Patent- und Markenrecht

Sortenschutzbeschwerdeverfahren – „Clematis florida fond memories“ – zur Frage der Neuheit – Zurückverweisung an das Bundessortenamt zur Fortsetzung des Eintragungsverfahrens

Aktenzeichen  36 W (pat) 1/10

Datum:
5.9.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 6 Abs 1 SortSchG
§ 36 SortSchG
§ 79 Abs 3 Nr 1 PatG
Spruchkörper:
36. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

wegen Erteilung des Sortenschutzes für die Waldrebsorte Fond Memories Kenn-NR.: WAR 4
(hier: Beschwerde gegen Widerspruchsentscheidung)
hat der 36. Senat (Beschwerdesenat für Sortenschutzsachen) des Bundespatentgerichts am 5. September 2014 durch die Vorsitzende Richterin Werner sowie die Richterinnen Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig, Dipl.-Chem.Univ. Dr. Münzberg und Bayer
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin werden die Beschlüsse des Bundessortenamts vom 15. Mai 2009 – Prüfungsabteilung 9 – und vom 5. November 2009 – Widerspruchsausschuss 9 – aufgehoben.
2. Die Sache wird an das Bundessortenamt zur Fortsetzung des Eintragungsverfahrens zurückverwiesen.

Gründe

I.
1
Am 23. April 2008 hat die Antragstellerin, Widerspruchsführerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) Antrag auf Sortenschutz für die Pflanze (Waldrebesorte) Clematis florida mit der Bezeichnung „fond memories“ gestellt. Unter TZ 9 des Anmeldeformulars ist angegeben:
2
„Vermehrungsmaterial oder Erntegut der Sorte wurde erstmalig am 1-jun-2004 unter der Bezeichnung: fond memories in (Staat) GROSSBRITANNIEN zu gewerblichen Zwecken an andere abgegeben.“
3
Daraufhin ist der Antrag mit Beschluss der Prüfungsabteilung 9 des Bundessortenamts vom 15. Mai 2009 zurückgewiesen worden, weil die Sorte nicht mehr neu sei, da Vermehrungsmaterial bereits vor der nach dem Sortenschutzgesetz zulässigen Jahresfrist innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu gewerblichen Zwecken an Dritte abgegeben worden sei.
4
Gegen den am 25. Mai 2009 zur Post gegebenen Zurückweisungsbeschluss hat die Antragstellerin Widerspruch erhoben, der am 16. Juni 2009 beim Bundessortenamt eingegangen ist. Zur Begründung führt sie aus, dass Deutschland das UPOV-Übereinkommen von 1991 (BlPMZ 1998, 232 ff.) unterzeichnet habe. Nach der dort zur Neuheit getroffenen Regelung werde eine Sorte als neu angesehen, wenn sie im Hoheitsgebiet der Vertragspartei, in der der Antrag auf Sortenschutz gestellt wird, am Tag der Antragstellung nicht früher als ein Jahr und im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei nicht früher als vier Jahre oder im Fall von Bäumen und Reben nicht früher als sechs Jahre zum Zweck der Auswertung verkauft oder auf andere Weise an andere abgegeben worden sei. Demgegenüber stelle das deutsche Sortenschutzgesetz auf eine gewerbliche Verwertung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ab. Im Hinblick auf das UPOV-Übereinkommen 1991 müsse die Neuheitsregelung im Sortenschutzgesetz aber so gelesen werden, dass der Begriff „Hoheitsgebiet der Vertragspartei“, vorliegend also Deutschland, an die Stelle von „Europäische Gemeinschaft“ trete, um einen Widerspruch zum UPOV-Übereinkommen 1991 zu vermeiden.
5
Der Widerspruchssausschuss 9 des Bundessortenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 5. November 2009 zurückgewiesen. Der Beschluss der Prüfungsabteilung sei rechtmäßig, da die angemeldete Sorte im Zeitpunkt ihrer Anmeldung nicht mehr neu im Sinne des Sortenschutzgesetzes gewesen sei.
6
Gegen diesen am 5. November 2009 zur Post gegebenen Widerspruchsbeschluss richtet sich die am 3. Dezember 2009 per Telefax beim Bundessortenamt eingegangene Beschwerde der Antragstellerin vom selben Tag. Sinngemäß begehrt sie die Aufhebung der vorgenannten Beschlüsse.
7
Der Präsident des Bundessortenamts ist dem Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 beigetreten. Er hat mit seiner Stellungnahme vom 14. Januar 2011 auf die mit der Neuheitsregelung im Sortenschutzgesetz verfolgte gesetzgeberische Absicht hingewiesen, nationale Unterschiede im Vergleich zum gemeinschaftlichen Sortenschutz zu vermeiden.
8
Der 36. Senat (Beschwerdesenat für Sortenschutzsachen) des Bundespatentgerichts hat am 6. September 2012 die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen (BPatGE 53, 277).
9
Auf die von der Antragstellerin eingelegte Rechtsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 13. Januar 2014 – X ZB 18/12 – den Beschluss des 36. Senats (Beschwerdesenat für Sortenschutzsachen) des Bundespatentgerichts vom 6. September 2012 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen (GRUR 2014, 355).
10
In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass, solange die in Art. 6 Abs. 3 der am 19. März 1991 revidierten Fassung des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen aufgestellten Voraussetzungen für eine abweichende Bestimmung des Hoheitsgebiets noch nicht vorliegen, § 6 Abs. 1 SortSchG im Wege einer völkerrechtskonformen Auslegung dahin auszulegen sei, dass eine Sorte als neu gelte, wenn Pflanzen oder Pflanzenteile der Sorte mit Zustimmung des Berechtigten oder seines Rechtsvorgängers vor dem Antragstag nicht oder nur innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr im Inland oder von vier Jahren (bei Reben und Baumarten sechs Jahren) im Ausland zu gewerblichen Zwecken an andere abgegeben worden seien. Die nach dem revidierten Übereinkommen erforderlichen Voraussetzungen lägen derzeit nicht vor. Die unionsrechtlichen Bestimmungen enthielten derzeit  keine Bestimmung, wonach bei der nationalen Anmeldung einer Sorte Handlungen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Union in Bezug auf die Neuheit Handlungen im Gebiet der Union gleichzustellen seien. Soweit die Fassung von § 6 Abs. 1 SortSchG vom Übereinkommen abweiche, beruhe dies ersichtlich auf einem Versehen des Gesetzgebers.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
12
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
13
Die Zurückweisung des am 23. April 2008 gestellten Sortenschutzantrags der Antragstellerin, mit der Begründung, dass die Sorte „Fond Memories“ bereits vor Beginn der gesetzlich normierten Jahresfrist, nämlich am 1. Juni 2004 gewerbsmäßig innerhalb der europäischen Gemeinschaft (in Großbritannien) in den Verkehr gebracht worden sei und aus diesem Grunde gemäß § 6 Abs. 1 SortSchG nicht mehr neu sei, ist zu Unrecht erfolgt.
14
§ 6 Abs. 1 SortSchG ist – wie der Bundesgerichtshof entschieden hat – völkerrechtskonform dahingehend auszulegen, dass – solange die in Art. 6 Abs. 3 der am 19. März 1991 revidierten Fassung des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen aufgestellten (und bisher noch nicht gegebenen) Voraussetzungen für eine abweichende Bestimmung des Hoheitsgebiets noch nicht vorliegen – eine Sorte als neu gilt, wenn Pflanzen oder Pflanzenteile der Sorte mit Zustimmung des Berechtigten oder seines Rechtsvorgängers vor dem Antragstag nicht oder nur innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr im Inland oder von vier Jahren (bei Reben und Baumarten sechs Jahren) im Ausland zu gewerblichen Zwecken an andere abgegeben worden sind.
15
Der Antrag auf Sortenschutz wurde am 23. April 2008 gestellt. Da die Antragstellerin die Sorte erst nach dem 23. April 2004, nämlich am 1. Juni 2004 in Großbritannien in den Verkehr gebracht hat, steht dies der Neuheit der Sorte gemäß § 6 Abs. 1 SortSchG in der gebotenen völkerrechtskonformen Auslegung nicht entgegen.
16
Die Sache wird gemäß § 36 SortSchG i. V. m. § 79 Abs. 3 Nr. 1 PatG an das Bundessortenamt zur Fortsetzung des Eintragungsverfahrens zurückverwiesen, weil das Bundessortenamt hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen für den begehrten Sortenschutz noch nicht endgültig ermittelt hat.

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