Aktenzeichen 2 Ni 9/15 (EP)
Verfahrensgang
nachgehend BGH, 21. April 2020, Az: X ZR 75/18, Urteil
Tenor
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 1 495 486
(DE 503 05 265)
hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Guth sowie der Richter Dipl.-Phys. Brandt, Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Friedrich, Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Zebisch und Heimen
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 495 486 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 15. April 2003 in der Verfahrenssprache Deutsch angemeldeten europäischen Patents EP 1 495 486 im Folgenden Streitpatent), das die Priorität der Anmeldung DE 102 16 786 vom 15. April 2002 in Anspruch nimmt.
2
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des deutschen Teils dieses Patents mit der Bezeichnung „Verfahren und Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden“.
3
Das auf Antrag der Patentinhaberin in einem Beschränkungsverfahren beschränkte Patent umfasst den auf ein Verfahren zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden gerichteten Anspruch 1 und den auf eine Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden gerichteten Anspruch 5 sowie die auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4 und die auf den Anspruch 5 rückbezogenen Unteransprüche 6 bis 10.
4
Die beiden selbständigen Ansprüche 1 und 5 des Streitpatents lauten (unter Korrektur von Rechtschreibfehlern):
5
„1. Verfahren zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden mit den Schritten:
6
Bereitstellen eines zumindest teilweise geschlossenen Raums (1) mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers und/oder Hybrids; und
7
Leiten eines trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) zum Temperieren der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10);
8
wobei zumindest ein Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10)
9
verlassenden Fluids zum Konditionieren der Atmosphäre innerhalb des Raums (1) verwendet wird;
10
wobei der Raum (1) durch einen Behälter (5) im Wesentlichen geschlossen ist;
11
wobei der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrichtung (10) verlassenden Fluids zunächst temperiert wird und dann innerhalb des Raums (1) ausströmen gelassen wird; und
12
wobei der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrichtung (10) verlassenden Fluids dadurch temperiert wird, dass er zur Vorkühlung des Fluids in einem Wärmetauscher außerhalb des Raums (1) verwendet wird, bevor er innerhalb des Raums (1) ausströmen gelassen wird.“
13
„5. Vorrichtung zur Konditionierung von Halbleiterwafern und/oder Hybriden mit: einem zumindest teilweise geschlossenen Raum (1), wobei der Raum (1) durch einen Behälter (5) im Wesentlichen geschlossen ist, mit einer darin befindlichen Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) zur Aufnahme eines Halbleiterwafers und/oder Hybrides; und
14
einer Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) zum Leiten eines trockenen Fluids durch die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) zum Temperieren der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) und zum Leiten zumindest eines Teiles des die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) verlassenden Fluids in den Raum (1) zum Konditionieren der Atmosphäre in dem Raum (1);
15
wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) aufweist:
16
eine erste Leitung (r2), über die das Fluid von außerhalb des Raums (1) in die Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) leitbar ist;
17
eine zweite Leitung (r3), über die das Fluid aus der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) nach außerhalb des Raums (1) leitbar ist; und
18
eine dritte Leitung (r4), über die das Fluid von außerhalb des Raums (1) in den Raum (1) rückführbar ist;
19
wobei zwischen der zweiten und dritten Leitung (r3, r4) eine Temperierungseinrichtung (70; 70, 80“) vorgesehen ist;
20
wobei die Temperierungseinrichtung (70; 70, 80″) einen Wärmetauscher (95) aufweist, dem zumindest ein Teil des den Raum (1) verlassenden Fluids zuleitbar ist;
21
wobei der Wärmetauscher (95) zum Vorkühlen des zugeführten Fluids dient;
22
wobei die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) derart gestaltet ist, dass der den Wärmetauscher (95) verlassende Teil zumindest teilweise zum Konditionieren der Atmosphäre in den Raum rückführbar ist.“
23
Die Unteransprüche 2 bis 4 und 6 bis 10 lauten (unter Korrektur von Rechtschreib-fehlern):
24
„2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Teil des die Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrichtung (10) verlassenden Fluids außerhalb des Raums (1) temperiert wird und dann dem Raum (1) wieder zugeführt wird.
25
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass ein erster Teil des den Probertisch (10) verlassenden Fluids zunächst temperiert wird und dann innerhalb des Raums (1) ausströmen gelassen wird und ein zweiter Teil unmittelbar nach dem Verlassen der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) innerhalb des Raums (1) ausströmen gelassen wird.
26
4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest einer vom ersten und zweiten Teil strömungsmengenmäßig regulierbar ist.“
27
„6. Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass am Ende der dritten Leitung (r4) Ausströmelemente (40) vorgesehen sind.
28
7. Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Leitungseinrichtung (r2, r3, r4, r5, i3, i4) aufweist: eine vierte Leitung (r5), über die das Fluid aus der Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtung (10) in den Raum (1) leitbar ist.
29
8. Vorrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass ein Ventil (45) zum strömungsmengenmäßigen Regulieren der vierten Leitung (r5) vorgesehen ist.
30
9. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 5 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Temperierungseinrichtung (70; 70, 80”) eine Heizeinrichtung (105) aufweist.
31
10. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 5 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass eine weitere Leitung (r1) vorgesehen ist, über die zusätzlich trockenes Fluid direkt von außerhalb des Raums (1) in den Raum (1) leitbar ist.“
32
Die Beklagte betrieb seit 1991 eine Entwicklungszusammenarbeit mit den Firmen T …GmbH (T…) und T1… Co., LTD. in J… (T1…) zur Entwicklung von Waferprober-Systemen mit Wafer/Hybrid-Aufnahmeeinrichtungen, wobei der Probertisch (im Folgenden Chuck genannt) selbst von der Beklagten und die Waferprober-Systeme von T… bzw. T1… stammten und wobei zwischen diesen Beteiligten Geheimhaltungsvereinbarungen bestanden haben.
33
Die Bezeichnung „Aircool chuck“ wurde bei der Beklagten und den vorgenannten Kooperationspartnern für einen luftgekühlten Chuck verwendet. Das dabei für die Erzeugung tiefer Temperaturen erforderliche Kühlgerät (im Folgenden Chiller genannt) bezog die Beklagte ihrerseits von der Fa. H… GmbH in O… Unstreitig wurden Waferprober-Systeme unter der vorgenannten Bezeichnung „Aircool“ mit eingebauten Chucksystemen und Chillern an Endkunden, jedenfalls an die Fa. B… GmbH in R (B…) und die Fa. I… AG (I…) geliefert, wobei die jeweiligen Lieferzeitpunkte sowie die näheren Umstände der Zusammenarbeit und etwaige Geheimhaltungsabreden zwischen den genannten Endkunden und den Lieferanten unter den Parteien streitig sind. Über die Nichtigkeitsklage hinaus bestehen zwischen den Parteien weitere gerichtliche Auseinandersetzungen, die die Beklagte darauf zurückführt, dass ein Geschäftsführer der Klägerin zuvor bei der Beklagten von 1996 bis 2001 als Entwicklungsingenieur tätig war und sein dort erworbenes Fachwissen nunmehr für eigene Zwecke verwende.
34
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei zum Prioritätstag nicht patentierbar gewesen, da es ihm an Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit fehle und er außerdem über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe; ferner wird die Klage darauf gestützt, dass die Lehre des Streitpatents der Fachwelt durch mehrere offenkundige Vorbenutzungen vor dem Prioritätstag des Streitpatents offenbar geworden sei.
35
Zur Begründung ihrer Klage hat die Nichtigkeitsklägerin u. a. auf folgende Dokumente hingewiesen:
36
A3 Ausschnitt aus der Bedienungsanleitung “Manual ERS®-Chiller 03”
37
A3’ von der Klägerin mit Bezugszeichen versehene Fassung der Anlage A3
38
A4 Ausschnitt aus der Bedienungsanleitung “Manual ERS®-AirCool® Plus 8″ -40 System SP92T2-TA1TC8”
39
A5 Auftragsbestätigung von T… GmbH an B… GmbH vom 4. Mai 2001
40
A6 Rechnung zur o.g. Auftragsbestätigung von T… GmbH an B… GmbH vom 6. Juli 2001
41
A7 EP 0 341 156 A1
42
A8 WO 01/25706 A1
43
A9 US 6 091 060 A
44
A10 Beschluss des BPatG in der Einspruchssache 23 W (pat) 357/04
45
A11 beschränkt aufrecht erhaltenes Prioritätspatent: DE 102 167 86 C5
46
A13 Anlagenkonvolut bezüglich einer Lieferung des “Air Cool” Systems an die Firma Melexis N.V.
47
A14 Gutachten des Dipl.-HTL-Ing. Peter Anderwald
48
A15 Technical Service Reports der TSK Europe
49
Die Klägerin behauptet, bei den an mehrere Kunden, insbesondere die Firmen I…, B…, M… und M… gelieferten Geräten habe es sich um ein streitpatentgemäßes Standardprodukt der Beklagten gehandelt, das vor dem Zeitrang des Streitpatents mehrfach in den Verkehr gebracht worden sei.
50
Ferner behauptet die Klägerin, dass das vom Dipl.-HTL-Ing. A… in ihrem Auftrag begutachtete Gerät sich hinsichtlich der streitpatentgemäßen Merkmale zum Zeitpunkt der Untersuchung in einem gegenüber dem Auslieferungszustand unveränderten Zustand befunden habe, so dass diese Merkmale zu dieser Zeit bereits vorhanden gewesen seien.
51
Die Klägerin ist dazu der Auffassung, dass bereits die Auslieferungen an die genannten Unternehmen die Voraussetzungen einer offenkundigen Vorbenutzung erfüllten. Denn diese Lieferungen seien jeweils ohne Geheimhaltungsvereinbarung erfolgt; eine solche sei auch nicht konkludent vereinbart gewesen, und sie ergebe sich auch nicht aus den Umständen, so dass die Lehre der interessierten Öffentlichkeit vor dem Prioritätstag des Streitpatents zugänglich gewesen sei. Dazu behauptet die Klägerin, die an die Firmen I… und B…, sowie die Firmen M… und M1… gelieferten und auch streitpatentgemäßen Geräte seien dort nicht in nur bestimmten Mitarbeitern zugänglichen Entwicklungslaboren aufgestellt gewesen, sondern sowohl die dortigen Mitarbeiter sowie auch Mitarbeiter von Fremdfirmen im Produktionsbereich der Unternehmen hätten ohne Weiteres die Möglichkeit gehabt, die Geräte und die enthaltene Technik zur Kenntnis zu nehmen.
52
Zudem beruhten das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach Anspruch 5 des Streitpatents gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik gemäß den Druckschriften A7, A8 und A9 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Auch die in den Unteransprüchen genannten Maßnahmen seien aus dem Stand der Technik bekannt bzw. nahegelegt.
53
Zu dem von ihr weiterhin geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung trägt die Klägerin vor, die im Beschränkungsverfahren in den Anspruch 1 aufgenommenen Merkmale, dass der Teil des Wafer/Hybrid-Aufnahmevorrichtung (10) verlassenden Fluids dadurch temperiert wird, dass er zur Vorkühlung des Fluids in einem Wärmetauscher außerhalb des Raums (1) verwendet wird, bevor er innerhalb des Raums (1) ausströmen gelassen wird, seien in der ursprünglichen Fassung der Anmeldung (Anl. A21) nur in einem bestimmten Zusammenhang beschrieben, nämlich dass der zurückgeführte Fluidanteil in dem Wärmetauscher dieselbe Funktion erfüllt wie die frisch zugeführte trockene Luft. Somit seien diese Merkmale nicht vollständig in den Anspruch aufgenommen worden, so dass sie nunmehr ganz anders verstanden werden könnten, weshalb der Anspruch 1 unzulässig erweitert sei. Das gelte im Hinblick auf das entsprechende Merkmal auch für den Anspruch 5.
54
Die Klägerin beantragt,
55
das europäische Patent 1 495 486 B3 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
56
Die Beklagte beantragt,
57
die Klage abzuweisen;
58
hilfsweise
59
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des Hilfsantrags I gemäß Schriftsatz vom 30. Dezember 2016 erhält,
60
weiter hilfsweise,
61
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des Hilfsantrags II gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vom 6. April 2017 überreichten Anspruchssatz erhält.
62
Die Beklagte erklärt, dass sie die geltenden Patentansprüche und die Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen jeweils als geschlossene Anspruchssätze ansieht, die sie jeweils in ihrer Gesamtheit beansprucht.
63
Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerin in allen wesentlichen Punkten entgegen, insbesondere seien die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 5 gegenüber dem vorgelegten Stand der Technik neu und beruhten auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
64
Die Beklagte bestreitet, dass die Voraussetzungen einer offenkundigen Vorbenutzung vorliegen und führt dazu aus, soweit eine Lieferung von Geräten überhaupt belegt sei, habe es sich bei diesen jeweils nicht um Standardgeräte, sondern um Vorseriengeräte bzw. Spezialanfertigungen gehandelt, die bei den genannten Firmen, insbesondere B… und I…, erst noch evaluiert und weiterentwickelt worden seien. Dies gehe schon aus den Gerätenummern hervor, die die betreffenden Geräte als Nullserien-Geräte auswiesen, jedenfalls stehe nicht fest, dass diese Waferprober/Chuck-Systeme die streitpatentgemäßen Merkmale aufgewiesen hätten.
65
Weiterhin bestreitet die Beklagte, dass das vom Parteigutachter untersuchte Waferprober/Chuck-System seit der Auslieferung an I… bis zur Zerlegung unverändert geblieben ist. Zudem bestreitet sie, dass der vom Parteigutachter untersuchte Chiller zu dem an die Fa. I… verkauften Gerät gehört.
66
Die Beklagte behauptet ferner, die Lieferungen an B… und I… seien im Rahmen einer gemeinsamen Entwicklung erfolgt, so dass hinsichtlich dieser damals noch zu evaluierenden Geräte von einem zumindest konkludenten Geheimhaltungsinteresse der beteiligten Unternehmen auszugehen sei.
67
Die Beklagte habe zudem seit 1994 eine vertrauliche Geschäftsbeziehung zur Fa. B… unterhalten, innerhalb derer zahlreiche spezialangefertigte Waferprober/Chuck-Systeme geliefert worden seien, und jeweils stillschweigend die gleiche Vertraulichkeit wie bei vorhergehenden vergleichbaren Projekten vorausgesetzt worden sei.
68
Die Beklagte bestreitet weiter, dass die genannten Geräte der Öffentlichkeit zugänglich gewesen sind, denn sie seien bei den vorgenannten Abnehmerfirmen in reinraumähnlichen Bereichen aufgestellt gewesen, die einer Zugangskontrolle unterlegen hätten. Bei der Fa. B… seien die Geräte in einem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Entwicklungslabor evaluiert worden, die dort tätigen Mitarbeiter hätten alle der Geheimhaltung unterlegen. Auch bei der Fa. I… habe nur ein eingegrenzter und zur Geheimhaltung verpflichteter Personenkreis Zugang zu dem Entwicklungsbereich, in dem die Geräte aufgestellt waren, gehabt. Den Kunden, insbesondere I… sei bewusst gewesen, dass sie mit Vorseriengeräten beliefert wurden, so dass schon im eigenen Interesse ein Geheimhaltungsbedürfnis bestanden habe. Zudem sei die erfindungsgemäße Ausbildung auch nicht von außen erkennbar gewesen, da sich die maßgeblichen Teile im Inneren des Chillers befänden und zur Wärmeisolierung mit Polyurethanschaum verschäumt seien. Hätte jemand den Aufbau des Chillers analysieren wollen, so hätte diese Wärmeisolierung zunächst entfernt werden müssen. Hierfür hätte das Gerät außer Betrieb genommen und dann abseits des reinraumähnlichen Betriebsstandorts zerlegt werden müssen, womit es für den Anwender nicht mehr nutzbar gewesen wäre. Zudem hätte eine solche Maßnahme auch zum Erlöschen der Zertifizierung der Anlage geführt. Den Geräten seien auch keine Bedienungsanleitungen beigefügt gewesen, die Aufschluss über die Ausbildung des Chillers gegeben hätten. Angesichts dieser Umstände sei die erfindungsgemäße Ausbildung weder den Anlagenbetreibern noch anderen Personen offenbar geworden. Es liege fern, dass die Endkunden aus bloßer Neugier das Gerät demontierten, da dies wegen des Kältemittels besondere Kenntnisse erfordere und das Gerät anschließend unbrauchbar sei.
69
Die Beklagte hat auch den Darlegungen der Klägerin zu dem Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung sowie der mangelnden Patentfähigkeit gegenüber dem druckschriftlich belegten Stand der Technik widersprochen.
70
Die Klägerin hat die Einreichung des Hilfsantrags II als verspätet gerügt.
71
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung von Zeugen und durch Urkunden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt und insbesondere auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.