Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung

Aktenzeichen  3 Ni 37/17 (EP), verb. m. 3 Ni 16/18 (EP)

Datum:
19.2.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:190219U3Ni37.17EP.0
Spruchkörper:
3. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache


betreffend das europäische Patent 1 308 455
(DE 699 30 424)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Schramm, die Richterin Dipl.-Chem. Dr. Münzberg, die Richter Hermann und Dipl.-Chem. Dr. Jäger und die Richterin Dipl.-Chem. Dr. Wagner
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 308 455 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 3. Mai 1999 angemeldeten, die US-amerikanische Priorität 84459P vom 6. Mai 1998 in Anspruch nehmenden und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland vom Europäischen Patentamt erteilten Patents EP 1 308 455 B9, dessen Erteilung am 22. März 2006 und dessen korrigierte Fassung am 14. Juni 2006 veröffentlicht worden ist. Vom Deutschen Patent- und Markenamt wird es unter der Nummer DE 699 30 424 T2 geführt. Das erteilte Patent betrifft eine „Anti-HER2 Antikörperzusammensetzung“ und umfasst 6 Patentansprüche. Der einzige unabhängige Patentanspruch (= Patentanspruch 1) lautet in englischer Verfahrenssprache wie folgt:
2
„1. A composition comprising a mixture of anti-HER2 antibody and one or more acidic variants thereof, wherein the amount of the acidic variant(s) is less than about 25%,
3
and wherein the acidic variant(s) are predominantly deamidated variants
4
wherein one or more asparagine residues of the anti-HER2 antibody have been deamidated, and wherein the anti-HER2 antibody is humMAb4D5-8,
5
and wherein the deamidated variants have Asn30 in CDR1 of either or both
6
VL regions of humMAb4D5-8 converted to aspartate.”
7
Die deutsche Übersetzung des erteilten Patentanspruchs 1 hat folgenden Wort-laut:
8
„1. Zusammensetzung, umfassend ein Gemisch aus Anti-HER2-Antikörper und einer oder mehreren sauren Varianten davon,
9
worin die Menge der sauren Variante(n) weniger als etwa 25 % beträgt,
10
und worin die saure(n) Variante(n) vorwiegend desamidierte Varianten sind, worin ein oder mehrere Asparaginreste des Anti-HER2-Antikörpers desamidiert wurden, und worin der Anti-HER2-Antikörper humMAb4D5-8 ist, und worin in den desamidierten Varianten Asn30 in CDR1 einer der beiden oder beider VL-Regionen von humMAb4D5-8 zu Aspartat geändert ist.“
11
Wegen des Wortlauts der Patentansprüche wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
12
Die Klägerinnen greifen das Patent in vollem Umfang an und stützen ihre Nichtigkeitsklagen auf die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Neuheit, der mangelnden erfinderischen Tätigkeit sowie der unzulässigen Erweiterung. Zur Stütze ihres Vorbringens verweisen sie im Wesentlichen auf die folgenden Entgegenhaltungen:
13
BB2 Präsentation von H… auf der Waterside Monoclonal Conference in Norfolk, Virginia, US vom 22. bis 25. April 1996, S. 1 bis 22
14
NiK4 WO 97/04801 A1
15
NiK6 Entscheidung T 2522/10 der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts vom 16. April 2015
16
NiK8 Präsentation von H… auf der Waterside Monoclonal Conference in Norfolk, Virginia, US vom 22. bis 25. April 1996, S. 1 bis 7
17
NiK9 Gutachten von Dr. G… vom 18. Dezember 2013, S. 1 bis 30 NiK10 WO 92/22653 A1
18
NiK13 Gutachten von Dr. W… vom 29.06.2011, S. 1 bis 3 mit Annex 1 bis 4
19
NiK19 H… et al., Journal of Chromatography B, 2001, 752, S. 233 bis 24
20
NiK21 J. Baselga et al., Journal of Clinical Oncology, 1996, 14 (3), S. 737 bis 744
21
NiK24 P. Carter, Breast Cancer Advances in biology and therapeutics, F. Calvo, M. Crépin, H. Magdelenat Eds., John Libbey Eurotext, 1996, S. 139 bis 146
22
NiK28 Erklärung von Dr. B… im US-Verfahren betreffend das Patent US 6,339,142 vom 29. August 2017, S. 1 bis 14 mit Exhibit A, S. 15 bis 20 und Exhibit B, S. 21 bis 57
23
NiK30 Ergänzende Erklärung von Dr. B… vom 5. Juni 2018, S. 1 bis 10 mit Appendix 1 bis 4
24
NiK38 M.F. Powell, in R. Pearlman and W…. eds., “Formulation Characterization and Stability of Protein Drugs”, Plenum Press, New York, 1996, S. 1 bis 140
25
NiK41 Pressemitteilung der Firma Genentech vom 19. Dezember 1997 mit dem Titel „Genentech announces phase III investigational trial results“.
26
Die Klägerinnen bestreiten die Neuheit der patentgemäßen Zusammensetzung entsprechend dem erteilten Patentanspruch 1 gegenüber der Druckschrift NiK4. Die in NiK4 offenbarte Lehre sei durch die Bezugnahme auf die Druckschrift NiK10 hinsichtlich der Bereitstellung einer Trastuzumab-Zusammensetzung nacharbeitbar, so dass es sich bei dieser Druckschrift um einen für die Beurteilung der Neuheit relevanten Stand der Technik handle. NiK4 offenbare aus der Sicht der Klägerinnen eine Zusammensetzung, die den Anti-HER2-Antikörper humMAb4D5-8 sowie eine oder mehrere saure Varianten davon enthalte, wobei der Gehalt dieser Varianten in der Zusammensetzung nicht mehr als 18 % betrage. Aus der Beschreibung der NiK4 gehe zudem hervor, dass die Desamidierung der Aminosäure Asparagin in der Position 30 der CDR1 in einer oder beiden VL-Regionen den Hauptabbauweg des Antikörpers humMAb4D5-8 darstelle. Demzufolge offenbare NiK4 sämtliche Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1.
27
Um neuheitsschädlichen Stand der Technik handle es sich auch bei der Druck-schrift NiK8 bzw. der Druckschrift BB2, deren Offenbarung den Inhalt der NiK8 deckungsgleich mit umfasse. Die Druckschrift NiK8/BB2 (im Folgenden als BB2 bezeichnet) beschreibe eine den Antikörper rhuMAb HER2 enthaltende Zusammensetzung, die außer dem nativen Protein auch Varianten enthalte, die am Asparaginrest 30 desamidiert seien. Den Ausführungen im Gutachten NiK9 zur Folge, liege der mittlere Gehalt der sauren Varianten in dieser Zusammensetzung bei 17,8 % und damit deutlich unter den patentgemäßen 25 %. Die in BB2 gezeigten Ergebnisse der MonoS-Kationenaustauschchromatographie, des Sequenzvergleichs sowie des Bindugsassays belegten zudem, dass es sich bei den desamidierten sauren Asn30-Varianten um die Hauptabbauprodukte in einer aus einer Zellkultur gewonnen Trastuzumab-Zusammensetzung handle.
28
Als neuheitsschädlich erachten die Klägerinnen des Weiteren die Druckschrift NiK10. Sie mache zwar keine expliziten Angaben zu Art und Menge der darin genannten sauren Antikörper-Varianten. Für deren Vorliegen bedürfe es jedoch keiner Erläuterung, da es sich bei der Bildung der sauren desamidierten Asn30-Varianten in der CDR-1 in einer oder beiden VL-Regionen um eine intrinsische Eigenschaft des Antikörpers humMAb4D5-8 handle. Nachdem der Antikörper humMAb4D5-8 in NiK10 entsprechend dem Verfahren der NiK4 hergestellt werde, ergebe sich daraus zwangsläufig auch der patentgemäße Mengenanteil an sauren Varianten von unter 25 %.
29
Die Klägerinnen bestreiten ferner, dass die patentgemäße Zusammensetzung gegenüber einer Kombination der Druckschriften BB2 und NiK4 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, wobei sowohl von NiK4 als auch von BB2 ausgegangen werden könne. Ausgehend von BB2 sei dem Fachmann zum einen die Desamidierung am Asparaginrest in der Position 30 in der CDR1 in einer oder beiden VL-Regionen des Antikörpers Trastuzumab als Hauptabbauweg bekannt. Zum anderen sei der Fachmann motiviert, den Gehalt des nativen Antikörpers in einer Trastuzumab-Zusammensetzung, die für therapeutische Zwecke vorgesehen sei, zu erhöhen, da ihm aus BB2 bekannt sei, dass die sauren Varianten weniger aktiv (82 %) als der native Antikörper (100 %) seien. Bei seiner Suche nach einer Lösung für die patentgemäße Aufgabe ziehe der Fachmann weitere Dokumente in Betracht und stoße dabei auf die Druckschrift NiK4. Eine Kombination von NiK4 und BB2 liege für den Fachmann auf der Hand, da sich beide Dokumente mit demselben Antikörper und demselben technischen Problem befassten, nämlich der Stabilität des Antikörpers. Für eine Kombination der beiden Dokumente spreche für den Fachmann ferner, dass beide Dokumente die Kationenaustauschchromatographie zur Analyse der Abbauprodukte verwendeten.
30
Die NiK4 rücke ein chromatographisches Verfahren unter Einsatz einer Bakerbond Wide-Pore Carboxy Sulfon (CSX)-Säule in das Blickfeld des Fachmanns, welches für die Trennung des nativen Antikörpers Trastuzumab von seinen sauren Varianten jedenfalls im analytischen Maßstab geeignet sei. Dies werde durch die vorgelegten Gutachten NiK28 und NiK30 bestätigt. Der Fachmann könne daher sicher sein, dass die Lehre der BB2 nacharbeitbar sei. Außer Frage stehe außerdem, dass der Fachmann am Prioritätstag des Streitpatents in der Lage gewesen sei den Antikörper „rhuMab HER (humMAb4D5-8)“ herzustellen bzw. käuflich zu erwerben, da dessen Herstellung nicht nur aus der NiB7 und BB2, sondern auch aus der NiK10 bekannt sei, die dessen Herstellung sehr viel detaillierter als das Streitpatent selbst beschreibe. NiK4 vermittle damit eine Erfolgserwartung dafür, den Anteil der in BB2 genannten 25 % an sauren desamidierten Asn30-Varianten in einer Trastuzumab-Zusammensetzung weiter reduzieren zu können. Die bloße Festlegung einer Obergrenze von weniger als 25 % an sauren desamidierten Asn30-Varianten beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
31
Auch die neuen Merkmale im jeweiligen Patentanspruch 1 der Hilfsanträge I und II würden keine erfinderische Tätigkeit erkennen lassen, da die therapeutische Anwendung des anti-HER2-Antikörpers bekannt sei. So seien aus der NiK4 nicht nur pharmazeutisch verträgliche Träger, sondern auch die Sterilität einer Antikörperlösung sowie deren Eignung für die in vivo-Anwendung bekannt.
32
Die Klägerinnen beantragen,
33
das europäische Patent 1 308 455 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
34
Die Beklagte beantragt,
35
die Klagen abzuweisen, hilfsweise die Klagen mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der Hilfsanträge I oder II gemäß Schriftsatz vom 8. Mai 2018 erhält.
36
Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I entspricht dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag mit dem Unterschied, dass die Zusammensetzung „steril“ ist, „zur in vivo-Verabreichung“ bestimmt ist und weiters „einen pharmazeutisch annehmbaren Träger“ umfasst.
37
Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II entspricht dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag mit dem Unterschied, dass die „Zusammensetzung zur Anwendung in der Therapie“ geeignet ist und „einen pharmazeutisch annehmbaren Träger“ umfasst.
38
Sowohl im Hilfsantrag I als auch im Hilfsantrag II wurde im Vergleich zum Hauptantrag zudem jeweils der erteilte Patentanspruch 6 gestrichen.
39
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerinnen in allen Punkten entgegen und stützt sich dabei auf folgende Druckschriften:
40
NiB1 Schriftsatz im Beschwerdeverfahren T 2522/10-3304 vom 12.11.2014, 9 Seiten
41
NiB2 Declaration der Mitarbeiterin der Beklagten S… vom15.7.2013, 2 SeitenNiB2a Deutsche Übersetzung der NiB2NiB3 Declaration der Mitarbeiterin der Beklagten Y… vom6.6.2013, 3 Seiten, nebst Confidential Annexes A, B, C und DNiB3a Deutsche Übersetzung der NiB3 (ohne Anhänge), 7 SeitenNiB4 Declaration der Mitarbeiterin der Beklagten B1… vom Juni2013, 5 Seiten, nebst Confidential Annexes A, B, C und DNiB4a Deutsche Übersetzung der NiB4 (ohne Anhänge), 10 Seiten
42
NiB5 Declaration des Mitarbeiters der Beklagten S1… vom24.6.2013, 2 Seiten, nebst Annex A
43
NiB5a Deutsche Übersetzung der NiB5 (ohne Anhang), 3 Seiten
44
NiB6 Declaration des Mitarbeiters der Beklagten B2… vom12.7.2013,1 SeiteNiB6a Deutsche Übersetzung der NiB6, 3 SeitenNiB7 P. Carter, Proc. Natl. Acad. Sci. USA, May 1992, 89, S. 4285 bis 4289NiB8 R.J. Harris, Journal of Chronomatography A, 705 (1995) S. 129 bis 134NiB9 Expertise von Prof. D… vom 5.10.2016, 13 Seiten, nebst Exhibits I bis IVNiB9a Deutsche Übersetzung der NiB9 (ohne Exhibits), 21 Seiten
45
NiB10 Expertise von Prof. D… vom 29.12.2017, 9 Seiten, nebst Exhibits I bis IV
46
NiB11 S. Kishishita et al., Journal of Bioscience and Bioengineering, 2015, Vol. 119, No. 6, S. 700 bis 705NiB12 Beipackzettel Protein A SepharoseTM CL-4B Pharmacia Biotech, Pfizer Ex. 1047, 6 SeitenNiB13 Beipackzettel Protein A SepharoseTM CL-4B GE Healthcare Life Siences, Pfizer Ex. 1046, 8 SeitenNiB14 B. Lain, Bio Process Special Report, September 2013, S. 29 bis 38NiB15 WIKIPEDIA Phosphate-buffered saline vom 29.6.2018, 4 SeitenNiB16 N. Jenkins, Cytotechnology (2007), 53, S. 121 bis 125NiB17 Transcript of B…, Ph.D. vom 7.6.2018 in Pfizer ./. Genen-tech, Planet Depos, Worldwide Court Reporting, 93 SeitenNiB18 M. Perry u. a. in E.L.V. Harris u. a., Protein purification applications, Oxford University Press, Oxford, 1990, S. 151 bis 156NiB19 Employee’s Proprietary Information and Inventions Agreement …B2… vom 16.4.1987, 5 SeitenNiB20 Employee’s Proprietary Information and Inventions Agreement …B1 vom 16.4.1986, 5 SeitenNiB21 517 Federal Reporter, 3d Series, S. 1284 bis 1299, 939 Federal Reporter, 2d Series, S. 1568 bis 1574, 583 Federal Reporter, 3d Series, S. 832 bis 849NiB22 Transcript of Carl Scandella, Ph.D. vom 31.5.2018 in Pfizer ./. Genentech, Planet Depos, Worldwide Court Reporting, 99 SeitenNiB23 T. Geiger u. a., The Journal of Biological Chemistry, Vol. 262, Januar 1987, S. 785 bis 794
47
Die Beklagte führt im Wesentlichen aus, dass die Trennung von Antikörpervarianten, die sich lediglich in einer oder zwei Ladungen unterscheiden, zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents keinesfalls Routine gewesen sei. Für die Trennung solcher Antikörpermoleküle habe erstmals das Streitpatent ein Kationenaustauschchromatographieverfahren entwickelt, welches einen bisher nicht bekannten inversen Waschschritt beinhalte.
48
Ein solches Verfahren offenbare folglich keines der zitierten Dokumente NiK4, BB2 oder NiK10 und demzufolge auch keine humMAb4D5-8-haltige Zusammensetzung, die im patentgemäßen Sinn weniger als etwa 25% an sauren desamidierten Asn30-Varianten enthalte, da solche Zusammensetzungen nur unter Anwendung des patentgemäßen Verfahrens erhältlich seien. Überdies offenbare auch keine der genannten Druckschriften unmittelbar und eindeutig die Identität des als „rhuMAb HER2“ bezeichneten Antikörpers mit dem im erteilten Patentanspruch 1 genannten „humMAb4D5-8“. Als weiteres Argument gegen die Neuheitsschädlichkeit des Dokuments NiK4 bzw. BB2 führt die Beklagte ferner die fehlende Ausführbarkeit der darin jeweils beschriebenen Lehre an.
49
Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit stelle nach Ansicht der Beklagten die Druckschrift BB2 einen geeigneten Ausgangspunkt dar. Diese Druckschrift liefere allerdings keine Anregungen, die in Richtung der patentgemäßen Lehre weisen würden, da sie zum einen die Entfernung desamidierter Antikörpervarianten nicht als notwendig erachte und zum anderen keine Erfolgserwartung vermittle, dass mit der darin genannten MonoS-Kationenaustauschchromatographie eine Abtrennung der desamidierten Proteinvarianten vom nativen Antikörper möglich sei. Dies erkläre sich damit, dass BB2 zwar den Einsatz einer MonoS-Kationenaustauschersäule zur Auftrennung einer Trastuzumab-Zusammensetzung in das Blickfeld des Fachmanns rücke, allerdings ohne Bedingungen zu nennen, die der Einsatz einer solchen Säule erfordere. Demzufolge liefere die BB2 keinen Hinweis dafür, wie sich die Abtrennung saurer Varianten vom nativen Antikörper mit einer solchen Ionenaustauschchromatographie praktisch realisieren lasse. Selbst eine Übertragung der aus NiB8 bekannten Vorgehensweise auf die Lehre der BB2 führe, wie in NiK13 gezeigt, nicht zu dem in BB2 genannten Ergebnis. Dies bestätige, dass die Bestimmung der exakten Bedingungen, die bei einer Kationenaustauschchromatographie einzuhalten seien, nicht den Routinetätigkeiten zugerechnet werden könnten.
50
Bei der Suche nach den exakten Bedingungen für die in BB2 genannte MonoS-Kationenaustauschchromatographie helfe auch die NiK4 nicht weiter, da in ihr ein anderes Säulenmaterial für die Kationenaustauschchromatographie verwendet werde und der Fachmann weder die Bedingungen für die beiden Säulenmaterialien als austauschbar erachte, noch eine Veranlassung habe, das in BB2 verwendete Material durch das Material der NiK4 auszutauschen. Außerdem stellten die lyophilisierten und stabilisierten Antikörper-Zusammensetzungen der NiK4 bereits ein pharmazeutisches Endprodukt dar, so dass NiK4 keinen Anreiz dafür liefere die zur Analyse dieses Endproduktes eingesetzte CSX-Chromatographie als großtechnisches Aufreinigungsverfahren auszugestalten. Dies ziehe der Fachmann – wie im Gutachten NiB10 bestätigt – auch deshalb nicht in Betracht, weil die bei der Durchführung der CSX-Chromatographie verwendete Temperatur von 40°C sowie der dabei einzuhaltende pH-Wert von 6,9 die Abbauprozesse des Antikörpers beschleunige. Im Übrigen könne das aus einer früheren Screening-Studie stammende Wissen bezüglich der Bildung von desamidierten Asn30-Varianten der leichten Kette sowie von Succinimid102- bzw. isoAsp102-Varianten der schweren Kette in flüssigem Medium, von dem in der NiK4 berichtet werde, nicht auf die in der Figur 5 gezeigten Trastuzumab-Zusammensetzungen übertragen werden, in denen die Antikörper zuerst lyophilisiert und dann rekonstituiert worden seien.
51
Nachdem die Druckschrift NiK4 mit der Stabilität von lyophilisierten Formulierungen des Antikörpers humMAb4D5-8 befasst sei, während sich BB2 mit den aus der Zellkultur gewonnen humMAb4D5-8-Lösungen beschäftige, sei aufgrund der Unterschiedlichkeit der Proben zudem fraglich, ob der Fachmann die Druckschrift NiK4 überhaupt mit BB2 kombiniert hätte. Gegen ein Heranziehen der NiK4 spreche ferner, dass die Lehre der NiK4 auf Proben im analytischen Maßstab ausgerichtet sei, wohingegen sich die BB2 mit einer großtechnischen Produktion befasse. Somit divergierten beide Druckschriften auch in den Produktionsmaßstäben, die den jeweiligen Lehren zugrunde lägen.

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