Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung

Aktenzeichen  2 Ni 9/15 (EP)

Datum:
27.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2017:271117U2Ni9.15EP.0
Spruchkörper:
2. Senat

Verfahrensgang

nachgehend BGH, 21. April 2020, Az: X ZR 75/18, Urteil

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 495 486
(DE 503 05 265)
hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Guth sowie der Richter Dipl.-Phys. Brandt, Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Friedrich, Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Zebisch und Heimen
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 495 486 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 15. April 2003 in der Verfahrenssprache Deutsch angemeldeten europäischen Patents EP 1 495 486 im Folgenden Streitpatent), das die Priorität der Anmeldung DE 102 16 786 vom 15. April 2002 in Anspruch nimmt.
2
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des deutschen Teils dieses Patents mit der Bezeichnung „Verfahren und Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden“.
3
Das auf Antrag der Patentinhaberin in einem Beschränkungsverfahren beschränkte Patent umfasst den auf ein Verfahren zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden gerichteten Anspruch 1 und den auf eine Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden gerichteten Anspruch 5 sowie die auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4 und die auf den Anspruch 5 rückbezogenen Unteransprüche 6 bis 10.
4
Die beiden selbständigen Ansprüche 1 und 5 des Streitpatents lauten (unter Korrektur von Rechtschreibfehlern):
5
„1. Verfahren zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden mit den Schritten:
6
Bereitstellen eines zumindest teilweise geschlossenen Raums (1) mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers und/oder Hybrids; und
7
Leiten eines trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) zum Temperieren der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10);
8
wobei zumindest ein Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10)
9
verlassenden Fluids zum Konditionieren der Atmosphäre innerhalb des Raums (1) verwendet wird;
10
wobei der Raum (1) durch einen Behälter (5) im Wesentlichen geschlossen ist;
11
wobei der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrichtung (10) verlassenden Fluids zunächst temperiert wird und dann innerhalb des Raums (1) ausströmen gelassen wird; und
12
wobei der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrichtung (10) verlassenden Fluids dadurch temperiert wird, dass er zur Vorkühlung des Fluids in einem Wärmetauscher außerhalb des Raums (1) verwendet wird, bevor er innerhalb des Raums (1) ausströmen gelassen wird.“
13
„5. Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden mit: einem zumindest teilweise geschlossenen Raum (1), wobei der Raum (1) durch einen Behälter (5) im Wesentlichen geschlossen ist, mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers und/oder Hybrides; und
14
einer Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) zum Leiten eines trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) zum Temperieren der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) und zum Leiten zumindest eines Teiles des die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) verlassenden Fluids in den Raum (1) zum Konditionieren der Atmosphäre in dem Raum (1);
15
wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) aufweist:
16
eine erste Leitung (r2), über die das Fluid von außerhalb des Raums (1) in die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) leitbar ist;
17
eine zweite Leitung (r3), über die das Fluid aus der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) nach außerhalb des Raums (1) leitbar ist; und
18
eine dritte Leitung (r4), über die das Fluid von außerhalb des Raums (1) in den Raum (1) rückführbar ist;
19
wobei zwischen der zweiten und dritten Leitung (r3, r4) eine Temperierungseinrichtung (70; 70, 80“) vorgesehen ist;
20
wobei die Temperierungseinrichtung (70; 70, 80″) einen Wärmetauscher (95) aufweist, dem zumindest ein Teil des den Raum (1) verlassenden Fluids zuleitbar ist;
21
wobei der Wärmetauscher (95) zum Vorkühlen des zugeführten Fluids dient;
22
wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) derart gestaltet ist, dass der den Wärmetauscher (95) verlassende Teil zumindest teilweise zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum rückführbar ist.“
23
Die Unteransprüche 2 bis 4 und 6 bis 10 lauten (unter Korrektur von Rechtschreib-fehlern):
24
„2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrichtung (10) verlassenden Fluids außerhalb des Raums (1) temperiert wird und dann dem Raum (1) wieder zugeführt wird.
25
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass ein erster Teil des den Probertisch (10) verlassenden Fluids zunächst temperiert wird und dann innerhalb des Raums (1) ausströmen gelassen wird und ein zweiter Teil unmittelbar nach dem Verlassen der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) innerhalb des Raums (1) ausströmen gelassen wird.
26
4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest einer vom ersten und zweiten Teil strömungsmengenmäßig regulierbar ist.“
27
„6. Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass am Ende der dritten Leitung (r4) Ausströmelemente (40) vorgesehen sind.
28
7. Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) aufweist: eine vierte Leitung (r5), über die das Fluid aus der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) in den Raum (1) leitbar ist.
29
8. Vorrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass ein Ventil (45) zum strömungsmengenmäßigen Regulieren der vierten Leitung (r5) vorgesehen ist.
30
9. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 5 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Temperierungseinrichtung (70; 70, 80”) eine Heizeinrichtung (105) aufweist.
31
10. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 5 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass eine weitere Leitung (r1) vorgesehen ist, über die zusätzlich trockenes Fluid direkt von außerhalb des Raums (1) in den Raum (1) leitbar ist.“
32
Die Beklagte betrieb seit 1991 eine Entwicklungszusammenarbeit mit den Firmen T …GmbH (T…) und T1… Co., LTD. in J… (T1…) zur Entwicklung von Waferprober-Systemen mit Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtungen, wobei der Probertisch (im Folgenden Chuck genannt) selbst von der Beklagten und die Waferprober-Systeme von T… bzw. T1… stammten und wobei zwischen diesen Beteiligten Geheimhaltungsvereinbarungen bestanden haben.
33
Die Bezeichnung „Aircool chuck“ wurde bei der Beklagten und den vorgenannten Kooperationspartnern für einen luftgekühlten Chuck verwendet. Das dabei für die Erzeugung tiefer Temperaturen erforderliche Kühlgerät (im Folgenden Chiller genannt) bezog die Beklagte ihrerseits von der Fa. H… GmbH in O… Unstreitig wurden Waferprober-Systeme unter der vorgenannten Bezeichnung „Aircool“ mit eingebauten Chucksystemen und Chillern an Endkunden, jedenfalls an die Fa. B… GmbH in R (B…) und die Fa. I… AG (I…) geliefert, wobei die jeweiligen Lieferzeitpunkte sowie die näheren Umstände der Zusammenarbeit und etwaige Geheimhaltungsabreden zwischen den genannten Endkunden und den Lieferanten unter den Parteien streitig sind. Über die Nichtigkeitsklage hinaus bestehen zwischen den Parteien weitere gerichtliche Auseinandersetzungen, die die Beklagte darauf zurückführt, dass ein Geschäftsführer der Klägerin zuvor bei der Beklagten von 1996 bis 2001 als Entwicklungsingenieur tätig war und sein dort erworbenes Fachwissen nunmehr für eigene Zwecke verwende.
34
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei zum Prioritätstag nicht patentierbar gewesen, da es ihm an Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit fehle und er außerdem über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe; ferner wird die Klage darauf gestützt, dass die Lehre des Streitpatents der Fachwelt durch mehrere offenkundige Vorbenutzungen vor dem Prioritätstag des Streitpatents offenbar geworden sei.
35
Zur Begründung ihrer Klage hat die Nichtigkeitsklägerin u. a. auf folgende Dokumente hingewiesen:
36
A3 Ausschnitt aus der Bedienungsanleitung “Manual ERS®-Chiller 03”
37
A3’ von der Klägerin mit Bezugszeichen versehene Fassung der Anlage A3
38
A4 Ausschnitt aus der Bedienungsanleitung “Manual ERS®-AirCool® Plus 8″ -40 System SP92T2-TA1TC8”
39
A5 Auftragsbestätigung von T… GmbH an B… GmbH vom 4. Mai 2001
40
A6 Rechnung zur o.g. Auftragsbestätigung von T… GmbH an B… GmbH vom 6. Juli 2001
41
A7 EP 0 341 156 A1
42
A8 WO 01/25706 A1
43
A9 US 6 091 060 A
44
A10 Beschluss des BPatG in der Einspruchssache 23 W (pat) 357/04
45
A11 beschränkt aufrecht erhaltenes Prioritätspatent: DE 102 167 86 C5
46
A13 Anlagenkonvolut bezüglich einer Lieferung des “Air Cool” Systems an die Firma Melexis N.V.
47
A14 Gutachten des Dipl.-HTL-Ing. Peter Anderwald
48
A15 Technical Service Reports der TSK Europe
49
Die Klägerin behauptet, bei den an mehrere Kunden, insbesondere die Firmen I…, B…, M… und M… gelieferten Geräten habe es sich um ein streitpatentgemäßes Standardprodukt der Beklagten gehandelt, das vor dem Zeitrang des Streitpatents mehrfach in den Verkehr gebracht worden sei.
50
Ferner behauptet die Klägerin, dass das vom Dipl.-HTL-Ing. A… in ihrem Auftrag begutachtete Gerät sich hinsichtlich der streitpatentgemäßen Merkmale zum Zeitpunkt der Untersuchung in einem gegenüber dem Auslieferungszustand unveränderten Zustand befunden habe, so dass diese Merkmale zu dieser Zeit bereits vorhanden gewesen seien.
51
Die Klägerin ist dazu der Auffassung, dass bereits die Auslieferungen an die genannten Unternehmen die Voraussetzungen einer offenkundigen Vorbenutzung erfüllten. Denn diese Lieferungen seien jeweils ohne Geheimhaltungsvereinbarung erfolgt; eine solche sei auch nicht konkludent vereinbart gewesen, und sie ergebe sich auch nicht aus den Umständen, so dass die Lehre der interessierten Öffentlichkeit vor dem Prioritätstag des Streitpatents zugänglich gewesen sei. Dazu behauptet die Klägerin, die an die Firmen I… und B…, sowie die Firmen M… und M1… gelieferten und auch streitpatentgemäßen Geräte seien dort nicht in nur bestimmten Mitarbeitern zugänglichen Entwicklungslaboren aufgestellt gewesen, sondern sowohl die dortigen Mitarbeiter sowie auch Mitarbeiter von Fremdfirmen im Produktionsbereich der Unternehmen hätten ohne Weiteres die Möglichkeit gehabt, die Geräte und die enthaltene Technik zur Kenntnis zu nehmen.
52
Zudem beruhten das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach Anspruch 5 des Streitpatents gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik gemäß den Druckschriften A7, A8 und A9 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Auch die in den Unteransprüchen genannten Maßnahmen seien aus dem Stand der Technik bekannt bzw. nahegelegt.
53
Zu dem von ihr weiterhin geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung trägt die Klägerin vor, die im Beschränkungsverfahren in den Anspruch 1 aufgenommenen Merkmale, dass der Teil des Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrichtung (10) verlassenden Fluids dadurch temperiert wird, dass er zur Vorkühlung des Fluids in einem Wärmetauscher außerhalb des Raums (1) verwendet wird, bevor er innerhalb des Raums (1) ausströmen gelassen wird, seien in der ursprünglichen Fassung der Anmeldung (Anl. A21) nur in einem bestimmten Zusammenhang beschrieben, nämlich dass der zurückgeführte Fluidanteil in dem Wärmetauscher dieselbe Funktion erfüllt wie die frisch zugeführte trockene Luft. Somit seien diese Merkmale nicht vollständig in den Anspruch aufgenommen worden, so dass sie nunmehr ganz anders verstanden werden könnten, weshalb der Anspruch 1 unzulässig erweitert sei. Das gelte im Hinblick auf das entsprechende Merkmal auch für den Anspruch 5.
54
Die Klägerin beantragt,
55
das europäische Patent 1 495 486 B3 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
56
Die Beklagte beantragt,
57
die Klage abzuweisen;
58
hilfsweise
59
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des Hilfsantrags I gemäß Schriftsatz vom 30. Dezember 2016 erhält,
60
weiter hilfsweise,
61
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des Hilfsantrags II gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vom 6. April 2017 überreichten Anspruchssatz erhält.
62
Die Beklagte erklärt, dass sie die geltenden Patentansprüche und die Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen jeweils als geschlossene Anspruchssätze ansieht, die sie jeweils in ihrer Gesamtheit beansprucht.
63
Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerin in allen wesentlichen Punkten entgegen, insbesondere seien die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 5 gegenüber dem vorgelegten Stand der Technik neu und beruhten auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
64
Die Beklagte bestreitet, dass die Voraussetzungen einer offenkundigen Vorbenutzung vorliegen und führt dazu aus, soweit eine Lieferung von Geräten überhaupt belegt sei, habe es sich bei diesen jeweils nicht um Standardgeräte, sondern um Vorseriengeräte bzw. Spezialanfertigungen gehandelt, die bei den genannten Firmen, insbesondere B… und I…, erst noch evaluiert und weiterentwickelt worden seien. Dies gehe schon aus den Gerätenummern hervor, die die betreffenden Geräte als Nullserien-Geräte auswiesen, jedenfalls stehe nicht fest, dass diese Waferprober/Chuck-Systeme die streitpatentgemäßen Merkmale aufgewiesen hätten.
65
Weiterhin bestreitet die Beklagte, dass das vom Parteigutachter untersuchte Waferprober/Chuck-System seit der Auslieferung an I… bis zur Zerlegung unverändert geblieben ist. Zudem bestreitet sie, dass der vom Parteigutachter untersuchte Chiller zu dem an die Fa. I… verkauften Gerät gehört.
66
Die Beklagte behauptet ferner, die Lieferungen an B… und I… seien im Rahmen einer gemeinsamen Entwicklung erfolgt, so dass hinsichtlich dieser damals noch zu evaluierenden Geräte von einem zumindest konkludenten Geheimhaltungsinteresse der beteiligten Unternehmen auszugehen sei.
67
Die Beklagte habe zudem seit 1994 eine vertrauliche Geschäftsbeziehung zur Fa. B… unterhalten, innerhalb derer zahlreiche spezialangefertigte Waferprober/Chuck-Systeme geliefert worden seien, und jeweils stillschweigend die gleiche Vertraulichkeit wie bei vorhergehenden vergleichbaren Projekten vorausgesetzt worden sei.
68
Die Beklagte bestreitet weiter, dass die genannten Geräte der Öffentlichkeit zugänglich gewesen sind, denn sie seien bei den vorgenannten Abnehmerfirmen in reinraumähnlichen Bereichen aufgestellt gewesen, die einer Zugangskontrolle unterlegen hätten. Bei der Fa. B… seien die Geräte in einem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Entwicklungslabor evaluiert worden, die dort tätigen Mitarbeiter hätten alle der Geheimhaltung unterlegen. Auch bei der Fa. I… habe nur ein eingegrenzter und zur Geheimhaltung verpflichteter Personenkreis Zugang zu dem Entwicklungsbereich, in dem die Geräte aufgestellt waren, gehabt. Den Kunden, insbesondere I… sei bewusst gewesen, dass sie mit Vorseriengeräten beliefert wurden, so dass schon im eigenen Interesse ein Geheimhaltungsbedürfnis bestanden habe. Zudem sei die erfindungsgemäße Ausbildung auch nicht von außen erkennbar gewesen, da sich die maßgeblichen Teile im Inneren des Chillers befänden und zur Wärmeisolierung mit Polyurethanschaum verschäumt seien. Hätte jemand den Aufbau des Chillers analysieren wollen, so hätte diese Wärmeisolierung zunächst entfernt werden müssen. Hierfür hätte das Gerät außer Betrieb genommen und dann abseits des reinraumähnlichen Betriebsstandorts zerlegt werden müssen, womit es für den Anwender nicht mehr nutzbar gewesen wäre. Zudem hätte eine solche Maßnahme auch zum Erlöschen der Zertifizierung der Anlage geführt. Den Geräten seien auch keine Bedienungsanleitungen beigefügt gewesen, die Aufschluss über die Ausbildung des Chillers gegeben hätten. Angesichts dieser Umstände sei die erfindungsgemäße Ausbildung weder den Anlagenbetreibern noch anderen Personen offenbar geworden. Es liege fern, dass die Endkunden aus bloßer Neugier das Gerät demontierten, da dies wegen des Kältemittels besondere Kenntnisse erfordere und das Gerät anschließend unbrauchbar sei.
69
Die Beklagte hat auch den Darlegungen der Klägerin zu dem Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung sowie der mangelnden Patentfähigkeit gegenüber dem druckschriftlich belegten Stand der Technik widersprochen.
70
Die Klägerin hat die Einreichung des Hilfsantrags II als verspätet gerügt.
71
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung von Zeugen und durch Urkunden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt und insbesondere auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

72
Die auf die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und der unzulässigen Änderung gegenüber der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung gestützte Klage (Artikel II § 6 Absatz 1 Ziff. 1 und 3 IntPatÜG und Artikel 138 Absatz 1a) und c) EPÜ i. V. m. Artikel 52, 54 und 56 EPÜ) ist zulässig und begründet.
73
Denn die Lehre des Streitpatents ist nicht neu, da die interessierte Öffentlichkeit durch vorbehaltlose Lieferung entsprechender Anlagen an einen unbeschränkten Kreis von Dritten die Möglichkeit hatte, Kenntnis von der streitpatentgemäßen Lehre zu erlangen.
74
Es bestand kein Grund, den erst in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag II gemäß § 83 Abs. 4 PatG als verspätet zurückzuweisen, da nach dem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung unabhängig vom Hilfsantrag II noch weitere Termine zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung erforderlich waren und die Berücksichtigung dieses Hilfsantrags das Verfahren deshalb nicht verzögert hat.
I.
75
1. Das Patent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden.
76
Bei der Fertigung von integrierten Schaltungen und Halbleiterbauelementen werden die auf den Wafern hergestellten Chips bzw. Bauelemente nach Abschluss der halbleitertechnologischen Prozesse umfangreichen Testmessungen unterzogen, bei denen sowohl ihre Funktionsfähigkeit als auch die Einhaltung der vorgegeben elektrischen Spezifikationen überprüft wird. Diese Testmessungen erfolgen in der Regel bei unterschiedlichen Temperaturen, um sicherzustellen, dass die einwandfreie Funktion der jeweiligen Schaltungen auch bei wechselnder Umgebungstemperatur gewährleistet ist. Als Messanlagen werden Waferprober verwendet, bei denen der jeweilige Wafer mit seiner Rückseite auf einen Probertisch (Chuck) aufgelegt wird, auf dem er bspw. mittels Unterdruck gehalten wird. Der Chuck ist schrittweise in x- und y-Richtung verfahrbar, so dass die in der Oberseite des Wafers erzeugten Schaltungen chipweise mit Hilfe von Messnadeln kontaktiert werden können, die an einer sogenannten Probercard über dem Chuck angebracht sind. Über diese Messnadeln werden die Chips auf dem jeweiligen Wafer im Rahmen der Testmessungen rechnergesteuert mit den entsprechenden Spannungen beaufschlagt und die entsprechenden elektrischen Messdaten für den jeweiligen Chip erfasst.
77
Je nach späterem Einsatzbereich der integrierten Schaltungen bzw. der Bauelemente werden die Testmessungen in unterschiedlichen Temperaturbereichen durchgeführt, wobei Temperaturen zwischen -200°C und +400°C möglich sind. Um den Wafer auf diese Temperaturen zu bringen, wird der Chuck entsprechend der jeweils vorgegebenen Soll-Temperatur gekühlt und/oder beheizt. Beim Kühlen auf Temperaturen unter 0°C muss dafür gesorgt werden, dass die Luftfeuchtigkeit aus der Umgebungsluft des Waferprobers nicht zur Vereisung der Oberfläche des Wafers führt.
78
Bei der anhand der Fig. 5 des Streitpatents als Stand der Technik beschriebenen Vorrichtung ist der Chuck in einem durch einen Behälter gebildeten Raum angeordnet, der so weit geschlossen ist, dass in ihm ein leichter Überdruck gegenüber der Außenumgebung erzeugt werden kann, der ein Eindringen von feuchter Umgebungsluft in den Behälter verhindert. Dabei sind in dem Behälter Ausströmelemente vorgesehen, über die getrocknete Luft oder ein ähnliches Fluid wie z. B. Stickstoff in den Behälter geführt werden kann. Bei der aus der US 5 885 353 A bekannten Vorrichtung wird die trockene Luft, die zur Konditionierung der Atmosphäre in dem Behälter über die Ausströmelemente in den Behälter geleitet wird, auf Raumtemperatur gehalten, so dass lediglich die Oberfläche des Chucks auf der gewünschten Messtemperatur ist. Die über die Ausströmelemente in den Behälter geführte trockene Luft verlässt diesen durch Ritzen bzw. Spalte im Behälter oder eine separate Auslassleitung.
79
Zum Heizen des Chucks ist in diesem üblicherweise eine Heizeinrichtung integriert, die von außen mit elektrischem Strom zum Heizen versorgt werden kann. Die Heizeinrichtung wird über einen Temperatur-Controller angesteuert, der in einem außerhalb des Behälters als separate Einheit vorgesehenen Temperatursteuerrack angeordnet ist und die Temperatur des Chucks regelt. Dabei ist der Chuck gleichzeitig oder alternativ mit Luft zur Kühlung durchspülbar. Hierzu wird dem Chuck von außen getrocknete Luft zugeführt, die mittels eines ebenfalls in dem Temperatursteuerrack angeordneten Wärmetauschers auf eine vorbestimmte Temperatur temperiert wird, wozu der Wärmetauscher mit Kühlaggregaten verbunden ist. Diese Luft wird über eine Versorgungsleitung in den Behälter zum Chuck geführt, in dem Kühlschlangen bzw. Kühlrohre angeordnet sind. Nachdem die temperierte Luft diese durchquert hat, verlässt sie den Chuck und wird über eine entsprechende Leitung aus dem Behälter heraus an die Atmosphäre geleitet.
80
Bei dieser bekannten Vorrichtung zum Konditionieren von Halbleiterwafern tritt ein relativ hoher Verbrauch an getrockneter Luft auf, da die zum Konditionieren der Atmosphäre im Behälter und zum Temperieren des Chucks verwendete Luft an die Atmosphäre abgegeben wird. Zudem bewirkt bei entsprechenden Temperaturen ein Ausfall des Lufttrockners ein sofortiges Vereisen des getesteten Wafers.
81
Dem Streitpatent liegt daher als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden anzugeben, welche eine effizientere Konditionierung ermöglichen, vgl. insoweit die Abschnitte [0003] bis [0016] des Streitpatents.
82
Gemäß dem (mit einer Merkmalsgliederung versehenen) Anspruch 1 des Streitpatents wird die Aufgabe hinsichtlich des Verfahrens durch folgende Maßnahmen gelöst:
83
M1.1 Verfahren zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden mit den Schritten:
84
M1.2 Bereitstellen eines zumindest teilweise geschlossenen Raums (1) mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers und/oder Hybrids; und
85
M1.3 Leiten eines trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) zum Temperieren der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10);
86
M1.4 wobei zumindest ein Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) verlassenden Fluids zum Konditionieren der Atmosphäre innerhalb des Raums (1) verwendet wird;
87
M1.5 wobei der Raum (1) durch einen Behälter (5) im Wesentlichen geschlossen ist;
88
M1.6 wobei der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrichtung (10) verlassenden Fluids zunächst temperiert wird und dann innerhalb des Raums (1) ausströmen gelassen wird; und
89
M1.7 wobei der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrichtung (10) verlassenden Fluids dadurch temperiert wird, dass er zur Vorkühlung des Fluids in einem Wärmetauscher außerhalb des Raums (1) verwendet wird, bevor er innerhalb des Raums (1) ausströmen gelassen wird.
90
Der (mit einer Merkmalsgliederung versehene) nebengeordnete Anspruch 5 gibt hinsichtlich der Vorrichtung folgende Lösung an:
91
M5.1 Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden mit:
92
M5.2 einem zumindest teilweise geschlossenen Raum (1), wobei der Raum (1) durch einen Behälter (5) im Wesentlichen geschlossen ist, mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers und/oder Hybrides; und
93
M5.3 einer Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) zum Leiten eines trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10)
94
M5.3a zum Temperieren der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) und
95
M5.3b zum Leiten zumindest eines Teiles des die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) verlassenden Fluids in den Raum (1) zum Konditionieren der Atmosphäre in dem Raum (1);
96
M5.4 wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) aufweist:
97
M5.5 eine erste Leitung (r2), über die das Fluid von außerhalb des Raums (1) in die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) leitbar ist;
98
M5.6 eine zweite Leitung (r3), über die das Fluid aus der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) nach außerhalb des Raums (1) leitbar ist; und
99
M5.7 eine dritte Leitung (r4), über die das Fluid von außerhalb des Raums (1) in den Raum (1) rückführbar ist;
100
M5.8 wobei zwischen der zweiten und dritten Leitung (r3, r4) eine Temperierungseinrichtung (70; 70, 80“) vorgesehen ist;
101
M5.9 wobei die Temperierungseinrichtung (70; 70, 80″) einen Wärmetauscher (95) aufweist, dem zumindest ein Teil des den Raum (1) verlassenden Fluids zuleitbar ist;
102
M5.10 wobei der Wärmetauscher (95) zum Vorkühlen des zugeführten Fluids dient;
103
M5.11 wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) derart gestaltet ist, dass der den Wärmetauscher (95) verlassende Teil zumindest teilweise zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum rückführbar ist.
104
Die effizientere Konditionierung wird gemäß diesen Ansprüchen dadurch erreicht, dass zumindest ein Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung verlassenden Fluids zum Konditionieren der Atmosphäre innerhalb des von dem Behälter gebildeten Raums genutzt wird. Dabei wird dieser Teil des Fluids in einem Wärmetauscher außerhalb des Raums zur Vorkühlung des frisch zugeführten Fluids verwendet, bevor er innerhalb des von dem Behälter gebildeten Raums ausströmen gelassen wird. Im Anspruch 5 ist dementsprechend eine Vorrichtung angegeben, bei der das Fluid über entsprechende Leitungseinrichtungen von der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung zum Vorkühlen des zugeführten Fluids zu einem Wärmetauscher und von diesem zumindest teilweise zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum geführt wird.
105
Mit den beiden Hilfsanträgen 1 und 2 verteidigt die Patentinhaberin ihr Patent mit Anspruchssätzen, bei denen der Vorrichtungsanspruch 5 gegenüber dem des Patents gemäß der B3-Schrift verändert wurde, indem das Merkmal 5.9 richtiggestellt, im Merkmal 5.10 eine Zusatzangabe ergänzt und ein Merkmal 5.12. an den Anspruchswortlaut angefügt wurde. Der Anspruch 5 nach Hilfsantrag 1 lautet bei Korrektur eines Schreibfehlers im letzten Merkmal („Wärmetauscher“ statt „Wärmerauscher“) bei Beibehaltung der Merkmalsgliederung:
106
M5.1 Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden mit:
107
M5.2 einem zumindest teilweise geschlossenen Raum (1), wobei der Raum (1) durch einen Behälter (5) im Wesentlichen geschlossen ist, mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers und/oder Hybrides; und
108
M5.3 einer Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) zum Leiten eines trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10)
109
M5.3a zum Temperieren der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) und
110
M5.3b zum Leiten zumindest eines Teiles des die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) verlassenden Fluids in den Raum (1) zum Konditionieren der Atmosphäre in dem Raum (1);
111
M5.4 wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) aufweist:
112
M5.5 eine erste Leitung (r2), über die das Fluid von außerhalb des Raums (1) in die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) leitbar ist;
113
M5.6 eine zweite Leitung (r3), über die das Fluid aus der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) nach außerhalb des Raums (1) leitbar ist; und
114
M5.7 eine dritte Leitung (r4), über die das Fluid von außerhalb des Raums (1) in den Raum (1) rückführbar ist;
115
M5.8 wobei zwischen der zweiten und dritten Leitung (r3, r4) eine Temperierungseinrichtung (70; 70, 80“) vorgesehen ist;
116
M5.9‘ wobei die Temperierungseinrichtung (70; 70, 80″) einen Wärmetauscher aufweist, dem zumindest ein Teil des die Wafer/Hybridaufnahme-einrichtung (10) verlassenden Fluids zuleitbar ist;
117
M5.10‘ wobei der Wärmetauscher (95) zum Vorkühlen des zugeführten Fluids unter Verwendung des zugeleiteten Teils des die Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung (10) verlassenden Fluids dient;
118
M5.11 wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) derart gestaltet ist, dass der den Wärmetauscher (95) verlassende Teil zumindest teilweise zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum rückführbar ist;
119
M5.12 wobei der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrichtung (10) verlassenden Fluids durch die Verwendung in dem Wärmetauscher temperierbar ist, bevor er in den Raum (1) rückführbar ist.“
120
Im Anspruch 5 nach Hilfsantrag 2 wird in den Merkmalen 5.9 und 5.11 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ergänzt, über welche Leitungen der jeweilige Teil des Fluids geleitet wird, so dass dieser Anspruch lautet:
121
M5.1 Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden mit:
122
M5.2 einem zumindest teilweise geschlossenen Raum (1), wobei der Raum (1) durch einen Behälter (5) im Wesentlichen geschlossen ist, mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers und/oder Hybrides; und
123
M5.3 einer Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) zum Leiten eines trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10)
124
M5.3a zum Temperieren der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) und
125
M5.3b zum Leiten zumindest eines Teiles des die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) verlassenden Fluids in den Raum (1) zum Konditionieren der Atmosphäre in dem Raum (1);
126
M5.4 wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) aufweist:
127
M5.5 eine erste Leitung (r2), über die das Fluid von außerhalb des Raums (1) in die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) leitbar ist;
128
M5.6 eine zweite Leitung (r3), über die das Fluid aus der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) nach außerhalb des Raums (1) leitbar ist; und
129
M5.7 eine dritte Leitung (r4), über die das Fluid von außerhalb des Raums (1) in den Raum (1) rückführbar ist;
130
M5.8 wobei zwischen der zweiten und dritten Leitung (r3, r4) eine Temperierungseinrichtung (70; 70, 80“) vorgesehen ist;
131
M5.9‘‘ wobei die Temperierungseinrichtung (70; 70, 80″) einen Wärmetauscher aufweist, dem zumindest ein Teil des die Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung (10) über die zweite Leitung (r3) verlassenden Fluids zuleitbar ist, welcher den Wärmetauscher (95) über die dritte Leitung (r4) verlässt;
132
M5.10 wobei der Wärmetauscher (95) zum Vorkühlen des zugeführten Fluids unter Verwendung des zugeleiteten Teils des die Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung (10) verlassenden Fluids dient;
133
M5.11‘‘ wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) derart gestaltet ist, dass der den Wärmetauscher (95) verlassende Teil über die dritte Leitung (r4) zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum rückführbar ist;
134
M5.12 wobei der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrichtung (10) verlassenden Fluids durch die Verwendung in dem Wärmetauscher temperierbar ist, bevor er in den Raum (1) rückführbar ist.“
135
2. Als Fachmann ist vorliegend ein mit der Weiterentwicklung von Halbleiterchip-Testanlagen für die Halbleiterproduktion befasster berufserfahrener Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik oder ein Physiker mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss anzusehen, der sich im Rahmen seiner Berufstätigkeit Spezialkenntnisse im Aufbau und in der Konzeption von Wafertest-Anlagen einschließlich der zugehörigen Kühlanlagen erworben hat.
136
3. Die Ansprüche 1 und 5 des Streitpatents sind nicht unzulässig erweitert.
137
Der Anspruch 1 bezieht sich auf das Ausführungsbeispiel gemäß der Fig. 3 der ursprünglichen deutschen Anmeldung DE 102 16 786 A1 bzw. der Nachanmeldung WO 03/088323 A1 (Anl. A 21) bzw. des ursprünglich erteilten Patents EP 1 495 486 B1. Übereinstimmend wird in diesen Dokumenten dargelegt, dass bei dieser Ausführungsform ein Teil der aus dem Probertisch zurückgeführten trockenen Luft durch den Wärmetauscher „95“ geleitet wird, „wo sie genau wie die frisch über die Leitungen r0, i1 zugeführte trockene Luft zur Abkühlung beiträgt“. Den Beschreibungsunterlagen der genannten Dokumente zufolge besteht der besondere Vorteil dieser Ausführungsform darin, dass eine Restkälte der getrockneten Luft, welche vom Probertisch zurückfließt, zur Abkühlung des Wärmetauschers genutzt werden kann und dass die zurückfließende Luft gleichzeitig erwärmt in den Behälter „5“ zurückgeführt werden kann, vgl. in der DE 102 16 786 A1 die Abschnitte [0053] und [0055], in der WO 03/088323 A1 die S. 12, le. Abs. und die S. 13, 2. Abs. und im ursprünglich erteilten Patent gemäß der EP 1 495 486 B1 die Abschnitte [0048] und [0050].
138
Zwar ist hier nur die Rede davon, dass die zurückfließende Luft zur Abkühlung des Wärmetauschers beiträgt bzw. genutzt wird und dass die zurückfließende Luft gleichzeitig erwärmt, d. h. temperiert wird. Alle drei Dokumente enthalten jedoch übereinstimmend in der Beschreibungseinleitung eine weitere Textpassage, in der im Zusammenhang mit der effektiven Nutzung darauf hingewiesen wird, dass die der Erfindung zugrundeliegende Idee darin besteht, dass zumindest ein Teil des die Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung verlassenden Gases zum Konditionieren der Atmosphäre innerhalb des Raums verwendet wird, wobei es vorteilhaft ist, wenn ein Teil des Gases zunächst temperiert und dann innerhalb des Raums ausströmen gelassen wird. Hierzu wird der Teil z. B. außerhalb eines Behälters temperiert und dann dem Behälter wieder zugeführt. Ein besonderer Vorteil dieses Beispiels liegt dabei darin, dass durch eine entsprechende Rückführung der Luft vom Probertisch nach außerhalb des Behälters eine höhere Kühleffizienz ermöglicht wird. Mit anderen Worten kann die rückgeführte gekühlte Luft zusätzlich zur Vorkühlung der eingespeisten trockenen Luft verwendet werden und nicht nur zur Kühlung der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung, vgl. in der DE 102 16 786 A1 die Abschnitte [0018] und [0019], in der WO 03/088323 A1 S. 5, le. Abs. bis S. 6, 2. Abs. und in der EP 1 495 486 B1 wiederum die Abschnitte [0018] und [0019].
139
Diese Textpassagen offenbaren somit, dass die rückgeführte gekühlte Luft zur Vorkühlung der eingespeisten Luft verwendet wird, wobei aus dem dargelegten Zusammenhang (nämlich der effektiveren Nutzung der Luft) folgt, dass diese Textabschnitte sich auf das oben genannte Ausführungsbeispiel gemäß der Fig. 3 beziehen, in dem angegeben wird, dass die in Rede stehenden Luftströme durch den Wärmetauscher „95“ geleitet werden.
140
Somit ist das von der Nichtigkeitsklägerin als unzulässig angesehene Merkmal M1.7 des Anspruchs 1 für den Fachmann in den ursprünglichen Unterlagen und dem ursprünglichen Patent offenbart. Der Anspruch 1 des Streitpatents ist mithin zulässig.
141
In gleicher Weise gilt dies auch für das von der Nichtigkeitsklägerin als unzulässige Zwischenverallgemeinerung angesehene Merkmal M5.11 des Anspruchs 5. Denn die Angabe, dass „die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) derart gestaltet ist, dass der den Wärmetauscher (95) verlassende Teil zumindest teilweise zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum rückführbar ist“, ergibt sich ebenfalls aus den ursprünglichen Beschreibungsunterlagen und denen des ursprünglichen Patents, vgl. in der DE 102 16 786 A1 die Abschnitte [0051] bis [0056], in der WO 03/088323 A1 S. 12, 3. Abs. bis S. 13, 3. Abs. und im ursprünglichen Patent gemäß der EP 1 495 486 B1 die Abschnitte [0046] bis [0051], jeweils i. V. m. Fig. 3. Dabei ergibt sich für den Fachmann im Zusammenhang mit den oben bereits im Hinblick auf den Anspruch 1 gewürdigten Textpassagen dieser Dokumente, dass die Rückführung und Temperierung der den Probertisch verlassenden Luft bereits für sich genommen, d. h. auch ohne die in den Unteransprüchen 12, 13 und 16 genannten Merkmale erfindungs-wesentlich ist, so dass die entsprechende Ausbildung auch ohne Einbeziehung der in diesen Unteransprüchen genannten Merkmale beansprucht werden kann. Insofern liegt keine unzulässige Zwischenverallgemeinerung vor.
142
Somit ist auch der Anspruch 5 des Streitpatents nicht unzulässig erweitert.
143
4. Auch die mit den Hilfsanträgen 1 und 2 vorgelegten umformulierten Ansprüche 5 sind nicht unzulässig erweitert.
144
Mit der Angabe im Merkmal M5.9‘, dass die Temperierungseinrichtung einen Wärmetauscher aufweist, dem zumindest ein Teil des die Wafer/Hybridaufnahme-einrichtung verlassenden Fluids zuleitbar ist, korrigiert die Patentinhaberin bei Gelegenheit der Einschränkung die unzutreffende Angabe im Anspruch 5 des Streitpatents, dass die Temperierungseinrichtung einen Wärmetauscher aufweist, dem zumindest ein Teil des den Raum verlassenden Fluids zuleitbar ist, im Sinne der zugehörigen Beschreibung des Streitpatents. Denn gemäß der Beschreibung zur Figur 3 wird bei der erfindungsgemäßen Ausbildung der Anlage „ein Teil der über die Leitung r3 zurückgeführten trockenen Luft […] durch den Wärmetauscher 95 geleitet“, wobei die rückgeführte Luft der Figur 3 zufolge die Luft aus dem Probertisch ist. Dementsprechend heißt es im Abs. [0048] des Streitpatents: „Der besondere Vorteil bei dieser Ausführungsform ist, dass eine „Restkälte“ der getrockneten Luft, welche vom Probertisch 10 zurückfließt, zur Abkühlung des Wärmetauschers genutzt werden kann und gleichzeitig erwärmt in den Behälter 5 zurückgeführt werden kann.“ Angesichts dieser Angaben hat der Fachmann bereits bei der Lektüre des Streitpatents die Angabe im Anspruch 5, dass die Temperierungseinrichtung einen Wärmetauscher aufweist, dem zumindest ein Teil des den Raum verlassenden Fluids zuleitbar ist, als unzutreffend erkannt und gedanklich im oben aufgezeigten Sinn korrigiert, so dass auch die verbale Richtigstellung dieser Angabe im Anspruch 5 der Hilfsanträge zulässig ist.
145
Aus der vorangehend zitierten Textstelle ergibt sich auch die Offenbarung der Ergänzung im Merkmal M5.10‘ der Ansprüche 5 der Hilfsanträge 1 und 2, wonach der Wärmetauscher zum Vorkühlen des zugeführten Fluids unter Verwendung des zugeleiteten Teils des die Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung (10) verlassenden Fluids dient. In gleicher Weise offenbart die oben zitierte Textpassage im Streitpatent auch das an die Ansprüche 5 nach den Hilfsanträgen 1 und 2 angefügte Merkmal M5.12, dass der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrichtung verlassenden Fluids durch die Verwendung in dem Wärmetauscher temperierbar ist, bevor er in den Raum rückführbar ist.
146
Die Ergänzungen im Merkmal M5.9‘‘ des Anspruchs 5 nach Hilfsantrag 2, dass die Temperierungseinrichtung einen Wärmetauscher aufweist, dem zumindest ein Teil des die Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung über die zweite Leitung (r3) verlassenden Fluids zuleitbar ist, welcher den Wärmetauscher über die dritte Leitung (r4) verlässt, und dass die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) derart gestaltet ist, dass der den Wärmetauscher (95) verlassende Teil über die dritte Leitung (r4) zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum rückführbar ist, gehen auf den Abs. [0046] i. V. m. Fig. 3 des Streitpatents zurück. Die von der Nichtigkeitsklägerin hinsichtlich der Zulässigkeit der Angabe „welcher den Wärmetauscher über die dritte Leitung verlässt“ vorgetragenen Bedenken, dass die trockene Luft den Wärmetauscher über die Leitung „i4“ und somit nicht über die dritte Leitung „r3“ verlässt, teilt der Senat nicht. Denn die Leitung „i4“ ist nur bei derjenigen Ausbildung der Anlage vorgesehen, bei der zusätzlich zum Wärmetauscher „95“ und parallel zu diesem noch eine Heizeinrichtung „105“ zum Temperieren eines Teils der rückgeführten Luft vorgesehen ist. Diese Ausbildung stellt gemäß dem Streitpatent aber eine Weiterbildung der Vorrichtung nach Anspruch 5 dar, denn die Heizeinrichtung „105“ wird erst in dem auf den Anspruch 5 rückbezogenen Unteranspruch 9 des Streitpatents genannt. Angesichts dessen ist dem Fachmann eindeutig offenbart, dass bei der Ausbildung nach Anspruch 5 des Streitpatents das Fluid den Wärmetauscher über die dritte Leitung verlässt und über diese Leitung zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum rückführbar ist. Mithin ist der Anspruch 5 nach Hilfsantrag 2 nicht unzulässig erweitert.
147
5. Das Verfahren nach dem Anspruch 1 des Streitpatents sowie nach den identischen Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 und 2 ist nicht neu, denn die Fachwelt hatte die Möglichkeit, angesichts einer vorbehaltlosen Lieferung entsprechender Anlagen an einen unbeschränkten Kreis von Dritten Kenntnis von der Lehre dieser Ansprüche zu erlangen (vgl. dazu Schulte, PatG, 10. Auflage, § 59, Rdn. 115 und 116 m. w. N.).
148
Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere der Vernehmung der Zeugen sowie nach den vorgelegten Unterlagen zur Überzeugung des Senates fest. Denn die Beklagte hat vor dem Prioritätszeitpunkt, nämlich bereits im Jahr 2000 mindestens eine die Merkmale des Streitpatents aufweisende Vorrichtung, aus der auch das Verfahren erkennbar war, jedenfalls an die Firma I… AG in V… ausgeliefert, die dort im Produktionsbereich aufgestellt wurde.
149
5.1 Aus dem von der Klägerin vorgelegten Parteigutachten des in Österreich allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Dipl.-HTL-Ing. A…, datiert mit 15. Mai 2007 (Anl. A14), ergibt sich, dass dieser im Auftrag der Klägerin bei der vorgenannten Firma am 17. und 18. Januar 2007 ein Waferprober/Chuck-System besichtigt und hinsichtlich Aufbau und Funktion untersucht hat, wobei diese Anlage zumindest teilweise demontiert wurde. Die Ergebnisse seiner Untersuchung hat der Privatgutachter nicht nur textlich, sondern zusätzlich mit zahlreichen Lichtbildern festgehalten, die der Senat selbst insbesondere im Hinblick auf die Fluidleitungsführung zum und im Chiller würdigen konnte.
150
Gemäß den Ergebnissen seiner Untersuchung, die von der Beklagten, soweit es insbesondere die tatsächlichen Feststellungen zu den zum Zeitpunkt der Untersuchung vorhandenen – und auch großteils abgebildeten – technischen Merkmalen betrifft, nicht in Abrede gestellt wurden und deshalb vom Senat als unstreitiger Parteivortrag des Klägerin gewertet werden konnten, weist die zunächst in den der Chipvermessung dienenden Produktionsräumen der Firma I… untersuchte Anlage einen Waferprober vom Typ UF200 mit der Seriennummer F02062FR der TSK, hergestellt im Juni 2000, auf, dessen Schlitten die Seriennummer 9990032DR hat (vgl. im Dokument A14 die S. 7 und das Typenschild des Waferprobers gemäß Bild 2-4). Im Waferprober ist ein Chuck vom Typ TA1TC8 mit der Seriennummer 400001516 angeordnet. Die Anlage umfasst außerdem eine Steuereinheit der Beklagten (E… GmbH) mit der Typenbezeichnung AIRCOOL SP 92T2 mit der Seriennummer 400001516 und einen Chiller vom Typ Chiller 03-10, der laut Typenschild ebenfalls von der Beklagten (ERS electronic GmbH) hergestellt wurde und gleichfalls die Seriennummer 400001516 hat (vgl. S. 9 bis 12 und die Bilder 2-5 bis 2-11).
151
Soweit die Beklagte bestritten hat, dass der untersuchte Chiller zum ursprünglich ausgelieferten Waferprober/Chuck-System gehört, weil die Seriennummer des Chillers im Parteigutachten (Anl. 14, Bild 2-11) nicht zu erkennen sei, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Unabhängig davon, ob dieses Bestreiten überhaupt beachtlich ist, zeigt ein anderes Lichtbild (Anl. 14, S. 24) ein Schild mit der Angabe „Chiller 03“. Dazu hat der Zeuge H1… in seiner Aussage detailliert und nachvoll- ziehbar geschildert, dass sämtliche von der Fa. H… an die Beklagte gelieferten Chiller vom Typ 03 eine identische von Isolationsmaterial umschäumte Leitungsführung hatten. Der Zeuge hat dazu weiterhin überzeugend ausgesagt, dass nach der Verwirklichung der Leitungsführung, insbesondere der Luftrückführung beim Luft-Luftwärmetauscher im Chiller zu Beginn der Entwicklung des Typs „Air Cool“ keine konstruktiven Veränderungen mehr vorgenommen wurden, sondern nur mit anderen Maßnahmen experimentiert wurde. Diese Aussage wird gestützt durch die Bekundungen des Zeugen H…, der bei der Fa. H… zwar erst ab dem Jahr 2002 mit den entsprechenden Geräten befasst war, aber gleichwohl bestätigen konnte, dass sowohl die neu hergestellten Geräte als auch die älteren Rückläufer, die z. B. zur Reparatur zurückkamen, insoweit identisch konstruiert waren.
152
Anhaltspunkte, die gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen sprechen, sind nicht ersichtlich, insbesondere war keine Voreingenommenheit zugunsten einer Partei festzustellen. Beide Aussagen sind detailliert und die Zeugen konnten anschaulich die aufgetretenen Probleme bei der Entwicklung schildern, sowie auf Nachfragen ergänzend antworten. Schließlich konnte auch der Zeuge D… bestätigen, dass der Aufbau der Chiller bei allen Typen grundsätzlich identisch war. Diese Aussagen überzeugen vor allem deshalb, weil die Mitarbeiter der Fa. H… unmittelbar am Bau der Wärmetauscher beteiligt waren, während die übrigen Zeugen lediglich einen fertigmontierten, bereits mit Isolierung versehenen Chiller wahrgenommen haben und deshalb insoweit keine Zweifel an der Überzeugung des Senates wecken konnten.
153
Die Lichtbilder zeigen u. a., dass der untersuchte Waferprober eine Abdeckung bzw. einen Deckel aufweist, die bzw. der geöffnet werden kann, wobei sich der Chuck in dem durch die Abdeckung gebildeten Innenraum des Waferprobers befindet (vgl. S. 13 und 14 sowie die Bilder 2-12 und 2-13, Anl. A14).
154
Der Chiller ist über mehrere Leitungen („P1, P2, P3“) mit dem Prober verbunden. Durch Abklemmen der einzelnen Leitungen der noch an die örtlichen Versorgungsleitungen der Firma I… angeschlossenen Anlage und Handproben an den Leitungen wurde vom Parteigutachter festgestellt, dass die erste Leitung („P1“) Kühlluft vom Chiller zum Prober führt, während über die zweite Leitung („P2“) Rückluft vom Prober zum Chiller läuft und die dritte Leitung („P3“) Luft mit Raumtemperatur vom Chiller zum Prober führt, vgl. S. 14 und 15 und das Bild 2-14. Dabei sind die vom Chiller kommenden Leitungen („P1, P2“) mit dem Chuck verbunden und führen Luftströme über den Prober zum Chuck, während die dritte Leitung („P3“) vom Chiller in den Proberraum führt, wo sich drei Diffusoren befinden, die Luft in den Proberraum austreten lassen (vgl. S. 16 bis 18 sowie die Bilder 2-15 bis 2-19).
155
Zur Untersuchung des Chillers wurde dieser laut Privatgutachten in einem Raum außerhalb der Mess-Räumlichkeiten der Firma I… geöffnet und partiell de- montiert. Der Chiller wurde nach dem Inhalt des Gutachtens von der Firma H… hergestellt und hat – wie auf den Lichtbildern zu erken- nen – die Typenbezeichnung Chiller03 sowie die Seriennummer 44102/00. Außer Steuereinheiten sind in dem Chiller Kompressoren und Wärmetauscher untergebracht, wobei die Wärmetauscher und die zugehörigen Leitungsverbindungen zur Wärmeisolation von einem Isolationsmaterial umschäumt sind (vgl. die S. 23 bis 25 sowie 29 und 30 und die Bilder 2-27 bis 2-30 und 2-33).
156
Nach dem Entfernen des Isolationsmaterials wurde die Leitungsführung in dem Chiller wie im Folgenden beschrieben aufgenommen:
157
Von einem Lufteingang zugeführte Luft durchläuft nacheinander einen ersten und einen zweiten Wärmetauscher und wird dann als Kühlluft über einen Anschluss am Chiller und über eine erste Leitung (Kühlluft-Leitung bzw. „P1“) zum Chuck geführt. Über eine zweite Leitung (Rückluft bzw. „P2“) wird kalte Luft vom Chuck zurückgeführt und zum ersten Wärmetauscher geführt, den sie durchströmt, um danach über eine dritte Leitung („Luft-Diffusor“ bzw. „P3“) in den Innenraum des den Chuck umgebenden Behälters geführt zu werden (vgl. S. 33 und 34 sowie Bild 2-40 i. V. m. S. 25 und Bild 2-30).
158
Mit den Worten des Anspruchs 5 handelt es sich bei der im Parteigutachten beschriebenen Vorrichtung nach der Wertung des Senates somit um eine
159
Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden (Waferprober mit Chuck und Chiller
; siehe Bild
2-1) mit:
160
einem zumindest teilweise geschlossenen Raum, wobei der Raum durch einen Behälter im Wesentlichen geschlossen ist (mit einem Deckel versehener Behälter des Waferprobers), mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (Chuck) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers und/oder Hybrides; (siehe Bild 2-13) und
161
einer Leitungseinrichtung zum Leiten eines trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung zum Temperieren der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (erste Leitung in Form der Kühlluftleitung „P1“ ; siehe Bilder 2-40 und 2-16) und
162
zum Leiten zumindest eines Teiles des die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung verlassenden Fluids in den Raum zum Konditionieren der Atmosphäre in dem Raum (dritte Leitung „Luft Diffusor“ bzw. „P3“ ; siehe Bilder 2-18, 2-19 und vgl. S. 17: „Die dritte Leitung (P3) vom Chiller führt in den Proberraum, wo sich drei Diffusoren befinden, diese lassen die Luft in den Proberraum austreten.“),
163
wobei die Leitungseinrichtung aufweist:
164
eine erste Leitung (Kühlluftleitung „P1“), über die das Fluid von außerhalb des Raums (Chiller) in die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (Chuck) leitbar ist; (siehe Bild 2-40);
165
eine zweite Leitung (Rückluftleitung „P2“), über die das Fluid aus der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (Chuck) nach außerhalb des Raums (Chiller) leitbar ist; (siehe Bild 2-40); und eine dritte Leitung (Luft Diffusor „P3“), über die das Fluid von außerhalb des Raums (Chiller) in den Raum (Behälter im Waferprober mit Diffusoren) rückführbar ist; (siehe Bild 2-40);
166
wobei zwischen der zweiten und dritten Leitung („P2“, „P3“) eine Temperierungseinrichtung (Wärmetauscher 1) vorgesehen ist; (siehe Bild 2-37 und 2-40);
167
wobei die Temperierungseinrichtung einen Wärmetauscher (Wärmetauscher 1) aufweist, dem (über die Rückluftleitung „P2“) zumindest ein Teil des den Raum verlassenden Fluids zuleitbar ist; vgl. S. 34: „Die Rückluft des Chucks geht wieder in den Ciller und wird wiederum über einen Wärmetauscher erwärmt und über die Diffusorleitung zum Prober zurückgebracht. Hier wird die Luft über die Diffusoren in den Innenraum des Probers abgegeben.“;
168
wobei der Wärmetauscher (Wärmetauscher 1) zum Vorkühlen des zugeführten Fluids dient (dies ergibt sich daraus, dass die Rückluft vom Chuck den Wärmetauscher 1 durchströmt, der in der Gegenrichtung von der von außen frisch zugeführten Luft durchströmt wird, vgl. Bild 2-40; vgl. S. 34: „Die Luft, welche von der zentralen Luftversorgung des Werkes kommt, wird über zwei Wärmetauscher gekühlt);
169
wobei die Leitungseinrichtung derart gestaltet ist, dass der den Wärmetauscher (Wärmetauscher 1) verlassende Teil zumindest teilweise zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum rückführbar ist (über die dritte Leitung P3 wird die den Wärmetauscher verlassende Luft zu den Diffusoren in dem den Chuck enthaltenden Behälter geführt, vgl. S. 34 und Bild 2-40).
170
Somit weist die vom Parteigutachten beschriebene Vorrichtung alle Merkmale M5.1 bis M5.11 der Vorrichtung nach Anspruch 5 des Streitpatents auf.
171
5.2 Wie sich aus den vorangehenden Darlegungen zum Aufbau der Vorrichtung unmittelbar ergibt, werden bei dieser Vorrichtung die Halbleiterwafer oder Hybride durch ein Verfahren mit den im erteilten Anspruch 1 angegebenen Schritten konditioniert.
172
5.3 Wie sich aus den obigen Darlegungen zum Aufbau der untersuchten Vorrichtung weiterhin ergibt, weist diese auch die im Anspruch 5 nach dem Hilfsantrag 1 veränderten bzw. zusätzlich angegebenen Merkmale 5.9‘, 5.10‘ und 5.12
173
M5.9‘ wobei die Temperierungseinrichtung einen Wärmetauscher aufweist, dem zumindest ein Teil des die Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung verlassenden Fluids zuleitbar ist (gemäß Bild 2-40 wird dem –Wärmetauscher 1 das gesamte die Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung verlassende Fluid zugeleitet);
174
M5.10‘ wobei der Wärmetauscher zum Vorkühlen des zugeführten Fluids unter Verwendung des zugeleiteten Teils des die Wafer/Hybridaufnahme-einrichtung verlassenden Fluids dient;
175
M5.12 wobei der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrichtung verlassenden Fluids durch die Verwendung in dem Wärmetauscher temperierbar ist, bevor er in den Raum (1) rückführbar ist (siehe Bild 2-40 und vgl. die bereits zitierten Absätze auf S. 34).
176
und die im Anspruch 5 nach dem Hilfsantrag 2 zusätzlich veränderten Merkmale M5.9‘‘ und M5.11‘‘
177
M5.9‘‘ wobei die Temperierungseinrichtung einen Wärmetauscher aufweist, dem zumindest ein Teil des die Wafer/Hybridaufnahmeeinrichtung über die zweite Leitung (P2) verlassenden Fluids zuleitbar ist, welcher den Wärmetauscher über die dritte Leitung (P3) verlässt;
178
M5.11‘‘ wobei die Leitungseinrichtung derart gestaltet ist, dass der den Wärmetauscher verlassende Teil über die dritte Leitung zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum rückführbar ist (siehe Bild 2-40);
179
auf.
180
5.4 Die vom Parteigutachter untersuchte Anlage wurde nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme vor dem Prioritätszeitpunkt ausgeliefert und während der Aufstellzeit bei der Firma I… – jedenfalls, was die für das Streitpatent relevanten Merkmale betrifft – nicht verändert, sondern entspricht dem Zustand, in dem die Anlage übergeben wurde.
181
Für die Lieferung und Aufstellung der Anlage bei der Firma I… im Jahr 2000, mithin vor dem Zeitrang des Streitpatents, spricht in erster Linie die eigene Angabe der Beklagten, dass auf Druck der Fa. I… die betreffende Anlage am 24. Oktober 2000 ausgeliefert wurde (vgl. SchrS. v. 7.10.2015, S. 22 unter Hinweis auf Anl. B16). Daran muss sich die Beklagte festhalten lassen. Die Richtigkeit dieses Auslieferungszeitpunktes wird zudem gestützt durch das Abnahmeprotokoll vom 2. November 2000 (sog. „Technical Service Report“, Anl. A15), in dem ein Mitarbeiter der Firma T…, eine Erklärung unterschrieben hat, dass eine Anlage ERS „Air cool chuck“ mit der Seriennummer F02062FR und der Maschinennummer 9990032DR dort installiert wurde. Diese Seriennummern entsprechen denen, die auch vom Parteigutachter genannt werden.
182
Der Zeuge F… konnte den Auslieferungszeitpunkt zwar nur ungenau mit „Winter 2000“ angeben, er hat jedoch auf Vorhalt überzeugend bestätigt, dass er selbst den „Technical Service Report“ vom 12. September 2001 (Anl. A 15 S. 2) unterschrieben hat, so dass die Anlage mithin schon einige Zeit vor diesem Zeitpunkt bei I… aufgestellt worden war. Diese Aussage des Zeugen F… wird gestützt durch die Bekundung des Zeugen S…, der ebenfalls eine Aufstel- lung und Inbetriebnahme bei I… im Zeitraum 2000-2001 bestätigen konnte. Beide Zeugen konnten anschaulich und nachvollziehbar schildern, dass die Unterstützung der Techniker des Lieferanten T… bzw. T1… bei Inbetriebnahme er Anlagen in ihren Aufgabenbereich bei I… fielen. Ebenso überzeugend konnten beide Zeugen übereinstimmend ausschließen, dass an den Anlagen in ihrem Zuständigkeitsbereich zwischen der Aufstellung und der Untersuchung durch den Parteigutachter relevante technische Veränderungen seitens des Kunden vorgenommen wurden. Soweit die Beklagte eingewandt hat, solche Veränderungen hätten während eines gleichzeitigen Urlaubs beider Zeugen vorgenommen werden können, handelt es sich um bloße Mutmaßungen.
183
Der Zeuge S hat ferner nachvollziehbar ausgesagt, dass die Mitarbeiter der Firma I… bis auf Änderungen an der Mess-Software keine Veränderungen an dem Gerät vornehmen durften, da ansonsten die Zertifizierung der Anlage in Frage gestellt gewesen wäre. So sei auch der zur Anlage gehörende Chiller nicht von den Mitarbeitern der Firma I… gewartet worden. Bei Störungen am Chil- ler sei jeweils die Vertriebsfirma angerufen und mit der Reparatur beauftragt worden.
184
Der Zeuge F… hat gleichfalls plausibel ausgesagt, dass am Chuck oder am Kühlungssystem der Anlage von I…-Mitarbeitern keinerlei Veränderungen vorgenommen wurden. Abgesehen davon, dass schon wegen der Zertifizierung der Anlage Veränderungen an der Anlage auszuschließen seien, hätten die I…-Mitarbeiter auch gar nicht gewusst, wie diese Apparaturen aufgebaut seien und wie sie funktionierten.
185
Diese detaillierten, anschaulichen und in sich stimmigen sowie in den wesentlichen Punkten übereinstimmenden Angaben der Zeugen decken sich auch mit der Darstellung der Beklagten, dass jegliche Änderungen am System voraussetzen, dass die Anlage außer Betrieb genommen und demontiert wird, was u.a. ein Entfernen der Isolation voraussetzt. Naturgemäß hätten derartige Arbeiten nach Außerbetriebnahme des in der Produktion eingesetzten Waferprober-/Chuck-Systems von mit der Anlage vertrauten Fachkräften (der Beklagten) außerhalb des reinraumähnlichen Betriebsortes durchgeführt werden müssen, was aber nach übereinstimmender Aussage der Zeugen nicht geschehen ist und deshalb überzeugend gegen nachträglich vorgenommene Änderungen an der Anlage vor der Zerlegung durch den Parteigutachter spricht. Dass die Zeugen sich teilweise nur auf Vorhalt erinnern konnten, spricht angesichts des längere Zeit zurückliegenden Geschehens nicht gegen ihre Überzeugungskraft. Auch der Umstand, dass die Mitarbeiter der Fa. I… eine große Zahl von unterschiedlichen Geräten zu be- treuen haben, spricht im Ergebnis nicht gegen die Zuverlässigkeit ihrer Erinnerung, da es sich um eine Anlage handelte, mit der erstmals luftgekühlt derart tiefe Temperaturen erreicht wurden, und die mit solchen neuartigen Geräten zusammenhängenden Umstände erfahrungsgemäß besser im Gedächtnis haften bleiben.
186
5.5 Die Lieferung des Waferprober/Chuck-Systems an die Firma I… erfolgte nicht unter einer ausdrücklichen Geheimhaltung. Eine entsprechende schriftliche oder mündliche Vereinbarung hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.
187
Ohne besondere Absprache kann eine Geheimhaltungspflicht allerdings auch aus den Umständen wie der besonderen Art der Beziehung unter Beteiligten herzuleiten sein (vgl. Benkard, EPÜ, 2. Aufl., Art. 54 Rn. 101 ff. m. w. N.). Dies gilt etwa bei gewerblicher Entwicklungs- und Erprobungstätigkeit, bei der alle Beteiligten von einem Interesse der Rechtsinhaber an der Geheimhaltung der dabei entstandenen Kenntnisse ausgehen müssen. In eine solche Entwicklung eingeschaltete Unternehmen sind daher in der Regel auch ohne ausdrückliche Absprache zur Geheimhaltung verpflichtet. Das gleiche gilt für die Anpassung eines komplexen Geräts an die Bedürfnisse des Kunden; hier sind die Angestellten des Kunden, denen das Gerät vor seiner Anpassung gezeigt wird, in der Regel zur Geheimhaltung verpflichtet (Benkard a. a. O. Rn. 109 f. m. w. N.).
188
Die Voraussetzungen für eine derartige stillschweigende Geheimhaltungsabrede liegen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vor. Die an die Firma  I… in V… gelieferte Anlage wurde I… nämlich nicht im Rahmen ei- nes Evaluierungsprojektes bzw. gemeinsamen Entwicklungsprojektes von I… mit der Beklagten bzw. T…/T1… geliefert, für das zumindest implizit Vertraulichkeit gegolten hätte, sondern wurde ihr wie beliebigen Dritten angeboten und verkauft.
189
Gegen eine solche Zusammenarbeit im Rahmen eines Entwicklungs- oder Evaluierungsprojekts spricht schon das der Lieferung der Anlage vorausgegangene Verhalten von I… gegenüber T…, insbesondere die Faxschreiben vom 17. August 2000 und 20. Oktober 2000 (Anl. B16). Darin drückt I… mit deutlichen Worten Unmut über die Verzögerung des Liefertermins aus und setzt die Lieferantin, die T…, in Verzug. Des Weiteren hat sich I… eine Wandlung des Kaufvertrages vorbehalten. Abgesehen davon, dass seitens I… ausdrücklich von einem Kaufvertrag die Rede ist, dürfte eine derartige Vorgehensweise unter Partnern eines gemeinsamen Entwicklungsprojekts, bei dem unvorhersehbare Verzögerungen nicht ausgeschlossen werden können, unüblich sein und somit im Ergebnis gegen eine solche Form der Zusammenarbeit sprechen.
190
Zudem haben die Zeugen S… und F…, wie bereits ausgeführt, überein stimmend, widerspruchsfrei und nachvollziehbar bekundet, dass das Waferprober/Chuck-System bei I… stets in der Produktion eingesetzt war und nicht in einem Entwicklungslabor. Soweit Ingenieure von I… an dem System gearbeitet haben, handelte es sich nach Aussage der Zeugen um die Entwicklung von eigenen Programmen zum Test von Halbleitern etc., aber nicht um eine Fortentwicklung des gelieferten Waferprober-/Chuck-Systems.
191
Ferner hat die weitere Beweisaufnahme ergeben, dass weder ein eigenes wirtschaftliches Interesse von I… vorlag, Vertraulichkeit einzuhalten noch anderweitig eine stillschweigende Geheimhaltung zu erwarten war. Vielmehr wurden Waferprober/Chuck-Systeme wie die an die Firma I… gelieferte Anlage vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents auch weiteren Kunden angeboten oder geliefert, so dass I… somit nach Auffassung des Senats als beliebiger Dritter anzusehen ist, für den weder im Rahmen einer gemeinsamen Entwicklungszusammenarbeit noch aufgrund anderer Umstände implizit Vertraulichkeit gegolten hätte.
192
Der Zeuge S…, der im fraglichen Zeitraum u. a. mit dem Vertrieb von ERS-Waferprobern befasst war, konnte in diesem Zusammenhang bestätigen, dass die Firma H2…, für die er tätig war, in den Jahren 2000/2001 Waferprober mit AirCool-Chucks der Beklagten auch anderen Unternehmen angeboten hat, wobei es jeweils um Systeme ging, bei denen eine Kühlung bis zu -55°C bzw. -40°C möglich war. Er konnte detailliert und nachvollziehbar schildern, dass es dabei zu keiner Zeit Einschränkungen bezüglich der möglichen Kunden gab, so dass er die Geräte in der fraglichen Zeit u. a. B…, I… und M… angeboten hatte. Diese Aussage des Zeugen wird außerdem bestätigt durch entsprechende Belege für Verkäufe von Waferprober/Chuck-Systemen u. a. an B… und M….
193
Aus der Auftragsbestätigung der T… vom 4. Mai 2001 (Anl. A5) und der zugehörigen Rechnung vom 6. Juli 2001 (Anl. A6) geht u. a. hervor, dass B… im Frühjahr 2001 ein System „Aircool SP92T + TA1TC8 + Chiller 03-10 -40°C up to +200°C“ bestellt hat und dass dieses System am 6. Juli 2001 von TSK-Europe der Fa. B… in Rechnung gestellt wurde. Gemäß diesen Bezeichnungen sind Chuck, Chiller und Steuereinheit dieses von der Firma B… bestellten Systems alle vom selben Typ wie bei der an die Firma I… gelieferten Anlage.
194
Auch das Schreiben des Geschäftsführers der Beklagten vom 12. März 2001 (Anlagenkonvolut A13) bezieht sich auf die Lieferung eines -40°C Chuck-Systems an die Firma M… in Belgien und gibt an, dass man in dieser Angelegenheit „von der Anfrage bis zur Auslieferung
unseres Systems“ ausschließlich mit der Firma M… korrespondiert und verhandelt habe. Wie aus der dem Anlagenkonvolut beigefügten Auftragsbestätigung zu dem unter dem Geschäftszeichen PO No. 070900-GGO-01-PROBI geführten Vorgang hervorgeht, handelt es bei sich diesem Vorgang um ein ERS-AirCool System für 8‘‘-Wafer für den Temperaturbereich von -55°C bis +200°C, das als „close loop dew point controlled chuck system“ bezeichnet wird. Wie aus der Bezeichnung „AirCool“ und der Temperaturangabe -55°C hervorgeht, hat es sich dabei ebenfalls um ein AirCool-System der oben angegebenen Ausbildung gehandelt.
195
Diese Unterlagen (Anl. A5, A6, und das Anlagenkonvolut A13) bestätigen die Aussage des Zeugen S…, dass das in Rede stehende AirCool-Waferprober-System ohne irgendwelche Beschränkungen beliebigen Dritten angeboten und verkauft worden ist. Wenngleich der Zeuge und die Beklagte seinerzeit unterschiedlicher Auffassung über Provisionsansprüche waren, spricht dies nicht gegen die Überzeugungskraft der Zeugenaussage. Vielmehr machen es diese Umstände plausibel, dass sich der Zeuge auch nach längerer Zeit noch an diese Geschäfte erinnern konnte.
196
5.6 Angesichts dieser vorbehaltlosen Lieferung an Dritte bestand die nicht entfernt liegende Möglichkeit, dass die Öffentlichkeit, nämlich andere Sachverständige vor dem Prioritätstag des Streitpatents ausreichende Kenntnis von der streitpatentgemäßen Lehre erlangen konnten, womit eine offenkundige Vorbenutzung gegeben ist (vgl. dazu BGH GRUR 1986, 372-375 – „Thrombozyten-Zählung“). Denn bereits mit der Veräußerung eines Gegenstandes an einen einzelnen Kunden können die darin verkörperten technischen Informationen allgemein zugänglich gemacht werden (vgl. dazu Benkard EPÜ 2. Aufl., Art. 54, Rdnr. 77 m. w. N.).
197
Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit der Fachmann bereits beim bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage die streitpatentgemäße Lehre erkennen konnte, da er dabei aus den Anschlussvorgaben für die drei Luft-Verbindungsleitungen zwischen Chiller und Chuck und den unterschiedlichen Temperaturen der Luft – die er bspw. mit einer einfachen Handprobe erfassen konnte (vgl. Anl. A14 S.15) – deren jeweilige Funktion in dem geschlossenen Kreislauf (Zuführung kalter Luft aus dem Chiller zum Chuck, Rückführung kühler Luft vom Chuck zum Chiller und Rückleitung erwärmter Luft in den anzuschließenden Leitungen) erkennen konnte.
198
Es kann auch dahingestellt bleiben, ob die Anlagen entgegen üblicher Vorgehensweise bei solchen in der Halbleiter-Produktion eingesetzten Geräten tatsächlich ohne Betriebsanleitungen ausgeliefert wurden, aus denen der prinzipielle Aufbau und die für einen ordnungsgemäßen Betrieb notwendige Luftführung erkennbar war.
199
Denn mit der Lieferung der Anlage an Dritte hatte ein unbegrenzter Personenkreis, etwa andere Sachverständige, nämlich bspw. Mitbewerber auf dem Gebiet der Waferprober Gelegenheit, die Anlage und insbesondere den Chiller auf ihren bzw. seinen Aufbau zu untersuchen. Anlass für derartige Untersuchungen bestand für diese Fachkreise schon deswegen, weil mit der von der Beklagten bzw. TSK-EU/ TSK-JP angebotenen Anlage mit dem AirCool-Chuck-System die Wafer bei den Messvorgängen an den Chips bis auf -40°C gekühlt werden konnten, was ein Alleinstellungsmerkmal dieser Anlage darstellte, und weil bspw. für die Qualifikation von Chips für den Automobilbereich hoher Bedarf an entsprechenden Waferprobern bestand. Angesichts dessen ist von einem erheblichen Interesse anderer Sachverständiger wie bspw. der Mitbewerber auszugehen, den Aufbau dieser Anlage zu untersuchen, um zu ermitteln, durch welche Maßnahmen der für den Chip genannte Temperaturbereich erreicht wird.
200
Der Offenkundigkeit der Lehre steht dabei nicht entgegen, dass für das Ermitteln des Aufbaus der Anlage eine teilweise Demontage und insbesondere ein Entfernen des thermischen Isolationsschaums im Chiller erforderlich waren. Denn mit einem Kauf der Anlage hatten die vorgenannten Sachverständigen wie bspw. Mitbewerber die Möglichkeit, die Anlage ohne jegliche Einschränkungen (d. h. insbesondere ohne Rücksichtnahme auf den Anlagenbetrieb und die Partikelfreiheits-Erfordernisse eines Reinraums) zu untersuchen, denn es genügt für die öffentliche Zugänglichkeit bereits die bloße Möglichkeit, die Informationen aufzunehmen und zu verstehen. Nicht erforderlich ist hingegen, dass dies auch tatsächlich geschieht, wie vorliegend bspw. durch den Sachverständigen mit dem Gerät der Firma  I…. Dabei erforderte die Untersuchung auch keinen größeren Aufwand, denn sie besteht lediglich im Nachvollziehen des apparativen Aufbaus und der Leitungsführung der Anlage, wie der Bericht des Sachverständigen zeigt. Allein diese Maßnahmen reichten aus, unmittelbaren Aufschluss über die Ausbildung der Anlage zu erlangen (vgl. dazu BGH GRUR 1986, 372-375, Tz. 20, 24 und 26 – „Thrombozyten-Zählung“ m. w. N.; Benkard EPÜ, 2. Aufl., Art. 54 Rdnr. 86ff. m. w. N.).
201
Angesichts der vorangehend im Einzelnen dargelegten Umstände konnten die eingangs genannten Gegenargumente der Beklagten nicht überzeugen. Hinsichtlich des Arguments, bereits die Seriennummern der gelieferten Geräte wiesen diese als Vorseriengeräte aus, wird ergänzend zu den obigen Ausführungen auf die nachvollziehbare, detaillierte Aussage des Zeugen D… verwiesen, derzufolge es sich auch bei der „00“-Serie um fertig konfektionierte Geräte und nicht um eine Vorserie oder Experimentalserie gehandelt hat.
202
Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 5 des Anspruchssatzes nach dem Hauptantrag und die der Ansprüche 1 und 5 der Anspruchssätze nach den Hilfsanträgen 1 und 2 sind somit offenkundig vorbenutzt und damit nicht neu (PatG § 3 Satz 2).
203
5.7 Die Unteransprüche 2 bis 4 und 6 bis 10 des Anspruchsatzes nach dem Hauptantrag sowie der Anspruchssätze nach den Hilfsanträgen 1 und 2 fallen schon wegen der Antragsbindung mit dem Anspruch 1 bzw. dem Anspruch 5 (vgl. BGH GRUR 2007, 862, Leitsatz i. V. m. Abschnitt [22] – „Informationsübermittlungsverfahren II“). Die Patentinhaberin hat für diese Ansprüche im Übrigen auch keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt geltend gemacht, und auch dem Senat ist ein solcher nicht ersichtlich.
204
Bei dieser Sachlage war das Patent für nichtig zu erklären.
II.
205
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

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