Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung

Aktenzeichen  3 Ni 11/13 (EP)

Datum:
8.4.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
Spruchkörper:
3. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 655 145
(DE 50 2005 004 868)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 8. April 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm, des Richters Guth, der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig, der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Münzberg sowie des Richters Dipl.-Chem. Dr. Jäger
für Recht erkannt:
l. Das europäische Patent 1 655 145 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
ll. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 4. November 2005 beim europäischen Patentamt in deutscher Sprache angemeldeten, die Priorität der deutschen Anmeldung DE 10 2004 053 824 vom 4. November 2004 in Anspruch nehmenden europäischen Patents 1 655 145 (Streitpatent), das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 50 2005 004 868.7 geführt wird. Das Streitpatent, das von der Beklagten in vollem Umfang und hilfsweise beschränkt mit fünf Hilfsanträgen verteidigt wird, betrifft eine “Druckform für Lacke” und umfasst 10 Patentansprüche, dessen nebengeordnete Patentansprüche 1, 7 und 9 folgendermaßen lauten:
2
“1. Druckform für Druckverfahren mit einer Trägerschicht (1) und einer lackübertragenden, hydrophilen Schicht (2), dadurch gekennzeichnet, dass sich zwischen der Trägerschicht (1) und der lackübertragenden, hydrophilen Schicht (2) eine Füllschicht (3) befindet, die zu mindestens 50 Gew.-% aus Polyethylen, Silikonen, Nitril-Kautschuken, Butyl-Kautschuken, Polypropylen, Polyvinylchlorid oder Mischungen davon besteht und wobei die lackübertragende Schicht (2) eine Stärke von 80 bis 400 µm aufweist.
3
7. Verwendung von Druckformen gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 6 für die Auftragung von Lacken innerhalb oder im Anschluss an Flexo- oder Offset-Prozesse zur Veredelung des Produktes.
4
9. Verfahren zur Herstellung einer Druckform gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass auf eine Trägerschicht (1) eine Füllschicht (3) aufgebracht wird, auf die eine lackübertragende, hydrophile Schicht (2) aufgetragen wird.”
5
Wegen des Wortlauts der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6, des auf Patentanspruch 7 unmittelbar rückbezogenen Patentanspruchs 8 und des auf Patentanspruch 9 unmittelbar rückbezogenen Patentanspruchs 10 wird auf die Streitpatentschrift EP 1 655 145 B1 Bezug genommen.
6
Die Klägerin, die das Streitpatent in vollem Umfang angreift, macht den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend. Sie stützt ihr Vorbringen im Wesentlichen auf folgende Entgegenhaltungen:
7
A1 EP 1 655 145 B1 (= Streitpatent)
8
E1 EP 1 332 871 A2
9
E2 DE 198 04 671 A1
10
E3 US 6,223,655 B1
11
E4 DE 198 04 672 A1
12
E5 EP 0 306 933 A2
13
E6 DE 195 16 051 A1
14
E7 US-PS 3,377,949
15
E8 US 5,704,291 A
16
Die Klägerin ist der Ansicht, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sei jeweils von den Druckschriften E1, E3, E4, E5 und E8 neuheitsschädlich vorweggenommen.
17
Außerdem beruhe dieser Patentanspruch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik im Hinblick auf die Dokumente E1 oder E2 in Verbindung mit E5 oder E8. Die gemäß den Hilfsanträgen dem Patentanspruch 1 hinzugefügten Merkmale seien etwa aus E1, E2, E5 und E8 bekannt.
18
Der erst in der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag V der Beklagten sei unzulässig und als verspätet zurückzuweisen, da der Klägervertreter sich zu der durch den neuen Hilfsantrag V geschaffenen veränderten Ausgangslage im Termin nicht zur Sache äußern könne, weil er insoweit noch Recherchen anstellen und diese rechtlich bewerten müsse. Für den Fall, dass der neue Hilfsantrag nicht als verspätet zurückgewiesen wird, regt der Klägervertreter eine Vertagung an.
19
Die Klägerin stellt den Antrag,
20
das europäische Patent 1 655 145 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
21
Die Beklagte stellt den Antrag,
22
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der Hilfsanträge I bis IV gemäß Schriftsatz vom 14. Februar 2014, weiter hilfsweise die Fassung gemäß dem in der mündlichen Verhandlung übergebenen Hilfsantrag V erhält.
23
Hilfsantrag I entspricht der erteilten Fassung mit dem Unterschied, dass Patentanspruch 1 zusätzlich das Merkmal “wobei die Dicke der Füllschicht (3) größer ist als die Dicke der lackübertragenden, hydrophilen Schicht (2)” enthält, Patentanspruch 5 gestrichen und die folgenden Patentansprüche in Nummerierung und Bezügen angepasst werden.
24
Hilfsantrag II entspricht Hilfsantrag I mit dem Unterschied, dass Patentanspruch 1 zusätzlich das Merkmal “und die Dicke der Füllschicht im Bereich von 350 µm bis 1200 µm liegt” enthält.
25
Hilfsantrag III entspricht Hilfsantrag I mit dem Unterschied, dass in den Patentanspruch 1 zusätzlich das Merkmal “und die lackübertragende Schicht (2) Polyurethane, Urethan modifizierte Epoxidharz-Mischungen, Silikone, modifizierte Silikone oder Mischungen davon enthält oder die lackübertragende Schicht (2) Polyether, aromatische Polyether und/oder Polyetherpolyole enthält” aufgenommen worden ist, die Patentansprüche 2, 3 zusätzlich zum Patentanspruch 5 gestrichen und die übrigen Patentansprüche in Nummerierung und Bezügen angepasst werden.
26
Hilfsantrag IV entspricht Hilfsantrag III mit dem Unterschied, dass Patentanspruch 1 zusätzlich das Merkmal “und die Dicke der Füllschicht im Bereich von 350 µm bis 1200 µm liegt” enthält.
27
Hilfsantrag V entspricht Hilfsantrag IV mit dem Unterschied, dass in Patentanspruch 1 aus der Zusammensetzung der Füllschicht (3) “Polyethylen, Silikone, Nitril-Kautschuke, Butyl-Kautschuke, Polypropylen, oder Mischungen davon” gestrichen und in den Patentansprüchen 1, 2, 3, 4 und 6 das Wort „Druckform“ durch „Hochdruckform“ ersetzt wird.
28
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und verweist auf folgendes Dokument:
29
KSW1 DE 10 2007 018 383 A1
30
technische Zeichnung: Vergleich der Erfindung mit E1 und E2 (übergeben in der mündlichen Verhandlung vom 8. April 2014)
31
Sie ist der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents sei neu, denn E1 offenbare nicht die erfindungsgemäße Schichtdicke, insbesondere nicht im Zusammenhang mit einer lackübertragenden, hydrophilen Schicht. E2 offenbare einen nur zweischichtigen Aufbau und eine abweichende Schichtdicke. Auch in E3 weiche die Stärke der Druckschicht deutlich ab und die funktionale Schicht werde nicht als lackübertragende und hydrophile Schicht gelehrt. Die Druckschriften E4 und E5 erwähnten keine hydrophile lackübertragende Schicht. Die Druckform der E4 weise außerdem weder eine Füllschicht mit der streitpatentgemäßen Zusammensetzung noch eine lackübertragende Schicht mit der streitpatentgemäßen Stärke auf. E5 betreffe eine Druckplatte für den Zeitungsrotationsdruck und damit ebenso ein anderes Gebiet wie die E8, die ein Flachdruckverfahren offenbare, bei der im Gegensatz zum Streitgegenstand die hochstehenden Bereiche der beschriebenen Druckform zwar hydrophil, aber nichtdruckend seien.
32
Der Gegenstand des Streitpatents beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da keine Veranlassung ersichtlich sei, ausgehend von einem der von der Klägerin genannten Dokumente oder in deren Kombination zur patentgemäßen Lösung zu kommen. Insbesondere liege E5 eine andere Aufgabenstellung zu Grunde, nämlich den Ausgleich von Unebenheiten des Druckpapiers.

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