Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung

Aktenzeichen  4 Ni 13/13

Datum:
4.11.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
Spruchkörper:
4. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das deutsche Patent 198 58 314
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. November 2014 durch den Vorsitzenden Richter Engels sowie die Richterin Friehe, die Richter Dipl.-Ing. Veit und Dipl.-Ing. Univ. Schmidt-Bilkenroth und die Richterin Dipl.-Phys. Univ. Zimmerer
für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 198 58 314 wird im Umfang der Ansprüche 1 und 2 sowie im Umfang des Anspruchs 5, soweit dieser auf die Ansprüche 1 oder 2 rückbezogen ist, im Umfang des Anspruchs 6, soweit dieser auf die Ansprüche 1, 2 oder 5 rückbezogen ist und im Umfang des Anspruchs 7, soweit dieser auf die Ansprüche 1, 2, 5 oder 6 rückbezogen ist, für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des deutschen Patents 198 58 314 (Streitpatent), das am 17. Dezember 1998 angemeldet wurde. Die Erteilung des Streitpatents wurde am 30. Oktober 2003 veröffentlicht, es ist in Kraft. Ein Einspruchsverfahren hat nicht stattgefunden.
2
Das Streitpatent betrifft eine Anlage zur zentralen Erfassung der Durchflussmenge von Abwässern und umfasst 12 Ansprüche, von denen der einzige unabhängige Patentanspruch 1 sowie die Patentansprüche 2, 5, 6 und 7 im Umfang des Antrags aus der mündlichen Verhandlung angegriffen sind.
3
Patentanspruch 1 lautet:
4
Hinsichtlich der weiteren angegriffenen Patentansprüche, die sämtlich unmittelbar oder mittelbar auf diesen Patentanspruch rückbezogen sind, wird auf die Streitpatentschrift DE 198 58 314 C2 Bezug genommen.
5
Nach Ansicht der Klägerin ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht ausführbar, nicht neu und beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
6
Zum Stand der Technik beruft sie sich auf folgende Unterlagen:
7
D3    
Betriebsanleitung VEGASON 71-D der VEGA Grieshaber KG, 77761 Schiltach, Februar 1995
D4    
Betriebsanleitung VEGAMET 514-D der VEGA Grieshaber KG,  77761 Schiltach, April 1996
D7    
DIN-Norm 19559-2: 1983-07 (D)
D9    
Instruction Manual OCM II der Firma Milltronics, Februar 1991
D9a     
Veröffentlichung der Nivus Kontrollgeräte GmbH
D10     
DE 694 03 781 T2
D11     
DE 32 23 393 A1
D13     
Betriebsanleitung VEGASON 72-D
D14     
Anschreiben vom 7. Juni 2013 und Bestätigung der Fa. VEGA
NK15   
Anschreiben vom 4. September 2014 und Bestätigung der Fa. VEGA
NK15a 
Auszug aus Preisliste 1994/95 der Fa. VEGA
NK15b 
Auszug aus Betriebsanleitung VEGAMET 514…D
NK16   
Email und Anlage vom 4. September 2014
NK16a 
Betriebsanleitung Flowsonic DMU 2260, Endress + Hause
NK16b 
Technische Information flowsonic DMU 2260, Endress + Hause
8
Zur Begründung ihres Angriffs hat sie geltend gemacht, den im Patentanspruch 1 verwendeten Begriff der Kennlinie könne der Fachmann nicht ohne weiteres Zutun einordnen und verwerten, damit sei ihm die Ausführung des Streitpatents unmöglich.
9
Der angegriffene Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber der D3 und gegenüber der D9 nicht neu. Alle Merkmale seien auch in der D4 enthalten oder würden vom Fachmann beim Studium der D4 mitgelesen. Gegenüber der D11 sei der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents dem Fachmann nahegelegt. Auch die angegriffenen Unteransprüche seien nicht patentfähig.
10
Die Klägerin beantragt,
11
das deutsche Patent 198 58 314 im Umfang der Ansprüche 1 und 2 sowie
12
im Umfang des Anspruchs 5, soweit dieser auf die Ansprüche 1 oder 2 rückbezogen ist,
13
im Umfang des Anspruchs 6, soweit dieser auf die Ansprüche 1, 2 oder 5 rückbezogen ist, und
14
im Umfang des Anspruchs 7, soweit dieser auf die Ansprüche 1, 2, 5 oder 6 rückbezogen ist,
15
für nichtig zu erklären.
16
Der Beklagte verteidigt das Streitpatent im Umfang des Angriffs nur beschränkt und beantragt,
17
die Klage abzuweisen, soweit das Patent im angegriffenen Umfang mit folgenden, in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüchen verteidigt wird (Hauptantrag):
18
1. Anlage zur zentralen Erfassung der Durchflussmenge von Abwässern, ausgestattet mit einer Echolot-Messvorrichtung (11), dadurch gekennzeichnet, dass eine Erfassungseinheit (3), ein Speicher (4) und eine Auswertungsvorrichtung (5) zentral vorhanden sind, dass ein zur Messung des Wasserstandes geeignetes Messgerät (1), bestehend aus Echolot-Messvorrichtung (11) und Verbindungsmodul (12) beim Abwasserstrom angeordnet ist, dass das Messgerät (1) über sein Verbindungsmodul (12) mit der Erfassungseinheit (3) und einer Stromversorgung (2) verbunden ist, und die Messwertübertragung und Stromversorgung auf denselben Leitungen erfolgen, wobei das Verbindungsmodul (12) den Wasserstands-Messwerten entsprechende eingeprägte Stromsignale ausgibt, dass ein Ausgang der Erfassungseinheit (3) mit dem Speicher (4) verbunden ist, in den die erfassten Wasserstands-Messwerte ablegbar sind, dass ein Eingang der Auswertungsvorrichtung (5) mit dem Speicher (4) verbunden ist und dass die Auswertungsvorrichtung (5) derart ausgeführt ist, dass sie über ihren Eingang auf abgelegte Wasserstands-Messwerte zugreifen, ihnen mittels gespeicherter Kennlinien die entsprechenden pro Zeiteinheit geflossenen Abwasservolumina zuordnen und durch deren Integration über die Zeit die Durchflussmenge ermitteln kann.
19
2. Anlage nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Messgerät (1) in einem Abwasserkanal angeordnet ist.
20
5. Anlage nach einem der vorhergehenden Ansprüche, gekennzeichnet durch eine Gleichspannungsquelle als Stromversorgung (2).
21
6. Anlage nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Verbindungsmodul (12) zweipolig ist.
22
hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit das Patent im angegriffenen Umfang mit folgenden Ansprüchen verteidigt wird (Hilfsantrag 1):
23
1. Anlage zur zentralen Erfassung der Durchflussmenge von Abwässern, ausgestattet mit einer Echolot-Messvorrichtung (11), dadurch gekennzeichnet, dass eine Erfassungseinheit (3), ein Speicher (4) und eine Auswertungsvorrichtung (5) zentral vorhanden sind, dass zumindest ein zur Messung des Wasserstandes geeignetes Messgerät (1), jeweils bestehend aus Echolot-Messvorrichtung (11) und Verbindungsmodul (12) beim Abwasserstrom angeordnet ist, dass mehrere Messgeräte (1) über ihre Verbindungsmodule (12) mit der Erfassungseinheit (3) und einer Stromversorgung (2) verbindbar sind, und die Messwertübertragung und Stromversorgung auf denselben Leitungen erfolgen, wobei das Verbindungsmodul (12) den Wasserstands-Messwerten entsprechende eingeprägte Stromsignale ausgibt, dass ein Ausgang der Erfassungseinheit (3) mit dem Speicher (4) verbunden ist, in den die erfassten Wasserstands-Messwerte ablegbar sind, dass ein Eingang der Auswertungsvorrichtung (5) mit dem Speicher (4) verbunden ist und dass die Auswertungsvorrichtung (5) derart ausgeführt ist, dass sie über ihren Eingang auf abgelegte Wasserstands-Messwerte zugreifen, ihnen mittels gespeicherter Kennlinien die entsprechenden pro Zeiteinheit geflossenen Abwasservolumina zuordnen und durch deren Integration über die Zeit die Durchflussmenge ermitteln kann.
24
2. Anlage nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest ein Messgerät (1) in einem Abwasserkanal angeordnet ist.
25
5. Anlage nach einem der vorhergehenden Ansprüche, gekennzeichnet durch eine Gleichspannungsquelle als Stromversorgung (2).
26
6. Anlage nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Verbindungsmodul (12) zweipolig ist.
27
weiter hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit das Patent im angegriffenen Umfang mit folgenden Ansprüchen verteidigt wird (Hilfsantrag 2):
28
1. Anlage zur zentralen Erfassung der Durchflussmenge von Abwässern, ausgestattet mit einer Echolot-Messvorrichtung (11), dadurch gekennzeichnet, dass eine Erfassungseinheit (3), ein Speicher (4) und eine Auswertungsvorrichtung (5) zentral vorhanden sind, dass ein zur Messung des Wasserstandes geeignetes Messgerät (1), bestehend aus Echolot-Messvorrichtung (11) und Verbindungsmodul (12) beim Abwasserstrom angeordnet ist, dass das Messgerät (1) über sein Verbindungsmodul (12) mit der Erfassungseinheit (3) und einer Stromversorgung (2) verbunden ist, und die Messwertübertragung und Stromversorgung auf denselben Leitungen erfolgen, wobei das Verbindungsmodul (12) den Wasserstands-Messwerten entsprechende eingeprägte Stromsignale ausgibt, dass ein Ausgang der Erfassungseinheit (3) mit dem Speicher (4) verbunden ist, in den die erfassten Wasserstands-Messwerte ablegbar sind, dass ein Eingang der Auswertungsvorrichtung (5) mit dem Speicher (4) verbunden ist und dass die Auswertungsvorrichtung (5) derart ausgeführt ist, dass sie über ihren Eingang auf abgelegte Wasserstands-Messwerte zugreifen, ihnen mittels gespeicherter Kennlinien die entsprechenden pro Zeiteinheit geflossenen Abwasservolumina zuordnen und durch deren Integration über die Zeit die Durchflussmenge ermitteln kann, wobei das Verbindungsmodul zweipolig ausgebildet ist.
29
2. Anlage nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Messgerät (1) in einem Abwasserkanal angeordnet ist.
30
5. Anlage nach einem der vorhergehenden Ansprüche, gekennzeichnet durch eine Gleichspannungsquelle als Stromversorgung (2).
31
Der Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen; er hält den verteidigten Gegenstand des Streitpatents für patentfähig und für ausführbar offenbart.
32
Die Klägerin hat die Verspätung des in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrags 1 gerügt. Der Beklagte hat ausgeführt, das nunmehr aufgenommene Merkmal habe er dem Patentanspruch 7 entnommen, es sei auch in der Figur 2 der Patenschrift gezeigt. Der erteilte Patentanspruch 7 lautet:
33
Hinsichtlich der weiter vorgelegten Schriften D1 (DE 38 23 614 C2), D2 (DE 43 20 295 A1), D5 (VEGASON 71-2…75-2 der VEGA Grieshaber KG, 77761 Schiltach, Mai 1995), und D12 (DE 694 03 781 T2) hat die Klägerin nicht vorgetragen, inwieweit sich aus diesen eine mangelnde Patentfähigkeit des Streitpatents ergibt.
34
Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet. Auf Bl. 185 ff. der Akten wird Bezug genommen.

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