiation,
 die bezüglich der emittierten Strahlung im Wesentlichen transparent ist,
 4.3   
 that encloses the emitting surface (110, 210, 510, 610) therein,
 die die emittierende Oberfläche (110, 210, 510, 610) einschließt,
 4.4   
 and that defines a gas-waveguide interface that refracts emitted radiation laterally with respect to the elongated axis of the waveguide (100,200,500,600, 800, 900) onto the surrounding vessel wall.
 und die eine Gas-Wellenleiterschnittstelle bildet, die emittierte Strahlung bezüglich der Längsachse des Wellenleiters (100,200, 500, 600, 800, 900) in seitliche Richtung auf die umgebende Gefäßwand bricht.
83
Bezüglich der erteilten abhängigen Patentansprüche 2 bis 15 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
84
In der mit Hilfsantrag 1 verteidigten Fassung lautet Patentanspruch 1 gegliedert (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung gekennzeichnet):
85
0
HiA1
A device for endoluminal treatment of venous insufficiencies by applying radiation to the vein wall for occluding the vein during a pull-back-motion of the device, comprising:
86
1 a flexible waveguide (100, 200, 500, 600, 800, 900)
87
1.1 defining an elongated axis,
88
2 a proximal end optically connectable to a source of radiation (424),
89
3
HiA1
and a rounded distal end receivable within the blood vessel
90
3.1 and including a radiation emitting surface (110, 210, 510, 610) [of the waveguide]
91
3.1.1 adapted to emit radiation from the radiation source (424) laterally with respect to the elongated axis of the waveguide (100, 200, 500, 600, 800, 900) and annularly from the waveguide (100, 200, 500, 600, 800, 900) onto an angularly extending portion of the surrounding vessel wall,
92
3.1.2
HiA1
wherein the emitting surface (110, 210, 510, 610) is oriented at an acute angle with respect to the elongated axis of the waveguide (100, 200, 500, 600, 800, 900) and wherein the emitting surface (110, 210, 510, 610) is substantially conical shaped,
93
4. the device further comprising a cover (106, 206, 506, 606, 906)
94
4.1 that is fixedly secured to the waveguide (100, 200, 500, 600, 800, 900) and sealed with respect thereto,
95
4.2 substantially transparent with respect to the emitted radiation,
96
4.3 that encloses the emitting surface (110, 210, 510, 610) therein,
97
4.4 and that defines a gas-waveguide interface that refracts emitted radiation laterally with respect to the elongated axis of the waveguide (100,200,500,600, 800, 900) onto the surrounding vessel wall.
98
In den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 noch folgendes Merkmal aufgenommen:
99
3.1.3HiA2 wherein the spread of the annular beam is defined by an angle within the range of about 30° to about 40°
100
In den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 ist gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 noch folgendes Merkmal aufgenommen:
101
5aHiA3 at least one laser source (424) that provides laser radiation of 1470 nm +/- 30 nm or 1950 nm +/- 30 nm, wherein the proximal end of the waveguide (100, 200, 500, 600, 800, 900) is optically coupled to the at least one laser source (424)
102
In den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 ist gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 noch folgendes Merkmal aufgenommen:
103
5bHiA4 at least one laser source (424) that provides laser radiation of 1470 nm, wherein the proximal end of the waveguide (100, 200, 500, 600, 800, 900) is optically coupled to the at least one laser source (424)
104
In den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5 ist gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 noch folgendes Merkmal aufgenommen:
105
4.5HiA5 wherein the waveguide is an optical fiber (100, 200, 500, 600, 900) and wherein the cover is a cap (106, 206, 506, 606, 906) that is fused to the fiber core.
106
Bezüglich der abhängigen Patentansprüche 2 bis 13 nach den Hilfsanträgen 1 bis 4 und den abhängigen Patentansprüchen 2 bis 12 nach Hilfsantrag 5 wird auf die Akte verwiesen.
107
In den jeweiligen Patentansprüchen 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 5 Version B ist das Merkmal 0HiA1 abgeändert in (Änderungen gekennzeichnet):
108
0
HiA1_B
Use of a device for providing a system for an endoluminal treatment of venous insufficiencies by applying radiation to the vein wall for occluding the vein during a pull-back-motion of the device, the device comprising:
109
Bezüglich der sich an die jeweiligen Patentansprüche 1 anschließenden abhängigen Patentansprüche, die gleichfalls auf die Verwendung der beanspruchten Vorrichtung („use of a device …“) gerichtet sind, wird auf die Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2019 verwiesen.
110
4. Als zur Problemlösung berufenen Fachmann sieht der Senat einen Ingenieur der Fachrichtung Medizintechnik bzw. einen Physiker mit beruflicher Erfahrung in der Entwicklung von Vorrichtungen für die Behandlung von Körperhohlräumen, insbesondere von Blutgefäßen wie z.B. Venen, mit elektromagnetischer Strahlung, der bezüglich medizinischer Aspekte mit einem Arzt zusammenarbeitet. Dieser Fachmann verfügt auch über Kenntnisse der technischen Optik und daran angrenzender Fachgebiete.
111
5. Der Senat legt der Lehre des Streitpatents folgendes Verständnis zugrunde:
112
Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung stellt gemäß Merkmal 0 eine Vorrichtung für die endoluminale Behandlung von venösen Insuffizienzen unter Schutz. Damit muss die beanspruchte Vorrichtung hinsichtlich ihrer gegenständlichen Merkmale für den genannten Zweck lediglich geeignet sein, was jedoch nicht einschränkend dahingehend zu verstehen ist, als dass die Vorrichtung ausschließlich nur für diesen Zweck ausgebildet sein muss. Vielmehr soll diese Vorrichtung neben möglichen anderen Verwendungen auch für die endoluminale Behandlung von venösen Insuffizienzen verwendet werden können.
113
Nach Merkmal 0
HiA1
des Patentanspruchs 1 in der Fassung der Hilfsanträge 1 bis 5 soll zur endoluminalen Behandlung der venösen Insuffizienzen die Venenwand mit Strahlung beaufschlagt werden, um die Vene während einer Rückzugsbewegung der Vorrichtung zu verschließen („… by applying radiation to the vein wall for occluding the vein during a pull-back-motion of the device“). Diese Zweckangabe bedingt lediglich, dass die beanspruchte Vorrichtung des Weiteren so ausgebildet sein muss, dass sie zum Aussenden von Strahlung auf die Venenwand und zum Zurückziehen aus der Vene geeignet ist.
114
Das Streitpatent stellt in den Fokus der erfindungsgemäßen Lehre die Ausbildung der beanspruchten Vorrichtung, insbesondere im Hinblick auf die Abstrahlcharakteristik der emittierten Strahlung, insbesondere von Laserstrahlung.
115
Im Streitpatent ist im Abschnitt „Summary of the Invention“ dazu angegeben, dass mit der beanspruchten Vorrichtung eine sichere und effiziente endoluminale Laser-Ablation bei relativ geringen Leistungsdichten durchgeführt werden soll (vgl. Abs. [0022]). Als bevorzugt ist eine Leistungsdichte von 10 W/cm2 oder geringer bzw. ein Energieeintrag pro Längeneinheit von 30 J/cm oder geringer genannt (vgl. Abs. [0025], [0032]). Die Wellenlänge der Strahlung soll dabei im Bereich von ca. 980 nm bis ca. 1900 nm liegen (vgl. Abs. [0027]). In einer beispielhaften Anwendung der beanspruchten Vorrichtung soll das behandelte Blutgefäß, insbesondere das Endothel der inneren Gefäßwand, thermisch geschädigt werden, um das Blutgefäß zu verschließen, ohne dabei das das Blutgefäß umgebende Gewebe zu schädigen (vgl. Abs. [0028], [0029]).
116
Die Vorrichtung (Merkmale 0, 0HiA1, 2, 3, 3HiA1) nach Patentanspruch 1 besteht im grundsätzlichen Aufbau aus einem Wellenleiter (Merkmale 1, 1.1) mit einer Strahlung emittierenden Oberfläche (Merkmale 3.1, 3.1.1, 3.1.2HiA1, 3.1.3HiA2) und einer am Wellenleiter angebrachten Abdeckung (Merkmale 4, 4.1, 4.2, 4.3, 4.4, 4.5HiA5). Des Weiteren sind in den Hilfsanträgen 3 und 4 bestimmte Wellenlängen bzw. Wellenlängenbereiche für die eingesetzte Laserstrahlung angegeben (Merkmale 5aHiA3, 5bHiA4). Weitere Angaben bezüglich bestimmter Energie- bzw. Leistungspegel, die bei der Behandlung in die Venen eingebracht werden sollen, sind nicht beansprucht.
117
Die Fig. 1a und 1b zeigen ein erstes Ausführungsbeispiel der beanspruchten Vorrichtung (vgl. Abs. [0042]).
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118
Der in den Merkmalen 1 und 1.1 definierte Wellenleiter (waveguide) soll biegsam (flexible) sein (Merkmal 1) und eine Längsachse bestimmen (Merkmal 1.1). Im Streitpatent ist das für den Wellenleiter erforderliche Maß an Biegsamkeit nicht näher definiert. Aufgrund des angegebenen Verwendungszwecks zur endoluminalen Behandlung von Venen, muss der beanspruchte Wellenleiter zumindest so biegsam sein, dass er problemlos in die zu behandelnde Vene vorgeschoben werden kann. Die vom Wellenleiter zu bestimmende Längsachse entspricht naturgemäß der Längsachse des Wellenleiters.
119
Das im Merkmal 2 genannte proximale Ende bezieht sich sprachlich („a proximal end“) auf die Vorrichtung (device). Dieses proximale Ende der Vorrichtung soll optisch mit einer Strahlungsquelle verbindbar sein („optically connectable to a source of radiation“). Die von der Strahlungsquelle erzeugte Strahlung muss daher optischen Gesetzmäßigkeiten folgen, und für den angegebenen Verwendungszweck der endoluminalen Behandlung von Venen geeignet sein. Der erteilte Patentanspruch 1 lässt die Art der Strahlungsquelle offen. Erst mit den in Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 bzw. 4 aufgenommenen Merkmalen 5a
Hia3
bzw. 5b
HiA4
wird die Strahlungsquelle auf einen Laser (laser source) eingegrenzt, der Laserstrahlung in einem bestimmten Wellenlängenbereich bzw. mit einer bestimmten Wellenlänge in den Wellenleiter einkoppeln soll.
120
Das im Merkmal 3 genannte distale Ende bezieht sich sprachlich („a distal end“) ebenfalls auf die Vorrichtung (device). Dieses distale Ende der Vorrichtung soll von dem Blutgefäß aufnehmbar sein. Es muss somit u.a. bezüglich seiner Abmessungen und seiner äußeren Form so ausgebildet sein, dass es problemlos in das zu behandelnde Blutgefäß eingeschoben und wieder herausgezogen werden kann, um dem beanspruchten Verwendungszweck zu genügen. Der erteilte Patentanspruch 1 lässt die konkrete Ausgestaltung des distalen Endes offen. Erst im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist ein abgerundetes (rounded) distales Ende beansprucht (Merkmal 3
HiA1
). In der Beschreibung zu den Ausführungsbeispielen des Streitpatents ist noch angegeben, dass der äußere Durchmesser des Wellenleiters (fiber) zwischen ca. 1235 μm und ca. 1365 μm sowie der äußere Durchmesser der distalen Abdeckung (cap) zwischen ca. 1800 μm und ca. 2000 μm betragen kann (vgl. Abs. [0059]).
121
Gemäß Merkmal 3.1 soll das distale Ende der Vorrichtung eine Strahlung emittierende Oberfläche (radiation emitting surface) umfassen bzw. beinhalten (including). Diese Strahlung emittierende Oberfläche ist dem Wellenleiter (waveguide) zuzuordnen, was auch im Einklang mit dem Merkmalen 4, 4.1 und 4.3 steht, wonach die beanspruchte Vorrichtung (device) eine Abdeckung (cover) aufweisen soll, die am Wellenleiter befestigt ist und die die emittierende Oberfläche (emitting surface) umschließen (encloses) soll.
122
Nach Merkmal 3.1.1 soll die Strahlung emittierende Oberfläche des Wellenleiters dazu eingerichtet (adapted to) sein, die vom Wellenleiter geführte Strahlung bezogen auf die Längsachse des Wellenleiters in seitliche Richtung (laterally) und vom Wellenleiter aus ringförmig (annularly) auf einen sich über einen Winkelbereich erstreckenden Abschnitt (angularly extending portion) der umgebenden Gefäßwand zu emittieren. Hierzu lehrt die Streitpatentschrift, dass der wesentliche Strahlungsanteil radial ringförmig abgegeben werden soll (vgl. Sp. 12 Z. 57 bis Sp. 13 Z. 2), was eine (unwesentliche) Reststrahlung in axialer Richtung nicht ausschließt, welche dann bspw. durch einen Spiegel (reflecting surface) ebenfalls in radialer Richtung abgelenkt werden kann (vgl. erteilter Unteranspruch 4).
123
Die im Merkmal 3.1.1 verwendete Angabe „adapted to emit“ ist in dem Sinne zu verstehen, dass die Strahlung emittierende Oberfläche des Wellenleiters eine seitliche und ringförmige Abstrahlung ermöglichen soll. Eine weitergehende besondere Ausgestaltung dieser Oberfläche ist damit, entgegen der Meinung der Beklagten, nicht verbunden. Diese Lehre umfasst damit auch Ausgestaltungen, bei denen die beanspruchte Abstrahlung auch durch Ausgestaltung der Einkopplung der Strahlung am proximalen Ende der Vorrichtung mitbedingt wird. Die Streitpatentschrift bildet hinsichtlich des ausschließlich in Patentanspruch 1 vorkommenden Begriffs „adapted to emit“ auch kein eigenes Lexikon, welches ein hierzu abweichendes Begriffsverständnis rechtfertigen könnte.
124
Erst im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist im Merkmal 3.1.2
HiA1
eine weitergehende Ausgestaltung der Strahlung emittierenden Oberfläche beansprucht, die demnach in einem spitzen Winkel (acute angle) zur Längsachse des Wellenleiters angeordnet und im Wesentlichen konisch ausgebildet (conical shaped) sein soll.
125
Hierbei lehrt insbesondere Abs. [0027] der Streitpatentschrift, dass die Strahlung seitlich (laterally) auf einen Bereich der umgebenden Gefäßwand emittiert werden kann mit einem Winkel (Öffnungswinkel) von zumindest ungefähr 90° oder in einem Bereich zwischen ungefähr 90° bis ungefähr 360°, was im Falle einer radialen Abstrahlung einer kreissegmentförmigen Abstrahlung bis kugelförmigen (diffusen) Abstrahlung gleichkommt, wobei die Winkelangabe den in lateraler Richtung betreffenden Abstrahlwinkel (Öffnungswinkel) meint, also den Winkel, der bezogen auf die Längsachse des Wellenleiters den Strahlungskegel bildet. Hierbei kann, wie Abs. [0027] weiter erläutert, die radial laterale Strahlung auch im Wesentlichen ringförmig (annularly) auf die umgebende Gefäßwand emittiert werden, mithin auf einen Bereich konzentriert werden, der einer ringförmigen Abstrahlung gleichkommt.
126
Gemäß der Beschreibung der Ausführungsbeispiele im Streitpatent kann die ringförmige Abstrahlung eine Aufweitung von 30° bis 40° erfahren (spread of the annular beam; vgl. Sp. 12 Z. 47-53), wie dies auch in dem neu in den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 aufgenommenen Merkmal 3.1.3
HiA2
beansprucht ist. Des Weiteren kann nach der Patentbeschreibung (vgl. Sp. 12 Z. 53-56) der mittlere seitliche Abstrahlwinkel bezogen auf die Längsachse des Wellenleiters 70° bis 90° betragen. Dies soll folgende vom Senat erstellte Skizze veranschaulichen:
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127
Die in der Merkmalsgruppe 4 bis 4.4 definierte Abdeckung (Merkmal 4) soll fest am Wellenleiter befestigt (fixedly secured) und daran dicht (sealed) angebracht sein (Merkmal 4.1). Gemäß Patentbeschreibung kann es sich bei der Abdeckung um eine Kappe (cap 106) handeln, die bspw. mit dem Ende der Wellenleiter-Faser verschmolzen bzw. daran angeschmolzen (fused), oder verklebt (bonded), oder anderweitig fest angebracht („fixedly secured“) ist (vgl. Abs. [0033]). Jedenfalls soll die Abdeckung dicht am Wellenleiter angebracht sein (zweiter Halbsatz im Merkmal 4.1), was gemäß dem Wortlaut in der Verfahrenssprache Englisch dahingehend zu verstehen ist, als dass die Abdeckung den Wellenleiter abdichtet bzw. versiegelt („…and sealed with respect thereto”). Dies schließt nicht aus, dass weitere Materialien (z.B. Dichtung, Mantel um Lichtleiter) zwischen der Abdeckung und dem Lichtleiter vorhanden sein können.
128
Der Ansicht der Beklagten, wonach mit der Angabe im Merkmal 4.1 eine hermetische Abdichtung gemeint sei, da nur so eine definierte Gasatmosphäre mit gleichbleibendem Brechungsindex innerhalb der Abdeckung sichergestellt werden könne, kann nicht gefolgt werden.
129
Denn im Merkmal 4.1 des Patentanspruchs 1 ist von einer Abdeckung (cover) die Rede, die lediglich dicht (sealed) am Wellenleiter angebracht ist. Die von der Beklagten zitierte Beschreibungsstelle in Sp. 12 Z. 31-36 der Streitpatentschrift betrifft hingegen ein erstes bevorzugtes Ausführungsbeispiel (first embodiment) der beanspruchten Erfindung. Der Wortlaut des Merkmals 4.1 kann daher nicht weiter einschränkend in dem Sinne ausgelegt werden, dass mit der anspruchsgemäßen Angabe einer dicht (sealed) am Wellenleiter angebrachten Abdeckung (cover) eine hermetisch abdichtende Kappe („hermetically sealed within a quartz cap) gemeint sein soll. Dies kann auch nicht mit der Sicherstellung einer definierten Gasatmosphäre mit gleichbleibendem Brechungsindex innerhalb der Abdeckung begründet werden, da die Streitpatentschrift und auch die Patentansprüche dazu keinerlei Angaben machen.
130
Die Abdeckung soll bezüglich der emittierten Strahlung im Wesentlichen transparent (substantially transparent) sein (Merkmal 4.2). Gemäß Patentbeschreibung kann die Abdeckung bspw. aus Quarz oder einem anderen für Strahlung transparenten Material, bspw. aus geeigneten Kunststoffen („polymeric Teflon PFA“, „Teflon AF“), bestehen (vgl. Abs. [0033]).
131
Des Weiteren soll die Abdeckung gemäß Merkmal 4.3 die emittierende Oberfläche einschließen („… encloses the emitting surface therein“). Beim Ausführungsbeispiel der Fig. 1a und 1b bspw. umschließt die als Kappe (cap) ausgebildete Abdeckung die emittierende Oberfläche.
132
Des Weiteren soll die Abdeckung eine Gas-Wellenleiterschnittstelle (gas-waveguide interface) bilden, die die emittierte Strahlung bezüglich der Längsachse des Wellenleiters in seitliche Richtung auf die umgebende Gefäßwand bricht (that refracts) (Merkmal 4.4). Beim Ausführungsbeispiel der Fig. 1a und 1b bspw. umschließt eine Kappe das distale Ende (u.a. emittierende Oberfläche 110) des Wellenleiters 100 hermetisch, und bildet mit der in der Kappe eingeschlossenen Luft bzw. dem Gas eine Luft- bzw. Gasschnittstelle an der emittierenden Oberfläche des Wellenleiters, um eine radiale bzw. ringförmige Abstrahlung zu erzielen (vgl. Sp. 12 Z. 31-43).
133
Schließlich sollen nach dem in den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5 neu aufgenommenen Merkmal 4.5
HiA5
der Wellenleiter als optische Faser (optical fiber) und die Abdeckung als mit dem Faserkern verschmolzene (fused to) Kappe (cap) ausgebildet sein. Dies setzt voraus, dass die optische Faser und die Kappe aus einem miteinander verschmelzbaren Material bestehen. In der Streitpatentschrift ist hierzu angegeben, dass die Kappe bspw. aus Quarz bestehen kann (vgl. Sp. 9 Z. 34-39).
III.
134
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der mit Hauptantrag verteidigten Fassung ist nicht neu in Anbetracht der Offenbarung der Veröffentlichung „Heinze A. et al.: Modified fiber tips for light application in hollow organs. In: Proc. SPIE 1201, optical fibers in medicine V, 1. Juli 1990, S. 304-312“ (N31A).
135
Aus der Veröffentlichung N31A (Heinze et al.) ist eine Lasersonde für den Einsatz in Hohlorganen („laser-assisted treatments in hollow organs“) bekannt, die aufgrund ihrer Zweckbestimmung zur Koagulation von zylindrischen Organen, insbesondere zum Verschließen von Fisteln im Ösophagus von Neugeborenen bzw. Ratten, sowie ihrer länglichen Form mit einer abgerundeten Kappe (vgl. Fig. 3: „fused silica tube“) und ihrer Abmessungen („outer diameters range between 500 μm and 2 mm“) grundsätzlich auch für die Verödung von Venen geeignet ist (vgl. S. 304 „Abstract“; S. 306-308 Abschn. 2.2) [= Merkmal 0].
136
Der Auffassung der Beklagten, dass die in Fig. 3 am proximalen Ende der Kappe (fused silica tube) gezeigte Abstufung einer Geeignetheit für die Verödung von Venen entgegenstehen würde, da aufgrund dieser abrupten Stufe die Lasersonde beim Zurückziehen aus der Vene an den Venenklappen hängen bleiben bzw. diese verletzen könnte, kann sich der Senat nicht anschließen.
137
Abgesehen davon, dass auch der Streitpatentgegenstand eine solche Abstufung am proximalen Kappenende zeigt (vgl. Fig. 1a u. 1b), ist es für den angesprochenen Fachmann selbstverständlich, dass solche Sonden üblicherweise zusammen mit einer Hülle in ein Gefäß vorgeschoben und daraus zurückgezogen werden. Das lehrt übrigens auch das Streitpatent (vgl. Sp. 29 Z. 58 bis Sp. 30 Z. 8) und liest der zuständige Fachmann als selbstverständlich mit.
138
Auch das weitere Argument der Beklagten, dass bei einer dünnen Kappe mit einer nur geringen proximalen Abstufung zum Wellenleiter hin, diese Kappe nicht stabil wäre, kann nicht durchgreifen. Denn bei Lasersonden, die für den Einsatz in Hohlorganen wie z.B. dem Ösophagus ausgelegt sind, ist es notwendig, dass die Kappe sowie die sonstigen Bestandteile der Sonde die für die vorgesehene Verwendung in Hohlorganen – und somit auch in Blutgefäßen – erforderliche Stabilität aufweisen.
139
Die bekannte Sonde weist einen biegsamen Wellenleiter (flexible light guide; vgl. S. 306 Abschn. 2.2 erster Abs.) auf [= Merkmal 1], mit einer Längsachse [= Merkmal 1.1].
140
Aufgrund des Einsatzzweckes (vgl. Abstract: „laser-assisted treatments in hollow organs“) ist das proximale Ende der Sonde selbstverständlich mit einer Strahlungsquelle (laser) verbindbar [= Merkmal 2], und das distale Ende von einem Körperhohlraum, bspw. einem Blutgefäß, aufnehmbar [= Merkmal 3], wobei das distale Ende eine Strahlung emittierende Oberfläche beinhaltet („conical fiber tip“; vgl. Fig. 3) [= Merkmal 3.1], die aufgrund ihrer konischen Form (conical distal end) Strahlung bezüglich der Längsachse des Wellenleiters in seitliche Richtung und ringförmig emittiert („The radiated beam can be described as a hollow cone …“; vgl. S. 306 letzter Abs., Fig. 4 u. 5) [= Merkmal 3.1.1].
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141
Dabei ist es unschädlich, dass in Fig. 2C der N31A neben der seitlichen Strahlungsaussendung auch eine Strahlungskomponente in axialer Richtung gezeigt ist. Denn diese Reststrahlung in axialer Richtung ist konform mit der obigen im Einklang mit dem Streitpatent stehenden Auslegung des Merkmals 3.1.1, wonach der wesentliche Strahlungsanteil radial ringförmig abgegeben werden soll, was Reststrahlung in axialer Richtung nicht ausschließt. Außerdem hängt das Maß der axialen Reststrahlung vom gewählten Konuswinkel ab, wie die Strahlungsverteilung in Fig. 4 zeigt, bei der der Konuswinkel (taper angle) 58° beträgt, und keine axiale Reststrahlung mehr vorhanden ist.
142
Der Einwand der Beklagten, dass die radiale Strahlungsaussendung der bekannten Sonde, aufgrund ihrer schmalen axialen Verteilung einem radialen Lichtmesser gleichkomme, welches zwar zum Schneiden geeignet, jedoch für eine Venenverödung ungeeignet sei, greift nicht durch. Denn abgesehen davon, dass auch im erteilten Patentanspruch 1 die Breite des Strahlungsringes nicht definiert ist, geht auch aus dem Verwendungszweck der bekannten Sonde zum Koagulieren und Verschließen von Fisteln (vgl. a.a.O.) hervor, dass diese primär nicht zum chirurgischen Schneiden eingesetzt werden soll, sondern zum Verschließen von Öffnungen in zylindrischen Hohlorganen wie z.B. dem Ösophagus von Neugeborenen, und somit auch zum Verschließen von Blutgefäßen Verwendung finden kann.
143
Die bekannte Sonde weist ferner auch eine Abdeckung in Form einer abgerundeten Kappe („fused silica tube“; vgl. Fig. 3) auf [= Merkmal 4], die mittels eines Klebers (adhesive) fest und dicht am Wellenleiter befestigt ist [= Merkmal 4.1].
144
Der Einwand der Beklagten, dass es sich bei einem „adhesive“ nur um ein Haftmittel und kein Dichtmittel handle, und damit die für die Behandlung von Venen und somit für flüssige Umgebung erforderliche hermetische Abdichtung der Kappe nicht gegeben sei, geht fehl. Denn abgesehen davon, dass das Merkmal 4.1 keine hermetische Abdichtung fordert, sondern lediglich eine fest und dicht am Wellenleiter angebrachte Abdeckung, ist bei der bekannten Sonde durch das Verkleben (adhesive) der Kappe (fused silica tube) mit der Ummantelung (fiber jacket, fiber cladding) des Wellenleiters von einer ausreichenden Abdichtung für die Verwendung in Hohlorganen, und somit gewöhnlich ebenfalls in flüssiger Umgebung, auszugehen.
145
Die Kappe der Sonde der N31A ist bezüglich der emittierten Strahlung (laser) im Wesentlichen transparent (silica tube) [= Merkmal 4.2], und umschließt die emittierende Oberfläche (conical fiber end; vgl. Fig. 3) [= Merkmal 4.3], und bildet so eine Gas-Wellenleiterschnittstelle (Fig. 3: air), die die emittierte Strahlung bezüglich der Längsachse des Wellenleiters in seitliche Richtung bricht (vgl. Fig. 4 u. 5) [= Merkmal 4.4].
146
Somit sind alle Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 aus der Veröffentlichung N31A bekannt.
IV.
147
Soweit die Beklagte das Streitpatent mit den Patentansprüchen 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 5 verteidigt, führt auch dies nicht zum Erfolg. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ist ebenfalls nicht neu gegenüber der N31A. Ausgehend von dieser Veröffentlichung waren auch die Gegenstände der Patentansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 2 bis 5 für den berufenen Fachmann nahegelegt und beruhen deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.
148
1.
Hilfsantrag 1
149
Im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist die Zweckangabe im Merkmal 0
HiA1
dahingehend ergänzt, dass die Venenwand mit Strahlung beaufschlagt werden soll, um die Vene während einer Rückzugsbewegung der Vorrichtung zu verschließen („… by applying radiation to the vein wall for occluding the vein during a pull-back-motion of the device“).
150
Der Meinung der Beklagten, dass diese Ergänzung mehr als ein bloßes Geeignetheitskriterium darstelle und bedinge, dass tatsächlich der genannte Vorgang des Abgebens von Strahlung auf die Venenwand während des Zurückziehens der Vorrichtung erfolge, kann nicht gefolgt werden.
151
Die Zweckangabe im Merkmal 0HiA1 fordert lediglich, dass die beanspruchte Vorrichtung so ausgebildet sein muss, dass sie zum Aussenden von Strahlung auf die Venenwand und zum Zurückziehen aus der Vene geeignet ist. Dies ist auch bei der Lasersonde der N31A der Fall. Wie bereits zum Hauptantrag ausgeführt, ist die bekannte Sonde grundsätzlich auch für die Verödung von Venen geeignet (vgl. a.a.O.). Dem steht auch die in Fig. 3 gezeigte Abstufung am proximalen Kappenende (silica tube) nicht entgegen, wie bereits zum Hauptantrag ausgeführt (vgl. a.a.O.). Darüber hinaus weist die bekannte Sonde ein konisch geformtes Wellenleiterende auf (conical fiber tip), das eine seitliche und ringförmige Abstrahlung der ausgesendeten Laserstrahlung bedingt (vgl. S. 306 letzter Abs., Fig. 4 u. 5). Somit ist die aus der N31A bekannte Sonde ersichtlich auch zum Aussenden von Strahlung auf eine Venenwand während des Zurückziehens aus einer Vene geeignet und erfüllt daher auch die Zweckangabe gemäß dem Merkmal 0HiA1.
152
Die Sonde der N31A weist auch gemäß dem präzisierten Merkmal 3
HiA1
ein rundes distales Ende in Form einer abgerundeten Kappe („fused silica tube“; vgl. Fig. 3) auf. Der Wellenleiter (fiber) der bekannten Sonde besitzt zudem eine konische Spitze („conical fiber tip“; S. 306 letzter Abs.) mit im spitzen Winkel zur Längsachse des Wellenleiter orientierten abstrahlenden Flächen (vgl. Fig. 4: „taper angle 58°“), gemäß dem neu aufgenommenen Merkmal 3.1.2
HiA1
.
153
Somit sind auch alle Merkmale des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 aus der Veröffentlichung N31A bekannt.
154
2.
Hilfsantrag 2
155
In den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 das Merkmal 3.1.3
HiA2
neu aufgenommen, wonach die Aufweitung (spread) der ringförmigen Abstrahlung im Bereich von 30° bis 40° liegen soll. Die Lehre nach Patentanspruch 1 ist danach neu, jedoch ausgehend von der zur Problemlösung vom Fachmann herangezogenen N31A nahegelegt.
156
Die Beklagte macht zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung geltend, dass durch die beanspruchte Aufweitung widerstrebende Anforderungen erfüllt werden sollen, wonach eine Überhitzung bzw. Perforation der angestrahlten Gefäßwand vermieden, aber auch genügend Energie für eine Verödung in die Gefäßwand eingebracht werden soll.
157
Zunächst ist festzustellen, dass das Streitpatent keine besonderen Vorteile hinsichtlich des beanspruchten Bereichs von 30° bis 40° für die axiale Aufweitung der ringförmigen Abstrahlung (vgl. Sp. 12 Z. 47-56) nennt. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass ein Vorteil der neuen Konfiguration gegenüber der aus dem Stand der Technik bekannten stumpfen in axialer Richtung abstrahlenden Faser (flat bare tipped fiber) eine im Wesentlichen radiale Abstrahlung sei, wodurch die Strahlung direkter und effizienter in die Gefäßwand eingebracht werden könne. Außerdem könne durch Einstellen der Abstrahlcharakteristik die Länge des behandelten ringförmigen Gefäßbereiches sowie die Verteilung der Leistungsdichte entlang dieser Länge variiert werden (vgl. Sp. 12 Z. 57 bis Sp. 13 Z. 12). Im Abs. [0016] des Streitpatents, auf den die Beklagte hingewiesen hat, sind noch weitere Nachteile des aus dem Stand der Technik bekannten Wellenleitertyps mit stumpfer abstrahlender Endfläche („flat emitting face at the bare fiber tip“) genannt, wonach es aufgrund der in axialer Richtung konzentrierten Abstrahlung zu einer Überhitzung des die Vene umgebenden Gewebes und zu Gefäßperforationen kommen könne.
158
Auch die Veröffentlichung N31A nennt als Nachteil von Wellenleitern mit stumpfer Endfläche das Perforationsrisiko aufgrund der Vaporisation des Gewebes (vgl. S. 305 linke Sp. vorletzter Abs.), welches durch die Verwendung eines konischen im Wesentlichen radial abstrahlenden Faserendes vermieden werden kann (vgl. S. 305 linke Sp. letzter Abs.).
159
Entgegen der Meinung der Beklagten zog der Fachmann diese Druckschrift auch als mögliches Sprungbrett für eine Problemlösung ohne weiteres in Betracht. Denn auch in den zu dem Gebiet der Venenbehandlung angrenzenden Fachgebieten, die sich allgemein mit der Behandlung von Körperhohlräumen mittels Lasersonden beschäftigen, konnte der Fachmann für die sich ihm gestellten Probleme hilfreiche Anregungen erwarten.
160
In der N31A sind zwei radiale Abstrahlcharakteristiken gezeigt (vgl. Fig. 2C, 4 und 5), denen unterschiedliche Konuswinkel (38° bzw. 58°) der Abstrahlfläche zugrunde liegen. Auch ist eine bestimmte axiale Aufweitung der ringförmigen Abstrahlung in den Fig. 2C und 4 erkennbar.
161
Entgegen der Auffassung der Beklagten, die geltend macht, dass in der Dissertation N19 ausdrücklich von der Verwendung eines Radialstrahler (Glasdom) abgeraten werde (vgl. S. 105), und die technische Entwicklung von radial abstrahlenden Laser als nicht zielführend gesehen wurde, zeigt die N31A auf, dass bereits vor dem Prioritätstag des Streitpatents Lasersonden mit radialer Abstrahlcharakteristik zum Koagulieren und Verschließen von Öffnungen (Fisteln) in Hohlorganen (bspw. Ösophagus), die somit grundsätzlich auch für die Venenverödung geeignet sind, Verwendung fanden. Hierbei machte der Fachmann die Auswahl des axialen Aufweitungsbereiches der ringförmigen Abstrahlung u.a. von der zur Verfügung stehenden Laserleistung, der für den Eingriff zur Verfügung stehenden Zeitdauer und dem unter Vermeidung einer Gefäßperforation bzw. Schädigung gesunden Gewebes maximal zulässigen Strahlungseintrag in die Gefäßwand abhängig. Die für die jeweiligen Randbedingungen geeignete Aufweitung der radialen Abstrahlung ermittelte der Fachmann dabei durch orientierende Versuche.
162
Da auch das Streitpatent, bzw. die Anmeldung (siehe Senat Urteil vom 19. Februar 2019 – 4 Ni 48/17 (EP) – Verschleißschutzschicht), wie oben ausgeführt, keine besonderen Vorteile oder Wirkungen bezüglich des beanspruchten Bereichs von 30° bis 40° nennt und solche für den Fachmann auch unter Berücksichtigung seines Fachwissens nicht zu erkennen sind, wird der Fachmann den beanspruchten Bereich lediglich als eine innerhalb der durch die jeweiligen Randbedingen gesetzten Grenzen getroffene Auswahl sehen, welche die konkrete Bereichsangabe als von einem bestimmten Zweck oder Ergebnis losgelöst, und letztlich eine nach Belieben getroffene Auswahl einer möglichen Bandbreite von Bereichen darstellt, die für sich grundsätzlich nicht geeignet sind, eine erfinderische Leistung zu begründen. Insoweit kommt es notwendigerweise schon auf Grund der Beliebigkeit der Maßnahme nicht darauf an, ob der Fachmann Anlass hatte, diese vorzunehmen (BGH, Urt. v. 24. September 2003, X ZR 7/00; GRUR 2004, 47 – Blasenfreie Gummibahn I). Auch der aus der N5 bekannte Laserapplikator zur Gewebeablation hat eine radial ringförmige Abstrahlung mit bspw. einem Divergenzwinkel von 10° bis 30° in axialer Richtung (vgl. Sp. 4 Z. 31-38; Fig. 2).
163
Somit kann auch das neu in den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 aufgenommene Merkmal 3.1.3HiA2 ausgehend von der N31A die Patentfähigkeit der beanspruchten Vorrichtung nicht begründen.
164
3.
Hilfsanträge 3 und 4
165
In den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 ist gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 das Merkmal 5a
HiA3
neu aufgenommen, wonach die Strahlungsquelle ein Laser ist mit einer Wellenlänge von 1470 nm +/- 30 nm oder 1950 nm +/- 30 nm, wobei das proximale Ende des Wellenleiters mit dem Laser optisch gekoppelt sein soll.
166
Im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 ist im Merkmal 5b
HiA4
die Wellenlänge des Lasers auf 1470 nm weiter eingegrenzt.
167
Das Streitpatent gibt als mögliche geeignete Wellenlängen eine größere Auswahl unterschiedlichster Wellenlängen an (vgl. Abs. [0062], [0078]: 1470 nm, 1950 nm, 810 nm, 940 nm, 980 nm, 1064 nm, 1320 nm, 2100 nm, 3000 nm, 10.000 nm mit jeweils 30 nm Toleranz; Abs. [0064], [0065]: 1470 nm ohne Angabe einer Toleranz) und stellt bei den Wellenlängen 1470 nm und 1959 nm die hohe Absorption in Wasser gegenüber bspw. 980 nm in den Vordergrund.
168
Das Argument der Beklagten, dass die Geeignetheit und die Vorteile der beanspruchten Wellenlängen zur Venenverödung überraschend gewesen seien, kann nicht überzeugen, da dieses sich in einer bloßen Behauptung erschöpft, ohne dass derartige besondere Vorteile und Wirkungen in der Anmeldung offenbart wären. Allein deshalb ist es der Beklagten patentrechtlich verwehrt, sich auf derartige, nicht ursprünglich offenbarte Vorteile oder Wirkungen zur Begründung eines eigenständigen erfinderischen Gehalts zu berufen (siehe Senat Urteil vom 19. Februar 2019 – 4 Ni 48/17 (EP) – Verschleißschutzschicht). Hinzu kommt, dass solche besonderen Vorteile und Wirkungen auch nicht ersichtlich sind.
169
Die Wahl des Wellenlängenbereichs für die Laserstrahlung richtet sich vielmehr nach dem gewünschten Einsatzzweck und den Absorptionseigenschaften des Mediums, auf das der Laser gerichtet wird und stellt deshalb eine rein handwerkliche Optimierungsmaßnahme des Fachmanns dar. So gibt die N15, die auch die Verödung von Venen mittels Laser beschreibt, als geeigneten Wellenlängenbereich 1200 nm bis 1800 nm an, der im wasserhaltigen Kollagen der Gefäßwand wesentlich stärker als in dem im Gefäß enthaltenen Blut absorbiert wird (vgl. Patentanspruch 1; Abs. [0024], [0052], [0065]; Fig. 10). Dieser Wellenlängenbereich ist somit für die Verödung von Venen besonders geeignet. Der Fachmann wird deshalb anhand orientierender Versuche und unter Berücksichtigung verfügbarer kommerzieller Laserquellen aus diesem größeren Wellenlängenbereich einzelne geeignete Wellenlängen auswählen. Die in den Merkmalen 5a
HiA3
und 5b
HiA4
beanspruchten Wellenlängen stellen daher ebenfalls eine nach Belieben bzw. eine von den vorgegebenen Bedingungen lediglich abhängige handwerkliche Auswahl dar, vergleichbar der Auswahl von Beleuchtungselementen für einen Raum hinsichtlich der Lichtintensität, abhängig von der Größe des Raums und dessen Einsatzzweckes. Eine derartige Auswahl kann aber eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.
170
Somit gelangte der Fachmann ausgehend von der N31A unter Berücksichtigung seines Fachwissens (belegt durch N15) auf naheliegende Weise zum Gegenstand der Patentansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 3 und 4.
171
4.
Hilfsantrag 5
172
In den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5 ist gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 das Merkmal 4.5a
HiA5
neu aufgenommen, wonach der Wellenleiter eine optische Faser, und die Abdeckung eine Kappe, die mit dem Faserkern verschmolzen ist, sein soll.
173
Eine Verschmelzung von Kappe (capsule) und Wellenleiter (optical fiber) zeigt auch die medizinische Lasersonde der N21 (vgl. Fig. 8-32). Dem Fachmann erschloss sich daraus unmittelbar, dass damit eine noch bessere Abdichtung als durch das Verkleben von Wellenleiter und Kappe erzielt werden kann. Er griff daher diese Anregung auf und verschmolz auch bei der Lasersonde der N31A zur Verbesserung der Abdichtung die dort gezeigte Kappe (silica tube) mit dem Faserkern (fiber core).
174
Damit gelangte der Fachmann auf naheliegende Weise auch zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 5.
V.
175
Soweit die Beklagte das Streitpatent erstmals in der mündlichen Verhandlung mit den Patentansprüchen 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 5 Version B verteidigt, führt auch dies in der Sache nicht zum Erfolg, selbst wenn eine Zulässigkeit einer derartigen Anspruchsfassung unterstellt wird und davon auszugehen wäre, dass der beanspruchte Patentanspruch auf die Patentkategorie des auf eine medizinische Verwendung gerichteten Verwendungsanspruchs gerichtet ist, bei dem die medizinische Zweckbestimmung sich nicht in einer bloßen Geeignetheitsangabe eines Sachanspruchs erschöpft.
176
Die Patentansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 5 Version B sind in der Verfahrenssprache Englisch gerichtet auf: „Use of a device for providing a system for an endoluminal treatment of venous insufficiencies by applying radiation to the vein wall for occluding the vein during a pull-back-motion of the device …“. In das Deutsche übersetzt: „Verwendung einer Vorrichtung zur Bereitstellung eines Systems für die endoluminale Behandlung von venösen Insuffizienzen durch Beaufschlagen der Venenwand mit Strahlung, um die Vene während einer Rückzugsbewegung der Vorrichtung zu verschließen …“.
177
1. Der Senat hat insoweit keine Bedenken gegen die Zulässigkeit einer derartigen Anspruchsfassung als nach ständiger Rechtsprechung der Verwendungszweck eines Verwendungsanspruchs in der Patentschrift offenbart sein muss (BGH Mitt. 2012, 119 – Notablaufvorrichtung; Urt. v. 12. Oktober 2010, X ZR 91/08; GRUR 1988, 287, 288 – Abschlussblende; GRUR 1998, 1003, 1005, 1006 – Leuchtstoff; BGHZ 110, 82 = GRUR 1990, 508 – Spreizdübel) und nunmehr eine präzisierte Ausgestaltung des chirurgischen Verfahrens beansprucht wird, wenn auch nach Ansicht des Senats nicht auf die Patentschrift, sondern auf den maßgeblichen Offenbarungsgehalt der Anmeldung des Patents abzustellen ist (siehe Senat Urteil vom 19. Februar 2019 – 4 Ni 48/17 (EP) – Verschleißschutzschicht; Rspr. der Beschwerdekammern, 8. Aufl. 2016, S. 528 zu T241/02).
178
Der Senat hat aber bereits erhebliche Zweifel, ob der angesprochene Fachmann angesichts dieses Wortlauts der beanspruchten Anspruchsfassung und einer rechtlich fragwürdigen Anlehnung des Wortlauts an die nur aus dem Stoffschutz bekannte Formulierung als Verwendungsherstellungsanspruch die beanspruchte Lehre nach Patentanspruch 1 als einen auf die medizinische Verwendung einer Vorrichtung bzw. Systems gerichteten Anspruch versteht, welcher die Lehre des Anspruchs auf diese Verwendung festlegt. Bekanntlich ist der Verwendungsherstellungsanspruch in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (so aber EPA G 0001/83 – Zweite medizinische Indikation, Urt. v. 5. Dezember 1984) vor Schaffung des zweckgebundenen Stoffschutzes nach Art. 52 Abs. 5 EPÜ als notwendig angesehen worden, um im Hinblick auf den Patentierungsausschluss für medizinische Verfahren nach Art. 52 Abs. 4 EPÜ 1973 (= Art. 53 c EPÜ 2000) dennoch Neuheit aus der neuen therapeutischen Verwendung eines Stoffs ableiten zu können (der sog. zweiten oder weiteren medizinischen Indikation).
179
1.1 Denn bereits der Wortlaut der gewählten Anspruchsfassung ist aus Sicht des angesprochenen Fachmanns nach der gebotenen – und nicht am Willen der Patentinhaberin orientierten – Auslegung mit der Formulierung „Use of a device for providing a system for an endoluminal treatment …“ (übersetzt: „Verwendung einer Vorrichtung zur Bereitstellung eines Systems für die endoluminale Behandlung …“) auf eine Lehre gerichtet, welche auf die Verwendung einer Vorrichtung zur Bereitstellung eines Systems gerichtet ist.
180
Insoweit erscheint fraglich, ob die für das System angegebene medizinische Zweckbestimmung, hier des chirurgischen Verfahrens, überhaupt geeignet ist, die gewollte – und für einen Verwendungsanspruch charakterisierende Festlegung des (medizinischen) Verwendungszwecks als einschränkendes funktionelles technisches Merkmal für den Patentgegenstand zu leisten oder ob sich der so gefasste Verwendungsanspruch nicht vielmehr in einem durch die Verwendung einer Vorrichtung bestimmten Herstellungsverfahren erschöpft, welches auf die Herstellung eines Systems gerichtet ist. Die weitere, durch das chirurgische Verfahren charakterisierte Bestimmungsangabe stellt sich bei einem derartigen Verständnis nicht als Verwendungsangabe, sondern als funktionelle Umschreibung des bereit gestellten Systems dar und bildet damit ein bloßes Geeignetheitskriterium für das System, ohne dieses auf eine derartige tatsächliche Verwendung zu beschränken und gegenüber dem Stand der Technik abgrenzen zu können (BGH GRUR 2018, 1128 – Gurtstraffer; GRUR 2012, 475 Rn. 17 m.w.N. – Elektronenstrahltherapiesystem). Dieses System ist an die Stelle einer Vorrichtung nach der geltenden Fassung getreten und ebenso wie diese so ausgebildet, dass es für die endoluminale Behandlung von venösen Insuffizienzen geeignet ist, ohne auf eine diesbezügliche Verwendung festgelegt zu sein. Der Unterschied zur geltenden Anspruchsfassung besteht somit lediglich darin, dass nunmehr das durch die Vorrichtung bereit- bzw. hergestellte System die geforderte Eignung für den beanspruchten Zweck aufweisen muss und dessen Bereitstellung durch eine vorgelagerte Verwendungsherstellung mittels einer Vorrichtung charakterisiert wird.
181
1.2 Insoweit kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass bereits Art. 53 c Satz 2 EPÜ in Abgrenzung zum Patentierungsverbot für medizinische Verfahren nach Art. 53 c Satz 1 EPÜ ausdrücklich einen Schutz für Erzeugnisse zur Anwendung in diesen Verfahren zulässt, mithin einen Verwendungsschutz für medizinische Geräte, so dass eine Notwendigkeit einer derartigen auf Verwendungsherstellung gerichteten Anspruchsformulierung nach der geltenden Gesetzeslage nicht besteht, zumal vom Verwendungsschutz auch der vorgelagerte Bereich der Herrichtung der Vorrichtung (vgl. BGH GRUR 2005, 845 – Abgasreinigungsvorrichtung, unter Hinweis auf BGHZ 116, 122, 128 – Heliumeinspeisung) oder die Bereitstellung des Stoffes (vgl. BGHZ 68, 156, 161 – Benzolsulfonylharnstoff; BGH GRUR 1982, 548; 549 – Sitosterylglykoside; zum Gebrauchsmuster BGHZ 164, 220 = GRUR 2006, 135 – Arzneimittelgebrauchsmuster) umfasst ist (abweichend zur Vermeidung des Konflikts mit dem Patentierungsausschluss nach Art. 52 Abs. 4 EPÜ 1973 (= Art. 53c Satz 1 EPÜ 2000) EPA G 0001/83 – Zweite medizinische Indikation, Urt. v. 5. Dezember 1984). Dem Fachmann wird es deshalb umso weniger ersichtlich sein, dass trotz der zulässigen klaren erteilten Fassung als Patentanspruch für die chirurgische Verwendung der erfindungsgegenständlichen Vorrichtung nun die Verwendung für die Herstellung eines Geräts bzw. Systems zum Ausdruck gebracht werden soll.
182
1.3 Insoweit ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA zulässige Formulierung eines Verwendungsherstellungsanspruchs in der sogenannten Schweizer Anspruchsfassung (Verwendung eines Stoffes zur Herstellung eines Arzneimittels für eine neue therapeutische Anwendung) nicht nur aus der Ambivalenz von bereit- bzw. hergestelltem Erzeugnis und der vom Patentschutz ausgeschlossenen medizinischen Verfahren als solche resultiert, sondern nur die nach Art. 54 Abs. 4 EPÜ privilegierten Besonderheiten der Verwendung eines Stoffes als Arzneimittel zur weiteren therapeutischen Verwendung betreffen, welches ein zur medizinischen Verwendung bereitgestelltes Gerät aber kraft Gesetzes nicht teilt, wie auch dessen sinnfällige Herrichtung sich anders als beim Stoff zur Bereitstellung eines Arzneimittels gerade nicht in der nur einmaligen spezifischen Bereitstellung zur Verwendung erschöpft (vgl. auch T 227/91, GRUR Int 1994, 848). Der Fachmann mag deshalb durch die gewählte Anspruchsfassung zwar an einen Verwendungsherstellungsanspruch erinnert sein, ihm ist dann jedoch zugleich bewusst, dass derartig formulierte Patentansprüche nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern nur für den Verwendungsschutz von Stoffansprüchen zur weiteren therapeutischen Anwendung gebräuchlich waren.
183
Wenn danach für alle Patentanmeldungen bis zum 28. Januar 2011 – und damit vor dem in Art. 54 Abs. 5 EPÜ nunmehr geschaffenen zweckgerichteten Stoffschutz für die zweite bzw. weitere medizinische Indikation – eine Anspruchsformulierung für derartige Patentansprüche in Form der sogenannten Schweizer Anspruchsfassung durchaus als zulässig anzusehen wäre (hierzu EPA G2/08 ABl. 2010, 456 Rn. 5.10.7 f. – Dosierungsanleitung/Abbott Respiratory; zur Bedeutung des Verwendungszwecks für die Neuheit eines Verwendungsherstellungsanspruchs in Abgrenzung zu sonstigen Verwendungsansprüchen BPatG, Urt. v. 13. März 2018, 3 Ni 24/16 (EP)), auch wenn diese nach nationaler Rechtsprechung selbst für EP-Patente nie gefordert wurde und auch hinsichtlich der Prüfung der Patentfähigkeit keine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt, so wird der Fachmann dies für das Verständnis und die Auslegung der gegenständlichen, eine Vorrichtung und ein System umfassenden Anspruchsfassung gerade nicht übertragen.
184
1.4 Im Ergebnis spricht deshalb viel dafür, dass der Fachmann in der Angabe des chirurgischen Verfahrens als Zweckbestimmung, keinen auf diese Verwendung des Systems oder der Vorrichtung eingeschränkten Verwendungsanspruch sieht, sondern dem Patentanspruch nur eine bloße Verwendungsherstellung des Systems entnimmt. Da die Vorrichtung anspruchsgemäß zur Bereitstellung des Systems verwendet werden soll, muss diese allerdings auch ohne nähere Charakterisierung letztendlich die für das System geforderte Eignung zum chirurgischen Einsatz aufweisen, so dass im Ergebnis hinsichtlich der Bedeutung des chirurgischen Verfahrens als bloße Zweckangabe kein Unterschied besteht zwischen den Vorrichtungsansprüchen gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 5 und den auf die Verwendung dieser Vorrichtungen gerichteten Patentansprüchen gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 5 Version B. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen Version B sind deshalb in gleicher Weise zu beurteilen wie die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 5. Auch bei unterstellter Zulässigkeit der Patentansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 5 Version B sind deren Gegenstände deshalb ebenfalls als nicht patentfähig anzusehen.
185
2. Das Ergebnis ist in der Sache aber auch kein anderes, wenn man zugunsten der Patentinhaberin unterstellt, der angesprochene Fachmann würde die vorliegende Formulierung als einen auf die Vorrichtung bzw. das System bezogenen medizinischen Verwendungsanspruch für ein bestimmtes chirurgisches Verfahren verstehen, den Verwendungsanspruch also zugleich auch der Sachkategorie zuordnen, obwohl insoweit anzumerken ist, dass die anspruchsgemäße Lehre gerade nicht nur auf einen abstrakten Handlungserfolg der Verwendung einer Sache abzielt, sondern mit der Anweisung, die Vene während einer Rückzugsbewegung der Vorrichtung zu verschließen (by applying radiation to the vein wall for occluding the vein during a pull-back-motion of the device), den Verfahrenscharakter deutlich in den Vordergrund stellt und sich deshalb weniger an den Geräteentwickler als an einen Arzt richtet, was gegen die Annahme einer Sachkategorie des Anspruchs spricht (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2005 – X ZB 7/03, BGHZ 164, 220 = GRUR 2006, 135 Rn. 10 – Arzneimittelgebrauchsmuster; zum zweckgebundenen Stoffschutz und der Vergleichbarkeit auch BGH GRUR 2014, 464 – Kollagenase II). Letztlich führt aber auch eine derartige Annahme zu keinem anderen Ergebnis.
186
2.1 Denn es ist zwar richtig, dass Erzeugnisansprüche nach Art. 53c Satz 2 EPÜ nicht von einem Patentierungsausschluss erfasst sind und deshalb auch die Verwendung ärztlicher Instrumente, die – wie vorliegend – bei chirurgischen Eingriffen beim Patienten zur Anwendung kommen (Melullis a.a.O. Art. 54. Rn. 182) zu einem bestimmten chirurgischen Verfahren nach Art. 53c Satz 2 EPÜ zulässig ist (vgl. Melullis EPÜ a.a.O. Art. 54 Rn. 313; Keukenschrijver a.a.O. § 2a Rn. 65). Zutreffend erscheint dem Senat auch insoweit die in der Literatur vertretene Auffassung, dass der Verwendungsanspruch – ob als reiner Verwendungsanspruch oder Verwendungsherstellungsanspruch formuliert – jedenfalls nicht pauschal der Verfahrenskategorie zuzuordnen bzw. gleichzustellen ist, sondern die Zuordnung zur Sach- oder Verfahrenskategorie von der Bedeutung der enthaltenen Sach- und Verfahrensmerkmale für den Patentgegenstand abhängig ist (siehe Keukenschrijver/Busse a.a.O. § 1 Rn. 149; § 2a Rn. 59 m.w.H.) und deshalb durchaus nicht ausgeschlossen ist, dass der verteidigte Patentanspruch der Sachkategorie zuzuordnen sein könnte und sich deshalb mit Art. 53c Satz 2 EPÜ vereinbar erweisen könnte.
187
2.2 Dies führt aber vorliegend deshalb nicht weiter, weil die Klägerin sich entgegen ihrer Rechtsansicht nicht auf die in Art. 54 Abs. 4 und Abs. 5 EPÜ für den Stoffschutz geschaffenen Privilegien zur Begründung von Patentfähigkeit berufen kann, welche nach früherer Rechtslage die erstmalige Verwendung für eine zweite oder weitere therapeutische Anwendung betrafen und heute ihren Niederschlag im zweckgebundenen Stoffschutz finden.
188
Denn die in Art. 54 Abs. 4 und Abs. 5 EPÜ abschließend formulierte gesetzliche Ausnahme für Stoffe bzw. Stoffgemische und die hierauf abstellende frühere Rechtsfortbildung eines anerkannten Verwendungs- bzw. Verwendungsherstellungsanspruchs im Rahmen der zweiten medizinischen Indikation kann nicht in zulässiger Weise auf sonstige Erzeugnisse ausgedehnt werden, wie hier auf ein medizinisches Werkzeug (EPA T 227/91 = GRUR Int. 1994, 848, 850; Melullis a.a.O. Art. 54 Rn. 313). Auch die Voraussetzungen einer zulässigen Analogiebildung liegen nicht vor (Keukenschrijver a.a.O. § 3 Rn. 165). Denn der Gesetzgeber hat den Ausnahmetatbestand nach Art. 54 Abs. 4 und Abs. 5 EPÜ ausdrücklich auf Stoffe oder Stoffgemische beschränken wollen. So hat auch die Große Beschwerdekammer des EPA (G2/08 ABl. 2010, 456 – Dosierungsanleitung/ Abbott Respiratory) betont, dass diese richterliche Rechtsfortbildung ein eigens „festgelegter Grundsatz der Beurteilung der Neuheit“ war und deshalb eine eng begrenzte Ausnahme von den für die Neuheitserfordernisse geltenden Prinzipien bildete, die in anderen Gebieten der Technik keine Anwendung finden sollte. Ursache für diese richterliche Rechtsfortbildung war die Tatsache, dass ein Patentanspruch, der auf die Verwendung eines Stoffes oder Stoffgemisches bei der therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers abstellt, wie ein auf die Behandlung gerichteter Anspruch zu beurteilen war. Ansprüche dieser Art waren verboten. Auf der anderen Seite durfte nach Art. 54 Abs. 5 EPÜ 1973 (Art. 54 Abs. 4 EPÜ 2000) nur die erste medizinische Indikation eines bekannten Stoffgemisches als Arzneimittel in Form eines zweckgebundenen Stoffanspruchs formuliert werden. Da die gesetzgeberische Absicht eindeutig nicht darin bestand, zweite therapeutische Indikationen eines bekannten Arzneimittels von der Patentierbarkeit auszuschließen, stellte die sogenannte schweizerische Anspruchsform eine angemessene Lösung, aber eben eine Ausnahme dar.
189
Eine andere Sicht ist auch nicht durch den nunmehr im Gesetz verankerten erweiterten Stoffschutz nach Art. 54 Abs. 5 EPÜ (EPÜ 2000) eröffnet. Denn hiermit haben sich in Bezug auf die eindeutigen Bestimmungen von Art. 53 c Satz 1 und 54 Abs. 5 EPÜ sowie der Intention des Gesetzgebers, auch solche therapiebezogene Anweisungen bei der Prüfung der Patentfähigkeit als beachtlich anzusehen, welche aus der dem Stoff innewohnende Eigenschaft resultieren, keine Veränderungen ergeben (vgl. BGHZ 211, 1 – Pemetrexed; BGH GRUR 2014, 464 Rn. 27-29 – Kollagenase II; zum vergleichbaren Schutz vgl. Lindner in Singer/ Stauder EPÜ 3. Aufl. Art. 54 Rn. 151; Keukenschrijver/Busse PatG, 8. Aufl., § 2a Rn. 61; § 3 Rn. 172; Schulte/Moufang PatG, 10. Aufl., § 3 Rn. 148 und Rn. 153). Der Geltungsbereich dieser Bestimmungen darf deshalb nicht im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung erweitert oder beschränkt werden (so EPA G2/08 ABl. 2010, 456 Rn. 5.10.7 f. – Dosierungsanleitung/Abbott Respiratory).
190
Im Ergebnis können deshalb sämtliche nach den jeweiligen B-Fassungen hilfsweise verteidigten Anspruchssätze, selbst wenn man sie entgegen der Auffassung des Senats als zulässig ansähe, inhaltlich keine weitere Abgrenzung zum Stand der Technik vermitteln als die mit den A-Fassungen verteidigten Vorrichtungsansprüche.
191
3. Die Beklagte hat die abhängigen Unteransprüche nicht isoliert verteidigt. Wie der Senat bereits im qualifizierten Hinweis vom 31. Oktober 2018 mit Verweis auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2016, 1143 – Photokatalytische Titandioxidschicht; GRUR 2016, 365 – Telekommunikationsverbindung; GRUR 2017, 57 – Datengerator) dargelegt hat, bedürfen diese daher keiner gesonderten Prüfung.
VI.
192
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
193
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

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