Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung

Aktenzeichen  5 Ni 54/16 (EP)

Datum:
26.6.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
Spruchkörper:
5. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 787 175
(DE 60 2005 041 615)
hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2018 durch den Vorsitzenden Richter Voit, die Richterin Martens sowie die Richter Dipl.-Ing. Rippel, Dr.-Ing. Dorfschmidt und Dipl.-Ing. Brunn
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 787 175 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 787 175 (Streitpatent), das am 21. April 2005 unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom 21. April 2004 (US 563921) angemeldet worden ist. Beim Deutschen Patent- und Markenamt wird das Streitpatent unter dem Aktenzeichen DE 60 2005 041 615.3 geführt. Es trägt die Bezeichnung: „PERFORMING HIGH-SPEED EVENTS „ON-THE-FLY“ DURING FABRICATION OF A COMPOSITE STRUCTURE BY AUTOMATED FIBER PLACEMENT“ („Durchführung von schnellen Ereignissen “im Verlauf” während der Herstellung einer Verbundstruktur durch automatisierte Faserplazierung“). Das Streitpatent umfasst 5 Patentansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind.
2
Patentanspruch 1, auf den sich die Unteransprüche 2 bis 5 unmittelbar oder mittelbar rückbeziehen, lautet nach der Streitpatentschrift EP 1 787 175 B1 in der englischen Verfahrenssprache wie folgt:
3
In deutscher Übersetzung nach der Streitpatentschrift (EP 1 787 175) lautet Patenanspruch 1:
4
Wegen des Wortlauts der Unteransprüche wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
5
Mit ihrer Klage vom 29. Juli 2016 macht die Klägerin fehlende Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 InPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1a EPÜ) des Gegenstands des Streitpatents geltend. Sie stützt sich hierbei auf folgende Dokumente:
6
D1 US 5 223 072 A
7
D2 Handbuch “Operating Manual for Cincinnati Milacron 7-Axis-Fiber Placement Machine” aus 3/99
8
D2’ Seiten 3-53 bis 3-60 der D2
9
D3 WO 99/22932 A2
10
D4 Handbuch „SINUMERIK 840D/FM-NC Funktionsbeschreibung Erweiterungsfunktion (FB2)“ aus 4/00
11
D5 Handbuch „KR C2 / KR C3 Expert Programming KUKA Systems Software (KSS)“ aus 9/03
12
D6 Handbuch „Rapid reference manual“ von ABB aus 2003
13
D7 US 5 287 049 A
14
D8 US 5 979 531 A
15
D9 EP 0 953 433 B1
16
D10 Don O. Evans et. al (1989): Fiber Placement Study. In: SAMPLE 34th Symposioum Book of Proceeding, S. 1 – 12
17
D11 EP 0 535 264 A1
18
D12 Aufsatz von Ahrens u. a. „Robot based thermoplastic fiber placement process“ in ABB Review 2/1998
19
D13 EP 0 491 354 A1
20
Die Klägerin beantragt,
21
das europäische Patent 1 787 175 (DE 60 2005 041 615) mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
22
Die Beklagte beantragt,
23
die Klage kostenpflichtig abzuweisen,
24
hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit dem Hilfsantrag I, eingereicht mit Schriftsatz vom 3. Februar 2017, verteidigt wird (Bl. 88 d. A.),
25
sowie weiter hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit den Hilfsanträgen II bis VII, eingereicht mit Schriftsatz vom 21. März 2018, verteidigt wird (Bl. 280 d. A.).
26
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I vom 3. Februar 2017 in der ins Deutsche übersetzten Fassung unterscheidet sich von der erteilten Fassung lediglich dadurch, dass anstelle des Begriffs „im laufenden Betrieb“ durchgängig die Formulierung „im laufenden Betrieb ohne Abbremsen“ verwendet wird.
27
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II vom 31. März 2018 lautet wie folgt (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind unterstrichen bzw. durchgestrichen):
28
„Verfahren zum Schneiden und Hinzufügen von Strängen (116) im laufenden Betrieb mit einer Zufuhrgeschwindigkeit von 30,48 m/min (1200 Inch/min) oder mehr bei einem automatisierten Faserlegeverfahren unter Verwendung eines Faserlegekopfes einer Faserlegemaschine zum Herstellen einer Verbundstruktur (118), wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst:
29
Bestimmen einer zeitabhängigen Werkzeugbahn für den Faserlegekopf während der Herstellung des Verbundteils, einschließlich einer Fertigstellungsposition des Faserlegekopfes entlang der zeitabhängigen Werkzeugbahn, an dem es gewünscht ist, dass ein Strang im laufenden Betrieb bei einer Zufuhrgeschwindigkeit von 30,48 m/min (1200 Inch/min) oder mehr geschnitten und hinzugefügt wird, und einer Einleitungsposition des Faserlegekopfes entlang der zeitabhängigen Werkzeugbahn, die in hinreichendem Maß vor der Fertigstellungsposition angeordnet ist, sodass die Einleitung des gewünschten Schneidens und Hinzufügens im laufenden Betrieb bei einer Zufuhrgeschwindigkeit von 30,48 m/min (1200 Inch/min) oder mehr an der Einleitungsposition des Faserlegekopfes zu der Fertigstellung des gewünschten Schneidens oder Hinzufügens im laufenden Betrieb bei einer Zufuhrgeschwindigkeit von 30,48 m/min (1200 Inch/min) oder mehr im Wesentlichen an der Fertigstellungsposition des Faserlegekopfes führt,
30
dadurch gekennzeichnet, dass
31
und das Verfahren den Schritts des Bestimmens eines Latenzwerts für die Faserlegemaschine zum Schneiden und Hinzufügen eines Strangs umfasst, sowie die Verwendung des Latenzwerts zum Bestimmen der Einleitungsposition des Faserlegekopfes entlang der zeitabhängigen Werkzeugbahn.“
32
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III vom 31. März 2018 unterscheidet sich von der Fassung des Hilfsantrags II dadurch, dass am Ende folgendes Merkmal eingefügt ist:
33
„…,so dass die Einleitung des gewünschten Schneidens und Hinzufügens im laufenden Betrieb bei Zufuhrgeschwindigkeiten von 30,48 m/min (1200 Inch/min) oder mehr an der Einleitungsposition der zeitabhängigen Werkzeugbahn des Faserlegekopfes in der Fertigstellung des gewünschten Schneidens und Hinzufügens an der Fertigstellungsposition des Faserlegekopfes resultiert.“
34
In Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV vom 31. März 2018 unterscheidet sich der Schritt des Bestimmens eines Latenzwertes von der Fassung nach Hilfsantrag II wie folgt:
35
„…und das Verfahren den Schritts des Bestimmens eines Latenzwerts für die Faserlegemaschine zum Schneiden und Hinzufügen eines Strangs umfasst, sowie die Verwendung des Latenzwerts zum Bestimmen der Einleitungsposition des Faserlegekopfes entlang der zeitabhängigen Werkzeugbahn und den Schritt des Einleitens des gewünschten Schneidens/Hinzufügens im laufenden Betrieb
bei einer Zufuhrgeschwindigkeit von 30,48 m/min (1200 Inch/min) oder mehr an der Einleitungsposition des Faserlegekopfes entlang der zeitabhängigen Werkzeugbahn umfasst.“
36
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag V vom 31. März 2018 unterscheidet sich von der Fassung des Hilfsantrags IV dadurch, dass am Ende folgendes Merkmal eingefügt ist:
37
„…. so dass die Einleitung des gewünschten Schneidens und Hinzufügens im laufenden Betrieb bei einer Zufuhrgeschwindigkeit von 30,48 m/min (1200 Inch/min) oder mehr an der Einleitungsposition der zeitabhängigen Werkzeugbahn des Faserlegekopfes in der Fertigstellung des gewünschten Schneidens und Hinzufügens an der Fertigstellungsposition des Faserlegekopfes resultiert, wobei das Schneiden oder Hinzufügen von Strängen im laufenden Betrieb mit einer Zufuhrgeschwindigkeit von 30,48 m/min (1200 Inch/min) oder höher ohne den Faserlegevorgang zum Schneiden oder Hinzufügen von Strängen zu verlangsamen erfolgt.“
38
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VI vom 31. März 2018 unterscheidet sich von der Fassung des Hilfsantrags V dadurch, dass am Ende zusätzlich folgendes Merkmal eingefügt ist:
39
„….. und abwechselnd in einem Winkel zueinander gelegte Lagen von Strängen bei einer Zufuhrgeschwindigkeit von 30,48 m/min (1200 Inch/min) oder mehr erzeugt werden.“
40
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VII vom 31. März 2018 unterscheidet sich von der Fassung des Hilfsantrags VI dadurch, dass am Ende zusätzlich noch folgendes weiteres Merkmal eingefügt ist:
41
„…… und bei dem ein Ende des bei einer Zufuhrgeschwindigkeit von 30,48 m/min (1200 Inch/min) oder mehr zu schneidenden oder hinzuzufügenden Strangs einen Teil einer gekerbten Kante bildet.“
42
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Der Gegenstand des Streitpatents sei bereits in seiner erteilten Fassung gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da er dem Fachmann am Prioritätstag nicht nahegelegen habe. Das Streitpatent sei zudem zumindest in einer der hilfsweise verteidigten Fassungen bestandsfähig.
43
Ihre Argumentation stützt die Beklagte auf folgende Dokumente:
44
B5: Auszug aus Wikipedia zu CNC-Steuerungen
45
B6: „RobotWare Options” für Base/Ware OS 4.0
46
B7: EP 0 530 401 A1
47
B8: WO 2005/106604 A2
48
B10: Deutsche Übersetzung der US 5 223 072 A (D1)
49
B11: Deutsche Übersetzung der D2
50
B13: Gutachten der Nichtigkeitsklägerin aus dem Verletzungsverfahren
51
Der Senat hat den Parteien mit einem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG vom 19. Februar 2018 auf die Gesichtspunkte hingewiesen, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sind.

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