Aktenzeichen 3 Ni 10/15 (EP), hinzuverb. 3 Ni 26/15 (EP)
Tenor
In der Patentnichtigkeitssache
…
…
betreffend das europäische Patent 1 200 092
(DE 600 10 089)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2017 durch den Richter Kätker als Vorsitzenden, die Richterinnen Martens und Dipl.-Chem. Dr. Münzberg, den Richter Dipl.-Chem. Dr. Jäger und die Richterin Dipl.-Chem. Dr. Wagner
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 200 092 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung jeweils in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 1. August 2000 unter Inanspruchnahme der Priorität aus der Anmeldung US 147048 P vom 3. August 1999 als internationale Patentanmeldung PCT/US2000/020981 in englischer Sprache angemeldeten und vor dem europäischen Patentamt in der regionalen Phase erteilten europäischen Patents 1 200 092 (Streitpatent), dessen Erteilung mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland beim Europäischen Patentamt am 21. April 2004 bekannt gemacht wurde und das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 600 10 089 geführt wird. Das Streitpatent, das in vollem Umfang und hilfsweise beschränkt mit neun Hilfsanträgen verteidigt wird, betrifft „Beta-Carboline Drug Products“ (“Beta-Carbolin Arzneistoffprodukte”) und umfasst Fassung 19 Patentansprüche, von denen die nebengeordneten Patentansprüche 1, 5, 8, 10, 12, 13 und 16 wie folgt lauten:
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2
In deutscher Sprache lauten sie:
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3
Wegen des Wortlauts der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1, 5, 8, 10, 12, 13 und 16 rückbezogenen Patentansprüche wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
4
Die Klägerinnen, die das Streitpatent in vollem Umfang angreifen, machen die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und der fehlenden Ausführbarkeit geltend
5
Sie stützen ihr Vorbringen u. a. auf folgende Dokumente:
6
N1/NiK1 EP 1 200 092 B1 (Streitpatent)
7
N2 DE 600 10 089 T2 (Streitpatent in der deutschen Übersetzung)
8
N3/NiK4 WO 01/08688 A2 (Offenlegungsschrift)
9
N4/NiK2 US 60/147,048 (Prioritätsanmeldung zum Streitpatent)
10
N5/NiK5 WO 01/08686 A1
11
N6 WO 95/19978 A1
12
N7 WO 97/03675 A1
13
N8/NiK7 WO 96/38131 A1
14
N9 Lieberman, H.A., et al. (Eds.), “Pharmaceutical Dosage Forms: Tablets”, Bd. 1, 2. Aufl., Marcel Dekker, Inc., New York, 1989, S. 1, 2, 5 und 6
15
N9a S. 57 bis 62 der N9
16
N10 Gibaldi, M., “Biopharmaceutics and Clinical Pharmacokinetics”, 4. Aufl., Lea & Febiger, Philadelphia 1991, S. 51
17
N11 Gennaro, A. R. (Ed.), “Remington: The Science and Practice of Pharmacy“, 19. Aufl., Mack Publishing Comp., Easton, 1995, S. 1449
18
N12 Chaumeil, J.C., “Micronization: A Method of Improving the Bioavailability of Poorly Soluble Drugs“, Meth. Find. Exp. Clin. Pharmacol. 1998, 20, S. 211 bis 215
19
N13 US 4,721,709
20
N16 WO 01/08687 A1
21
N17/NiK6 EP 1 120 120 A1
22
N17a WO 00/20033 A1 (internationale Patentanmeldung zu N17/NiK6)
23
N17b/NiK6b Englische Übersetzung der Prioritätsanmeldung 10-295947 der N17/NiK6
24
N17c/NiK6a Englische Übersetzung der Prioritätsanmeldung 10-282378 der N17/NiK6
25
N20 Bauer, K. H., et al., “Pharmazeutische Technologie”, 4. Aufl., Georg Thieme Verlag Stuttgart, 1993, S. 202 und 203
26
N25/NiK12 US 5,859,006
27
NiK8 Ansel, H.C., et al., “Pharmaceutical Dosage Forms and Drug Delivery Systems”, 6. Aufl., A Lea & Felbiger Book, Williams & Wilkins, Baltimore, 1995, S. 63 und 64
28
NiK9 Lieberman, H. A., et al. (Eds.), “Pharmaceutical Dosage Forms – Tablets”, Bd. 1, 2. Aufl., Marcel Dekker, Inc., New York, 1989, S. 23
29
NiK10 Voigt, R., und Bornschein, M., “Lehrbuch der pharmazeutischen Technologie”, 6. Aufl., VEB Verlag Volk und Gesundheit, Berlin, 1987, S. 471 und 472
30
NiK13 Boolell, M., “Sildenafil: an orally active type 5 cyclic GMP-specific phosphodiesterase inhibitor for the treatment of penile erectile dysfunction”, International Journal of Impotence Research, 1996, S. 47 bis 52
31
NiK14 Goldstein, I., “Oral Sildenafil (Viagra™) For The Treatment Of Erectile Dysfunction”, British Journal of Urology 80, supp. 2, 1997, S. 91, Nr. 356
32
Nach Auffassung der Klägerinnen sind die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche des Streitpatents nicht neu gegenüber den Druckschriften N5/NiK5, N16 und N17/NiK6.
33
Für das Streitpatent sei die Priorität bereits formalrechtlich nicht wirksam in Anspruch genommen worden, so dass die Druckschriften N5/NiK5 und N16 Stand der Technik i. S. d. Art. 54 Abs. 3 EPÜ seien. Die Anmelderin des Streitpatents, L… LLC, sei nicht Inhaberin des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität der Voranmeldung US-60/147,048 (N4/NiK2), da sie nicht belegt habe, dass sie Rechtsnachfolgerin der fünf Anmelder dieser Patentanmeldung sei.
34
Das Streitpatent nehme auch materiell-rechtlich die Priorität der Voranmeldung N4 nicht wirksam in Anspruch, da insbesondere Tadalafil der N4 nicht zu entnehmen sei und somit keine Identität der Erfindungen bestehe.
35
Die somit hinsichtlich der Neuheit zu berücksichtigenden Druckschriften N5/NiK5 und N16 offenbarten sämtliche Merkmale der nebengeordneten Patentansprüche des Streitpatents. Dies gelte auch für die in Patentanspruch 8 beanspruchten Blutkonzentrationswerte, die sich bei der in den Druckschriften explizit offenbarten Teilchengröße zwangsläufig ergäben und daher inhärent offenbart seien.
36
Auch die in jedem Fall zeitrangältere Druckschrift N17 nehme die Gegenstände des Streitpatents angesichts der breiten Definition der Teilchengrößenverteilung im Streitpatent neuheitsschädlich vorweg.
37
Zudem beruhten die Gegenstände des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Sie seien insbesondere durch eine der Druckschriften N6 oder N7, jeweils in Verbindung mit dem Fachwissen nahe gelegt. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten kämen die Druckschriften N6 und N7 durchaus als geeigneter Ausgangspunkt in Betracht, insbesondere die N7, die Tadalafil spezifisch beschreibe und dessen Verwendung zur Behandlung der erektilen Funktionsstörung angebe. Der einzige Unterschied zum Streitpatent liege in der von diesem beanspruchten kleinen durchschnittlichen Teilchengröße. Die Verkleinerung der Teilchengröße durch Mikronisierung gehöre aber zum allgemeinen Fachwissen auf dem Gebiet der Arzneimittel, was durch verschiedene Druckschriften, insbesondere Fach- und Lehrbuchauszüge, zu belegen sei, so dass der Fachmann auf diese Standardmethode bei der Erhöhung der Löslichkeit mit angemessener Erfolgserwartung zurückgreifen werde. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung anhand von Modellen gemäß den Druckschriften HL7 und HL8 Berechnungen zur Permeabilität von Tadalafil vorgenommen habe, um daraus eine mangelnde Erfolgserwartung des Fachmanns herzuleiten, sei dem entgegenzuhalten, dass die HL7 nachveröffentlicht und die Ausführungen der Beklagten zudem auf einer Vielzahl von Annahmen beruhten, von denen der Fachmann nicht ausgehen werde.
38
Zudem seien die Gegenstände der Patentansprüche 1, 5 und 8 nicht so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Das Streitpatent lege nicht fest, nach welchem von mehreren genannten Verfahren, die jeweils zu unterschiedlichen Messwerten führten, die Teilchengröße zu bestimmen sei. Das Streitpatent enthalte daher keine ausreichende Offenbarung zur zuverlässigen Bestimmung des beanspruchten Parameters der Partikelgröße.
39
Weiter seien die Gegenstände des Patentanspruchs 8 und der darauf rückbezogenen Patentansprüche 9 und 16 bis 19 auch deshalb nicht ausführbar, weil die darin beanspruchte freie Arzneistoffform von Tadalafil nicht im mikronisierten Zustand vorliegen müsse, das Streitpatent dem Fachmann jedoch keine ausreichenden Informationen gebe, wie er die beanspruchten pharmakokinetischen Eigenschaften erhalten könne, wenn die beanspruchte Verbindung in einer anderen als der mikronisierten Form eingesetzt werde.
40
Entsprechendes gelte für die Gegenstände der Hilfsanträge.
41
Die Klägerinnen beantragen,
42
das europäische Patent 1 200 092 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
43
Die Beklagte beantragt,
44
die Klagen abzuweisen,
45
hilfsweise die Klagen mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 9 gemäß Schriftsatz vom 29. März 2016 und vom 28. März 2017 erhält.
46
Gemäß Hilfsantrag 1 wird die in den erteilten Patentansprüchen 1, 5 und 10 enthaltene Angabe “von weniger als etwa 40 Mikron” durch folgende Angabe ersetzt:
47
“von 1 Mikron bis weniger als etwa 40 Mikron…”
48
Gemäß Hilfsantrag 2 wird an die erteilten Patentansprüche 1, 5 und 8 jeweils folgender Zusatz angefügt:
49
“…; zur oralen Verabreichung der Verbindung in einer täglichen Dosis von 1 mg bis 20 mg.”
50
Zudem wird an die erteilten Patentansprüche 13 und 16 jeweils folgender Zusatz angefügt:
51
“…, dadurch gekennzeichnet, dass das Arzneimittel für die orale Verabreichung einer täglichen Dosis von 1 mg bis 20 mg formuliert ist.”
52
Der erteilte Patentanspruch 19 wird gestrichen.
53
Die Patentansprüche 1, 4 und 9 gemäß Hilfsantrag 3 entsprechen – in dieser Reihenfolge – den Patentansprüchen 1, 5 und 10 gemäß Hilfsantrag 1 mit dem Unterschied, dass die Angabe der Obergrenze der Teilchengröße von “etwa 40 Mikron” durch die Angabe “etwa 25 Mikron” ersetzt wird. Der erteilte Patentanspruch 2 wird gestrichen. Die Nummerierung und die Rückbezüge der übrigen Patentansprüche werden entsprechend angepasst.
54
Hilfsantrag 4 entspricht Hilfsantrag 2 mit dem Unterschied, dass die in den Patentansprüchen 1, 5, 8, 13 und 16 enthaltene Dosisangabe nunmehr “5 mg bis 20 mg” lautet.
55
Die Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 5 entsprechen den erteilten Patentansprüchen, mit dem Unterschied, dass die erteilten Patentansprüche 8, 9 und 16 bis 18 gestrichen und die Nummerierung und die Rückbezüge der weiteren Patentansprüche entsprechend angepasst wird.
56
Die Hilfsanträge 6 bis 9 entsprechen – in dieser Reihenfolge – den Hilfsanträgen 1 bis 4, jeweils mit dem Unterschied, dass die Patentansprüche 8, 9 und 16 bis 18 bzw. bei Hilfsantrag 8 die ihnen entsprechenden Patentansprüche 7, 8 und 15 bis 17 unter Anpassung der Nummerierung und der Rückbezüge der übrigen Patentansprüche gestrichen werden.
57
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie verweist auf folgende Dokumente:
58
HL1 “Research and Development Service Agreement” zwischen Eli Lilly and Company, lcos Corporation und Lilly lcos LLC, in Kraft (“Effective”): 30. September 1998
59
HL2 “YOU AND YOUR JOB” (Auszug aus dem Employee Handbook von Eli Lilly and Company) mit der Angabe “8-98”, Seite 35 bis 37
60
HL3 Janis, M. D., Rechtsgutachten (“Affidavit of Mark D. Janis”), undatiert, 20 Seiten
61
HL3a deutsche Übersetzung der HL3
62
HL4 Europäisches Arzneibuch, 8. Ausgabe, 4. Nachtrag vom 31. August 2015, S. V; Grundwerk 2014, S. 1059; 2. Nachtrag, S. 5614 bis 5617
63
HL5 Yalkowsky, S. H., “Solubility and Solubilization in Aqueous Media”, Oxford University Press, New York, 1999, S. 417 bis 439
64
HL6 Voigt, R. und Bornschein, M., “Pharmazeutische Technologie für Studium und Beruf”, 7. Aufl., Ullstein Mosby, Berlin, 1993, S. 78 bis 81
65
HL7 Yu, L. X., “An Integrated Model for Determining Causes of Poor Oral Drug Absorption”, Pharmaceutical Research, 1999, 16, S. 1883 bis 1887
66
HL8 Oh, D.-M., et al., “Estimating the Fraction Dose Absorbed from Suspensions of Poorly Soluble Compounds in Humans: A Mathematical Model”, Pharmaceutical Research, 1993, 10, S. 264 bis 270
67
HL9 Aulton, M. E. (Ed.), “Pharmaceutics: The Science of Dosage Form Design”, Churchill Livingstone, Edinburgh, 1988 (reprinted 1998), S. 135, 156 und 157
68
HL10 von Bruchhausen, F., et al. (Eds.), “Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis”, 5. Aufl., Springer Verlag, Berlin, 1991, S. 846
69
HL11 Gennaro, A. R. (Ed.), “Remington: The Science and Practice of Pharmacy“, 19. Aufl., Mack Publishing Comp., Easton, 1995, S. 593 bis 604
70
HL12 Gibaldi, M., “Biopharmaceutics and Clinical Pharmacokinetics”, 4. Aufl., Lea & Febiger, Philadelphia 1991, S. 52
71
HL13 Lin, S.-L., et al., “Interdependence of Physiological Surfactant and Drug Particle Size on the Dissolution Behavior of Water-Insoluble Drugs”, J. Pharm. Sci., 1968, 57, S. 2143 bis 2148
72
HL14 Sheen, P.-C., et al., “Bioavailability of a Poorly Water-Soluble Drug from Tablet and Solid Dispersion in Humans”, J. Pharm. Sci., 1991, 80, S. 712 bis 714
73
HL15 Wu, Y., et al., “The role of biopharmaceutics in the development of a clinical nanoparticle formulation of MK-0869: a Beagle dog model predicts improved bioavailability and diminished food effect on absorption in human”, Int. J. Pharm., 2004, 285, S. 135 bis 146
74
HL16 WO 2012/085927 A2
75
HL17 Janis, M. D., Rechtsgutachten (“Declaration of Mark D. Janis For the German Federal Court case 3 Ni 10/15 (EP)”), v. 8. Dezember 2016, 18 Seiten
76
HL17a deutsche Übersetzung zu HL17, 21 Seiten
77
HL18 eidesstattliche Versicherungen von G.A. Stephenson, K.J. Hartauer, N.R. Anderson, M. Kral, S. Zeckel
78
HL19 WO 2012/095151 A1
79
HL20 IUPAC Tentative Rules for the Nomenclature of Organic Chemistry -Sec. E. Fundamental Stereochemistry, Eur. J. Biochem, 1971, 18, S. 151 bis 170
80
HL21 WO 02/00656 A2
81
HL22 Hanessian, S. und Wang, J., “Design and synthesis of a cephalosporin–carboplatinum prodrug activatable by a β-lactamase, Can. J. Chem., 1993, 71, S. 896 bis 906
82
HL23 Leuner, C. und Dressman, J., “Improving drug solubility for oral delivery using solid dispersions”, European Journal of Pharmaceutics and Biopharmaceutics, 2000, 50, S. 47 bis 60
83
HL24 US 4,151, 273
84
HL25 US 2007/0104792 A2
85
HL26 Eksaengsri, A., et al., “Dissolution Improvement of Tablets containing a Poor Water-soluble Tadalafil by Solubilizer”, Paper W5265, 2013 AAPS Annual Meeting and Exposition, 13. November 2013, Abstract
86
HL27 Beck, M. D., “Legal Report concerning Lilly ICOS’ status as “Successor in Title” to US Provisional Application Number: 60/147,048″, vom 3. Juni 2016, 14 Seiten
87
HL28 “Assignment”-Urkunde, vom 11. August 2000, Atty. Docket No. 29342/36539, 2 Seiten
88
HL29 Kondo, N., et al., “Improved Oral Absorption of Enteric Copreciptitates of a Poorly Soluble Drug”, J. Pharm. Sci., 1994, 83, S. 566 bis 570
89
HL30 EMEA, “Scientific Discussion” (for the approval of Cialis), EMEA 2005, S. 1 bis 20
90
HL31 CAS Registry Handbook Number Section – 1995 Supplement, 8149RX
91
HL32 The Merck Index, 15th Ed., 2013, S. 1669 und 1670
92
HL33 Ausdruck aus der Internetseite www.nrcresearchpress.com/toc/cjc/ 71/6 vom 21. März 2017, 3 Seiten
93
HL34 Tribunal de grande instance de Paris vom 16. März 2017, No. RG 15/07920
94
HL35 Chiou, W.L. und Riegelman, S., “Absorption Characteristics of Solid Dispersed and Micronized Griseofulvin in Man”, J. Pharm. Sci., 1971, 60, S. 1376 bis 1380
95
HL36 Chiou, W.L. and Riegelman, S., “Pharmaceutical Applications of Solid Dispersion Systems”, J. Pharm. Sci., 1971, 60, S. 1281 bis 1302
96
HL37 Lieberman, H. A., et al. (Eds.), “Pharmaceutical Dosage Forms – Tablets”, Bd. 1, 2. Aufl., Marcel Dekker, Inc., New York, 1989,S. 17 u. 18
97
HL38 Goldstein, I., et al., “Oral Sildenafil In The Treatment Of Erectile Dysfunction”, The New England Journal of Medicine, 1998, 338, S. 1397 bis 1404
98
Nach Auffassung der Beklagten sind die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche des Streitpatents patentfähig und ausführbar.
99
Die Priorität der Voranmeldung werde für das Streitpatent zu Recht in Anspruch genommen. Gemäß dem zum Prioritätszeitpunkt in den USA geltenden First-To-Invent-Prinzip habe die Voranmeldung US-60/147,048 (N4) auf den Namen der fünf Erfinder eingereicht werden müssen. Die Anmelderin der Nachanmeldung, L… LLC (heute: I… Corp.), sei jedoch Rechtsnachfolgerin der Anmelder i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EPÜ geworden, denn sie habe die Rechte an der Erfindung und damit das Prioritätsrecht im Wege einer – nach US-Recht zulässigen – mehrfachen Vorausabtretung erworben.
100
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen nehme das Streitpatent die Priorität der Voranmeldung N4 auch materiell-rechtlich wirksam in Anspruch. Denn Vor- und Nachanmeldung beträfen dieselbe Erfindung, da sogar die chemische Bezeichnung “Tadalafil”, wie sie von der EMA und in der chemischen Fachliteratur verwendet würde, in der N4 genannt sei.
101
Nachdem die Priorität des Streitpatents somit wirksam in Anspruch genommen werde, fehle es den Druckschriften N5/NiK5 und N16 an einem früheren Zeitrang, so dass sie nicht für die Neuheitsprüfung in Betracht kämen. Auch die N17/NiK6 könne den Streitgegenstand nicht vorwegnehmen, weil der dort offenbarte durchschnittliche Teilchendurchmesser nicht der im Streitpatent beanspruchten spezifischen Teilchengröße entspreche.
102
Die Gegenstände des Streitpatents beruhten auch auf erfinderischer Tätigkeit. Die Druckschriften N6 und N7 kämen nicht als Ausgangspunkt in Betracht. Weder beschäftigten sich diese mit der Formulierung schlecht wasserlöslicher Wirkstoffe noch stellten sie dabei gezielt Formulierungen für den therapeutischen Einsatz von Tadalafil bereit. Die N7 schlage allgemein eine Fülle von Applikationswegen für die darin behandelten Wirkstoffe vor, etwa mit je nach Applikationsweg gewählten Standard-Hilfsstoffen oder auch die Verabreichung ohne jegliche Hilfsstoffe. Eine etwaige schlechte Wasserlöslichkeit werde nicht thematisiert.
103
Die einzige Druckschrift, die dieses Problem angehe, und damit die einzig spezielle und aussichtsreiche Offenbarung auf der Suche nach Verbesserungen darstelle, sei die N8/NiK7. Diese Druckschrift löse das Problem aber durch Copräzipitation, also durch innige Einbettung in einer polymeren Trägersubstanz, und könne daher den Streitgegenstand nicht nahe legen. Der Fachmann habe ausgehend von N8/NiK7 keinen Anlass gehabt, den Weg der Copräzipitation zu verlassen und die freie Arzneistoffform von Tadalafil zu mikronisieren, zumal die Copräzipitation hinsichtlich der Löslichkeit und der Auflösungsgeschwindigkeit gegenüber in Frage kommender Alternativen überlegen sei und die N8/NiK7 auch nicht in die Richtung der Mikronisierung weise.
104
Zudem sei die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Das Streitpatent beschreibe ganz konkrete Verfahren, wie die Teilchengröße und Teilchengrößenverteilung eingestellt und gemessen werden könnten. Auch die Gegenstände des Patentanspruchs 8 und der darauf rückbezogenen Patentansprüche seien ausführbar. Denn zum einen setze Patentanspruch 8 die freie Arzneistoffform des Wirkstoffs Tadalafil voraus und zum anderen gebe das Streitpatent dem Fachmann mit der Bereitstellung von Tadalafil in mikronisierter Form einen Weg an die Hand, die beanspruchten Blutkonzentrationen zu erhalten.
105
Zum Verständnis des Fachmanns hat die Beklagte Sachverständigenbeweis angeboten.